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[Das Gericht vertagt sich bis

28. November 1945, 10.00 Uhr.]

Siebenter Tag.

Mittwoch, 28. November 1945.

Vormittagssitzung.

VORSITZENDER: Ich bitte den Anklagevertreter der Vereinigten Staaten das Wort zu ergreifen.

MR. ALDERMAN: Hoher Gerichtshof! Wir möchten das mit dem Buchstaben »N« gekennzeichnete Urkundenbuch vorlegen, welches sich mit dem nächsten Abschnitt des Falles befaßt, den ich vortragen werde. Von den fünf großen Phasen der Durchführung des Angriffskrieges, die ich dem Gerichtshof darlegen will, habe ich nun alle Urkunden, welche die erste Phase betreffen, vorgelegt. Dies war die Phase der Vorbereitungen für den Angriff und dauerte von 1933 bis 1936.

Die zweite lange Phase des auf Angriff zielenden Programms der Verschwörer dauerte von ungefähr 1936 bis März 1939, in welchem Zeitraum sie die Einverleibung Österreichs und die Besetzung der ganzen Tschechoslowakei durchgeführt haben.

Ich möchte abermals die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf die graphische Darstellung an der Wand lenken, deren gelegentliche Betrachtung im Verlauf dieser Darlegungen für Sie von Interesse sein dürfte. Die für den hier behandelten Gegenstand bedeutungsvollen Abschnitte der Anklageschrift können im Abschnitt IV (F), Unterabschnitt 3, auf Seite 7 und 8 des gedruckten englischen Textes, gefunden werden. Dieser Teil der Anklageschrift ist in drei Punkte geteilt.

1. Die von 1936 bis 1938 dauernde Phase, hinsichtlich der Planung und Vorbereitung des Angriffs auf Österreich und die Tschechoslowakei.

2. Die Ausführung des Planes der Invasion Österreichs: November 1937 bis März 1938.

3. Die Ausführung des Planes der Invasion der Tschechoslowakei: April 1938 bis März 1939.

Wie ich bereits vor dem Gerichtshof ausgeführt habe, ist der größte Teil jenes Abschnitts der Anklageschrift, der überschrieben ist «(a) Vorbereitung des Angriffs auf Österreich und die Tschechoslowakei« durch Urkunde 386-PS, die ich am vergangenen Montag als US-25 vorgelegt habe, bewiesen. Dies war eine der wenigen Urkunden, mit welcher ich die Darlegung dieses Teiles des Falles begonnen habe, nämlich das von Oberst Hoßbach angefertigte Protokoll der Konferenz in der Reichskanzlei vom 5. November 1937, bei der Hitler sein politisches Testament entwickelte – den Wunsch, Nazi-Deutschland mehr Raum in Mittel-Europa zu gewinnen – beleuchtete und Vorbereitungen für die Eroberung Österreichs und der Tschechoslowakei traf, die der Stärkung Deutschlands im Rahmen des allgemeinen Angriffsplans der Nazi-Verschwörer dienen sollten.

Ich werde das Material über diese zweite oder österreichische Phase des Angriffs in zwei verschiedener Teilen darleger. Zuerst möchte ich Dokumentenmaterial, das den Angriff gegen Österreich betrifft, vorlegen. Es liegt in dem soeben verteilten Urkundenbuch vor. Später möchte ich das Material über den Angriff auf die Tschechoslowakei vorlegen, welches in einem besonderen Urkundenbuch zusammengefaßt ist. Zunächst möchte ich mit der Zustimmung des Hohen Gerichtshofs die Ereignisse bis zum Herbst 1937 und die strategische Stellung der Nationalsozialisten in Österreich behandeln. Ich möchte darauf hinweisen, daß in dieser Phase die erste volle Blüte desjenigen erscheint, was als Eindringungstechnik der »Fünften Kolonne« in anderen Ländern bekannt geworden ist. Das erste davon ist das nationalsozialistische Ziel: Die Einverleibung Österreichs.

Um besser verstehen zu können, wie die Nazi-Verschwörer nach der in dem Hoßbach-Protokoll aufgezeichneten Konferenz vom 5. November 1937 vorgingen, ist es ratsam, auf die Schritte zurückzublicken, die in Österreich von den deutschen wie von österreichischen Nationalsozialisten schon vorher unternommen worden waren. Die Stellung, die die Nazis gegen Ende des Jahres 1937 erreichten, ermöglichte es ihnen, die Einverleibung Österreichs viel früher und mit viel geringeren Kosten durchzuführen, als sie zur Zeit der in dem Hoßbach-Protokoll festgehaltenen Konferenz angenommen hatten.

Die Besitzergreifung Österreichs war schon lange ein Hauptziel der deutschen Nationalsozialisten gewesen. Auf der ersten Seite seines Buches »Mein Kampf« sagte Hitler: »Das deutsche Österreich muß zum großdeutschen Mutterlande zurückkehren.« Er sagte weiter, daß dieses Ziel, das gemeinsame Blut in einem gemeinsamen Reich zu vereinigen, nicht durch eine Wirtschaftsunion allein befriedigt werden könne. Überdies war die Einverleibung Österreichs vom Jahre 1933 an ein Ziel der Nazis gewesen, das sie als dringendsten Programmpunkt betrachteten und unbedingt ausführen wollten.

