HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Pause von 10 Minuten.]

VORSITZENDER: Der Gerichtshof möchte klarstellen, falls dies nicht schon vorher geschehen ist, daß, falls die Verteidigung wünscht, Fragen an Herrn Messersmith über seine eidesstattliche Erklärung zu stellen, diese Fragen dem Gerichtshof schriftlich unterbreitet werden können. Sie werden Herrn Messersmith zur Beantwortung eingeschickt werden.

FLOTTENRICHTER OTTO KRANZBUEHLER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN DÖNITZ: Ich weiß nicht, ob meine Anfrage bereits durch das erledigt ist, was der Herr Präsident eben bekanntgegeben hat. In der Aussage des Zeugen Messersmith ist der Name des Admirals Dönitz vorgelesen worden. Er erscheint auf Seite 4 der deutschen Übersetzung. Ich möchte den ganzen Absatz vorlesen. Es steht dort:

»Admiral Karl Dönitz war nicht immer geistig ausgeglichen. Er war kein Nationalsozialist, als die Partei zur Macht kam.«

VORSITZENDER: Diese Stelle wurde nicht zu Beweiszwecken verlesen, nicht wahr?

FLOTTENRICHTER KRANZBUEHLER: Nein, nur der Name ist erwähnt worden.

VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß der Name erwähnt wurde, denn dieser Teil der eidesstattlichen Erklärung wurde nicht verlesen.

FLOTTENRICHTER KRANZBUEHLER: Der Name wurde verlesen, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Gut, fahren Sie fort.

FLOTTENRICHTER KRANZBUEHLER:

»Trotzdem wurde er einer der ersten hohen Offiziere von Armee und Flotte und war in vollkommener Übereinstimmung mit der Begriffslehre und den Zielen des Nationalsozialismus.«

Als Einleitung zu diesem Absatz sagte Mr. Messersmith auf Seite 2, der letzte Satz vor der Ziffer 1:

»Unter den Leuten, welche ich öfter sah, und auf welche ich mich bei vielen meiner folgenden Aussagen beziehe, waren folgende...«

Dann erscheint unter Ziffer 16 der Name von Admiral Dönitz. Mein Mandant hat mich informiert, daß er den Namen Messersmith heute zum ersten Male hört, daß er den Zeugen Messersmith nicht kennt, ihn niemals gesehen und niemals mit ihm gesprochen habe.

Ich beantrage daher, den Zeugen Messersmith vor Gericht zu laden, damit er bekannt gibt, wann und wo er den Angeklagten Dönitz gesprochen hat.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat bereits verfügt, daß die eidesstattliche Erklärung als Beweismittel zugelassen wird, daß der Beweiswert der Aussage vom Gerichtshof beurteilt wird und daß die Verteidigung das Recht hat, wenn sie es wünscht, Fragen für ein Verhör Messersmiths vorzulegen.

Selbstverständlich werden die Angeklagten Gelegenheit haben, ihrerseits Aussagen zu machen, wenn sie an die Reihe kommen.

Admiral Dönitz wird dann die im Affidavit enthaltenen Aussagen, wenn er es für richtig hält, bestreiten können.

FLOTTENRICHTER KRANZBUEHLER: Danke.

MR. ALDERMAN: Ich möchte den Gerichtshof auf einen kleinen Fehler, der in einem Satz in der deutschen Übersetzung des Messersmith'schen Affidavits unterlaufen ist, aufmerksam machen.

In die deutsche Übersetzung hat sich das Wort »nicht« hineingeschlichen, obwohl eine Verneinung im Englischen nicht vorkommt.

Die Aussage im Englischen lautet: »I deemed it expedient to delay my return call for several weeks in order to make it clear to von Papen that I had no sympathy with and on the other hand was familiar with the objectives of his mission in Austria.«

Der deutsche Text enthält das Gegenteil: »Und daß ich andererseits nicht mit den Zielen seiner Berufung in Österreich vertraut war.«

Das »nicht« soll im deutschen Text nicht vorkommen.

Das weitere Bestehen der Nazi-Organisation bedeutete ein Programm der Waffenbereitschaft. Die Ränke und Schliche des Angeklagten von Papen stellten nur einen Teil des Gesamtprogramms der Nazi- Verschwörung dar. Gleichzeitig wurde die Nazi-Tätigkeit damals in Österreich gezwungenermaßen unterirdisch fortgesetzt.

