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[Der Gerichtshof vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Als der Gerichtshof sich vertagte, war ich bei dem fünften Vertrag angelangt, dem Friedensvertrag von Versailles, abgeschlossen am 28. Juni 1919 zwischen den alliierten und assoziierten Mächten und Deutschland. Ich bitte den Gerichtshof wieder, diesen Vertrag amtlich zur Kenntnis zu nehmen, und ich lege der Bequemlichkeit halber eine Abschrift des Vertrages als Beweisstück GB-3, zusammen mit den britischen Dokumenten TC-5 bis einschließlich TC-10, vor. Im Anhang C ist auf Anklagepunkt 5 Bezug genommen.

Bevor ich mich mit den wichtigen Teilen des Vertrages beschäftige, möchte ich kurz seinen Aufbau darstellen:

Teil I enthält die Völkerbundssatzung.

Teil II legt die Grenzen Deutschlands in Europa fest.

Diese Grenzen sind im einzelnen beschrieben. Teil II enthält aber keine Klauseln, die diese Grenzen garantieren.

Teil III, Artikel 31 bis 117, mit dem der Gerichtshof sich zu befassen hat, enthält die politischen Klauseln für Europa. In diesem Teil garantiert Deutschland gewisse Grenzlinien in Belgien, Luxemburg, Österreich, Tschechoslowakei, Frankreich, Polen, Memel, Danzig usw.

Es wäre für den Gerichtshof wohl zweckentsprechend, in diesem Augenblick auf die enge Verknüpfung dieses Vertrages mit dem folgenden, dem Abkommen zur Wiederherstellung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland, hinzuweisen. Teile I, II und III des Versailler Vertrages sind im Vertrag mit den Vereinigten Staaten nicht enthalten. Teile IV, V, VI, VIII, IX, X, XI, XII, XIV und XV sind im Vertrag mit den Vereinigten Staaten als wörtliche Wiederholungen des Vertrages von Versailles wiedergegeben. Der Gerichtshof ist mit Teil V, den Bestimmungen über Landheer, Seemacht und Luftfahrt befaßt. Teile VII und XIII sind nicht im Vertrag mit den Vereinigten Staaten enthalten. Ich glaube, es ist nicht nötig, daß ich die Teile erkläre; sollte der Gerichtshof jedoch über einen speziellen Teil Aufklärung wünschen, so werde ich dem gern nachkommen.

Der erste für den Gerichtshof wichtige Teil ist in dem britischen Dokument TC-5 enthalten und gibt die Artikel 42 bis 44 wieder, die sich mit dem Rheinland befassen. Diese Artikel sind sehr kurz und im Locarno-Vertrag nochmals angeführt. Vielleicht wäre es besser, sie einmal zu verlesen, damit sie dem Gerichtshof gegenwärtig bleiben:

»Artikel 42: Es ist Deutschland untersagt, auf dem linken Ufer des Rheines und auf dem rechten Ufer westlich einer 50 km östlich des Stromes verlaufenden Linie Befestigungen beizubehalten oder anzulegen.

Artikel 43: Ebenso ist in der im Artikel 42 bezeichneten Zone die ständige oder zeitweise Unterhaltung oder Sammlung von Streitkräften untersagt. Das gleiche gilt für jedwede militärischen Übungen und die Beibehaltung aller ständigen Vorkehrungen für eine Mobilmachung.

Artikel 44: Jeder etwaige Verstoß Deutschlands gegen die Bestimmungen der Artikel 42 und 43 gilt als eine feindselige Handlung gegen die Signatarmächte des gegenwärtigen Vertrages und als Versuch einer Störung des Weltfriedens.«

Ich beabsichtige nicht, die folgende Urkunde als Beweisstück vorzulegen; ich will den Gerichtshof nur auf sie aufmerksam machen, damit er sie amtlich zur Kenntnis nehmen kann. Es ist eine vom Deutschen Reich veröffentlichte Denkschrift vom 7. März 1936, die die Begründung für den Vertragsbruch gibt. Die Einzelheiten dieses Vertragsbruches wurden bereits von meinem Freunde, Herrn Alderman, erörtert, und ich möchte mich nicht nochmals damit beschäftigen.

Der nächste Teil des Vertrags ist in dem britischen Dokument TC-6 enthalten, das Österreich behandelt:

»Artikel 80: Deutschland erkennt die Unabhängigkeit Österreichs innerhalb der durch Vertrag zwischen diesem Staate und den alliierten und assoziierten Haupt mächten festzusetzenden Grenzen an und verpflichtet sich, sie unbedingt zu achten; es erkennt an, daß diese Unabhängigkeit unabänderlich ist, es sei denn, daß der Rat des Völkerbundes einer Abänderung zustimmt.«

Ebenso ist Hitlers Proklamation betreffend Österreich als Dokument TC-47 beigefügt. Mein Freund, Herr Alderman, hat deren Hintergründe bereits erörtert. Ich habe nicht die Absicht, das Dokument zu verlesen, da der Gerichtshof die öffentliche Proklamation amtlich zur Kenntnis nehmen kann.