Hier möchte ich unser Dokument 1760-PS als US-57 dem Gerichtshof vorlegen. Dieses Dokument enthält eine eidesstattliche Erklärung, die in Mexico City am 28. August dieses Jahres von George S. Messersmith, dem jetzt in Mexico City weilenden Botschafter der Vereinigten Staaten, abgegeben wurde. Ehe ich aus der eidesstattlichen Erklärung von Herrn Messersmith zitiere, möchte ich kurz feststellen, daß Herr Messersmith von 1930 bis zum späten Frühling des Jahres 1934 Generalkonsul der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin war. Später wurde er Amerikanischer Gesandter in Wien, wo er bis zum Jahre 1937 blieb.

In seiner eidesstattlichen Erklärung sagt er, daß die Art seiner Arbeit ihn häufig in Berührung mit deutschen Regierungsbeamten brachte, und er berichtet weiter, daß die Nazi-Regierungsbeamten, die er traf, in Gesprächen erstaunlich offen waren und ihre Ziele nicht verbargen.

Hoher Gerichtshof! Diese ziemlich lange eidesstattliche Erklärung stellt ein neues Verhandlungsproblem dieses Falles dar. Ich möchte die eidesstattliche Erklärung, wenn dies möglich ist, als Beweismittel vorlegen, statt sie ganz zu lesen, und zwar nicht nur das englische Original, sondern auch die vervielfältigte deutsche Übersetzung.

Die deutsche Übersetzung der eidesstattlichen Erklärungen ist an die Verteidiger verteilt worden.

DR. EGON KUBUSCHOK, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN VON PAPEN: Es ist soeben ein Affidavit überreicht worden, ein Affidavit von einem Zeugen, der erreichbar ist. Der Inhalt des Affidavits bringt so viele subjektive Meinungen des Zeugen, daß es unerläßlich ist, über dasjenige, was das Affidavit wiedergibt, den Zeugen persönlich zu hören.

Ich bitte bei dieser Gelegenheit um die prinzipielle Entscheidung, ob in dem Prozeßverfahren über das, was ein Zeuge aus eigenem Wissen aussagen kann, ein Affidavit als Prozeßstoff in den Prozeß eingeführt werden kann, oder ob bei lebenden und erreichbaren Zeugen das Prinzip der unmittelbaren mündlichen Verhandlung angewendet werden soll, dieser Zeuge also direkt zu vernehmen ist.

MR. ALDERMAN: Hoher Gerichtshof! Ich möchte einige Worte zu diesem Punkt bemerken.

VORSITZENDER: Sind Sie fertig mit dem, was Sie sagen wollten?

DR. KUBUSCHOK: Ja.

VORSITZENDER: Gut, wir wollen hören, was Sie zu sagen haben, Herr Alderman.

MR. ALDERMAN: Hoher Gerichtshof! Ich erkenne natürlich die Beweisschwäche einer eidesstattlichen Erklärung an, wenn der Zeuge nicht anwesend ist und daher einem Kreuzverhör nicht unterworfen werden kann. Herr Messersmith ist ein älterer Herr. Sein Gesundheitszustand ist nicht gut. Es wäre undurchführbar, ihn hierher bringen zu wollen. Wir hätten es nämlich sonst getan. Ich möchte den Gerichtshof auf Artikel 19 des Statuts verweisen:

»Der Gerichtshof ist an Beweisregeln nicht gebunden. Er soll in weitem Ausmaß ein schnelles und nicht formelles Verfahren anwenden und jedes Beweismittel, das ihm Beweiswert zu haben scheint, zulassen.«

Natürlich würde der Gerichtshof die eidesstattliche Versicherung dem Beweisergebnis nicht zu Grunde legen können, wenn er nicht der Überzeugung ist, daß ihr Beweiswert zuzumessen sei. Sollten die Angeklagten imstande sein, Gegenbeweise zu erbringen, die den Beweiswert dieser eidesstattlichen Erklärung entkräftigen können, so wird der Gerichtshof natürlich den ganzen Beweisstoff gemäß den Bestimmungen des Statuts würdigen. Im großen und ganzen betrifft diese und eine andere eidesstattliche Erklärung des Herrn Messersmith, die wir noch vorlegen werden, Dinge, die sich im Hintergrund abspielten und historische Tatsachen geworden sind, von denen der Gerichtshof amtlich Kenntnis nehmen könnte. Wo überraschend Meinungsäußerungen der Nazi-Führer zitiert werden, steht es jedem von ihnen frei, seine Zitate als unrichtig anzufechten oder dem Gerichtshof gegenüber zu erklären, was er tatsächlich gesagt habe. Jedenfalls scheint es mir, daß der Gerichtshof eine eidesstattliche Erklärung dieser Art, die von einem wohlbekannten amerikanischen Diplomaten abgegeben wurde, als Beweis zulassen und ihr den Beweiswert beimessen kann, den es in den Augen des Gerichtshofs hat.

