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[Verhandlungspause, während der

der Gerichtshof berät.]

VORSITZENDER: Der Gerichtshof gibt dem Einspruch Folge und wird diese eidesstattliche Erklärung nicht verlesen lassen. Es bleibt sowohl der Anklagebehörde als auch der Verteidigung natürlich vorbehalten, den Mann, der diese eidesstattliche Erklärung abgab, vorzuladen. Das ist alles, was ich dazu zu bemerken habe. Wir haben Ihrem Einspruch Folge gegeben.

MR. ALDERMAN: Hoher Gerichtshof! Ich habe noch eine weitere eidesstattliche Erklärung von einem gewissen Alfred Helmut Naujocks, welche, wie ich annehme, aus denselben Gründen nicht zugelassen werden dürfte. Ich werde sie deshalb nicht zum Beweis anbieten.

VORSITZENDER: Wenn die Umstände die gleichen sind...

MR. ALDERMAN: Ja. Ich will nur zur Identifizierung darauf verweisen, weil sie in Ihrem Dokumentenbuch enthalten ist.

VORSITZENDER: Gut.

MR. ALDERMAN: Es handelt sich um Dokument 3029-PS.

VORSITZENDER: Gut. Auch dieses Beweisstück wird nicht zugelassen.

MR. ALDERMAN: Jawohl. – Die Angriffshandlungen entlang der tschechoslowakischen Grenze beschränkten sich nicht nur auf Scharmützel des Freikorps. Zwei SS-Totenkopf-Bataillone operierten jenseits der Grenze auf tschechischem Gebiet in der Nähe von Asch.

Ich zitiere nun aus Nummer 36 des Schmundt- Aktes, Seite 61, einer geheimen Kommandosache des OKW, unterschrieben von Jodl, vom 28. September:

»Oberkommando der Wehrmacht. Berlin, den 28. September 1938. Geheime Kommandosache. 45 Ausferti gungen. 16. Ausfertigung.

Betrifft: Unterstellung von 4 Sturmbannen der SS-Totenkopf -verbände unter Oberbefehlshaber des Heeres.

An den Herrn Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei (SS/Hauptamt). 36. Ausfertigung.

Auf Befehl des Obersten Befehlshabers der Wehrmacht werden nachfolgende Sturmbanne der SS-Totenkopf verbände mit sofortiger Wirkung dem Oberbefehlshaber des Heeres unterstellt:

II. und III. Sturmbann der 2. SST-Standarte Brandenburg z. Zt. in Brieg (Oberschlesien).

I. und II. Sturmbann der 3. SST-Standarte Thüringen z.Zt. in Radebeul und Kötzschenbroda bei Dresden.

Ob. d. H. wird gebeten, den Einsatz dieser Sturmbanne einer Weisung des Führers entsprechend im Westen (Oberrhein) vorzusehen.

Die im Ascher Zipfel eingesetzten Teile der SS-Totenkopfverbände (I. und II. Sturmbann der SST-Standarte Oberbayern) werden erst dem Ob. d. H. unterstellt, wenn diese Sturmbanne auf deutsches Reichsgebiet zurückkehren, bzw. wenn das Heer die deutsch-tschechische Grenze überschreitet. Es wird gebeten, alles weitere unmittelbar zwischen Ob. d. H. und Reichsführer SS (SS-Hauptamt) zu vereinbaren.

Der Chef des OKW Im Auftrag: Jodl.«

Gemäß der Eintragung vom 25. September im Tagebuch des Generals Jodl operierten diese SS-Totenkopfverbände in dieser Gegend auf direkten Befehl Hitlers. Als der Termin, näherrückte, kam es zu einem Streit über die Verfügung des Freikorps.

Am 26. September erließ Himmler einen Befehl an den Stabschef des Sudetendeutschen Freikorps, demzufolge das Freikorps im Falle eines deutschen Einmarsches in die Tschechoslowakei dem Reichsführer SS unterstellt werden sollte. Dieses Dokument ist Nummer 37 des Schmundt-Aktes, Seite 62.