Das Affidavit Messersmiths auf Seite 9 und 10 des englischen Textes erklärte folgendes: Ich lese vom letzten Hauptabsatz auf Seite 9:

»Die Nazis, die in dieser Zeitspanne gezwungen waren, im geheimen zu arbeiten, vernachlässigten deshalb doch keineswegs ihre Betätigung. Die Partei war für eine Weile, als Folge der energischen Maßnahmen gegen den Putsch und infolge der öffentlichen Empörung, sehr geschwächt. Mit dem Wiederaufbau wurde jedoch bald wieder begonnen.

Im Oktober 1934 übergab mir der österreichische Außenminister Berger-Waldenegg das folgende Memorandum, das, wie er mir sagte, der österreichischen Regierung von einer Person unterbreitet worden war, die an der Versammlung teilnahm, auf die ich jetzt weiter eingehen werde.«

Ich zitiere nun den ersten Absatz des Memorandums:

»Eine Versammlung der Führer der österreichischen nationalsozialistischen Partei wurde am 29. und 30. September 1934 in Bad Aibling, in Bayern, abgehalten.«

Wir übergehen vier Absätze und fangen mit dem fünften an:

»Die Agenten der deutschen Parteileitung haben Befehl erhalten in allen Bezirken Österreichs Listen von all denjenigen Personen vorzubereiten, die dafür bekannt sind, daß sie die gegenwärtige Regierung tätig unterstützen und mit derselben eng zusammenarbeiten. Sobald die nächste Aktion gegen die Regierung stattfindet, ist gegen diese Leute genau so brutal zu verfahren wie gegen alle anderen Personen – ohne Unterschied der Partei –, die bekannt dafür sind, Gegner des Nationalsozialismus zu sein. In einem Bericht der Parteileiter für Österreich wurden folgende Grundsätze festgelegt:

A) Die Übernahme der Macht in Österreich verbleibt die Hauptaufgabe der österreichischen Nationalsozialistischen Partei. Österreich ist für das Deutsche Reich von viel größerer Bedeutung und größerem Werte als die Saar. Das österreichische Problem ist das Problem. Alle Kampfmethoden sind geheiligt durch das Ziel, dem sie dienen.

B) Wir müssen bei jeder sich bietenden Gelegenheit zum Verhandeln gewillt erscheinen, müssen aber gleichzeitig für den Kampf rüsten. Der neue Kampfabschnitt wird besonders schwerwiegend sein, und diesmal werden zwei Terrorschwerpunkte bestehen, einer entlang der deutschen Grenze und der andere entlang der jugoslawischen Grenze.«

Das ist das Ende des Zitats vom Memorandum.

Nun fahre ich mit dem nächsten Absatz der eidesstattlichen Erklärung fort:

»Die österreichische Legion wurde in Deutschland in Bereitschaft gehalten. Obwohl sie einige Meilen hinter die österreichische Grenze zurückgezogen worden war, blieb sie entgegen der Verpflichtung, sie aufzulösen, unaufgelöst. Die Österreichische Regierung erhielt von Zeit zu Zeit genaue Nachricht darüber, die sie mir zukommen ließ, und ich hatte dieselbe direkte Nachricht von verläßlichen Personen, die von Deutschland nach Wien kamen und die die Legion tatsächlich gesehen hatten.«

Die Tatsache, daß die Nationalsozialistische Partei in Österreich neuerlich organisiert wurde, wird durch einen Bericht von einem österreichischen Nazi selbst bestätigt.

Ich lege als Beweis Dokument 812-PS, US-61 dem Gerichtshof vor. Es enthält drei Teile:

Einen Brief vom 22. August 1939 des damaligen Gauleiters in Salzburg, Rainer, an den Angeklagten Seyß-Inquart, dem damaligen österreichischen Reichsminister. Diesem Brief war ein weiterer Brief Rainers vom 6. Juli 1939 an den Reichskommissar Gauleiter Josef Bürckel angeschlossen.

