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[Der Gerichtshof vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

MR. ALDERMAN: Hoher Gerichtshof! Ich möchte bemerken, daß ich darauf aufmerksam gemacht wurde, daß ich die Unterschrift auf einem Dokument, auf das ich mich heute morgen bezog, falsch gelesen habe. Es handelt sich um Nummer 31 des Schmundt- Aktes. Ich verlas den Namen »Jodl« als Unterschrift; tatsächlich hätte ich »Keitel« sagen sollen.

Meiner Meinung nach wäre es gut, beim Vortrag von Einzelheiten aus Beweisurkunden eine kurze Pause zu machen, um sich die Umstände zu vergegenwärtigen, unter denen sich diese Ereignisse abspielten. Die Welt wird wohl niemals das Münchener Abkommen vergessen oder die internationale Krise, die dazu führte.

Als sich diese Krise im August und September 1938 entwickelte, wurden von den Staatsmännern der ganzen Welt verzweifelte Anstrengungen gemacht, um den Frieden der Welt aufrecht zu erhalten. Sie ahnten nicht, welch teuflische Pläne und Absichten diese Verschwörer hegten.

Was dem Gerichtshof heute vorgetragen wird, ist die wahre Geschichte der Ereignisse, die zum Münchener Abkommen führte. Erst jetzt sind wir in der Lage, auf den Blättern der Geschichte den Schwindel und Betrug, den die Nazi-Verschwörer verübten, um ihre Ziele zu erreichen, wahrhaftig nach ihren eigenen Worten zu schildern; der Münchener Pakt war ein Sprungbrett zu weiteren Angriffen. Man kann nicht daran zurückdenken, ohne das Grauen vor dem Kriege wieder zu fühlen, die Furcht vor dem Krieg, vor dem Weltunglück, die alle friedliebenden Menschen beherrschte. In der Hoffnung auf den Frieden, den der Münchener Pakt brachte, täuschte man sich über den Betrug, den Schwindel und die Falle, die die Angeklagten, die heute vor Gericht stehen, sorgfältig geplant hatten. Das teuflische Wesen dieser Männer, die diese Vorbereitungen für ihre Angriffs- und Kriegspläne trafen, ergibt sich klar aus ihren eigenen Urkunden.

Zwischen dem Heer und der Luftwaffe fanden weitere Besprechungen über die Tageszeit statt, zu der der Angriff begonnen werden sollte. Notizen vom 27. September, die von Jodl mit seiner Initiale gezeichnet sind, zeigen die Verschiedenheit der Ansichten. Diese Notizen sind Nummer 54 des Dokuments 388-PS, Seite 90 der Übersetzung. Ich werde nunmehr die ersten drei Absätze verlesen. Die Überschrift lautet:

»Geheime Kommandosache, Chefsache, Nur durch Offizier.

Vortragsnotiz, Berlin, den 27. 9. 38. 4 Ausfertigungen, 1. Ausfertigung, Z.d.A. Grün.

Gemeinsame Angriffszeit von Heer und Luftwaffe am X-Tag. Grundsätzlich wird am 1. X-Tag eine gemeinsame Angriffszeit von Heer und Luftwaffe angestrebt.

Das Heer wünscht während der Morgendämmerung, also ca. 6.15 Uhr anzugreifen und schon vorher in der Dunkelheit einzelne Teilunternehmen durchzuführen, welche jedoch nicht die gesamte tschechische Front alarmieren sollen.

Die Luftwaffe ist in ihrer Angriffszeit von der Wetterlage abhängig. Diese kann den Angriff zeitlich verschieben und auch räumlich einschränken. Das Wetter der letzten Tage z. B. hätte wegen Hochnebelbildung in Bayern den Start auf 8-11 Uhr verschoben.«

Dann gehe ich zu den letzten zwei Absätzen über:

»Daher Vorschlag: Angriff des Heeres, unabhängig von dem Angriff der Luftwaffe, zu dem von ihm gewünschten Zeitpunkt, 6.15 Uhr, und Genehmigung, daß vorher einzelne Teilunternehmungen stattfinden können, jedoch nur in solchen Ausmaßen, daß nicht die gesamte tschechische Front alarmiert wird.

Angriff der Luftwaffe zu dem ihr möglichen Zeitpunkt.«

Die Initiale am Ende des Befehls ist »J« und bedeutet, wie ich bestimmt glaube, Jodl.

Am gleichen Tage, dem 27. September, sandte der Angeklagte Keitel eine Geheime Kommandosache an den Angeklagten Heß sowie den Reichsführer-SS Himmler mit Weisungen für die Partei-Funktionäre. Diese Kommandosache ist Nummer 32 des Schmundt-Aktes auf Seite 56 der englischen Übersetzung. Ich lese die ersten vier Absätze dieser Mitteilung:

»Auf Grund der politischen Lage sind vom Führer und Reichskanzler Mobilmachungsmaßnahmen der Wehrmacht befohlen worden, ohne daß durch die Ausgabe des Mob.-(X-) Befehls oder von entsprechenden Stichworten eine Erschwerung der politischen Lage eintreten soll.

Im Rahmen dieser Mobilmachungsmaßnahmen müssen von Dienststellen der Wehrmacht Forderungen an einzelne Dienststellen der NSDAP und ihrer Gliederungen gerichtet werden, welche an die vorhergehende Ausgabe des Mob.-Befehls, von Vorausmaßnahmen oder von besonderen Kennziffern gebunden sind.

Die besondere Lage gebietet, daß diesen Forderungen auch ohne vorhergehende Ausgabe des Stichwortes unverzüglich und ohne Rückfrage bei höheren Dienststellen nachgekommen wird.

Das Oberkommando der Wehrmacht bittet, die unterstellten Dienststellen umgehend in diesem Sinne anzuweisen, damit die Mobilmachung der Wehrmacht planmäßig ablaufen kann.«

Ich gehe nun zum letzten Absatz über:

»Das Oberkommando der Wehrmacht bittet ferner erneut darum, alle außerplanmäßigen Maßnahmen, die auf Grund der politischen Lage von Gliederungen der Partei oder Einheiten der Polizei vorbereitet werden, in jedem Falle und rechtzeitig dem Oberkommando der Wehrmacht mitzuteilen. Nur dann ist die Gewähr dafür gegeben, daß sich diese vorbereiteten Maßnahmen in der Praxis auch durchführen lassen.

Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Keitel.«

Zwei weitere Eintragungen im Tagebuch des Angeklagten Jodl enthüllen klar, wie weit die Nazi-Verschwörer ihre Vorbereitungen für einen Angriff trieben; dies sogar zur Zeit der Verhandlungen, die ihren Höhepunkt im Münchener Abkommen hatten. Ich zitiere die Eintragung in Jodls Tagebuch unter dem 26. und 27. September, Seite 7 der Übersetzung der Urkunde 1780-PS. Der 26. September...

VORSITZENDER: Meinen Sie hier die Daten von Herrn Chamberlains Besuchen in Deutschland und des tatsächlichen Abkommens? Vielleicht können Sie uns das später angeben.

MR. ALDERMAN: Ich glaube, das wird später kommen.

VORSITZENDER: Gut.

MR. ALDERMAN: Der Abschluß des Münchener Paktes war am 29. September. Diese Eintragung wurde drei Tage vorher gemacht, am 26. September, und lautet:

»Chef OKW hat bei Oberkommando des Heeres den beabsichtigten Anmarsch der Vorausabteilungen zur tschechischen Grenze angehalten, da noch nicht nötig und der Führer vor dem 30. keinesfalls einrückt. Befehl zum Heranrücken an die tschechische Grenze braucht erst 27. gegeben werden.

Feste Funkstellen Breslau, Dresden, Wien werden zur Störung eventueller Propagandasendungen der Tschechen dem R.M. für Volksaufklärung und Propaganda zur Verfügung gestellt.

Anfrage Ausland, ob auch jetzt noch Tschechen die Aus- und Durchreise durch Deutschland gestattet werden soll. Entscheidung Chefs OKW: Ja.

15.15 Uhr: Chef OKW orientiert General Stumpf über Ergebnis der Besprechung in Godesberg und die Auffassung des Führers.

X-Tag keinesfalls vor dem 30.

Wichtig, daß wir uns vor der Antwort Prags nicht durch falsche Meldungen zu militärischen Aktionen verleiten lassen. Frage Stumpf nach Y-Zeit ergibt, daß auf Grund der Wetterlage kaum mit gleichzeitigem Eingreifen von Luft und Heer zu rechnen ist.

Das Heer benützt die Morgendämmerung; Luftwaffe kann wegen häufigen Frühnebels erst später starten.

Führer muß dem O.B. gegenüber entscheiden, wer die Vorhand haben soll. Auch nach Ansicht Stumpf muß der Angriff des Heeres vorausgehen.

Über Einsatz gegen Prag hat der Führer noch keine Entscheidung gefällt.

20.00 Uhr: Der Führer hielt im Sportpalast seine große Rede an das Volk und die Welt.«

Dann kommt die Eintragung vom 27. September:

»13.20 Uhr: Führer genehmigt Vorführen der Angriffswelle derart, daß sie 30. September im Bereitstellungsraum eingetroffen sein kann.«

Auch dieser Befehl, auf den General Jodl verweist, wurde vom treuen Schmundt verzeichnet; er erscheint als Nummer 33, Seite 57 des Schmundt-Aktes. Ich will ihn vollständig verlesen. Dieser Befehl ist es, der die Nazi-Armee soweit brachte, daß sie von da an unentwegt und erfolgreich angreifen konnte.

»28. September 1938. Geheime Kommandosache, Aktennotiz. Der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht hat am 27. 9. um 13.00 Uhr das Einrücken der Sturmabteilungen aus ihren Übungsräumen in die Ausgangsstellungen angeordnet. Die Sturmabteilungen (etwa 21 verstärkte Regimenter, bzw. 7 Divisionen) müssen so einsatzbereit sein, daß die Aktion gegen ›Grün‹ ab 30. 9. möglich ist, nachdem ein Tag vorher bis 12.00 Uhr die Entscheidung gefallen ist.

Der Befehl wurde 13.20 Uhr Gen. Keitel durch Major Schmundt überbracht.« –

Das letztere ist eine Bleistiftnotiz von Schmundt.

In diesem Zeitpunkt, da sich die Nazi-Armee in einer strategischen Stellung entlang der Grenzen der Tschechoslowakei befand, wollen wir einen Augenblick zurückgreifen, um eine andere Phase des Angriffs auf die Tschechoslowakei zu untersuchen. Die militärischen Vorbereitungen zur Aktion gegen die Tschechoslowakei waren nicht nur im Leeren getroffen worden. Ihnen war eine sehr geschickt angelegte Operation vorangegangen, die sich als Ziel gesetzt hatte, Ungehorsamsakte in der Tschechoslowakei hervorzurufen. Mit Mitteln, die sie durch versteckt ausgeübten Druck gewonnen hatten, wandten die Nazi- Verschwörer jahrelang alle Arten von Gewalt und Propagandamethoden an, um der Bevölkerung der Tschechoslowakei Verständnis für die Gewaltpläne der Nazis beizubringen. Sie zwangen denen, die im Sudetenland, einem gebirgigen Gebiet, das im Nordwesten und Süden an Böhmen und Mähren angrenzt, lebten, die Ziele der damaligen deutschen Entscheidung auf. Ich will nun Ihre Aufmerksamkeit auf den Wortlaut des Berichtes in der Urkunde 998-PS lenken, die ich als US-91 vorlege. Dieses Beweisstück trägt die Überschrift »Verbrechen der Deutschen gegen die Tschechoslowakei« und ist ein amtlicher tschechoslowakischer Bericht für die Verfolgung und Verhandlung gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher.

Ich glaube, daß dieser Bericht zweifellos alle in Artikel 21 des Statuts oder der Charter geforderten Voraussetzungen erfüllt, um vom Gerichtshof amtlich zur Kenntnis genommen zu werden.