Als nächstes folgt Dokument TC-8, das die Memel-Frage behandelt:

»Deutschland verzichtet zugunsten der alliierten und assoziierten Hauptmächte auf alle Rechte und Ansprüche auf die Gebiete zwischen der Ostsee, der in Artikel 28, Teil II (Deutschlands Grenzen) des gegenwärtigen Vertrages beschriebenen Nordostgrenze Ostpreußens und den alten deutsch-russischen Grenzen.

Deutschland verpflichtet sich, die von den alliierten und assoziierten Hauptmächten hinsichtlich dieser Gebiete, insbesondere über die Staatsangehörigkeit der Einwohner getroffenen Bestimmungen anzuerkennen.«

Ich glaube nicht, daß dem Gerichtshof das offizielle Dokument über die Einverleibung Memels vorgelegt wurde; er kann es jedoch ebenfalls amtlich zur Kenntnis nehmen. Ich lege der Bequemlichkeit halber ein Exemplar als GB-4 vor. Es ist das britische Dokument TC-53A und erscheint in unserem Buche. Da es sehr kurz ist, wird der Gerichtshof vielleicht gestatten, daß ich es verlese:

»Am 3. April vollzog der zum Überleitungskommissar für das Memelland bestellte ostpreußische Gauleiter und Oberpräsident Erich Koch auf einer Tagung in Memel die endgültige Übernahme des Memellandes in den Gau Ostpreußen der NSDAP und in die staatliche Verwaltung des ostpreußischen Regierungsbezirkes Gumbinnen...«

Danach kommen wir zu TC-9, und zwar Artikel 100, der sich mit Danzig befaßt; ich werde nur den ersten Satz verlesen, da sich das übrige auf geographische Grenzen bezieht:

»Deutschland verzichtet zugunsten der alliierten und assoziierten Hauptmächte auf alle Rechte und Ansprüche auf das Gebiet, das von den nachstehend angegebenen Grenzen umschlossen wird...«

Die Grenzen sind dann in einer dem Vertrag beigefügten deutschen Landkarte aufgezeichnet und beschrieben.

Oberst Griffith-Jones, der sich mit diesem Teil des Falles beschäftigen wird, wird den formellen Dokumentenbeweis über die Besetzung Danzigs erbringen, und ich werde dem Gerichtshof damit jetzt nicht zur Last fallen.

Ich bitte den Gerichtshof nun, zu dem britischen Dokument TC-7 überzugehen; das ist Artikel 81, der sich mit dem Tschechoslowakischen Staat befaßt:

»Deutschland erkennt, wie die alliierten und assoziier ten Mächte es schon getan haben, die vollständige Unabhängigkeit der Tschechoslowakei an, die das autonome Gebiet der Ruthenen südlich der Karpathen mit einbegreift. Es erklärt sein Einverständnis mit der Abgrenzung dieses Staates, wie sie durch die alliierten und assoziierten Hauptmächte und die anderen beteiligten Staaten erfolgen wird.«

Herr Alderman beschäftigte sich erst heute Morgen mit dieser Angelegenheit und hat bereits ein Beweisstück vorgelegt, das die Besprechung Hitlers mit Präsident Hacha und dem Außenminister Chvalkowsky ausführlich beschreibt, bei der die Angeklagten Göring und Keitel anwesend waren. Ich will daher dem Gerichtshof nicht nochmals die englische Übersetzung des erbeuteten Protokolls des Außenministeriums vorlegen, das als TC-48 erscheint; dagegen lege ich als GB-6 die Urkunde TC-49 vor, da Herr Alderman mich heute Morgen darum gebeten hat; es ist das von Hitler und dem Angeklagten Ribbentrop für Deutschland, und von Dr. Hacha und Dr. Chvalkowsky für die Tschechoslowakei unterzeichnete Abkommen, von dem der Gerichtshof amtlich Kenntnis nehmen wird. Ich kann mich leider nicht genau erinnern, ob Herr Alderman es heute Morgen verlesen hat. Es ist Urkunde TC-49. Er hat sicherlich darauf verwiesen.

VORSITZENDER: Nein, er hat es nicht verlesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann möchte ich es vielleicht verlesen:

»Abkommen zwischen dem Führer und Reichskanzler Adolf Hitler und dem tschechoslowakischen Staatspräsidenten Dr. Hacha.