Am 28. September verfügte der Angeklagte Keitel, daß das Freikorps dem OKH zu unterstellen sei, sobald das deutsche Heer die tschechische Grenze überschreite. In dieser geheimen Kommandosache des OKW deckt Keitel auf, daß Henlein-Leute schon auf tschechischem Gebiet operierten.

Ich lese nun Nummer 34 des Schmundt-Aktes, auf Seite 58, die letzten drei Absätze dieser geheimen Kommandosache:

»Für das Freikorps Henlein und für die diesem unterstellten Verbände gilt weiter der Grundsatz, daß sie unmittelbar Weisung vom Führer erhalten und ihre Unternehmen nur im Einvernehmen mit den zuständigen Generalkommandos durchführen dürfen. Hierbei haben dies die vorgehenden Teile des Freikorps dem örtlichen Führer der Grenzwacht unmittelbar vor dem Überschreiten der Grenze zu melden.

Die vorwärts der Grenze verbleibenden Teile haben in ihrem eigenen Interesse möglichst oft Verbindung mit der Grenzwacht aufzunehmen.

Mit Beginn des Einmarsches des Heeres in die Tschechoslowakei wird das Freikorps Henlein dem OKH unterstellt. Dementsprechend wird es zweckmäßig sein, schon jetzt die Abschnittseinteilung des Freikorps den späteren Armeegrenzen anzupassen.«

Als es am 30. September klar wurde, daß die Münchener Vereinbarung zu einer friedlichen Besetzung des Sudetenlandes führen würde, befahl der Angeklagte Keitel, das Freikorps Henlein in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung dem Befehl Himmlers zu unterstellen.

Ich lese aus Nummer 38, auf Seite 63 des Schmundt-Aktes:

»1. Unterstellung des Freikorps Henlein.

Der Oberste Befehlshaber der Wehrmacht hat soeben befohlen, daß das Freikorps Henlein in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung dem Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei unterstellt wird.

Es steht demnach dem OKH als Truppe für den Einmarsch nicht unmittelbar zur Verfügung, sondern ist wie die übrigen Polizeikräfte im Benehmen mit Reichsführer SS für polizeiliche Aufgaben nachzuziehen.«

Ich war imstande, die Daten, die der Gerichtshof vor der Pause verlangte, festzustellen:

Der erste Besuch Chamberlains in Deutschland im Zusammenhang mit dieser Sache war am 15. September 1938. Chamberlain flog nach München und traf dort am 15. September, um 12.30 Uhr, ein. Er fuhr mit der Eisenbahn von München nach Berchtesgaden, wo er um 16.00 Uhr eintraf, von dort mit dem Wagen zum Berghof, wo er um 16.50 Uhr ankam. Er hatte drei Unterredungen mit Hitler. Am 16. September kehrte Chamberlain mit dem Flugzeug nach London zurück.

Der zweite Besuch fand am 22. September statt. Chamberlain traf Hitler in Bad Godesberg um 17 Uhr und hatte mit ihm eine dreistündige Unterredung. Dann trat eine Stockung ein. Am 23. September wurden die Diskussionen um 22.30 Uhr wieder aufgenommen. Am 24. September kehrte Chamberlain nach London zurück.

Der dritte Besuch fand am 29. September statt. Chamberlain flog nach München, wo es zu einer Zusammenkunft zwischen Chamberlain, Mussolini, Daladier und Hitler im Braunen Haus kam. Sie begann um 13.30 Uhr und dauerte bis 2.30 Uhr am 30. September 1938, einem Freitag, an dem der Münchener Pakt unterschrieben wurde. Unter dem Drucke der Kriegsdrohung der Nazi-Verschwörer, und da der Krieg tatsächlich auszubrechen drohte, schlossen das Vereinigte Königreich und Frankreich den Pakt von München mit Deutschland und Italien, in jener frühen Morgenstunde des 30. September 1938. Dieses Abkommen wird dem Britischen Anklagevertreter vorgelegt werden. Es genügt, wenn ich hier nur sage, daß es die Abtretung des Sudetenlandes von der Tschechoslowakei an Deutschland vorsah. Man verlangte von der Tschechoslowakei, sich zu fügen.