Artikel 21 sieht vor, daß »der Gerichtshof keine Beweise für allgemein bekannte Tatsachen fordern, sondern sie als gerichtsbekannt betrachten soll. Er soll ferner alle Regierungsurkunden und Berichte der Vereinten Nationen einschließlich der Berichte und Urkunden der in den verschiedenen alliierten Ländern für die Untersuchung von Kriegsverbrechen eingesetzten Komitees als gerichtsbekannt ansehen, sowie die Protokolle und Entscheidungen von Militär- oder anderen Gerichten einer der Vereinten Nationen.«

Da zufolge dieser Bestimmung der Gerichtshof von diesem Bericht der Tschechoslowakischen Regierung Kenntnis nimmt, werde ich mich mit Genehmigung des Gerichtshofs darauf beschränken, nur eine kurze Zusammenfassung der Seiten 9-12 des Berichtes zu geben, um zu zeigen, was sich hinter den Kulissen während der späteren Nazi-Intrigen in der Tschechoslowakei abspielte.

Die Nazi-Bewegung in der Tschechoslowakei geht auf die Anfangszeit der NSDAP zurück. In den Jahren nach dem ersten Weltkrieg wurde eine Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei im Sudetenland, DNSAP, ins Leben gerufen, die in enger Verbindung mit Hitlers NSDAP stand. Im Jahre 1932 übernahmen die Rädelsführer des Sudetendeutschen Volkssports, einer Organisation, die der Nazi-SA oder Sturm-Abteilung entsprach, offen die 21 Punkte des Hitlerprogramms, deren erster den Zusammenschluß aller Deutschen in einem Großdeutschland verlangt. Kurze Zeit darauf wurden sie beschuldigt, einen bewaffneten Aufstand zugunsten einer auswärtigen Macht angezettelt zu haben, und wurden wegen Verschwörung gegen die Tschechoslowakische Republik verurteilt.

Gegen Ende 1933 kam die Nationalsozialistische Partei in der Tschechoslowakei durch ihre freiwillige Auflösung einem Auflösungsbefehl zuvor, und einige Führer flüchteten über die Grenze nach Deutschland. In dem darauffolgenden Jahre wurde die Nazi-Betätigung in der Tschechoslowakei illegal fortgesetzt.

Im Einvernehmen mit den Nazi-Verschwörern und auf deren Drängen gründete ein Turnlehrer namens Konrad Henlein am 1. Oktober 1934 die Deutsche Heimatfront, aus der im nächsten Frühjahr die »Sudetendeutsche Partei« (SDP) wurde. Indem sie sich die Erfahrungen der Tschechischen Nationalsozialistischen Partei zunutze machten, stritt Henlein jede Verbindung mit den deutschen Nazis ab. Er verwarf Pangermanismus und bekannte sich zur Anerkennung persönlicher Freiheiten und zur Ergebenheit gegenüber einer ehrlichen Demokratie und zum tschechischen Staat. Nichtsdestoweniger war seine Partei auf dem Führerprinzip aufgebaut, und er selbst wurde ihr Führer.

Nachdem die Macht Hitler-Deutschlands offenbar geworden war, begannen Henlein und seine Anhänger im Jahre 1937 ein viel aggressiveres Verhalten an den Tag zu legen und verlangten ohne weiteres die »vollkommene Autonomie für das Sudetenland«. Die SDP unterbreitete dem tschechischen Parlament Vorschläge, deren Annahme einen Staat innerhalb des Staates zur Folge gehabt hätte.

Nach der Einverleibung Österreichs durch Deutschland im Jahre 1938 verstärkten die Henlein-Leute, die nun offen nach dem Nazi-Muster organisiert waren, ihre Tätigkeit. Unverhohlen wurde judenfeindliche Propaganda in der Henlein-Presse begonnen. Der Kampf gegen den Bolschewismus wurde stärker; die Terrorakte in den Gegenden, wo Henlein am Ruder war, nahmen zu. Eine Sturmtruppe, die nach dem Muster der Nazi-SS eingerichtet und nach deren Prinzipien ausgebildet war, wurde organisiert. Sie waren als FS, Freiwilliger Selbstschutz, bekannt.

Am 24. April 1938 kam in einer Rede vor dem Parteitag in Karlsbad Henlein offen mit seinem von ihm so benannten Karlsbader Programm heraus. In dieser Rede, die nur ein Echo Hitlers in Ton und Inhalt war, forderte Henlein für die Sudetendeutschen das Recht, sich zur deutschen politischen Weltanschauung zu bekennen, womit er natürlich den Nationalsozialismus meinte.

Im Laufe des Sommers 1938 verwendeten die Henlein-Leute sämtliche Methoden der Nazi-Fünften-Kolonne. Wie auf den Seiten 12 bis 16 des amtlichen tschechoslowakischen Regierungsberichtes zusammengefaßt, wurden nachfolgend aufgezählte Methoden verwendet:

a) Spionagetätigkeit.

Militärische Spionage für Deutschland wurde von der SDP, dem FS und anderen Angehörigen deutscher Minderheiten betrieben. Aufzeichnungen über tschechische Verteidigungswerke wurden gemacht und Informationen über tschechische Truppenbewegungen den deutschen Behörden geliefert.

b) Nazifizierung der deutschen Betriebe in der Tschechoslowakei.

Die Henlein-Leute drangen systematisch in das ganze Leben der deutschen Bevölkerung in der Tschechoslowakei ein. Gesellschaften und soziale Kulturvereinigungen wurden im allgemeinen einer Gleichschaltung, das heißt einer Säuberung durch die SDP unterzogen. Unter den Organisationen, die auf diese Weise von den Henlein-Leuten übernommen wurden, befanden sich Sportgesellschaften, Ruderklubs, Veteranen- und Gesangvereine. Die Henlein-Leute waren besonders interessiert, soweit als möglich in Wirtschaftsbetriebe einzudringen und Bankdirektoren, Besitzer oder Leiter von Fabriken, sowie die Direktoren kaufmännischer Betriebe auf ihre Seite zu bringen. Wo Juden Eigentümer oder Direktoren waren, trachteten sie danach, die Mitwirkung der Beamten und Facharbeiter dieser Betriebe zu gewinnen.

c) Deutsche Leitung und Führerschaft.