DR. HANS LATERNSER, MITVERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SEYSS-INQUART: Ich widerspreche der Vorlage der im Beweisstück 812-PS enthaltenen Briefe. Ich kann natürlich insoweit der Vorlage nicht widersprechen, als mit dieser Vorlage bewiesen werden soll, daß diese Briefe tatsächlich geschrieben worden sind. Wenn aber diese Briefe als Beweise für die Richtigkeit des in ihnen enthaltenen Inhalts vorgelegt werden sollen, muß ich insoweit der Verwendung dieser Briefe als Beweis widersprechen, und zwar aus folgendem Grund:

Insbesondere das dritte Dokument ist ein Brief, der, wie aus dem Inhalt hervorgeht, eine gewisse Tendenz innehat, und zwar deswegen, weil mit diesem Brief dargelegt werden soll, wie weit die österreichische NSDAP am Anschluß beteiligt ist. Es soll weiter die führende Rolle der Parteigruppe Rainer-Klausner dargetan werden.

Aus der Tendenz dieses Briefes heraus, die sich aus seinem Inhalt ergibt, kann dieser Brief nicht zum Beweise der in ihm enthaltenen Tatsachen vorgelegt werden, zumal der Zeuge Rainer, der diesen Brief geschrieben hat, als Zeuge zur Verfügung steht und sich, wie ich erfahren habe, in Nürnberg befindet.

Ich fasse also zusammen: Ich widerspreche der Verwertung dieses Briefes insoweit, als mit ihm die Richtigkeit seines Inhaltes bewiesen werden soll, weil hierfür der Zeuge in Nürnberg zur Verfügung steht.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof fordert Herrn Alderman zur Entgegnung auf. Der Gerichtshof hat wohl den Brief noch nicht vorgelegt bekommen?

MR. ALDERMAN: Nein! Es wäre deshalb wohl besser, den Brief zuerst zu lesen, bevor wir die Bedeutung seines Inhalts erörtern.

VORSITZENDER: Berufen Sie sich auf diesen Brief als Beweis für die darin enthaltenen Tatsachen?

MR. ALDERMAN: Ja.

VORSITZENDER: Von wem ist der Brief und an wen ist er gerichtet?

MR. ALDERMAN: Der erste Brief ist von einem gewissen Rainer, dem damaligen Gauleiter in Salzburg, an den Angeklagten Seyß-Inquart, damals Reichsminister für Österreich.

Diesem Brief ist ein anderer Brief vom 6. Juli 1939 von Rainer an den Reichskommissar und Gauleiter Josef Bürckel beigelegt. Diesem Brief fügte Rainer seinerseits einen Bericht über die Ereignisse in der NSDAP Österreichs vom Jahre 1933 bis zum 11. März 1938, dem Tage vor dem Einmarsch in Österreich, bei.

In diesem Zusammenhang möchte ich die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs noch auf eine andere Angelegenheit lenken, bevor über die Zulassung des Briefes als Beweis entschieden wird.

VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß die Verteidigung die Zulassung dieses Dokuments als Beweis, vielmehr nur dessen Inhalt bekämpft.

MR. ALDERMAN: Ja, zu diesem Punkte führt die Verteidigung an, daß sich Rainer in Nürnberg befindet. Ich nehme an, daß er hier ist. Wir besitzen auch eine eidesstattliche Erklärung Rainers, die besagt, daß das, was in diesem Brief steht, der Wahrheit entspricht. Wir glauben jedoch, daß diese Mitteilungen als zeitgenössische Berichte eines damaligen Parteiführers stichhaltiger sind, als eine heutige Aussage sein würde.

DR. LATERNSER: Ich habe bereits vorgetragen, daß sich aus diesem Briefe selbst ergibt, daß ihm die Tendenz, innewohnt, die Beteiligung der österreichischen Nationalsozialistischen Partei am Anschluß möglichst zu betonen und zu übertreiben.

Ich muß deshalb der Vorlage dieses Briefes als objektives Beweismittel widersprechen, weil er nicht im Gedanken geschrieben worden ist, daß er als Beweisstück vor Gericht benutzt werden würde. Wenn der Zeuge vielleicht gewußt hätte, daß er einmal als Beweismittel vor ein Gericht gelegt wird, dann hätte er den Brief, soweit er seine politische Aktivität erwähnt, wie klar aus diesem Brief hervorgeht, unzweifelhaft anders formuliert.