Der Münchener Pakt wird Nummer TC-23 der britischen Dokumente sein. Am 1. Oktober 1938 begannen deutsche Truppen die Besetzung des Sudetenlandes. Während des Abschlusses des Münchener Paktes war die Wehrmacht vollständig zum Angriff vorbereitet und wartete nur auf Hitlers Wort, um mit dem Überfall zu beginnen.

Mit der Abtretung des Sudetenlandes wurden neue Befehle gegeben. Am 30. September erließ Keitel Weisung Nummer 1 über die Besetzung des von der Tschechoslowakei abzutretenden Gebiets. Dies ist Nummer 39 des Schmundt-Aktes, auf Seite 64. Diese Weisung enthält genaue Zeitangaben für die Besetzung des früheren tschechischen Gebiets zwischen dem 1. und 10. Oktober und legt die Einzelheiten der Aufgabe für die deutschen Truppen dar.

Ich lese jetzt Absätze 4 und 5 dieses Dokuments:

»2. Der zur Zeit erreichte Grad der mobmäßigen Bereitschaft ist einstweilen noch im vollen Umfang, auch im Westen, aufrechtzuerhalten. Befehl für Rückgängigmachung getroffener Maßnahmen bleibt vorbehalten.

Der Einmarsch ist derart vorzusehen, daß aus ihm jederzeit in die Operation ›Grün‹ übergegangen werden kann.«

Es enthält dann noch eine weitere wichtige Bestimmung über die Henlein-Streitkräfte; und ich zitiere aus der Liste mit der Überschrift

»a) Heer: Freikorps Henlein. Jede Kampftätigkeit des Freikorps hat ab 1. Oktober zu unterbleiben.«

Der Schmundt-Akt enthält eine ganze Anzahl weiterer geheimer OKW-Weisungen mit Instruktionen für die Besetzung des Sudetenlandes. Ich glaube, diese nicht verlesen zu müssen, da sie nicht wesentliche Beweise für unseren Fall bilden. Sie zeigen bloß das Ausmaß der Vorbereitungen des OKW.

Anweisungen führen im einzelnen die Besatzungsgebiete für das Heer und die unter seinem Befehl stehenden Truppen an; sie sorgen für Nachrichtenverbindungen, Nachschub und Propaganda, und geben den verschiedenen Abteilungen der Regierung Instruktionen. Sie tragen die Unterschrift des Angeklagten Keitel und sind am 30. September ausgegeben. Es sind die Nummern 40, 41, 42 der Schmundt-Akte; ich glaube, es genügt, die Überschriften und Unterschriften zu lesen.

VORSITZENDER: Welche Seite?

MR. ALDERMAN: Seite 66 des englischen Textes: »Der Oberste Befehlshaber der Wehrmacht, Geheime Kommandosache; Besondere Anordnungen Nummer 1 zur Weisung Nummer 1; Betrifft: Besetzung der abzutretenden Gebiete der Tschechei; Unterschrift: Keitel.«

Nummer 41 des Schmundt-Aktes, auf Seite 70: »Oberkommando der Wehrmacht; Geheime Kommandosache, IV a; Betrifft: Besetzung sudetendeutschen Gebietes; Unterschrift: Keitel.«

Nummer 42 des Schmundt-Aktes, Seite 75: »Geheime Kommandosache; Betrifft: Besetzung des sudetendeutschen Gebietes; Unterschrift: Keitel.«

Bis zum 10. Oktober konnte von Brauchitsch an Hitler berichten, daß die deutschen Truppen die Demarkationslinie erreicht hätten, und daß der Befehl für die Besetzung des Sudetenlandes durchgeführt worden sei. Das OKW ersuchte Hitler um Erlaubnis, den Fall »Grün« aufzugeben, die Truppen aus den besetzten Gebieten abzuziehen und das OKH mit Wirkung vom 15. Oktober von der Ausübung der vollziehenden Gewalt im Sudetenland zu entbinden. Es sind dies die Nummern 46, 47 und 48 des Schmundt- Aktes.