Die Henlein-Leute hielten eine ständige Verbindung mit den Nazi-Funktionären aufrecht, denen die Leitung der Betätigung in der Tschechoslowakei anvertraut war. Zusammenkünfte in Deutschland, bei denen die Henlein-Leute beraten und in der Tätigkeit der Fünften Kolonne unterwiesen wurden, waren getarnt, indem sie in Verbindung mit Sängerfesten, Turnveranstaltungen oder kaufmännischen oder geschäftlichen Versammlungen, wie z. B. der Leipziger Messe, abgehalten wurden. Sobald die Nazi-Verschwörer Zwischenfälle für ihren Nervenkrieg brauchten, war es Pflicht der Henlein-Leute, diese herbeizuführen.

d) Propaganda.

Umstürzlerische und zersetzende Propaganda gegen die Tschechoslowakei wurde in deutschen Radiosendungen betrieben und fand ihren Widerhall in der deutschen Presse. Goebbels nannte die Tschechoslowakei ein »Nest des Bolschewismus« und verbreitete falsche Berichte über angeblich in Prag stehende russische Truppen und Flugzeuge. Über Anweisung vom Reich betrieben die Henlein-Leute eine Flüsterpropaganda im Sudetenland, die dazu beitrug, die Spannung zu steigern und Zwischenfälle herbeizuführen.

Verbotene Nazi-Literatur wurde von Deutschland eingeschmuggelt und in den Grenzgebieten verbreitet. Dann verbreitete die Henlein-Presse mehr oder weniger offen die Nazi-Weltanschauung unter der deutschen Bevölkerung im Sudetenland.

e) Mord und Terrorismus.

Die Nazi-Verschwörer stellten den Henlein-Leuten und besonders dem FS Geld und Waffen zur Verfügung, um Zwischenfälle herbeizuführen und einen Zustand ständiger Unruhe aufrecht zu erhalten. Gendarmen, Zollbeamte und andere tschechische Beamte wurden angefallen. Gegen jüdische Anwälte, Ärzte und Geschäftsleute wurden Boykottmaßnahmen durchgeführt.

Die Henlein-Leute terrorisierten die Nicht-Henlein- Bevölkerung, und die Nazi-Gestapo drang in die Grenzgebiete, um tschechoslowakische Staatsbürger über die Grenze nach Deutschland zu verschleppen.

In einigen Fällen wurden politische Feinde der Nazis auf tschechischem Boden ermordet. Nazi-Agenten ermordeten Professor Theodor Lessing im Jahre 1933 und Ingenieur Formis im Jahre 1935. Beide waren Anti-Nazis, die aus Deutschland nach der Machtergreifung Hitlers geflohen waren und Zuflucht in der Tschechoslowakei gesucht hatten.

Einige Zeit später, als keine Notwendigkeit mehr für Vorwände und Täuschung bestand, gab Konrad Henlein klar und offen eine Erklärung über die ihm von den Nazi-Verschwörern zugewiesene Aufgabe ab. Ich lege Beweisstück 2863-PS vor, das einen Auszug aus einem Vortrag Konrad Henleins darstellt, der in dem Buch »Vier Kampfjahre« wiedergegeben wird. Er ist vom tschechoslowakischen Außenministerium veröffentlicht; und ich lese daraus auf Seite 29. Dieses Buch ist zum Zwecke der Identifizierung als Beweisstück US-92 bezeichnet. Ohne es als Beweisstück vorzulegen, bitte ich den Gerichtshof, amtlich davon Kenntnis zu nehmen. Dieser Vortrag wurde von Henlein am 4. März 1941 im Hörsaal der Wiener Universität unter der Leitung der Wiener Verwaltungsakademie gehalten. Trotz gründlicher Durchsuchung der Bibliotheken in Wien und anderen Orten waren wir nicht imstande, ein Exemplar des deutschen Textes zu finden. Die Ausgabe, die ich hier habe, ist eine englische Übersetzung. Die Wiener Zeitungen haben am nächsten Tage nur Auszüge dieses Vortrags gebracht. Diese englische Übersetzung ist jedoch von der Tschechoslowakischen Regierung amtlich veröffentlicht und ist unter diesen Umständen das beste Beweismaterial, das wir für diese Henlein-Rede vorlegen können.

In diesem Vortrag über »Der Freiheitskampf der Sudetendeutschen« sagte Henlein:

»Der Nationalsozialismus riß uns Sudetendeutsche bald mit. Unser Kampf war anderer Art als der in Deutschland. Obgleich wir in der Öffentlichkeit ein anderes Benehmen zur Schau tragen mußten, standen wir im geheimen selbstverständlich mit der nationalsozialistischen Revolution in Verbindung, um unseren Anteil daran zu haben. Der Kampf für Großdeutschland wurde auch auf sudetendeutschem Boden geführt. Diesen Kampf konnten nur Männer führen, die vom Geist des Nationalsozialismus beseelt waren, wahre Anhänger unseres Führers, gleichgültig, wie sie nach außen hin erschienen. Das Schicksal hat mich zum Führer der Volksgruppe für den Endkampf ausersehen. Als der Führer der NSDAP mich im Herbst 1933 ersuchte, die politische Führung der Sudetendeutschen zu übernehmen, stand ich vor der Entscheidung einer schweren Frage. Sollte die Nationalsozialistische Partei illegal weiter bestehen, oder sollte die Bewegung, im Interesse der Selbsterhaltung der Sudetendeutschen und um deren Rückkehr zum Reich vorzubereiten, ihren Kampf getarnt und mit Mitteln, die nach außenhin legal erschienen, führen? Wir Sudetendeutschen glaubten nur die zweite Möglichkeit wählen zu können, denn die Erhaltung unserer Volksgruppe stand auf dem Spiel. Es wäre sicherlich leichter gewesen, statt diesen schweren und geistig aufreibenden Kampf zu führen, sich als Held offen zum Nationalsozialismus zu bekennen und dafür von den Tschechen eingesperrt zu werden. Es schien jedoch mehr als fraglich, ob wir damit unsere politische Aufgabe, die Tschechoslowakei, eine Hochburg in dem Bund gegen das Deutsche Reich, zu vernichten, hatten erfüllen können.«

Das Ausmaß der Nazi-Intrigen in der Tschechoslowakei, die ich eben dem Gerichtshof vorgetragen habe, zeigt den Plan der Verschwörung, wie er von der Tschechoslowakischen Regierung in diesem Frühsommer dargestellt wurde. Von uns erbeutete Dokumente und andere Informationen, die uns seit der Niederlage Deutschlands zur Verfügung stehen, haben seither klar und überzeugend gezeigt, wie weit die Nazi-Verschwörer an der Verhetzung im Sudetenland beteiligt waren, eine Tatsache, die man früher nur folgern konnte.