Was die Frage der Verlesung der ganzen eidesstattlichen Versicherung betrifft, so verstehe ich die Entscheidung des Gerichtshofs dahin, daß nur jene Teile von Urkunden, die verlesen wurden, ins Protokoll aufgenommen werden. Grund für diese Entscheidung war, daß man den deutschen Verteidigern Kenntnis über das tatsächlich verwendete Beweismaterial geben muß. Was diese eidesstattlichen Erklärungen anbelangt, so haben wir ihnen vollständige deutsche Übersetzungen gegeben. Es erscheint uns deswegen angebracht, eine andere Verfahrensregel aufzustellen, die dem Rechnung trägt.

VORSITZENDER: Herr Alderman, haben Sie beendet, was Sie sagen wollten?

MR. ALDERMAN: Ja.

DR. KUBUSCHOK: Der Herr Anklagevertreter steht auf dem Standpunkt, daß wegen des Alters und der Gebrechlichkeit des Zeugen seine Vernehmung untunlich ist. Ich kenne den Zeugen nicht und weiß nicht, wie weit er tatsächlich nicht in der Lage ist, hierher zu kommen. Prinzipiell bestehen aber gegen die Vorlegung eines Affidavits gerade eines gebrechlichen, eines alten Zeugen, die größten Bedenken. Dem Gericht ist keine Gelegenheit gegeben, wie weit – ich spreche jetzt ganz prinzipiell, nicht von Herrn Messersmith – wie weit die Gebrechlichkeit geht, um eventuell einen Einfluß auf sein Gedächtnis und seine Urteilsfähigkeit zu haben. Gerade in diesem Falle ist die persönliche Anhörung vor dem Gericht unerläßlich. Es ist weiterhin wichtig, zu wissen, welche Fragen insgesamt dem betreffenden Zeugen bei der Vernehmung gestellt worden sind, da ein Affidavit ja nur dasjenige wiedergibt, was als Antwort gegeben und protokolliert worden ist. Gerade aber aus den nicht beantworteten Fragen lassen sich sehr oft die erforderlichen Rückschlüsse für die Verwendbarkeit einer Zeugenaussage ziehen. Wenn wir infolgedessen hier lediglich auf eine Beweiswürdigung auf Grund eines Affidavits angewiesen sind, so können wir in keiner Weise mit Sicherheit annehmen, daß dies die vollständige Ansicht des Zeugen ergibt. Ich bin auch nicht der Ansicht der Staatsanwaltschaft, die hier gewissermaßen zwei Beweisverfahren von verschiedenem Wert einführen will, eine vollwertige durch Vernehmung eines Zeugen und eine weniger vollständige durch Einführung eines Affidavits. Entweder es reicht etwas zum Beweise aus, oder es reicht nicht aus. Das Gericht kann sich nur an vollgültige Beweismöglichkeiten halten.

VORSITZENDER: Wollten Sie etwas hinzufügen?

MR. ALDERMAN: Ich möchte das, was ich vorher sagte, wie folgt korrigieren. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, daß Herr Messersmith gesundheitlich behindert ist. Er ist ein alter Herr – ungefähr 70 Jahre alt – im aktiven Dienst in Mexico City, und die Hauptschwierigkeit bestand darin, daß wir ihn von seinen Amtspflichten nicht wegrufen und ihn in seinem Alter der langen Reise nicht aussetzen zu sollen glaubten.

VORSITZENDER: Ist das alles?

MR. ALDERMAN: Ja.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat über den Einspruch, der erhoben wurde, beraten und angesichts der Machtbefugnisse des Gerichtshofs gemäß Artikel 19 des Statuts, wonach der Gerichtshof nicht durch technische Beweisregeln gebunden ist, sondern ein schnelles und nicht formelles Verfahren anwenden soll und jedes Beweismittel, das ihm Beweiswert zu haben scheint, zulassen soll. Angesichts dieser Vorschriften entscheidet der Gerichtshof, daß die eidesstattlichen Erklärungen vorgelegt werden können, und daß dies im gegenwärtigen Falle zulässig ist. Die Frage des Beweiswertes einer eidesstattlichen Erklärung, im Vergleich zu einer Aussage eines im Kreuzverhör vernommenen Zeugen, würde vom Gerichtshof natürlich erwogen werden, und sollte der Gerichtshof später der Ansicht sein, daß die Anwesenheit eines Zeugen von größter Wichtigkeit ist, so kann diese Angelegenheit nochmals erörtert werden. Der Gerichtshof fügt folgendes hinzu: sollte die Verteidigung Fragen an den Zeugen zu stellen wünschen, so ist ihr dies freigestellt.

MR. ALDERMAN: Ich lege nun unsere Urkunde 1760-PS, US-57, die eidesstattliche Erklärung von George S. Messersmith vor.