Der Führer und Reichskanzler hat heute in Gegenwart des Reichsministers des Auswärtigen von Ribbentrop den tschechoslowakischen Staatspräsidenten Dr. Hacha und den tschechoslowakischen Außenminister Dr. Chvalkowsky auf deren Wunsch in Berlin empfangen. Bei der Zusammenkunft ist die durch die Vorgänge der letzten Wochen auf dem bisherigen tschechoslowakischen Staatsgebiet entstandene ernste Lage in voller Offenheit einer Prüfung unterzogen worden. Auf beiden Seiten ist übereinstimmend die Überzeugung zum Ausdruck gebracht worden, daß das Ziel aller Bemühungen die Sicherung von Ruhe, Ordnung und Frieden in diesem Teile Mitteleuropas sein müsse. Der tschechoslowakische Staatspräsident hat erklärt, daß er, um diesem Ziele zu dienen und um eine endgültige Befriedung zu erreichen, das Schicksal des tschechischen Volkes und Landes vertrauensvoll in die Hände des Führers des Deutschen Reiches legt. Der Führer hat diese Erklärung angenommen und seinem Entschluß Ausdruck gegeben, daß er das tschechische Volk unter den Schutz des Deutschen Reiches nehmen und ihm eine seiner Eigenart gemäße autonome Entwicklung seines völkischen Lebens gewährleisten wird.

Zu Urkund dessen ist dieses Schriftstück in doppelter Ausfertigung unterzeichnet worden.«

Darauf folgen die vorher erwähnten Unterschriften.

Der Gerichtshof wird verstehen, daß es nicht meine Aufgabe ist, etwas dazu zu bemerken; das hat Herr Alderman bereits getan Ich lege keines der von mir verlesenen Dokumente zu meiner Unterstützung als Beweis vor. Ich habe sie lediglich erwähnt, weil sie einen Bestandteil des Falles bilden.

Das nächste Dokument, das ich als GB-7 vorlege, ist die britische Urkunde TC-50. Es ist Hitlers Proklamation an das deutsche Volk vom 15. März 1939. Auch hier glaube ich nicht, daß Herr Alderman diese Urkunde verlesen hat.

VORSITZENDER: Nein, er hat sie nicht verlesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann werde ich sie verlesen:

»Proklamation des Führers an das deutsche Volk vom 15. März 1939.

An das deutsche Volk!

Nachdem erst vor wenigen Monaten Deutschland gezwungen war, seine in geschlossenen Siedlungsgebieten lebenden Volksgenossen gegenüber dem unerträglichen terroristischen Regime der Tschechoslowakei in Schutz zu nehmen, zeigten sich in den letzten Wochen steigend erneut gleiche Erscheinungen. Dies muß in einem Raume, in dem so viele Nationalitäten nebeneinander leben, zu unerträglichen Zuständen führen.

Als Reaktion auf diese erneuten Angriffe gegen die Freiheit und das Leben der Volksgruppen haben sich diese nunmehr von Prag losgelöst. Die Tschechoslowakei hat damit aufgehört zu existieren. Seit Sonntag finden in vielen Orten wüste Exzesse statt, denen nunmehr aber wieder zahlreiche Deutsche zum Opfer fielen. Stündlich mehren sich die Hilferufe der Betroffenen und Verfolgten. Aus den volkreichen deutschen Sprachinseln, die die Großmut Deutschlands im vergangenen Herbst bei der Tschechoslowakei beließ, beginnt wieder ein Strom von Flüchtlingen, von um Hab und Gut gebrachten Menschen in das Reich zu fließen.

Eine Fortdauer dieser Zustände muß zur Zerstörung der letzten Ordnung in einem Gebiet führen, an dem Deutschland lebenswichtig interessiert ist, ja das selbst über 1000 Jahre lang zum Deutschen Reich gehörte.

Um diese Friedensbedrohung nunmehr endgültig zu beseitigen und die Voraussetzungen für die erforderliche Neuordnung in diesem Lebensraum zu schaffen, habe ich mich entschlossen, mit dem heutigen Tage deutsche Truppen nach Böhmen und Mähren einmarschieren zu lassen. Sie werden die terroristischen Banden und die sie deckenden tschechischen Streitkräfte entwaffnen, das Leben aller Bedrohten in Schutz nehmen und somit die Grundlagen für die Einführung einer grundsätzlichen Regelung sichern, die dem Sinn einer tausendjährigen Geschichte und den praktischen Bedürfnissen des deutschen und des tschechischen Volkes gerecht wird.

Berlin, den 15. März 1939.

gez.: Adolf Hitler.«

Darauf folgt eine Fußnote, ein Befehl des Führers an die deutsche Wehrmacht vom selben Tage, der im wesentlichen sagt, daß sie einzumarschieren hätte, um Leben und Gut der Bevölkerung zu schützen; sie habe sich nicht als Feind zu betrachten, sondern als Ausführungsorgan der Entschließung der Deutschen Reichsregierung.

Weiterhin lege ich GB-8, den Erlaß über die Errichtung des Protektorats vor; es ist TC-51.