Wenn der Zeuge, wie ich nicht sicher weiß, sondern nur erfahren habe, sich in Nürnberg befindet, dann müßte in diesem Falle der Grundsatz, der ja in allen Verfahrensordnungen aller Länder enthalten ist, befolgt werden, zumal in diesem Falle Schwierigkeiten, wie sie sich im Falle Messersmith dargetan haben, nicht vorliegen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß die Briefe zulässig sind. Sie waren an den Angeklagten Seyß-Inquart gerichtet und wurden von ihm empfangen. Der Angeklagte kann den Inhalt dieser Briefe in seiner Aussage bestreiten. Wenn es wahr ist, daß sich Rainer in Nürnberg befindet, so steht es dem Angeklagten frei, einen Antrag auf Vorladung Rainers als Zeugen rechtzeitig beim Gerichtshof einzureichen. Der Angeklagte kann gegen den Inhalt dieser Briefe im Laufe des Beweisverfahrens anläßlich seiner Einvernahme und der des Zeugen Rainer Einwendungen erheben. Die Briefe selbst sind zugelassen.

MR. ALDERMAN: Hoher Gerichtshof! Ich stimme mit dieser Erklärung vollkommen überein. Wäre es damals bekannt gewesen, daß diese Briefe einem Gerichtshof als Beweisstücke vorgelegt würden, so wären sie wohl ganz anders geschrieben worden. Das trifft auf einen großen Teil des Beweismaterials zu, das wir in diesem Prozeß vorlegen werden.

Ich glaube, daß der Photograph, der die Aufnahme der Gedenktafel machte, dieselbe niemals geknipst hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, daß seine Photographie in einem Verschwörungsprozeß als Beweis verwendet werden würde.

Der Brief von Rainer an Bürckel zeigt, daß er aufgefordert wurde, eine kurze Geschichte über die Rolle der Partei zu verfassen. Vielleicht wäre es besser, wenn ich das an den Angeklagten Seyß-Inquart gerichtete Begleitschreiben verlese:

»Lieber Doktor Seyß!

Ich habe Ihren Brief vom 19. August 1939 erhalten, in dem Sie mich ersuchen, Ihnen mitzuteilen, was mir von den Dingen bekannt sei, die unter anderem Gegenstand Ihres Briefwechsels mit Bürckel sind.

Ich will mich mit verschiedenen Redereien und dem, was mir im Laufe der Zeit von verschiedenen Personen zugetragen worden ist, nicht beschäftigen. Es kommt mir im wesentlichen darauf an, mein eigenes Verhalten klarzustellen. Ich wurde am 5. Juli 1939 von Reichskommissar Gauleiter Bürckel telefonisch gefragt, ob ich die Denkschrift des Globus' über die März-Ereignisse besitze. Ich habe ihm mitgeteilt, daß ich diese Denkschrift nicht besitze und auch niemals ein Stück davon besessen habe, daß ich mich auch an der Sache damals nicht beteiligte und auch den Inhalt nicht kenne. Über dienstliche Aufforderung Bürckels habe ich ihm einen Bericht zu treuen Händen zur Verfügung gestellt und dazu einen Begleitbrief vom 6. Juli geschrieben.

Wenn Ihnen nun Bürckel schreibt, daß bestimmte Angaben durch mich bestätigt worden seien, so sehe ich mich genötigt, Ihnen je eine Abschrift des bei mir liegenden Durchschlages dieser beiden in einer einzigen Urschrift hergestellten Schriftstücke ebenfalls zu treuen Händen zur Verfügung zu stellen. Ich setze hiervon unter anderen Bürckel in Kenntnis. Daran knüpfe ich die Erklärung, daß ich außer diesen schriftlichen Ausführungen keinerlei Bestätigungen, Erklärungen oder Beurteilungen über Sie und Ihr Verhalten gegeben habe und daß ich keine Person befugt habe, sich auf Äußerungen von mir zu beziehen.