Statt die ganze eidesstattliche Erklärung zu lesen, es sei denn, der Gerichtshof wünscht es, hatte ich vor, den Inhalt der einzelnen Teile zusammengefaßt wiederzugeben.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hält es für besser, daß Sie den erlassenen Verfahrensvorschriften entsprechen, nämlich, daß nur das, was vor dem Gerichtshof verlesen wird, einen Teil des Protokolls bildet.

MR. ALDERMAN: Ich werde also auf der dritten Seite des englischen vervielfältigten Textes lesen, und zwar den vierten Absatz, dem eine Namensliste folgt, beginnend mit dem Präsidenten von Österreich, Miklas, und dem Kanzler Dollfuß.

»Gleich nachdem die Nazis ans Ruder kamen, wurde mir von hohen als auch von nachgeordneten Regierungsbeamten Deutschlands gesagt, daß der Anschluß Österreichs an Deutschland eine politische und wirtschaftliche Notwendigkeit sei, und daß dieser Anschluß durchgeführt werden würde, gleichgültig, welche Mittel dazu notwendig wären. Obwohl ich weder Ort noch Zeit genau angeben kann, kann ich versichern, daß bei verschiedenen Gelegenheiten jeder einzelne der deutschen Funktionäre, die ich früher aufgezählt, mit Ausnahme von Schacht, von Krosigk und Krupp von Bohlen, mir das gleich mitgeteilt hat. Ich kann versichern, daß jedermann in Deutschland, der Kenntnis hatte von dem, was vorging, genau wußte, daß Hitler und die Nazi-Regierung absolut entschlossen waren, von diesem Ziel nicht abzugehen. Der einzige Zweifel, der je in Gesprächen oder Erklärungen an mich bestand, betraf das ›wie‹ und ›wann‹.«

Hierbei möchte ich auf die Liste der deutschen Amtsträger hinweisen, die auf Seite 2 der eidesstattlichen Erklärung genannt sind, und zwar Hermann Göring, General Milch, Hjalmar Schacht, Hans Frank, Wilhelm Frick, Graf Schwerin von Krosigk, Joseph Goebbels, Richard Walter Darré, Robert Ley, Hans Heinrich Lammers, Otto Meißner, Franz von Papen, Walther Funk, General Wilhelm Keitel, Admiral Erich Raeder, Admiral Karl Dönitz, Dr. Bohle, Dr. Stuckart, Dr. Krupp von Bohlen, Dr. Davidson.

In der eidesstattlichen Erklärung gibt er seiner Überzeugung Ausdruck, daß jeder der genannten deutschen Amtsträger zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten ihm gegenüber eine solche Erklärung gemacht habe, mit Ausnahme von Schacht, von Krosigk und Krupp von Bohlen.

Ich setze nun im nächsten Absatz fort:

»Zu Beginn des Nazi-Regimes im Jahre 1933 war Deutschland natürlich viel zu schwach, um es wagen zu können, ein Land offen mit Gewalt zu bedrohen, wie die Nazis dies 1938 taten. Statt dessen war es die offen zugegebene und auch kundgemachte Politik der Nazi- Regierung, die gleichen Ergebnisse, die sie tatsächlich später mit Gewalt erreichten, mit den gleichen Methoden, die sich in Deutschland bereits als erfolgreich erwiesen hatten, erreichen zu wollen, nämlich einen Stützpunkt in der Regierung zu gewinnen, in erster Linie im Ministerium des Innern, das die Polizei kontrollierte, und dadurch rasch alle oppositionellen Elemente auszumerzen. Während meines Aufenthalts in Österreich wurde mir von Kanzler Dollfuß, Kanzler Schuschnigg, Präsident Miklas und anderen hohen Funktionären der österreichischen Regierung immer wieder mitgeteilt, daß die Deutsche Regierung dauernd und unaufhörlich einen Druck auf die österreichische Regierung ausübe, um zu erreichen, daß eine gewisse Anzahl von Ministern mit Nazi-Einstellung in die Regierung aufgenommen werde. Der Englische und der Französische Gesandte in Wien, mit denen ich in dauernder naher Verbindung stand, bestätigten dies und erklärten, dies auf Grund von Gesprächen mit hohen österreichischen Beamten zu wissen.«

Ich werde im Verlaufe des Beweisverfahrens weitere Stellen der eidesstattlichen Erklärung verlesen. Diese behandeln den Druck, der auf Österreich mit Terror und Einschüchterung ausgeübt wurde und schließlich zum erfolglosen Putsch vom 26. Juli 1934 führte. Um ihr Ziel zu erreichen, übten die Nazis auf jede nur mögliche Art Druck aus. Zu allererst wendeten sie wirtschaftlichen Druck an. Mit dem deutschen Gesetz vom 24. März 1933 wurde eine Geldstrafe von 1000 Reichsmark auf Reisen nach Österreich gesetzt. Dies bedeutete eine große Belastung für dieses Land, das auf Fremdenverkehr angewiesen war. Ich verweise auf das Reichsgesetzblatt, 1933, Teil I, Seite 311. Ich ersuche den Gerichtshof, den Inhalt dieses Gesetzes amtlich zur Kenntnis zu nehmen.