Da es sich um einen öffentlichen Erlaß handelt, glaube ich auch hier, daß der Gerichtshof davon amtlich Kenntnis nehmen kann. Herr Alderman hat seinen Inhalt bereits ausführlich dargelegt. Mit Erlaubnis des Gerichtshofs werde ich ihn nicht verlesen.

Wieder auf Ersuchen von Herrn Alderman lege ich als GB-9 das britische Dokument TC-52 vor, den britischen Protest. Ich möchte ihn dem Gerichtshof vorlesen; er ist von Lord Halifax an Sir Nevile Henderson, unseren Botschafter in Berlin, gerichtet:

»Auswärtiges Amt, den 17. März 1939.

Bitte unterrichten Sie die Deutsche Regierung davon, daß die Regierung Seiner Majestät es klarzumachen wünscht, daß sie die Ereignisse der letzten Tage nur als eine völlige Mißachtung des Münchener Abkommens und als eine Verleugnung des Geistes, in welchem die Vertragschließenden im Interesse einer friedlichen Regelung zusammenzuarbeiten sich verpflichteten, betrachten kann.

Die Regierung Seiner Majestät muß bei dieser Gele genheit auch gegen die durch deutsche militärische Aktionen in der Tschechoslowakei vorgenommenen Änderungen, die nach Ansicht Seiner Majestät Regierung jeder rechtlichen Grundlage entbehren, protestieren.«

Auf Herrn Aldermans Bitte lege ich als GB-10 die Urkunde TC-53 vor, eine französische Protestnote gleichen Datums. Ich möchte den dritten Absatz verlesen:

»Der Französische Botschafter hat die Ehre, das Auswärtige Amt von dem förmlichen Protest in Kenntnis zu setzen, den die Regierung der Französischen Republik gegen die Maßregeln erhoben hat, von denen in der Mitteilung des Grafen Welczeck die Rede ist.

Die Regierung der Republik ist in der Tat der Ansicht, daß sie in der von der Deutschen Regierung gegen die Tschechoslowakei gerichteten Aktion eine flagrante Verletzung – und zwar dem Buchstaben wie dem Geiste nach – des in München am 29. September 1938 geschlossenen Abkommens sieht.

Die Umstände, unter denen das Abkommen vom 15. März den führenden Persönlichkeiten der Tschechoslowakischen Republik aufgezwungen wurde, können in den Augen der Regierung der Republik dem tatsächlichen Zustand, der durch dieses Abkommen geschaffen wurde, keine Rechtsgültigkeit verleihen.

Der Französische Botschafter hat die Ehre, S. Ex. dem Reichsaußenminister mitzuteilen, daß die Regierung der Republik unter diesen Umständen nicht imstande ist, die Gesetzlichkeit der durch die Aktion des Reiches in der Tschechoslowakei geschaffenen Lage an zuerkennen.«

Ich komme nun zum Teil V des Vertrages von Versailles, dessen wichtigste Punkte in dem britischen Dokument TC-10 enthalten sind. Da darüber erhebliche Meinungsverschiedenheit besteht, verlese ich die Einführungsworte:

»Teil V. Bestimmungen über Landheer, Seemacht und Luftfahrt.

Um die Einleitung einer allgemeinen Rüstungsbeschränkung aller Nationen zu ermöglichen, verpflichtet sich Deutschland, die im folgenden niedergelegten Bestimmungen über das Landheer, die Seemacht und die Luftfahrt genau innezuhalten.

Abschnitt I. Bestimmungen über das Landheer. Kapitel I. Stärke und Einteilung des deutschen Heeres.

Artikel 159. Die deutschen Streitkräfte werden gemäß nachstehenden Bedingungen demobil gemacht und herabgesetzt.

Artikel 160. 1. Spätestens am 31. März 1920 darf das deutsche Heer nicht mehr als sieben Infanterie- und drei Kavallerie-Divisionen umfassen.

Von diesem Zeitpunkt ab darf die gesamte Iststärke des Heeres der sämtlichen deutschen Einzelstaaten nicht mehr als einhunderttausend Mann, einschließlich der Offiziere und der Depots, betragen. Das Heer ist nur für die Erhaltung der Ordnung innerhalb des deutschen Gebietes und zur Grenzpolizei bestimmt.

Die Gesamtstärke an Offizieren, einschließlich der Stäbe, ohne Rücksicht auf deren Zusammensetzung, darf die Zahl viertausend nicht übersteigen.

2. Die Divisionen und die Stäbe der Generalkommandos sind nach der diesem Abschnitt angefügten Übersicht I zu bilden. Die Zahl und Stärke der Einheiten an Infanterie, Artillerie, Pionieren, technischen Dienstzweigen und Truppen, welche die erwähnte Übersicht vorsieht, bedeuten Höchststärken, die nicht überschritten werden dürfen.«

Darauf folgt eine Beschreibung der Einheiten, die ihre eigenen Depots haben können, und die Zusammensetzung der Divisionen unter Generalkommandos. Von Bedeutung sind folgende zwei Bestimmungen:

»Die Unterhaltung oder Bildung anderswie zusammengefaßter Formationen oder anderer Kommandobehörden oder Behörden für Kriegsvorbereitung ist verboten.