In Nummer 46, auf Seite 77, ist ein Brief aus Berlin, datiert vom 10. Oktober 1938, unterschrieben von Brauchitsch:

»Mein Führer!

Ich melde, daß die Truppen heute abend die befohlene Demarkationslinie erreichen. Sofern weitere militärische Operationen nicht mehr erforderlich werden, ist der mir erteilte Befehl der Besetzung des Landes damit erfüllt. Die Überwachung der neuen Grenzlinie wird in diesen Tagen vom verstärkten Grenzaufsichtsdienst übernommen. Eine militärische Notwendigkeit, die Verwaltung des Sudetenlandes mit dem Befehl über die Truppen des Heeres in einer Hand zu vereinigen, besteht damit nicht mehr. Ich bitte Sie, mein Führer, mich deshalb von dem mir erteilten Auftrag zur Ausübung der vollziehenden Gewalt in den sudetendeutschen Gebieten mit Wirkung vom 15. Oktober zu entbinden.

Heil mein Führer! von Brauchitsch.«

Nummer 47 des Schmundt-Aktes, Seite 78, ist ein »Geheim-Telegramm« vom OKW an den Führerzug (Oberstleutnant Schmundt):

»Wenn Abendmeldung Vollzug der Besetzung der Zone 5 ohne Zwischenfälle ergibt, ist Absicht OKW, weitere Demobilmachung anzuordnen.

Grundsatz: 1. Aufhebung von ›Grün‹, aber genügend Bereitschaft von Teilen des Heeres und der Luftwaffe, um notfalls noch bewaffnet einschreiten zu können. 2. Alle dafür nicht benötigten Verbände aus besetzten Gebieten zurückziehen und auf Friedensstand zurückführen, da Bevölkerung besetzten Gebietes durch Truppenhäufung schwer belastet.«

Dann überspringen wir alles bis zur OKW-Unterschrift, die auf der linken Seite erscheint:

»Führerentscheidung:

Zu 1 – einverstanden

Zu 2 – Vorschlag am 13. Oktober in Essen durch General Keitel; dann erfolgt Entscheidung.«

Am selben Tage wurde weitere Demobilisierung der Streitkräfte im Sudetenland durch Hitler und den Angeklagten Keitel angeordnet. Drei Tage später ersuchte das OKW Hitler um Genehmigung zur Herausnahme des Reichsarbeitsdienstes aus der Kontrolle der Wehrmacht. Das ist Nummer 52 und 53 des Schmundt-Aktes.

Als die deutschen Streitkräfte ins Sudetenland einmarschierten, wurde Henleins Sudetendeutsche Partei mit Hitlers NSDAP vereinigt. Die zwei Männer, die Mitte September zu Hitler Zuflucht nahmen, Henlein und Karl Hermann Frank, wurden zum Gauleiter und Gauleiter-Stellvertreter des Sudetengaues ernannt. In den Teilen der Tschechoslowakischen Republik, die noch frei waren, formte die Sudetendeutsche Partei die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei in der Tschechoslowakei unter Leitung von Kundt, eines anderen Stellvertreters Henleins.

Der Gerichtshof wird diese Vorgänge in dem offiziellen tschechoslowakischen Dokument 998-PS geschildert finden.