Die Nazis bedienten sich der Propaganda und begingen Terrorakte, besonders Bombenanschläge. Die eidesstattliche Erklärung von Herrn Messersmith, 1760-PS, aus der ich bereits verlesen habe, beschreibt in Einzelheiten diese Terrorakte.

Ich verlese jetzt von Seite 4 des Affidavits den englischen Text des zweiten Absatzes derselben Seite:

»Die Gewalttätigkeiten traten beinahe dauernd in Erscheinung, aber während dreier, deutlich hervortretender Perioden erreichten sie ihre Höhepunkte. Im Verlauf der beiden ersten Perioden – Mitte 1933 und Anfang 1934 – war ich noch in Berlin. Während dieser Periode wurde mir von hohen Nazi-Funktionären gelegentlich einer Besprechung mit denselben mitgeteilt, daß diese Terrorwellen von ihnen angestiftet und geleitet seien. In diesen meinen Unterredungen mit den hohen Nazi-Beamten fand ich keine Verschleierung der Tatsache, daß sie für diese Tätigkeiten in Österreich verantwortlich waren. Dieses Geständnis stimmte genau mit der Nazi- These überein, nämlich, daß Terror notwendig ist und dazu benutzt werden muß, um den Willen der Partei nicht nur Deutschland, sondern auch anderen Ländern aufzuzwingen. Ich erinnere mich ganz deutlich daran, daß General Milch einer derjenigen war, welche sich offen darüber aussprachen, daß diese Gewalttätigkeiten in Österreich von der Nazi-Partei geleitet seien und der seiner Besorgnis diesbezüglich Ausdruck gab, ebenso seine Mißbilligung mit dieser bestimmten Politik der Partei.«

Dann der nächste Absatz:

»Während der Welle terroristischer Ereignisse im Mai und Juni 1934 hatte ich bereits meine Pflichten als Amerikanischer Gesandter in Wien übernommen. Die Bombenattentate dieses Zeitabschnitts waren in erster Linie gegen Eisenbahnen, Touristenzentren und die katholische Kirche gerichtet, welche in den Augen der Nazis eine der stärksten Organisationen war, die ihnen Widerstand entgegensetzte. Ich erinnere mich jedoch, daß diese Gewalttätigkeiten bestimmt während einiger Tage, nämlich während der Zusammenkunft Hitlers mit Mussolini in Venedig Mitte Juni 1934, stark nachließen. Zu dieser Zeit unterstützte Mussolini die österreichische Regierung in starker Weise und war sowohl an der Aufrechterhaltung der österreichischen Unabhängigkeit und der Hoheitsrechte als auch an der Niederhaltung des Nazi-Einflusses und der Nazi-Betätigung in Österreich stark und tief interessiert. Zu dieser Zeit konnte sich Hitler einen Bruch mit Mussolini nicht erlauben und erklärte sich zweifellos mit einer kurzen Einstellung dieser Bombenattentate einverstanden, wor auf Mussolini ausdrücklich bestand, weil er, Hitler, persönlich für dieses Treffen mit Mussolini eine möglichst günstige Atmosphäre haben wollte. Die Einstellung der Bombenanschläge während der Hitler-Mussolini-Konferenz wurde sowohl von mir als auch von österreichischen Behörden und allen Beobachtern damals als ein offenes Zugeständnis Hitlers und der Deutschen Regierung dafür angesehen, daß die Anschläge planmäßig angestiftet und von Deutschland überwacht wurden.«

Ich gehe jetzt auf Seite 7 des englischen Textes über, und zwar auf die Stelle nach der folgenden Zeile: »Amtliche Nachricht aus Wien, 26. Juli 1934«; ich zitiere:

»Außer diesen Gewalttaten versuchten die Nazis durch Verwendung der ›Österreichischen Legion‹ einen Druck auf Österreich auszuüben. Diese Organisation, eine militärähnliche Streitmacht von mehreren tausend Mann, war nahe der österreichischen Grenze in Deutschland untergebracht, als eine dauernde und direkte Bedrohung Österreichs mittels Gewalttaten. Sie wurde ganz zweifellos von der Nazi-Regierung Deutschlands sanktioniert, da sie anders gar nicht hätte bestehen können und war von ihr bewaffnet worden. Sie war aus österreichischen Nazis zusammengesetzt, die aus Österreich nach dem Begehen zahlreicher Verbrechen dorthin geflohen waren, und aus Österreichern in Deutschland, die sowohl das müßige Leben als auch die Bezahlung durch deutsche Behörden als sehr anziehend fanden.«

Diese Terrorakte der Nazis in Österreich dauerten bis zum 25. Juli 1934. Es ist eine bekannte historische Tatsache, von der ich den Gerichtshof amtlich Kenntnis zu nehmen bitte, daß an diesem Tage Mitglieder der NSDAP (Nazi-Partei) einen revolutionären Putsch in Österreich durchzuführen versuchten und Kanzler Dollfuß ermordeten.