Der deutsche große Generalstab und alle anderen ähnlichen Formationen werden aufgelöst und dürfen unter keiner Gestalt neu gebildet werden.«

Ich glaube nicht, daß ich den Gerichtshof mit Artikel 161 behelligen muß, der von Verwaltungsbehörden handelt.

Artikel 163 legt die Maßnahmen fest, wie die Herabsetzung schrittweise vorgenommen werden soll. Dann kommen wir zu Kapitel II, das sich mit der Rüstung befaßt. Es sieht vor, daß bis zu dem Zeitpunkt, an dem Deutschland als Mitglied in den Völkerbund eintreten darf, die Rüstungen nicht größer sein dürfen, als in der Übersichtstafel 11 festgesetzt ist.

Ich möchte den Gerichtshof auf den zweiten Absatz hinweisen, in dem Deutschland zusagt, daß, nachdem es Mitglied des Völkerbundes geworden ist, die Aufrüstungen, wie sie in der genannten Übersichtstafel festgelegt sind, in Kraft bleiben sollen, bis sie vom Völkerbundsrat geändert werden. Weiterhin verpflichtet es sich, die Entscheidungen des Völkerbundsrates in dieser Angelegenheit genau zu befolgen.

Artikel 165 befaßt sich mit Geschützen, Maschinengewehren usw.; Artikel 167 mit der Meldung von Geschützen, und der erste Absatz des Artikels 168 lautet:

»Die Anfertigung von Waffen, Munition und Kriegsgerät aller Art darf nur in Werkstätten und Fabriken stattfinden, deren Lage den Regierungen der alliierten und assoziierten Hauptmächte zur Kenntnisnahme mitgeteilt und von ihnen genehmigt worden ist. Diese Regierungen behalten sich vor, die Zahl der Werkstätten und Fabriken zu beschränken.«

Artikel 169 behandelt die Auslieferung von Kriegsmaterial. Artikel 170 verbietet die Einfuhr von Kriegsmaterial. Artikel 171 verbietet Giftgas. Artikel 172 verlangt Aufschluß über Herstellung. Artikel 173 unter der Überschrift »Heeresergänzung und militärische Ausbildung« behandelt eine Angelegenheit, deren Verletzung von großer Bedeutung ist:

»Die allgemeine Wehrpflicht wird in Deutschland abgeschafft. Das deutsche Heer darf nur im Wege freiwilliger Verpflichtung aufgestellt und ergänzt werden.«

Die nachfolgenden Artikel behandeln die Art der Verpflichtung, um eine rasche Ausbildung von Soldaten, die nur auf eine kurze Zeit verpflichtet werden, zu verhindern.

Ich glaube, daß ich den Gerichtshof nur darauf aufmerksam zu machen brauche, daß alle diese Punkte vollständig und in allen Einzelheiten in den Artikeln 174 bis 179 behandelt sind.

Sodann gehe ich auf TC-10, Artikel 180, über. Dieser enthält das Verbot von Befestigungsarbeiten jenseits einer gewissen Linie und im Rheinland. Der erste Satz lautet:

»Alle befestigten Anlagen, Festungen und festen Plätze zu Lande, die auf deutschem Gebiet westlich einer Linie in 50 km Abstand östlich des Rheins liegen, werden abgerüstet und geschleift.«

Ich werde den Gerichtshof nicht mit den ziffernmäßigen Aufstellungen belästigen.

Dann kommen wir zu den Bestimmungen über die Seemacht. Ich werde Artikel 181 nur verlesen, um zu zeigen, welche Einschränkungen der Seemacht auferlegt wurden, und dann auf die anderen Artikel nur kurz verweisen. Artikel 181 besagt:

»Nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages dürfen die deutschen Seestreitkräfte im Dienst höchstens betragen:

6 Schlachtschiffe der ›Deutschland‹- oder ›Lothringen‹- Klasse,

6 kleine Kreuzer,

12 Zerstörer,

12 Torpedoboote

oder eine gleiche Anzahl von Ersatzschiffen der in Artikel 190 vorgesehenen Bauart.

Es darf kein Unterwasserfahrzeug darunter sein.