Ich lege Dokument 3060-PS als US-93 vor. Es ist ein handgeschriebener Originalentwurf zu einem Telegramm, das von der Deutschen Gesandtschaft in Prag am 16. März 1938 an das Auswärtige Amt in Berlin geschickt wurde. Es ist aller Wahrscheinlichkeit nach von dem Deutschen Gesandten Eisenlohr geschrieben. Es beweist überzeugend, daß die Henlein-Bewegung ein Werkzeug, ein Spielball in den Händen der Nazi- Verschwörer war. Die Henlein-Partei war, wie aus der Urkunde hervorgeht, von Berlin aus und von der Deutschen Gesandtschaft in Prag geleitet. Sie konnte keine eigene Politik haben. Selbst die Reden ihrer Führer hatten mit den deutschen Behörden abgestimmt zu sein.

Ich verlese nun dieses Telegramm:

»Prag, den 16. März 38.

Auswärtiges Amt, Berlin. (Chiff. Kabel Nr. 57, geheim vom 16. März.) Mit Bezug auf Drahterlaß Nummer 30 vom 14. März. Abweisung Franks hat heilsam gewirkt. Habe mich mit Henlein, der sich mir in letzter Zeit entzogen hatte, und mit Frank einzeln auseinandergesetzt und folgende Zusagen erhalten:

1. Maßgebend für Politik und taktisches Vorgehen SDP ist ausschließlich die durch Gesandtschaft übermittelte Linie deutscher Außenpolitik. Meine Weisungen sollen strikte befolgt werden.

2. öffentliche Reden und Presse werden im Einverständnis mit mir einheitlich abgestimmt. Redaktionsstab der ›Zeit‹ soll verbessert werden.

3. Parteiführung gibt bisherige intransigente Linie, die letzten Endes zu politischen Verwicklungen führen könnte, auf und schwenkt auf Linie schrittweiser Förderung sudetendeutscher Belange ein. Ziele sind jeweils gemeinsam mit mir festzulegen und diplomatisch parellel zu fördern. Volksschutzgesetz und ›Territoriale Autonomie‹ sind nicht mehr in Vordergrund zu stellen.

4. Falls vor wichtigen programmatischen Erklärungen Henleins Beratung mit Berliner Stellen erforderlich oder erwünscht, soll diese durch Gesandtschaft beantragt und vorbereitet werden.

5. Alle Informationen der SDP an deutsche Stellen sollen durch Hand Gesandtschaft gehen.

6. Henlein wird allwöchentlich Fühlung mit mir halten und auf Wunsch jederzeit nach Prag kommen. Hoffe hiernach SDP fest am Zügel zu haben, was im außenpolitischen Interesse für kommende Entwicklung mehr denn je notwendig. Bitte beteiligte Ministerien und Mittelstelle unterrichten und um Unterstützung dieser einheitlichen Lenkung SDP ersuchen.«

Der für die Unterschrift stehende Buchstabe ist unleserlich.

Das Abkanzeln Henleins seitens Eisenlohrs hatte die gewünschte Wirkung. Am Tage nach Absendung des Telegramms von Prag richtete Henlein einen untertänigen Brief an Ribbentrop, indem er ihn um eine baldige persönliche Unterredung bat.

Ich lege Dokument Nummer 2789-PS als US-94 vor. Es ist ein Brief von Konrad Henlein an Ribbentrop, der das Datum vom 17. März 1938 trägt und im Archiv des Deutschen Auswärtigen Amtes erbeutet wurde:

»Hochverehrter Herr Reichsaußenminister!

In unserer tiefen Freude über die glückliche Wendung in Österreich, haben wir das Bedürfnis, all jenen, die am Gelingen des neuen großen Werkes des Führers Anteil haben, unseren Dank zum Ausdruck zu bringen.

Nehmen Sie, hochverehrter Herr Minister, demnach auch den aufrichtigen Dank des Sudetendeutschtums hiermit entgegen. Den Dank an den Führer werden wir durch verdoppelten Einsatz im Dienste der großdeutschen Politik abstatten.

Die neue Lage erfordert eine Überprüfung der sudetendeutschen Politik. Zu diesem Zwecke erlaube ich mir, Sie um die Gelegenheit einer recht baldigen persönlichen Aussprache zu bitten.

Mit Rücksicht auf diese notwendige Erklärung habe ich den für den 26. und 27. März 1938 angesetzten gesamtstaatlichen Parteitag um 4 Wochen verschoben.

Ich wäre zu Dank verbunden, wenn zu der angesuch ten Aussprache der Herr Gesandte Dr. Eisenlohr und zwei meiner engsten Mitarbeiter beigezogen würden.

Heil Hitler! In Treue Ihr« Unterschrift: »Konrad Henlein«.

Sie werden feststellen, daß Henlein sich vollkommen klar darüber war, daß die Einnahme Österreichs es möglich machte, eine neue Politik der Tschechoslowakei gegenüber einzuschlagen. Sie werden außerdem feststellen, daß Henlein mit Ribbentrop und dem Deutschen Gesandten in Prag bereits in genügend enger Verbindung stand, um baldmögliche persönliche Aussprachen vorschlagen zu können.

Ribbentrop war nicht unempfänglich für diesen Vorschlag Henleins. Die Unterredung, die Henlein vorgeschlagen hatte, fand im Auswärtigen Amt in Berlin am 29. März 1938 statt. Am Tag vorher hatte Henlein mit Hitler selbst eine Besprechung.

Ich lege Dokument 2788-PS, US-95 vor; es sind die von uns erbeuteten Aufzeichnungen des Deutschen Auswärtigen Amtes über die Besprechung vom 29. März.