Hier möchte ich nun darauf aufmerksam machen, daß die Anklageschrift in Punkt IV, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Absatz B, auf Seite 26 des englischen gedruckten Textes, anführt, die Nazis hätten nebst anderen Kanzler Dollfuß ermordet. Ich besitze keinen offiziell beglaubigten Bericht über die Einzelheiten des Putsches. Ich glaube, es wird genügen, wenn ich den Gerichtshof kurz an die Tatsachen dieses bereits historischen Falles erinnere. Gegen Mittag des 25. Juli 1934 überrannten ungefähr hundert Mann in Uniform der österreichischen Armee das Bundeskanzleramt. Kanzler Dollfuß wurde bei seinem Fluchtversuch durch zwei aus unmittelbarer Nähe abgegebene Schüsse verwundet. Das Rundfunkgebäude im Herzen der Stadt wurde gestürmt; der Ansager wurde gezwungen zu verkünden, daß Kanzler Dollfuß zurückgetreten sei und Dr. Rintelen sein Amt übernommen habe. Obgleich der Putsch fehlschlug, vermochten die Aufständischen, das Gebäude des Bundeskanzleramtes zu halten und sie beschlossen, es erst aufzugeben, wenn ihnen freies Geleit zur deutschen Grenze zugesichert würde. Sie setzten sich mit dem Deutschen Botschafter, Dr. Rieth, in telephonische Verbindung und verhandelten später privat mit ihm im Gebäude. Gegen 7 Uhr abends gaben sie das Gebäude auf, aber Kanzler Dollfuß starb um 6 Uhr abends, ohne ärztliche Hilfe gehabt zu haben.

Es ist ebenfalls eine bekannte historische Tatsache, daß die Deutsche Regierung jegliche Mitschuld an dem Putsch und dem Meuchelmord abstritt. Hitler berief Dr. Rieth als Botschafter ab, da dieser den Aufständischen sicheres Geleit zugestanden hatte, ohne bei der Deutschen Regierung anzufragen, und dadurch in den Augen der Öffentlichkeit das Deutsche Reich grundlos in innere österreichische Angelegenheiten hineingezogen hatte.

Diese Erklärung erscheint in einem Briet vom 26. Juli 1934, den Hitler an den Angeklagten von Papen sandte. Ich werde diesen Briet später vorlegen.

Obwohl die Deutsche Regierung jede Kenntnis und Verbindung mit diesem Putsch leugnete, haben wir genügend Grund zur Annahme, daß die deutschen Nazis die Verantwortung für diese Ereignisse tragen. Im Hinblick auf die etwas untergeordnete Bedeutung beabsichtigte ich nicht, mich mit dem umfangreichen Prozeßbericht gegen den österreichischen Nazi Planetta und andere zu befassen, die wegen Ermordung des Kanzlers Dollfuß abgeurteilt worden sind. Ebenfalls habe ich nicht die Absicht, dem Gerichtshof den Inhalt des österreichischen »Braunbuchs«, herausgegeben nach dem 25. Juli, vorzutragen, wenn der Gerichtshof nicht amtlich davon Kenntnis nehmen will. Ich möchte lieber einige andere Punkte erwähnen, die in dieser Verbindung meiner Ansicht nach genügen werden. Ich zitiere wieder aus unserer Urkunde 1760-PS, US-57, das ist Messersmiths eidesstattliche Erklärung auf Seite 7, der Absatz in der Mitte der Seite:

»Die Ereignisse des Putsches am 25. Juli 1934 sind zu gut bekannt, um sie in dieser Aussage zu wiederholen. Ich möchte hier nur sagen, daß keine Zweifel bestehen können darüber, daß der Putsch durch Nazi-Funktionäre in Deutschland durch ihre Organisationen in Österreich angeordnet und aufgezogen war. Dr. Rieth, der Deutsche Gesandte in Wien, war vollständig vertraut mit allem, was zu erwarten war und auch mit allem, was geplant war.

Die Deutsche Gesandtschaft befand sich unmittelbar der Britischen Gesandtschaft gegenüber, und die österreichische Geheimpolizei beobachtete scharf, wer die Deutsche Gesandtschaft betrat. Die Engländer hatten damals ihren eigenen Geheimdienst in Wien und überwachten auch diskret die Leute, die die Deutsche Gesandtschaft betraten. Mir wurde sowohl von englischen als österreichischen Beamten gesagt, eine Anzahl der Leute, die später von österreichischen Behörden als mit dem Putsch verwickelt befunden waren, zählten zu den jenigen, die in der Deutschen Gesandtschaft aus- und eingingen. Außerdem verfolgte ich selbst mit wachsamen Augen die Tätigkeiten des Dr. Rieth; und auf Grund all meiner Information war ich sicher, daß Dr. Rieth in enger und ununterbrochener Verbindung mit den Nazi-Agenten in Österreich war; diese Agenten waren sowohl Deutsche als auch Österreicher. Dr. Rieth konnte nicht umhin, mit dem Putsch und den Einzelheiten bekannt zu sein. Ich erinnere mich ganz genau, aus meinen Unterhaltungen mit den höchsten österreichischen Regierungsbeamten nach dem Putsch, daß sie sich informierten, Dr. Rieth habe mit Dr. Rintelen Fühlung gehabt, der, sollte der Putsch gelingen, nach den Nazi-Plänen zum Nachfolger von Dollfuß bestimmt war.