Alle anderen Kriegsschiffe müssen, soweit nicht der gegenwärtige Vertrag ein anderes bestimmt, in Reserve gestellt oder Handelszwecken dienstbar gemacht werden.«

Artikel 182 beschäftigt sich nur mit notwendigen Minenräumarbeiten, und Artikel 183 begrenzt das Personal der Kriegsmarine auf 15000 Personen, einschließlich Offizieren und Mannschaften aller Grade und Gattungen. Artikel 184 beschäftigt sich mit Überwasserkriegsschiffen, die sich außerhalb der deutschen Häfen befinden. Die hierauf folgenden Klauseln behandeln verschiedene Einzelheiten. Ich gehe sogleich zu Artikel 191 über, der besagt:

»Der Bau und der Erwerb aller Unterwasserfahrzeuge, selbst zu Handelszwecken, ist in Deutschland untersagt.«

Artikel 194 setzt entsprechende Verpflichtungen für einen längeren freiwilligen Dienst fest, und die Artikel 196 und 197 behandeln Seebefestigungen und drahtlose Stationen. Dann, Hoher Gerichtshof, werden wir zu Artikel 198 übergehen, der ersten der Luftfahrtklauseln. Der wesentliche und wichtige Satz ist der erste:

»Deutschland darf Luftstreitkräfte weder zu Lande noch zu Wasser als Teil seines Heerwesens unterhalten.«

Ich glaube nicht, daß ich den Gerichtshof mit den einzelnen Bestimmungen belästigen muß, die in den nächsten vier Klauseln behandelt werden und alle daraus abgeleitet sind.

Das nächste Dokument, das der Einfachheit halber hier folgt, ist die britische Urkunde TC-44, die ich zweckdienlich in Abschrift als GB-11 vorlege; auch sie ist wiederum nur eine Ergänzung zu Herrn Aldermans Beweisführung. Es ist der Bericht über die formelle Erklärung, die im deutschen Luftfahrtministerium über die Wiedererrichtung der Luftwaffe abgegeben wurde, und ich bitte ergebenst, daß der Gerichtshof amtlich Kenntnis davon nimmt.

Ohne nun formell das folgende lange Dokument TC-45 als Beweisstück vorzulegen, bitte ich den Gerichtshof auch hier wieder, amtlich Kenntnis davon zu nehmen; es handelt sich um ein in Deutschland wohlbekanntes Dokument, um die Proklamation der allgemeinen Wehrpflicht. Herr Alderman hat sich in seiner Rede bereits eingehend mit ihr beschäftigt.

Ich wende mich nun dem sechsten Vertrag zu. Dieser Vertrag stellt freundschaftliche Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland wieder her. Ich lege ein Exemplar hiervon als Beweisstück GB-12 vor. Es ist Dokument TC-11, und der Gerichtshof wird es als vorletztes Dokument im Dokumentenbuch finden. Zweck dieses Vertrages war, die Feindseligkeiten zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland offiziell zu beenden, und ich habe dem Gerichtshof bereits dargelegt, daß gewisse Teile des Versailler Vertrages darin enthalten sind.

Für die Beurteilung seitens des Gerichtshofs ist Teil V wesentlich. Ich bin eben mit der Aufzählung der Bestimmungen des Vertrages von Versailles, die wörtlich in diesem Vertrage wiederholt sind, fertig geworden. Mit Genehmigung des Gerichtshofs will ich sie daher nicht nochmals verlesen. Sie werden bemerken, daß diese auf Seite 11 des in meinen Händen befindlichen Exemplars genau wiederholt sind.

Dann gehe ich zum siebenten Vertrag über, dem Vertrag über gegenseitige Garantien zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien, der am 16. Oktober 1925 in Locarno abgeschlossen wurde. Ich bitte den Gerichtshof, amtlich Kenntnis von ihm zu nehmen und unterbreite ihn als Beweisstück GB-13, britisches Dokument TC-U.

Es wird wohl zweckmäßig sein, den Gerichtshof an die anderen in Locarno abgeschlossenen Verträge zu erinnern, da sie alle zusammenhängen und gewissermaßen voneinander abhängig sind.

In Locarno schloß Deutschland fünf Verträge ab: (A) Den Vertrag über gegenseitige Garantien zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien. (B) Das Schiedsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich. (C) Das Schiedsabkommen zwischen Deutschland und Belgien. (D) Den Schiedsvertrag zwischen Deutschland und Polen. (E) Den Schiedsvertrag zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei.

Artikel 10 des Vertrages über gegenseitige Garantien bestimmte, daß er in Kraft treten solle, sobald alle Ratifikationsurkunden im Archiv des Völkerbundes in Genf hinterlegt sind und Deutschland Mitglied des Völkerbundes geworden ist. Die Ratifikationsurkunden wurden am 14. September 1926 hinterlegt, und Deutschland wurde am 10. September 1926 Mitglied des Völkerbundes. Die zwei Schiedsabkommen und die zwei Schiedsverträge bestimmen, daß sie unter gleichen Bedingungen rechtskräftig werden wie der Vertrag über gegenseitige Garantien. Das ist Artikel 21 der Schiedsabkommen und Artikel 22 der Schiedsverträge.