Ich lese die ersten zwei Absätze:

»An der Besprechung nahmen die in der anliegenden Liste aufgeführten Herren teil.

Der Herr Reichsminister betonte eingangs die Notwendigkeit einer strengen Geheimhaltung der anberaumten Besprechung und führte sodann unter Hinweis auf die Richtlinien, die gestern nachmittag der Führer Konrad Henlein persönlich erteilt hat, aus, daß es vor allem zwei Fragen wären, die für die Führung der Politik der Sudetendeutschen Partei von Wichtigkeit wären.«

Ich will die Besprechung über die Forderungen der Sudetendeutschen auslassen und im Protokoll über diese Zusammenkunft, und zwar in der Mitte des letzten Absatzes der ersten Seite der englischen Übersetzung, mit dem Satz fortfahren, der beginnt:

»Das Ziel der von der Sudetendeutschen Partei mit der Tschechoslowakischen Regierung zu führenden Verhandlungen wäre letzten Endes das, durch den Umfang und die schrittweise Präzisierung der zu stellenden Forderungen den Eintritt in die Regierung zu vermeiden. Bei den Verhandlungen müßte klar herausgestellt werden, daß allein die Sudetendeutsche Partei Verhandlungspartner der Tschechoslowakischen Regierung wäre, nicht die Reichsregierung. Die Reichsregierung ihrerseits müsse es ablehnen, gegenüber der Prager Regierung oder gegenüber London und Paris als Vertreter oder Schrittmacher der sudetendeutschen Forderungen in Erscheinung zu treten. Eine selbstverständliche Voraussetzung sei es, daß das Sudetendeutschtum bei den vorstehenden Auseinandersetzungen mit der Tschechischen Regierung fest in der Hand Konrad Henleins liege, Ruhe und Disziplin bewahre und Unvorsichtigkeiten vermeide. Hierzu habe Konrad Henlein bereits zufriedenstellende Zusicherungen gegeben.

Im Anschluß an diese allgemeinen Ausführungen des Herrn Reichsministers wurden die in der Anlage beigefügten Forderungen der Sudetendeutschen Partei an die Tschechoslowakische Regierung durchgesprochen und grundsätzlich genehmigt. Für die weitere Zusammenarbeit wurde Konrad Henlein auf einen möglichst engen Kontakt mit dem Herrn Reichsminister und mit dem Leiter der Volksdeutschen Mittelsstelle, sowie dem Deutschen Gesandten in Prag, als dem dortigen Vertreter des Herrn Reichsaußenministers, verwiesen.

Die Aufgabe des Deutschen Gesandten in Prag würde darin bestehen, nicht offiziell, sondern in mehr privat gehaltenen Gesprächen mit den tschechoslowakischen Staatsmännern, die Forderungen der Sudetendeutschen Partei als vernünftig zu unterstützen, ohne auf den Umfang der Forderungen der Partei unmittelbaren Einfluß zu nehmen.

Abschließend wurde die Frage der Zweckmäßigkeit eines Zusammengehens der Sudetendeutschen Partei mit den übrigen Minderheiten in der Tschechoslowakei, insbesondere den Slowaken, erörtert. Der Herr Reichsminister entschied dahin, daß man der Partei die Freiheit lassen müsse, mit den anderen Minderheitsgruppen, deren paralleles Vorgehen zweckmäßig erscheinen könnte, lose Fühlung zu halten.

Berlin, den 29. März 1938

R.« – für Ribbentrop.

Nicht uninteressant ist die Liste der Teilnehmer an dieser geheimen Zusammenkunft: Konrad Henlein, sein erster Stellvertreter Karl Hermann Frank und zwei andere vertraten die Sudetendeutsche Partei; Professor Haushofer, der Geopolitiker, und SS-Obergruppenführer Lorenz vertraten die Volksdeutsche Mittelsstelle. Das Auswärtige Amt war durch eine Delegation von acht Leuten vertreten. Unter diesen acht befanden sich: Ribbentrop, der den Vorsitz führte und hauptsächlich das Wort nahm, von Mackensen, von Weizsäcker und Gesandter Eisenlohr von der Deutschen Gesandtschaft in Prag.

Im Mai kam Henlein zu weiteren Besprechungen mit den Nazi-Verschwörern nach Berlin. Zu dieser Zeit waren die Pläne für den Fall »Grün«, den Angriff auf die Tschechoslowakei, schon fertig, und es kann angenommen werden, daß Henlein Anweisungen für die Rolle empfing, die er während der Sommermonate zu spielen hatte.

Ich zitiere wieder aus General Jodls Tagebuch, Dokument 1780-PS, und zwar die Eintragung vom 22. Mai 1938.

»22. Mai. Grundlegende Besprechung zwischen dem Führer und K. Henlein (siehe Anlage).«

Die Anlage fehlt leider in diesem Tagebuch.

Der Gerichtshof wird sich erinnern, daß Henlein in seiner Rede in Wien zugab, er sei von den Nazi-Verschwörern im Herbst 1933 auserkoren worden, die politische Führerschaft der Sudetendeutschen zu übernehmen. Die eben von mir verlesenen Dokumente zeigen deutlich die Art der Aufgabe Henleins. Sie beweisen, daß Henleins Politik, seine Propaganda, ja sogar seine Reden von Berlin kontrolliert waren.

Ich will nun zeigen, daß die Sudetendeutsche Partei vom Jahre 1935 an im geheimen vom Deutschen Auswärtigen Amt finanzielle Unterstützung erhielt. Ich lege Beweisstück 3059-PS, US-96 vor, ein weiteres Geheimdokument, das in den Archiven des Deutschen Auswärtigen Amtes erbeutet wurde.