Es kann möglich sein, daß Dr. Rieth persönlich den Plänen für den Putsch nicht sympathisch gegenüberstand, aber es steht außer Frage, daß er durchaus vertraut mit ihnen war, und daß er seine Zustimmung dazu gegeben haben muß und damit einverstanden war.

Da dieser Putsch so wichtig war und einen ausgesprochenen Versuch darstellte, die österreichische Regierung zu stürzen, und da er die Ermordung des österreichischen Kanzlers zur Folge hatte, nahm ich die Gelegenheit wahr, selbst verschiedene Zeugnisse zu überprüfen, die zeigen, daß der Putsch nicht nur mit Kenntnis der Deutschen Regierung unternommen, sondern von ihr ersonnen war. Ich stellte fest und fand es bestätigt, daß nahezu ein Monat vor dem Putsch Goebbels zu Signor Cerutti, dem Italienischen Botschafter in Berlin, sagte, daß binnen eines Monats eine Nazi-Regierung in Wien bestehen werde.«

Ich möchte auch das Tagebuch des Botschafters Dodd 1933-1938 als Beweisstück vorlegen, ein Buch, das 1941 veröffentlicht wurde – unser Dokument 2832-PS, US-58 – und besonders die Eintragungen vom 26. Juli 1934. Wir besitzen die zwei Seiten des Buches, auf die ich Bezug nehme.

Herr Dodd, zu jener Zeit Botschafter in Berlin, machte in diesen Eintragungen folgende Bemerkungen: zuerst erklärte er, daß ihm Ernst Hanfstaengl im Februar 1934 mitgeteilt habe, er habe Hitler eine Botschaft von Mussolini überbracht, die praktisch den Befehl enthielt, Österreich in Ruhe zu lassen und Theodor Habicht, den deutschen Agenten in München, der den Anschluß Österreichs betrieb, zum Schweigen zu bringen und zu entlassen. Am 18. Juni verpflichtete sich Hitler angeblich Mussolini gegenüber in Venedig, Österreich in Frieden zu lassen. Weitere Bemerkungen Herrn Dodds lauten, und ich zitiere aus seinen Eintragungen vom 26. Juli 1934:

»Am Montag, dem 23. Juli, nach wiederholten Bombenanschlägen der Nazis in Österreich, wurde ein Schiff mit Explosionsmaterial am Bodensee von der Schweizer Polizei beschlagnahmt. Es handelte sich um eine Sendung deutscher Bomben und Munition von einer Munitionsfabrik nach Österreich. Das war meiner Ansicht nach ein böses Vorzeichen, aber andererseits kamen solche Sachen so häufig vor, daß ich es erst gar nicht nach Washington meldete.

Heute wurde Beweismaterial auf meinen Schreibtisch gelegt, daß die Regierung gestern noch spät am Abend, um 11 Uhr, eine formelle Erklärung an die Zeitungen gegeben habe, die Genugtuung über den Sturz von Dollfuß auszudrücken und Großdeutschland zu proklamieren, das logischerweise folgen müsse. Der Deutsche Gesandte in Wien hatte selbst geholfen, die neue Regierung zu bilden. Wie wir jetzt wissen, hatte er ein Versprechen erpreßt, daß die Bande der österreichischen Nazi-Mörder unbehelligt nach Deutschland gehen dürfte. Jedoch war es um ungefähr 12 Uhr klar, daß obwohl Dollfuß selbst tot war, die loyalen Österreicher das Regierungsgebäude umstellt und so die Organisierung einer neuen Nazi-Herrschaft vereitelt hatten. Die Mörder wurden als Gefangene bewacht. Daher verbot das deutsche Propagandaministerium die Veröffentlichung der eine Stunde vorher ausgesandten Nachrichten und versuchte, alle Ausgaben, die bereits verteilt worden waren, wieder einzusammeln. Heute brachte mir ein Freund eine Abschrift.

Heute früh bedauerten alle deutschen Zeitungen den grausamen Mord und erklärten, daß es sich bloß um einen Schlag von unzufriedenen Österreichern und nicht von Nazis gehandelt hätte. Nachrichten aus Bayern besagen, daß Tausende von österreichischen Nazis, die mit deutscher Unterstützung ein Jahr lang In Bayern gelebt hatten, schon seit zehn Tagen sehr aktiv gewesen seien; einige hätten die Grenze illegal überschritten, aber alle exerzierten fleißig und machten sich bereit, nach Österreich zurückzukehren. Der deutsche Propagandist Habicht hielt nach wie vor Radioansprachen über die Notwendigkeit, das alte Reich der Habsburger dem Dritten Reich anzuschließen, trotz aller Versprechungen Hitlers, ihn zum Schweigen zu bringen. Aber jetzt, wo das Treiben fehlgeschlagen ist und die Meuchelmörder im Gefängnis in Wien sitzen, läßt die Deutsche Regierung alle diejenigen fallen, die behaupten, daß Berlin irgendwie geholfen hätte.