Die bedeutendste der fünf Vereinbarungen ist der Vertrag über gegenseitige Garantien. Einer seiner Zwecke war, die Grenzen zwischen Deutschland und Belgien und zwischen Deutschland und Frankreich auf ewig festzulegen. Er enthält keine Klausel für eine Aufkündigung oder einen Rücktritt und bestimmt, daß er in Kraft bleiben soll, bis der Völkerbundsrat feststellt, daß der Völkerbund den vertragschließenden Teilen hinreichende Garantien bietet, was nie geschah. In diesem Falle sollte der Vertrag über gegenseitige Garantien nach Ablauf einer Frist von einem Jahr außer Kraft treten.

Das allgemeine Schema des Vertrages über gegenseitige Garantien bestimmt in Artikel 1, daß die vertragschließenden Teile drei Dinge garantieren: Die Grenzen zwischen Deutschland und Frankreich, die Grenzen zwischen Deutschland und Belgien und die Demilitarisierung des Rheinlands.

Artikel 2 bestimmt, daß Deutschland und Frankreich und Deutschland und Belgien übereinkommen, einander nicht anzugreifen oder zu überfallen, mit einigen unanwendbaren Ausnahmen.

Artikel 3 bestimmt, daß Deutschland und Frankreich sowie Deutschland und Belgien übereinkommen, alle Streitfragen auf friedlichem Wege zu regeln.

Der Gerichtshof wird sich an den von meinem Freunde, Herrn Alderman, bereits erwähnten Punkt erinnern, daß der Einmarsch der deutschen Truppen in das Rheinland am 7. März 1936 als die erste bedeutende Verletzung dieses Vertrages anzusehen ist. Am Tage darauf verlangte Frankreich und Belgien, daß der Völkerbundsrat die Frage der deutschen Wiederbesetzung des Rheinlands und des damit begangenen Verstoßes prüfe. Nach einer Protestnote des britischen Außenministers stellten Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien am 12. März einmütig fest, daß die Wiederbesetzung eine Verletzung dieses Vertrages darstelle, und am 14. März entschied der Völkerbundsrat richtig und sachgemäß, daß sie unzulässig sei, und daß die Bestimmungen des Vertrags über das Rheinland von Deutschland wegen angeblicher Verletzung des Vertrags durch Frankreich infolge Abschlusses des französisch-russischen Vertrags über gegenseitige Waffenhilfe nicht widerrufen werden könnten.

Das ist der Hintergrund für den Vertrag mit den internationalen Organisationen, die damals bestanden. Ohne der bereits gegebenen Zusammenfassung etwas hinzuzufügen, möchte ich dem Gerichtshof die wesentlichsten Artikel vortragen. Es sind dies:

Artikel 1, 2 und 3, die ich bereits erwähnt habe; Artikel 4, der bestimmt, daß Vertragsverletzungen vor den Völkerbundsrat gebracht werden müssen – was geschehen ist; Artikel 5 behandelt, wie schon bemerkt, die Bestimmungen des Vertrags von Versailles. Ich bitte den Gerichtshof, ihn zur Kenntnis zu nehmen; er lautet:

»Die Bestimmung des Artikels 3 dieses Vertrages wird in nachstehender Weise unter die Garantie der Hohen Vertragschließenden Teile gestellt:

Wenn sich eine der im Artikel 3 genannten Mächte weigert, das Verfahren zur friedlichen Regelung zu befolgen oder eine schiedsgerichtliche oder richterliche Entscheidung auszuführen, und eine Verletzung des Artikels 2 dieses Vertrages oder einen Verstoß gegen die Artikel 42 oder 43 des Vertrages von Versailles begeht, so finden die Bestimmungen des Artikels 4 Anwendung.«

Das bedeutet die Anrufung des Völkerbundes oder die Ergreifung schärferer Maßnahmen im Falle einer flagranten Verletzung dieses Vertrages.

Ich erinnere den Gerichtshof an diese Bestimmung wegen der von mir schon früher erwähnten Erklärung Hitlers, die Deutsche Regierung werde jeden freiwillig unterzeichneten Vertrag genauestens einhalten, selbst wenn dieser vor ihrer Machtergreifung geschlossen worden wäre.

Was immer über den Vertrag von Versailles gesagt worden sein mag, was immer auch darüber geäußert wird oder geäußert worden ist, niemals hat jemand, soweit mir bekannt, behauptet, daß Herr Stresemann irgendwie unfreiwillig handelte, als er im Namen Deutschlands den Locarno-Vertrag gemeinsam mit den anderen Vertretern unterschrieb. Der Vertrag war nicht nur von Herrn Stresemann, sondern auch von Herrn Hans Luther gezeichnet, so daß Sie hier einen Vertrag haben, der freiwillig geschlossen wurde und der die Bestimmungen von Versailles über das Rheinland wiederholt und Deutschland in dieser Hinsicht bindet.