Dieses Schreiben, gezeichnet von Wörmann in Berlin am 19. August 1938, kam auf Ersuchen der Henlein-Partei um zusätzliche Mittel zustande. Ich verlese dieses Schreiben:

»Die Sudetendeutsche Partei wird seit dem Jahre 1935 laufend durch gewisse Beträge vom A. A. unterstützt, und zwar durch eine Zahlung von monatlich RM 15000. –, von dem der Gesandtschaft Prag RM 12000. – zur Auszahlung überwiesen werden und RM 3000. – in Berlin an die Vertretung der Partei (Büro Bürger) zur Zahlung gelangen. Im Laufe der letzten Monate sind die Aufgaben, die dem Büro Bürger zufallen, infolge der laufenden Verhandlungen mit der Tschechoslowakischen Regierung stark gewachsen. Die Zahl der Broschüren und Landkarten, die von dem Büro hergestellt und vertrieben werden, ist gestiegen, die pressepropagandistische Tätigkeit hat sich gewaltig vermehrt, insbesondere ist auch der Ausgabenetat dadurch gestiegen, daß bei der Notwendigkeit, stets gut orientiert zu sein, die Ausgaben für Reisen nach Prag, London und Paris (auch Finanzierung der Reisen sudetendeutscher Abgeordneter und Mittelsmänner) stark vergrößert worden sind. Unter diesen Umständen ist das Büro Bürger nicht mehr in der Lage, mit dem ihm ausgesetzten Betrag von RM 3000.- monatlich auszukommen, um allen seinen Anforderungen gerecht zu werden. Herr Bürger ist daher beim Amt vorstellig geworden, eine Erhöhung dieser Summe vorzunehmen, und zwar von monatlich RM 3000. – auf monatlich RM 5500. –. Bei der starken Zunahme, die der Geschäftsbetrieb des Büros erfahren hat, und bei der Wichtigkeit, die der Tätigkeit des Büros auch für die Zusammenarbeit mit dem A. A. zukommt, kann dieser Wunsch nur dringend befürwortet werden.

Hiermit Abtl. Pers. mit der Bitte um Genehmigung erg. vorgelegt.

Es wird gebeten, die Zahlungen rückwirkend vom 1. August ab zu erhöhen.«

Unterschrift: »Wörmann.«

Und unter dieser Unterschrift folgt eine Fußnote:

»Volksdeutsche Mittelsstelle wird von pol. Abt. unterrichtet.«

Es handelt sich hier um eine handgeschriebene Randbemerkung.

Wir können daraus nur schließen, welche finanziellen Unterstützungen die Henlein-Bewegung von anderen Abteilungen der Deutschen Regierung erhalten hat.

Im Spätsommer und Frühherbst, als die militärischen Vorbereitungen zum Angriff auf die Tschechoslowakei größte Fortschritte machten, hatten die Nazi-Befehlshaber gute Verwendung für Henlein und seine Anhänger. Um den 1. August herum besuchte der Luftattaché der Deutschen Gesandtschaft in Prag, Major Möricke, auf Weisung der Leitung der Luftwaffe in Berlin den sudetendeutschen Führer in Freudenthal. Mit dessen Unterstützung und in Begleitung des Ortsgruppenleiters der FS., einer Gliederung der Henlein-Bewegung, die der SS entspricht, kundschaftete er die umliegende Landschaft aus, um eventuelle Flug-Landungsplätze für die Benützung der deutschen Luftwaffe auszuwählen. Der FS-Führer, ein tschechischer Reservist, damals auf Urlaub, war in Uniform der tschechoslowakischen Armee, was, wie der Attaché bemerkte, ausgezeichnet als Tarnung diente.

Ich lese nun aus der Beilage zu Dokument 1536-PS, US-83 das ich bereits vorgelegt habe. Die ersten vier Absätze der Beilage habe ich bereits verlesen:

»Der Fabrikant M. ist Führer der SD-Segelflieger in Freudenthal und wurde mir von meinem Gewährsmann als unbedingt zuverlässig bezeichnet. Mein persönlicher Eindruck bestätigte dieses Urteil vollständig. Eine Legitimation ihm gegenüber erfolgte in keiner Form, wenn ich auch den Eindruck hatte, daß M. wußte, wer ich war.

M. befuhr mit mir auf meinen Wunsch, den er zunächst ohne Gegenfragen ausführte, das in Frage kommende Gelände. Zur Fahrt wurde der Privatwagen von M. benutzt.

Da M. das Gelände um Beneschau nicht ausreichend kannte, nahm er den dortigen Führer der FS, einen auf Urlaub weilenden tschechischen Reservisten der Sudetendeutschen Volksgruppe, in Uniform mit. Aus Tarnungsgründen war ich hiermit, ohne dies besonders zu äußern, durchaus einverstanden.

Als M. im Laufe der Fahrt merkte, daß ich große freie Flächen aus dem Auto heraus photographierte, sagte er: ›Aha, Sie suchen also Flugplätze!‹ Ich antwortete ihm, daß wir vermuten, daß die Tschechen direkt hinter der Befestigungslinie im Ernstfall ihre Flugplätze anlegen werden. Ich hätte die Absicht, mir das Gelände unter diesem Gesichtspunkt anzusehen.«

Der letzte Teil des Berichtes des Luftattachés bezieht sich auf die Anwesenheit verläßlicher Agenten und Nachrichtenleute, V-Leute, wie er sie nannte, die anscheinend aus den Reihen der Henlein-Partei in diese Gegend gebracht worden waren. Es wurde angedeutet, daß diese Agenten in Verbindung mit der Abwehrstelle Breslau seien.

Im September, als der Nazi-Propagandafeldzug seinen Höhepunkt erreichte, waren die Nazis nicht damit zufrieden, nur die Forderungen der Sudetendeutschen auf Selbstverwaltung zu vertreten. Sie versuchten auch, die Slowaken zu verwenden. Am 19. September sandte das Auswärtige Amt ein Telegramm an die Deutsche Gesandtschaft in Prag. Ich biete das Dokument 2858-PS, US-97 zum Beweise an, ein weiteres aus den Archiven des Deutschen Auswärtigen Amtes erbeutetes Dokument. Ich verlese nun das Telegramm:

»Bitte auf Wunsch Konrad Henleins Abgeordneten Kundt mitzuteilen, er möge unverzüglich mit den Slowaken Fühlung nehmen, um diese zu veranlassen, daß sie im Laufe des morgigen Tages ihre Autonomieforderungen erheben.«

Unterschrift: »Altenburg«.

