bin ich Ihr sehr ergebener
Adolf Hitler.«
Wir wollen nun die Lage vier Jahre später betrachten, am 25. Juli 1938, nach dem Anschluß Österreichs. Zu dieser Zeit drückten die hohen deutschen Beamten nicht mehr ihr Bedauern über den Tod von Dr. Dollfuß aus. Nur zu bereitwillig enthüllten sie, was der Welt bereits bekannt war, nämlich daß sie sich mit dem Mord an dem früheren Kanzler identifizierten und diesen begünstigt hatten.
Ich lege jetzt Dokument L-273, US-59 vor. Dieses Dokument ist ein Bericht des Amerikanischen Generalkonsuls in Wien an den Amerikanischen Außenminister vom 26. Juli 1938. Bedauerlicherweise ist das englische Original infolge eines technischen Versehens nicht englisch vervielfältigt worden und ist daher in Ihrem Dokumentenbuch nicht enthalten. Es wurde jedoch ins Deutsche übersetzt und ist im Dokumentenbuch der Verteidigung enthalten. Ich lese aus einer Photokopie dieses Berichtes:
»Die zwei Höhepunkte der Feierlichkeiten waren die Gedächtnisfeier am 24. in Klagenfurt, der Hauptstadt der Provinz Kärnten, wo 1934 der Wiener Nazi-Aufstand den größten Anklang gefunden hatte, und der Marsch vom 25. nach dem vormaligen Bundeskanzleramt durch die am Leben gebliebenen Mitglieder der SS-Standarte 89, die 1934 den Angriff auf das Bundeskanzleramt ausgeführt hatten – sozusagen eine Rekonstruktion der Tat. Die versammelten Tausende in Klagenfurt hörten einer Ansprache des Stellvertreters des Führers, Rudolf Heß, zu, in Gegenwart der Familien der dreizehn Nationalsozialisten, die wegen Beteiligung am Juli-Putsch gehängt worden waren. Die Klagenfurter Gedenkfeier diente gleichzeitig als Anlaß der feierlichen Vereidigung der kürzlich ernannten Gauleiter der Ostmark.
Vom Standpunkt des Auslandes war die Rede des Reichsministers Heß hauptsächlich bemerkenswert durch die Tatsache, daß er, nachdem er die erste Hälfte seiner Ansprache der erwarteten Lobpreisung der Aufopferung der Männer, Frauen und Jugend Österreichs in ihrem Kampf für Großdeutschland gewidmet hatte, in eine Rechtfertigung für die Besetzung Österreichs und einen Angriff auf die ›lügnerische Auslandspresse‹ und gegen diejenigen, welche die Idee eines neuen Krieges verbreiteten, überging. Die Welt könne glücklich sein, erklärte Heß, daß Deutschlands Führer ein Mann sei, der sich nicht herausfordern lasse. ›Der Führer tut das, was für das Wohlsein seines Volkes notwendig ist, in erhabener Ruhe‹ ... und er setzt sich für den Frieden Europas ein, sogar dann, wenn Provokateure ›unter vollständiger Außerachtlassung der offenbaren Bedrohung des Friedens für gewisse kleine Staaten‹ hinterlistig behaupten, daß er eine Gefahr für den Frieden Europas bedeute.
Der Marsch nach dem vormaligen Bundeskanzleramt,« – nun geht er auf den Putsch vor vier Jahren zu rück – »das jetzt die Reichsstatthalterei ist, erfolgte über ganz genau dieselben Straßen und mit genau derselben Zeiteinteilung wie der ursprüngliche Angriff. Die Marschteilnehmer wurden an der Kanzlei von Reichsstatthalter Seyß-Inquart begrüßt, der eine Ansprache hielt und darauf eine Gedenktafel enthüllte.«
Die »Standarte 89« ist jene SS-Einheit, die ursprünglich den Angriff vornahm und nun, vier Jahre später, bei dieser Gelegenheit aufmarschierte.
»Von der Reichsstatthalterei marschierte die Standarte nach dem alten RAVAG-Rundfunkhaus, von dem seinerzeit die falschen Berichte über die Abdankung von Dollfuß gesendet worden waren, und dort wurde eine zweite Gedenktafel enthüllt. Steinhäusl, der gegenwärtige Polizeipräsident von Wien, ist Mitglied der SS-Standarte 89.«
Die Gedenktafel selbst, Hoher Gerichtshof, ist heute zertrümmert, wie so viel hier in Nürnberg; aber wir fanden eine Photographie in der Wiener Nationalbibliothek. Ich möchte diese Photographie, die damals vier Jahre nach dem Putsch aufgenommen wurde, als Beweis vorlegen. Ein Blumenkranz umrahmt die Gedenktafel, und das Hakenkreuz, das Nazi-Symbol, ist deutlich sichtbar in dem Kranz zu sehen. Ich biete diese Photographie mit Kennzeichennummer 2968-PS, US-60 als Beweis an und lege sie vor. Sie werden sie im Dokumentenbuch finden, und ich kenne kein interessanteres und abstoßenderes Dokument. Wir nennen es Zustimmung zum Mord, der vier Jahre nach seiner Verübung gefeiert wird.