Die Szene war nun für den nächsten Akt der Nazi- Verschwörer vorbereitet, den Plan für die Eroberung des Restes der Tschechoslowakei. Mit der Besetzung des Sudetenlandes und des Einschlusses der deutschsprechenden Tschechen in das Großdeutsche Reich hätte man erwarten können, daß die Nazi-Verschwörer zufrieden gewesen wären. Bis dahin hatten die Angeklagten in ihrem Angriffsprogramm die Vereinigung der Volksdeutschen mit dem Reiche als Ausrede für ihre Eroberungen verwendet. Nun, nach München waren alle Volksdeutschen in der Tschechoslowakei unter deutsche Oberhoheit zurückgekommen.

Am 26. September sprach Hitler im Sportpalast in Berlin zu der Welt. Ich beziehe mich und verweise den Hohen Gerichtshof auf den »Völkischen Beobachter«, Münchener Sonderausgabe vom 27. September 1938, in welchem diese Rede wiedergegeben ist. Ich lese von Seite 2, erster Absatz, Hitlers Worte:

»Und nun steht vor uns das letzte Problem, das gelöst werden muß und gelöst werden wird!«

VORSITZENDER: Befindet sich dieses Dokument unter unseren Dokumenten?

MR. ALDERMAN: Nein. Ich bitte den Gerichtshof, es amtlich zur Kenntnis zu nehmen.

VORSITZENDER: Sehr gut.

MR. ALDERMAN: Es ist eine wohlbekannte deutsche Zeitung:

»Es ist die letzte territoriale Forderung, die ich in Europa zu stellen habe, aber es ist die Forderung, von der ich nicht abgehe, und die ich, so Gott will, erfüllen werde.« (Dokument 2358-PS).

Und weiter:

»Ich habe nur wenig zu erklären: Ich bin Herrn Chamberlain dankbar für alle seine Bemühungen. Ich habe ihm versichert, daß das deutsche Volk nichts anderes will als Frieden. Allein, ich habe ihm auch erklärt, daß ich nicht hinter die Grenzen unserer Geduld zurückgehen kann.«

Das ist auf Seite 3, Absatz 1.

»Ich habe ihm weiter versichert und wiederhole es hier, daß es, wenn dieses Problem gelöst ist, für Deutschland in Europa kein territoriales Problem mehr gibt! Und ich habe ihm weiter versichert, daß in dem Augenblick, in dem die Tschechoslowakei ihre Probleme löst, das heißt, in dem die Tschechen mit ihren anderen Minderheiten sich auseinandergesetzt haben, und zwar friedlich und nicht durch Unterdrückung, daß ich dann am tschechischen Staat nicht mehr interessiert bin. Und das wird ihm garantiert! Wir wollen gar keine Tschechen!«

Der größte Teil der zitierten Stelle ist in Dokument TC-28 enthalten, welches, glaube ich, vom englischen Anklagevertreter vorgelegt werden wird.

Nur zwei Wochen später jedoch bereiteten Hitler und der Angeklagte Keitel Schätzungen vor über die Militärkräfte, die notwendig waren, um den tschechischen Widerstand in Böhmen und Mähren zu brechen.

Ich lese jetzt aus Nummer 48 des Schmundt-Aktes, von Seite 82. Es ist eine »Geheime Kommandosache«, ein Telegramm von Keitel an Hitlers Hauptquartier vom 11. Oktober 1938 mit der Beantwortung von vier Fragen, die Hitler dem OKW vorgelegt hatte. Ich glaube, es genügt, bloß die Fragen zu lesen, die Hitler vorlegte:

»Frage 1. Welche Verstärkungen sind nötig, um aus jetziger Lage heraus jeden tschechischen Widerstand in Böhmen und Mähren zu brechen?

Frage 2. Wieviel Zeit ist für die Umgruppierungen bzw. Heranführen der neuen Kräfte notwendig?

Frage 3. Wieviel Zeit ist für denselben Zweck erforderlich, wenn er nach Durchführung der beabsichtigten Demobilmachungs- und Rückführungsmaßnahmen erfolgt?