Ich habe über Sie und meine Meinung von Ihrer Persönlichkeit seit dem Beginn der Zusammenarbeit immer in bestimmter Weise meine Auffassung geäußert und vertreten. Diese meine Auffassung war auch die Grundlage der zwischen Ihnen und mir bestandenen Arbeitsgemeinschaft. Sie hat sich auch durch die Ereignisse im Februar und März nicht geändert, zumal ich in dem politischen Erfolg des 11. März nur eine Bestätigung der Absichten und Gesinnungen erblicke, die zur Zusammenarbeit Sie und mich gleicherweise veranlaßt haben. Was den Globus betrifft, so kennen Sie ja seine Art, die ich immer und in allen Lagen nur von der guten Seite her beurteilt habe. Ich glaube, Sie haben mit Globus schon über das, was zwischen dem 11. März 1933 und jetzt liegt, gesprochen, und ich bin überzeugt, daß er Ihnen, wenn Sie, wie Sie vorhaben, mit ihm über die Sache sprechen werden, alles sagen wird, was er auf dem Herzen hat.

Mit besten Grüßen und Heil Hitler!

Ihr Friedl Rainer.«

Und nun schreibt Rainer seinen Bericht, der diesem Brief beigefügt ist, um zu beweisen, daß die Partei als solche den Ruhm in Anspruch nehmen kann, der ausschließlich einer Person zugeschrieben wird, nämlich Dr. Seyß-Inquart.

Ich weise auf den dritten Absatz der ersten Beilage hin, den Bericht an den Reichskommissar, Gauleiter Josef Bürckel:

»Wir sahen im März und im April, wie aus dieser Sachlage heraus ein unrichtiges Bild von den tatsächlich vorhanden gewesenen Führungsverhältnissen entstand und trotz unserer Bemühungen auch nicht behoben werden konnte. Dies war eine wesentliche Ursache für die verschiedenen Gemütszustände bei Globocnik, der auch gerade von Ihnen hoffte, daß Sie den Anteil der Partei an den Ereignissen vor dem 12. März 1938 beim Führer und auch in der Öffentlichkeit herausstellen würden. Ich selbst habe mich beschränkt, diese mündliche und schriftliche Darstellung an Pg. Heß zu richten und außerdem die Dokumente aus den Märztagen zu sichern. Darüber hinaus habe ich bei jeder mir gebotenen Gelegenheit vom Kampf der Partei gesprochen. Bemühungen, den einer Person, und zwar Dr. Seyß-Inquart, zuviel zugeschobenen Ruhm nun gerechterweise auch auf andere Personen zu verteilen, habe ich nicht unternommen und würde ich auch nicht unternehmen, da ich erstens als Interessent erscheine und andererseits glaube, damit dem Führer auch keine Freude zu machen. Ich bin auch überzeugt, daß Dr. Seyß nicht unlauter gehandelt hat und daß auch der Führer mit der besonderen Bevorzugung seiner Person weniger einen Akt historischer Gerechtigkeit vollziehen will, sondern eben seiner Person selbst gewogen ist. Für den Führer ist es doch ziemlich belanglos, ob diese oder jene Person mehr oder weniger Verdienste auf diesen Teilabschnitt des großen Kampfes der Bewegung sich erworben hat; denn schließlich ist doch alles zum weitaus überwiegenden Teil nur ihm zuzuschreiben; er allein wird vor der Geschichte als der Befreier der Ostmark dastehen. Ich habe es deswegen für richtig gehalten, die gegebene Sachlage hinzunehmen und nach neuen positiven Arbeitsmöglichkeiten in der Partei zu suchen.

Wenn ich aufgefordert werde, ohne persönliche Spitze den Anteil der Partei nach meiner besten Überzeugung darzustellen, so stehe ich jederzeit zur Verfügung. Aus diesem Grunde habe ich auch Ihnen gestern versprochen, neuerdings eine kurze Darstellung für Sie zu liefern und sie Ihnen zu treuen Händen zur Verfügung zu stellen. Ich behalte von diesem Brief und von dieser gedrängten Darstellung die einzig hergestellte Abschrift bei mir.

Heil Hitler!

Rainer e. h.«

Alle diese Beilagen wurden natürlich an den Angeklagten Seyß-Inquart gesandt, und er muß den Inhalt kennen. Es ist eine historische Tatsache, und der Gerichtshof möge es amtlich zur Kenntnis nehmen, daß Seyß-Inquart der ursprüngliche Quisling war. Trotzdem geschah es, daß der Name des norwegischen Seyß-Inquart für die Nachwelt bedeutungsvoll wurde; aber Quislinge bleiben Quislinge.