Ich glaube, es wird eines Tages klar werden, daß Millionen von Dollars und viele Waffen seit dem Frühjahr 1933 ständig nach Österreich befördert wurden. Die ganze Welt verurteilt wieder einmal mehr die Hitler- Herrschaft. In der ganzen Neuzeit war keine Nation je so unpopulär wie Nazi-Deutschland. Dieser Schlag vervollständigt das Bild. Ich nehme an, ich werde eine ganze Reihe schwerer Verurteilungen in den amerikanischen Zeitungen lesen, wenn sie in ungefähr zehn Tagen hier eintreffen werden.«

Wie ich vorher erwähnte, leugnete die Deutsche Regierung jede Verbindung mit dem Putsch und der Ermordung Dollfuß' ab. In diesem Zusammenhang möchte ich die Aufmerksamkeit auf den Briet Hitlers vom 26. Juli 1934, der die Ernennung des Angeklagten von Papen enthielt, lenken. Dieser Brief ist im offiziellen deutschen Nachschlagewerk ›Dokumente der Deutschen Politik‹ Band 2, Seite 137, veröffentlicht. Wir haben es aus Gründen der Bequemlichkeit als Urkunde 2799-PS bezeichnet, und eine ins Englische übersetzte Abschrift ist im Dokumentenbuch enthalten. Die Angeklagten können den deutschen Text in ›Dokumente der Deutschen Politik‹ prüfen. Eine Kopie hiervon halte ich in meinen Händen: Seite 137 des zweiten Bandes. Ich beantrage, den Inhalt dieser in der deutschen Sprache abgefaßten, in Maschinenschrift geschriebenen Urkunde amtlich zur Kenntnis zu nehmen.

Ich möchte diesen Brief des Reichskanzlers Hitler an Vizekanzler von Papen verlesen. Ich glaube, dies wird uns einen kleinen historischen Überblick geben und vielleicht unsere Erinnerung, wie die Nazi-Verschwörer arbeiteten, auffrischen. Bei der Beurteilung des Briefes Hitlers an den Angeklagten von Papen vom 26. Juli 1934 dürfen wir einen interessanten Nebenumstand, der damals weitverbreitet wurde, nicht vergessen – ich betone, daß es nur ein weitverbreitetes Gerücht war –, daß der Angeklagte von Papen der Säuberungsaktion vom 30. Juni 1934, welcher Ernst Röhm und andere zum Opfer fielen, nur mit knapper Not entging. Der Brief Hitlers an von Papen lautet:

»Sehr verehrter Herr von Papen!

In Verfolg der Ereignisse in Wien habe ich mich gezwungen gesehen, dem Herrn Reichspräsidenten die Enthebung des Deutschen Gesandten in Wien, Dr. Rieth, von seinem Posten vorzuschlagen, weil er auf Aufforderung österreichischer Bundesminister bzw. der österreichischen Aufständischen sich bereitfinden ließ, einer zwischen diesen Beiden getroffenen Abmachung bezüglich freien Geleits und Abzuges der Aufständischen nach Deutschland ohne Rückfrage bei der Deutschen Reichsregierung seine Zustimmung zu geben. Der Gesandte hat damit ohne jeden Grund das Deutsche Reich in eine interne österreichische Angelegenheit hineingezogen. Das Attentat gegen den österreichischen Bundeskanzler, das von der Deutschen Reichsregierung auf das schärfste verurteilt und bedauert wird, hat die an sich schon labile politische Lage Europas ohne unsere Schuld noch weiter verschärft. Es ist daher mein Wunsch, wenn möglich, zu einer Entspannung der Gesamtlage beizutragen und insbesondere das seit langem getrübte Verhältnis zu dem deutsch-österreichischen Staat wieder in normale und freundschaftliche Bahnen geleitet zu sehen.

Aus diesem Grunde richte ich die Bitte an Sie, sehr verehrter Herr von Papen, sich dieser wichtigen Aufgabe zu unterziehen, gerade weil Sie seit unserer Zusammenarbeit im Kabinett mein vollstes und uneingeschränktes Vertrauen besaßen und besitzen.

Ich habe daher dem Herrn Reichspräsidenten vorgeschlagen, daß Sie unter Ausscheiden aus dem Reichskabinett und Entbindung von dem Amt als Saarkommissar für eine befristete Zeit in Sondermission auf den Posten des Deutschen Gesandten in Wien berufen werden. In dieser Stellung werden Sie mir unmittelbar unterstehen.

Indem ich Ihnen auch heute noch einmal danke für alles, was Sie einst für die Zusammenführung der Regierung der nationalen Erhebung und seitdem gemein sam mit uns für Deutschland getan haben,