Frage 4. Wieviel Zeit ist nötig, um im Westen den Bereitschaftszustand vom 1. 10. wieder herzustellen?«

Am 21. Oktober, dem Tage, an dem die Verwaltung des Sudetenlandes den Zivilbehörden übergeben wurde, wurde eine Weisung mit Plänen für die Eroberung des Restes der Tschechoslowakei von Hitler unterschrieben und von Keitel mit seinen Initialen gezeichnet.

Ich lege Dokument C-136, US-104 vor, Geheime Kommandosache, von welcher 10 Ausfertigungen gemacht wurden. Dieses Stück ist die erste Ausfertigung, die von Keitel mit Tinte unterschrieben wurde.

In diesem Befehl, der nur drei Wochen nach der Übernahme des Sudetenlandes herausgegeben wurde, strebten die Nazi-Verschwörer schon wieder neue Eroberungen an.

Ich lese den ersten Teil des Dokuments:

»Die künftigen Aufgaben der Wehrmacht, und die sich daraus ergebenden Vorbereitungen für die Kriegführung, werde ich später in einer Weisung niederlegen.

Bis zum Inkrafttreten dieser Weisung muß die Wehrmacht jederzeit auf folgende Fälle vorbereitet sein:

1. Sicherung der Grenzen des Deutschen Reiches und Schutz gegen überraschende Luftangriffe.

2. Erledigung der Rest-Tschechei,

3. Inbesitznahme des Memellandes.«

Ich gehe dann zu Nummer 2 über:

»2. Erledigung der Rest-Tschechei.

Es muß möglich sein, die Rest-Tschechei jederzeit zerschlagen zu können, wenn sie etwa eine deutsch-feindliche Politik betreiben würde.

Die hierfür von der Wehrmacht zu treffenden Vorbereitungen werden ihrem Umfange nach erheblich geringer sein als seinerzeit für ›Grün‹; sie müssen dafür aber, unter. Verzicht auf planmäßige Mobilmachungsmaßnahmen, eine ständige und wesentlich höhere Bereitschaft gewährleisten. Organisation, Gliederungen und Bereitschaftsgrad der dafür vorgesehenen Verbände sind schon im Frieden derart auf Überfall abzustellen, daß der Tschechei selbst jede Möglichkeit planmäßiger Gegenwehr genommen wird. Das Ziel ist die rasche Besetzung der Tschechei und die Abriegelung gegen die Slowakei. Die Vorbereitungen müssen so getroffen werden, daß gleichzeitig die ›Grenzsicherheit West‹ durchgeführt werden kann.

Die Aufgaben für Heer und Luftwaffe im einzelnen sind folgende:

A. Heer.

Die der Tschechei naheliegenden Einheiten und einzelne mot. Verbände sind für einen überfallartigen An griff vorzusehen. Ihre Zahl richtet sich nach den der Tschechei verbleibenden Kräften; schneller und durchschlagender Erfolg muß gewährleistet sein. Der Aufmarsch und die Vorbereitungen für den Angriff sind zu bearbeiten. Die nichtgebrauchten Kräfte sind so bereit zu halten, daß sie je nach Lage entweder für Grenzsicherung eingesetzt, oder der Angriffsarmee nachgeführt werden können.

B. Luftwaffe.

Durch frühzeitiges Ausschalten der tschechischen Luftwaffe ist der rasche Vormarsch des eigenen Heeres zu gewährleisten.

Hierfür ist zunächst der überfallartige Einsatz der grenznahen Verbände aus den Friedensstandorten heraus vorzubereiten. Inwieweit hierzu noch stärkere Kräfte erforderlich werden, kann erst die Entwicklung der militär-politischen Lage in der Tschechei ergeben.

Daneben ist der gleichzeitige Aufmarsch der übrigen Angriffskräfte gegen Westen vorzubereiten.«

Der dritte Teil trägt die Überschrift: »Inbesitznahme des Memellandes«. Er ist unterschrieben von Adolf Hitler, und seine Richtigkeit wird vom Angeklagten Keitel bestätigt. Er wurde dem OKH, der Luftwaffe des Angeklagten Göring und dem Oberkommando der Marine des Angeklagten Raeder zugestellt. Zwei Monate später, am 17. Dezember 1938, hat Keitel einen Anhang zu dem Original-Befehl ausgegeben, der besagt, daß auf Befehl des Führers die Vorbereitungen für die Liquidierung der Tschechoslowakei fortzusetzen seien.