Kundt war Henleins Vertreter in Prag.

Als die bedrängte Tschechoslowakische Regierung versuchte, die Unruhen im Sudetenland einzudämmen, begann das Deutsche Auswärtige Amt eine Taktik diplomatischer Drohungen im bewußten Bestreben, die Spannung zwischen den beiden Ländern zu erhöhen. Ich biete die Dokumente 2855-PS, 2854-PS, 2853-PS und 2856-PS zum Beweise als US-98, -99, -100 und -101 an; es sind vier Telegramme des Deutschen Auswärtigen Amtes in Berlin an die Gesandtschaft in Prag, die in der Zeit zwischen dem 16. und 24. September 1938 abgesandt wurden. Ich glaube, daß diese Telegramme für sich selbst sprechen. Das erste Telegramm ist vom 16. September datiert:

»Heute Nacht sind in Deutschland 150 tschechoslowakische Staatsangehörige tschechischen Volkstums festgenommen worden. Diese Maßnahme ist eine Antwort auf die Verhaftung von Sudetendeutschen seit der Führerrede vom 12. September. Bitte möglichst umgehend Zahl der etwa seit 12. September festgenommenen Sudetendeutschen soweit möglich festzustellen. Von Gestapo wird Zahl der dort Festgenommenen unter Vorbe halt auf 400 geschätzt. Drahtbericht.«

Darauf folgt eine handschriftliche Notiz: »Feststellungen meinerseits nicht möglich, wie schon Herrn Geschäftsträger gel. gemeldet.«

Das zweite Telegramm trägt das Datum des 17. September. »Citissime.

I. Ich bitte unverzüglich der dortigen Regierung folgendes mitzuteilen:

Die Reichsregierung hat beschlossen, daß

a) sofort im Reichsgebiet so viel tschechoslowakische Staatsangehörige tschechoslowakischen Volkstums (auch Juden tschechoslowakischer Sprache) festgenommen werden sollen, als in der Tschechoslowakei seit Beginn laufender Woche Sudetendeutsche festgenommen worden sind;

b) im Falle des Vollzuges von gegen Sudetendeutsche auf Grund des Standrechtes gefällten Todesurteilen, jeweils eine gleiche Anzahl Tschechoslowaken im Reich erschossen werden.«

Das 3. Telegramm wurde am 24. September abgesandt. Ich lese:

»Nach hier vorliegenden Nachrichten haben Tschechen in Lundenburg zwei deutsche Grenzpolizeibeamte, sieben Zollbeamte und dreißig Bahnbeamte festgenommen. Als Gegenmaßnahme wurde gesamtes tschechisches Personal in Marchegg festgenommen. Wir sind bereit, die festgenommenen tschechischen Beamten gegen die deutschen Beamten auszutauschen. Bitte an dortige Regierung heranzutreten und Ergebnis drahten.«

Am gleichen Tag wurde das 4. Telegramm gesandt. Ich lese den letzten Absatz:

»Vertraulich: Abtretung der hier festgenommenen tschechischen Geiseln zur Verhütung der Vollstreckung etwaiger Standgerichtsurteile gegen Sudetendeutsche kommt natürlich nicht in Frage.«

In der zweiten Septemberhälfte widmeten sich Henlein und seine Anhänger voll und ganz den Vorbereitungen für den kommenden deutschen Angriff. Ungefähr am 15. September, nach Hitlers herausfordernder Nürnberger Rede, in welcher er Benesch »Folterknecht« nannte und ihn beschuldigte, die Ausrottung der Sudetendeutschen zu planen, flohen Henlein und Karl Hermann Frank, einer seiner Hauptunterführer, nach Deutschland, um der Verhaftung durch die Tschechoslowakische Regierung zu entgehen. In Deutschland verkündete Henlein über die starke Reichssender-Radiostation seinen Entschluß, die Sudetendeutschen »heim ins Reich zu führen«, und klagte die, wie er sie nannte, »hussitisch-bolschewistischen Verbrecher in Prag« öffentlich an. Von seinem Hauptquartier aus, einem Schloß zu Donndorf, unweit Bayreuth, hielt er enge Verbindung mit den führenden Nazi-Verschwörern einschließlich Hitler und Himmler. Er leitete die Aktion in den Grenzgebieten und begann mit der Organisation des Sudetendeutschen Freikorps, einer militärischen Hilfsorganisation. Sie können die Schilderung dieser Ereignisse im amtlichen Tschechoslowakischen Regierungsbericht finden, 998-PS, der bereits als US-91 vorgelegt wurde.

Henlein übte seine Tätigkeit mit Ratschlägen und Beistand der Nazi-Führer aus. Oberstleutnant Köchling wurde Henlein als Ratgeber beigegeben, um ihn in der Arbeit mit dem Sudetendeutschen Freikorps zu unterstützen. In einer Unterredung mit Hitler in der Nacht des 17. September erhielt Köchling weitgehende militärische Vollmachten.

In dieser Besprechung wurde als Ziel des Freikorps offen erklärt: »Aufrechterhaltung von Unruhen und Herbeiführung von Zusammenstößen«. Ich lese nunmehr aus Nummer 25 des Schmundt-Aktes, 388-PS, einer handschriftlichen Notiz, mit der Überschrift »Geheime Kommandosache«; es ist Seite 49:

»Gestern abend hat die Besprechung Führer-Oberstleutnant Köchling stattgefunden. Dauer der Besprechung 7 Minuten. Oberstleutnant Köchling bleibt dem OKW unmittelbar unterstellt. Er wird Konrad Henlein zur Beratung zugeteilt. Er hat vom Führer weitgehende militärische Vollmachten bekommen. Das Sudetendeutsche Freikorps bleibt Konrad Henlein unterstellt. Zweck: Schutz der Sudetendeutschen und Aufrechterhaltung weiterer Unruhen und Zusammenstöße. Die Aufstellung des Freikorps erfolgt in Deutschland. Bewaffnung nur mit österreichischen Waffen. Beginn der Tätigkeit des Freikorps so schnell wie möglich.«

VORSITZENDER: Ich glaube, es wäre gut, jetzt für 10 Minuten zu unterbrechen.