Der Gerichtshof kann daraus ersehen, daß der Bericht Rainers kaum tendenziös ist, wie der Verteidiger sagt, oder daß dadurch Seyß-Inquarts Anteil am Anschluß geschmälert wurde. Im Gegenteil, er beweist vielmehr, daß Seyß-Inquart doch nicht so wichtig war, als er zu sein glaubte. Trotzdem zollt Rainer Seyß-Inquart viel Anerkennung.

Der Bericht Rainers spricht weiterhin von der Desorganisation der Nazi-Partei in Österreich, sowie ihrem Wiederaufbau.

Ich zitiere nun den zweiten und dritten Absatz des Berichts, der auf Seite 3 und 4 des englischen Textes, des Dokuments 812-PS, US-61 erscheint.

Ich glaube, es befindet sich auf Seite 1 und 2 des deutschen Originalberichtes, das ist der dritte Teil der Beweisurkunde.

»Damit begann der erste Kampfabschnitt, der mit der Julierhebung 1934 endete. Der Entschluß zur Julierhebung war richtig, in der Durchführung steckten viele Fehler. Das Ergebnis war eine völlige Zerschlagung der Organisation, Verlust ganzer Schichten von Kämpfern durch Gefangennahme oder Flucht ins Altreich und im politischen Verhältnis des Deutschen Reiches zu Österreich eine formelle Anerkennung des Bestehens des österreichischen Staates durch die Deutsche Reichsregierung. Mit der Depesche an Papen, in der die Weisung enthalten war, wieder normale Beziehungen zwischen den beiden Staaten herzustellen, war der erste Kampfabschnitt durch den Führer liquidiert und eine neue Methode der politischen Durchdringung begonnen. Über den Auftrag des Führers wurde die Landesleitung München aufgelöst und die Partei in Österreich sich selbst überlassen.

In Österreich war kein anerkannter Führer der Ge samtpartei vorhanden. Es bildeten sich in den neuen Gauen neue Führungen. Der Prozeß wurde immer wieder unterbrochen durch Eingriffe der Polizei, es hatten die Gliederungen untereinander oft keine Verbindung und es standen oft zwei, drei und mehr Führungen nebeneinander. Als erster sichtbarer Sprecher wurde von so ziemlich allen Gauen im Herbst 1934 Ing. Reinthaller (noch von Heß als Landesbauernführer eingesetzt) anerkannt. Dieser versuchte, durch Verhandlungen mit der Regierung eine politische Befriedung herbeizuführen, mit dem Ziele, daß die NSDAP wieder erlaubt und sohin wieder zur politischen Tätigkeit zugelassen werde. Reinthaller begann nebenher den Aufbau der illegalen politischen Organisation, an deren Spitze er Ing. Neubacher gestellt hatte.«

Nun folgen die geheimen Verbindungen zwischen deutschen Regierungsbeamten, einschließlich des Angeklagten von Papen, und österreichischen Nazis; die Verwendung von vorgeschobenen politischen Helfern durch die österreichischen Nazis. Zwei Hauptfaktoren hinsichtlich der Nazi-Organisationen müßten in Betracht gezogen werden:

Erstens, obwohl der Führer dem Anschein nach die österreichischen Nazis sich selbst überlassen hatte – wie aus dem Dokument, das ich soeben vorgelesen habe, hervorgeht – hielten deutsche Regierungsbeamte, einschließlich von Papen, tatsächlich gemäß Hitlers Wünschen geheime Verbindungen mit den österreichischen Nazis aufrecht. Ja, deutsche Regierungsbeamte standen mit Rat und Tat der Organisation der österreichischen Nazis bei.

Zweitens, die österreichischen Nazis blieben eine ungesetzliche Organisation in Österreich und bereiteten sich darauf vor, im kritischen Augenblick Gewalt zu gebrauchen. Aber in der Zwischenzeit hielten sie es für vorteilhaft, sich hinter Persönlichkeiten zu verschanzen, wie z.B. hinter« Seyß-Inquart, dem vermöge seiner Stellung in Österreich auch nicht der Schein einer Ungesetzlichkeit anhaftete.