Wie die Photographie zeigt, ist auf der Platte zur Erinnerung an diese verruchte Tat zu lesen: »154 deutsche Männer der 89. SS-Standarte traten hier am 25. Juli 1934 für Deutschland an. 7 fanden den Tod durch Henkershand.« Der Gerichtshof wird bemerken, daß die Zahl 154 oben auf der Tafel durch den Nazi- Kranz verdeckt ist, der die Platte umgibt. Ich muß gestehen, daß mich die Tafel und die Photographie, die aufgenommen und sorgfältig aufbewahrt wurde, selbst außerordentlich interessiert. Die für diese Marmorplakette gewählten Worte, und wir können sicher sein, daß sie sorgfältig gewählt wurden, beweisen uns klar, daß die beteiligten Männer nicht nur unzufriedene österreichische Aufrührer waren, sondern Deutsche, Mitglieder einer schon früher bestehenden militärähnlichen Gruppe, die hier für Deutschland antraten. Im Jahre 1934 ließ Hitler den Gesandten Dr. Rieth fallen, weil er das Deutsche Reich grundlos in eine innerösterreichische Angelegenheit hineingezogen hatte. Im Jahre 1938 erklärte sich Deutschland voll Stolz mit dem Mord identisch, beanspruchte das Verdienst davon und übernahm die Verantwortung dafür. Weiterer Beweis im hergebrachten Sinne scheint kaum notwendig.
In der Folge erreichte das Programm einen Höhepunkt in dem Pakt vom 11. Juli 1936. Wenn man die Tätigkeit der Nazi-Verschwörer in Österreich zwischen dem 25. Juli 1934 und November 1937 betrachtet, so fällt besonders das Ereignis vom 11. Juli 1936 auf. Daher möchte ich zunächst die Entwicklung in der zweijährigen Periode Juli 1934 bis Juli 1936 besprechen.
Zuerst weise ich auf die ständigen Bemühungen hin, die gemacht wurden, um Österreichs Unabhängigkeit zu untergraben, wobei die Unterhandlungen und Tätigkeit des Angeklagten von Papen besondere Berücksichtigung verdienen. Der erste zu erwähnende Punkt ist der folgende: Die Nazi-Verschwörer gaben vor, die Unabhängigkeit und Souveränität Österreichs zu achten, trotz der in »Mein Kampf« dargelegten Anschlußziele. Aber tatsächlich arbeiteten sie von allem Anfang an daran, den österreichischen Staat zu zerstören.
Eine dramatische Darstellung der Stellung des Angeklagten von Papen in diesem Zusammenhang ist durch die eidesstattliche Erklärung Herrn Messersmiths gegeben, aus welcher ich bereits zitiere; und ich lese nun auf Seite 9 der englischen Abschrift den zweiten Abschnitt: (1760-PS, US-57)
»Daß die Anschlußpolitik vollkommen unverändert blieb, wurde mir von Franz von Papen bei seiner Ankunft in Wien als Deutscher Gesandter bestätigt. Man wird sich erinnern, daß er diese Ernennung zum Deutschen Gesandten annahm, obwohl er wußte, daß er für die Erschießung in dem Bartholomäus-Blutbad am 30. Juni ausersehen war. Als er mir protokollgemäß kurz nach seiner Ankunft in Wien einen Besuch abstattete, beschloß ich, daß während dieses Besuches keine Anspielung auf irgend etwas Wichtiges gemacht werden würde, und ich begrenzte die Unterhaltung streng auf nebensächliche Dinge, was ich tun konnte, da er mich in meinem Büro besuchte. Ich betrachtete es als zweckmäßig, meinen Gegenbesuch einige Wochen zu verzögern, um es von Papen klar zu machen, daß ich einerseits nicht mit ihnen sympathisierte, und daß ich andererseits nicht mit den Zielen seiner Mission in Österreich vertraut war. Als ich von Papen in der Deutschen Gesandtschaft besuchte, begrüßte er mich mit den Worten: ›Jetzt sind Sie in meiner Gesandtschaft und ich kann die Unterhaltung führen‹. In nacktester und zynischster Weise fuhr er dann fort, mir zu erzählen, daß ganz Südosteuropa bis zu der türkischen Grenze Deutschlands natürliches Hinterland sei und daß er dazu berufen sei, die deutsche wirtschaftliche und politische Kontrolle über dieses ganze Gebiet für Deutschland zu erleichtern. Er sagte trocken und ungeschminkt, daß das Erreichen der Kontrolle über Österreich der erste Schritt hierzu sei. Er erklärte mit Bestimmtheit, daß er in Österreich sei, um die österreichische Regierung zu untergraben und zu schwächen, und um von Wien aus an einer Schwächung der Regierungen in den anderen Staaten im Süden und Südosten zu arbeiten. Er sagte, daß er seinen Ruf als guter Katholik ausnützen wolle, um Einfluß auf gewisse Österreicher, wie Kardi nal Innitzer, zu diesem Zweck auszuüben. Er sagte, er erzähle mir das, weil die Deutsche Regierung diesem Ziel, Kontrolle über Südeuropa zu erhalten, verpflichtet sei, und insoweit gäbe es nichts, was dies aufhalten könne; und daß unsere eigene Politik und die Politik Frankreichs und Englands nicht realistisch seien.