Ich lege Dokument C-138 als US-105 vor, ein weiteres erbeutetes UKW-Dokument, das »Geheime Kommandosache« genannt ist. Dieser Befehl wurde an die gleichen Stellen wie der vom 21. Oktober geleitet. Ich werde den Text dieses Befehls verlesen:

»2. Nachtrag zur Weisung vom 21. Oktober 1938.

Betr.: ›Erledigung der Rest-Tschechei‹ hat der Führer noch folgendes befohlen:

Die Bearbeitung des Falles hat unter der Voraussetzung zu erfolgen, daß kein nennenswerter Widerstand zu erwarten ist. Auch nach außen muß klar in Erscheinung treten, daß es sich nur um eine Befriedungsaktion und nicht um ein kriegerisches Unternehmen handelt.

Deshalb darf die Aktion nur mit der Friedens-Wehrmacht ohne Mob.-Verstärkung durchgeführt werden. Die notwendige Verwendungsbereitschaft, insbesondere die Sicherstellung der Nachführung des allernotwendigsten Nachschubs, muß durch Ausgleich innerhalb der Verbände erreicht werden. Ebenso haben die für den Einmarsch bestimmten Einheiten des Heeres im allgemeinen erst in der Nacht vor der Grenzüberschreitung ihre Standorte zu verlassen und nicht schon vorher planmäßig an der Grenze aufzumarschieren. Vorher notwendige Organisationstransporte sind auf ein Mindestmaß zu beschränken und soweit irgend möglich zu tarnen. Etwa notwendig werdende Verlegungen einzelner Einheiten, insbesondere von mot. Verbänden, auf nahe der Grenze gelegene Truppenübungsplätze unterliegen der Genehmigung des Führers.

Von der Luftwaffe ist nach entsprechenden Richtlinien zu verfahren. Aus denselben Gründen ist die Ausübung vollziehender Gewalt durch den Oberbefehlshaber des Heeres nur für das neu besetzte Gebiet und nur für kurze Zeitdauer vorgesehen.« Unterschrift: »Keitel«

Ich lenke die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf die Tatsache, daß dieses besondere Exemplar dieses Befehls ein Original-Durchschlag ist, der von Keitel mit Tinte unterschrieben und an das Deutsche Marinehauptquartier gesandt wurde. Es trägt die Initialen von Fricke, des Chefs der Operations-Abteilung der Seekriegsleitung, von Schniewind, des Chefs des Stabes, und des Angeklagten Raeder.

An dem Fortschritt der Pläne der Wehrmacht zu dem Sieg, der ihnen leicht erschien, hatte auch das Auswärtige Amt seinen Anteil. In einer Besprechung über die Mittel zur Verbesserung der deutsch-tschechischen Beziehungen, die mit dem Tschechischen Außenminister in Berlin am 31. Januar 1939 stattfand, verlangte der Angeklagte Ribbentrop von der Tschechischen Regierung eine schnelle Herabsetzung der Größe der tschechischen Armee. Ich lege Dokument 2795-PS als US-106, erbeutete Aufzeichnungen des Deutschen Auswärtigen Amtes über diese Besprechungen, vor. Ich werde nur die Fußnote verlesen, die von Ribbentrop eigenhändig geschrieben ist:

»Ich habe Chvalkowsky noch besonders darauf verwiesen, daß eine schnelle Verminderung der tschechischen Armee entscheidend für unsere Beurteilung sei.«

Beabsichtigt der Gerichtshof die Verhandlung länger als bis 4.30 Uhr zu führen?

VORSITZENDER: Nein, ich glaube nicht. Der Gerichtshof wird sich vertagen.