Herr Messersmith berichtet in seiner eidesstattlichen Erklärung daß er in den Besitz der Abschrift einer Kopie kam, die dieses Nazi-Programm darlegt. Ich zitiere von Seite 8 des Dokuments 1760-PS, US- 57:

»Während der zwei Jahre, nach dem Mißerfolg des Putsches vom 25. Juli, blieben die Nazis in Österreich verhältnismäßig ruhig. Es ereigneten sich sehr wenig terroristische Akte während des Restes des Jahres 1934 und, wenn ich mich recht entsinne, auch im Jahre 1935 und dem größeren Teil von 1936.

Diese Untätigkeit stand im Einklang mit Richtlinien von Berlin, wie unmittelbare Beweisstücke bestätigen, die hierüber zu jener Zeit zu meiner Kenntnis gelangten. Frühzeitig im Januar versah mich der österreichische Außenminister Berger-Waldenegg mit einem Dokument, das ich in jeder Hinsicht für richtig hielt und das folgendermaßen lautete: Der Deutsche Gesandte hier, von Papen, wurde dreimal von Kanzler Hitler zu längeren Unterhaltungen gelegentlich seines letzten Besuches in Berlin empfangen, er nahm auch die Gelegenheit wahr, Schacht und von Neurath einen Besuch abzustatten. Während dieser Unterhaltungen wurden die folgenden Richtlinien gegeben:

Während der nächsten zwei Jahre kann nichts unternommen werden, was Deutschland außenpolitisch Schwierigkeiten bereiten könnte. Aus diesem Grunde muß alles vermieden werden, was den Anschein erwecken könnte, Deutschland wolle sich in die innerpolitischen Angelegenheiten Österreichs einmischen. Kanzler Hitler will somit auch aus diesem Grunde nicht versuchen, in der gegenwärtigen schweren Krisis in der Nationalsozialistischen Partei in Österreich zu intervenieren, obwohl er davon überzeugt ist, daß durch ein Wort von ihm Ordnung in die Partei gebracht werden könnte. Dieses Wort aber will er aus außenpolitischen Gründen um so weniger geben, als er überzeugt ist, daß die für ihn erwünschten Endziele auch über einen anderen Weg erreicht werden können. Natürlich erklärte Kanzler Hitler dem Deutschen Gesandten hier, dies sei nicht als Interesselosigkeit an der Idee der österreichischen Unabhängigkeit anzusehen. Vor allem auch kann Deutschland zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Parteimitglieder aus Österreich zurückziehen und muß daher, ungeachtet der Devisenschwierigkeiten, jede Anstrengung machen, um den verfolgten Nationalsozialisten in Österreich Hilfe zu leisten. Als Ergebnis wurde erreicht: Handelsminister Schacht gab schließlich seine Genehmigung, daß von jetzt an jeden Monat RM. 200000.- für diesen Zweck zur Seite gesetzt werden sollen (Unterstützung von Nationalsozialisten in Österreich). Mit der Kontrolle und Überwachung dieser monatlichen Summe wurde der Ingenieur Reinthaller betraut, der durch die Tatsache seiner Alleinkontrolle der Gelder einen entschiedenen Einfluß auf die Parteianhänger haben würde. Auf diese Weise werde es möglich sein, die zur Zeit vorherrschenden Schwierigkeiten und Spaltungen in der österreichischen Nationalsozialistischen Partei auf die schnellste und einfachste Weise zu beendigen.‹ Man gab Herrn von Papen gegenüber auch der Hoffnung Ausdruck, daß die kürzlich gebilligte Gründung von deutschen Ortsgruppen der Nationalsozialistischen Partei in Österreich (die sich aus deutschen Bürgern in Österreich zusammensetzte) so eingerichtet werden könnte, daß es nicht den Anschein habe, daß Deutschland plane, sich in die innerpolitischen österreichischen Angelegenheiten einzumischen.«

Der Bericht des Gauleiters Rainer an den Reichskommissar Bürckel vom Juli 1939 stellt die weitere Geschichte der Partei klar, sowie die Zänkereien in der Führung, die auf den Rücktritt Reinthallers folgten.