Nach den Umständen – ich besuchte ihn in der Deutschen Gesandtschaft – mußte ich ihm zuhören. Ich war natürlich vorbereitet, das zu hören, was er mir zu sagen hatte, obwohl ich bereits wußte, wie seine Aufträge waren. Nichtsdestoweniger war ich erschüttert, ihn so kühn zu mir sprechen zu hören, und als er geendet hatte, erhob ich mich und sagte, wie erschüttert ich darüber wäre, daß ein beglaubigter Vertreter eines Staates, von dem man annahm, daß er auf freundlichem Fuße mit Österreich stehe, zugäbe, daß er beabsichtige, sich in Betätigungen einzulassen, um die Regierung, bei der er beglaubigt war, zu untergraben und zu Fall zu bringen. Er lächelte nur und sagte, daß diese Unterhaltung nur zwischen uns sei, und daß er natürlich zu anderen nicht so offen über seine Ziele sprechen würde. Ich bin im Hinblick auf diese Unterhaltung in Einzelheiten gegangen, weil sie kennzeichnend für die unbedingte Offenheit und Unumwundenheit ist, mit der hohe Nazi- Funktionäre von ihren Zielen sprachen.«
Und wieder aus dem gleichen Schriftstück auf Seite 10 lese ich jetzt den Beginn des letzten Absatzes am unteren Ende der Seite:
»An der Oberfläche bestand die deutsche Aktivität hauptsächlich in Bestrebungen, den Beistand von her vorragenden und einflußreichen Männern durch heimtückische Anstrengungen aller Art zu gewinnen, einschließlich der Benutzung der deutschen diplomatischen Mission in Wien, deren Einrichtungen sowie deren Personal. Von Papen, als Deutscher Gesandter, bewirtete häufig und verschwenderisch. Er näherte sich fast jedem Mitglied des österreichischen Kabinetts und erzählte ihnen, wie mehrere von ihnen mir später sagten, daß Deutschland im Laufe der Zeit die Oberhand gewinnen werde und daß sie sich der gewinnenden Seite anschließen sollten, wenn sie sich Macht und einflußreicher Stellungen unter deutscher Kontrolle zu erfreuen wünschten. Öffentlich und nach außen hin versicherte er natürlich feierlich, daß Deutschland die österreichische Unabhängigkeit achten würde und daß alles, was er wünschte, sei, gewisse Mitglieder der österreichischen Regierung los zu werden, wie den Kanzler Schuschnigg und Starhemberg als Führer der Heimwehr, sowie andere, um sie durch einige ›nationalgesinnte‹ Österreicher zu ersetzen, was natürlich Nazis bedeutete. Von Papens ganzes grundsätzliches Streben war, den Anschluß herbeizuführen.
Anfangs 1935 unterrichtete mich der österreichische Außenminister Berger-Waldenegg, daß von Papen im Verlauf einer Unterhaltung bemerkt hatte: ›Ja, Sie haben jetzt Ihre französischen und englischen Freunde und Sie können Ihre Unabhängigkeit ein bißchen länger behalten.‹ Der Außenminister erzählte mir diese Bemerkung natürlich in deutscher Sprache, aber das vorher Gesagte ist eine genaue Übersetzung. Der Außenmini ster erzählte mir, daß er von Papen erwidert hätte: ›Ich bin glücklich, Ihre eigene Meinung aus Ihrem eigenen Mund zu hören, die sich mit dem deckt, was Ihr Chef gerade in der Saar gesagt hat, und was zu verleugnen Sie sich so große Mühe gegeben haben.‹ Von Papen schien schrecklich verwirrt, als er sich bewußt wurde, was er gerade gesagt hatte, und versuchte seine Feststellungen zu bemänteln. Wie aber Berger-Waldenegg mir sagte, geriet er in immer tieferes Wasser. Unzweifelhaft errang von Papen einigen Erfolg, insbesondere mit Leuten wie Glaise-Horstenau und anderen, die lange den ›großdeutschen‹ Gedanken begünstigt hatten, die aber nichtsdestoweniger über das Schicksal der katholischen Kirche sehr beunruhigt waren. Ohne Gewissensbisse und ohne Bedenken nutzte von Papen seinen eigenen und den Ruf seiner Frau als glühende und ergebene Katholiken aus, um die Befürchtungen dieser Österreicher in dieser Beziehung zu beschwichtigen.«
Darf ich fragen, ob der Gerichtshof eine kleine Pause einschalten will?
VORSITZENDER: Ja, wir wollen uns jetzt für 10 Minuten vertagen.