Ich verweise den Gerichtshof auf Artikel 8, der sich mit dem Inkraftbleiben des Vertrages beschäftigt; ich möchte ihn verlesen, da, wie ich dem Gerichtshof sagte, alle anderen Verträge dieselben dauerhaften Eigenschaften hatten, dieselben Bestimmungen über die Geltungsdauer, wie der gegenseitige Garantievertrag. Er lautet:

»Artikel 8. Dieser Vertrag soll gemäß der Völkerbundssatzung beim Völkerbund eingetragen werden. Er bleibt solange in Kraft, bis der Rat, auf den drei Monate vorher den anderen Signatarmächten anzukündigenden Antrag eines der Hohen Vertragschließenden Teile, mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der Stimmen feststellt, daß der Völkerbund den Hohen Vertragschließenden Teilen hinreichende Garantien bietet. Der Vertrag tritt alsdann nach Ablauf einer Frist von einem Jahr außer Kraft.«

Auf Grund der Unterzeichnung dieses Vertrages legten die deutschen Vertreter die Frage über Widerruf oder Aufhebung des Vertrages in andere Hände; sie gaben sie aus ihren Händen. Zu dieser Zeit waren sie selbst Mitglieder des Völkerbundes und des Völkerbundsrates. Sie überließen also den Widerruf oder die Aufhebung der Entscheidung dem Völkerbunde.

Der nächste Vertrag auf meiner Liste ist der Schiedsvertrag zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei, einer aus der Gruppe der Locarno-Verträge, zu dem ich bereits meine Ausführungen gemacht habe. Der Einfachheit halber lege ich ihn als GB-14 vor; es ist das britische Dokument TC-14. Bei Darstellung dieses Vertragsbruches, wie in Punkt 8, Anhang C, unter Anklage gestellt, habe ich den Hintergrund dazu erwähnt, und ich will mich nicht wiederholen, aber ich denke, die einzige Bestimmung, die der Gerichtshof beachten sollte, ist in Artikel 1 enthalten; es ist die beherrschende Bestimmung. Der Artikel beginnt wie folgt:

»Alle Streitfragen jeglicher Art zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei, bei denen die Parteien untereinander über ein Recht im Streite sind, und die nicht auf dem Wege des gewöhnlichen diplomatischen Verfahrens gütlich geregelt werden können, sollen in der nachstehend bestimmten Weise, sei es einem Schiedsgericht, sei es dem Ständigen Internationalen Gerichtshof zur Entscheidung unterbreitet werden. Es besteht Einverständnis darüber, daß die vorstehend erwähnten Streitfragen namentlich diejenigen umfassen, die in Artikel 13 der Völkerbundssatzung aufgeführt sind. Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf Streitfragen, die aus Tatsachen entsprungen sind, die zeitlich vor diesem Vertrag liegen und der Vergangenheit angehören.

Die Streitfragen, für deren Lösung in anderen zwischen den Hohen Vertragschließenden Teilen in Geltung befindlichen Abkommen ein besonderes Verfahren vorgesehen ist, werden nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Abkommen geregelt.«

Artikel 2 bis 21 beziehen sich auf technische Einzelheiten. In Artikel 22 besagt der zweite Satz, daß für das Inkrafttreten und die Geltungsdauer des gegenwärtigen Vertrages die gleichen Bestimmungen gelten, wie für den gegenseitigen Garantievertrag.

Ich glaube, das ist alles, was ich über diesen Vertrag zu sagen habe, und mein Freund, Herr Alderman, hat, wie ich wohl richtig annehme, darauf bereits hingewiesen.

Es ist der Vertrag, auf den sich Präsident Benesch während der Krise im Herbst 1938 erfolglos berufen hat.

Der 9. Vertrag, mit dem ich mich nunmehr zu beschäftigen habe, ist in diesem Dokumentenbuch nicht enthalten. Ich lege ihn daher formell als Beweis vor, da mein Kollege, Herr Roberts, die entsprechenden Teile daraus in seinem Vortrage wörtlich verlesen wird. Ich bitte den Gerichtshof gütigst zu beachten, daß er im Anklagepunkt 9, Anhang C, aufgeführt ist.

Es ist das ebenfalls in Locarno abgeschlossene Schiedsabkommen zwischen Deutschland und Belgien. Ich lege dem Gerichtshof zur Erleichterung ein Exemplar als GB-15 vor. In der Tat kann ich mich darauf berufen, daß alle diese Schiedsabkommen in derselben Form abgefaßt sind; und ich verzichte darauf, mich mit ihm zu beschäftigen, weil er ein wesentlicher Teil des Anklagefalles Belgien, Niederlande und Luxemburg ist, den mein Freund, Herr Roberts, vortragen wird.

Deshalb bitte ich den Gerichtshof, das Dokument jetzt schon formell anzunehmen.

Das gleiche gilt für den 10. Vertrag, der im Anklagepunkt 10 des Anhanges C erwähnt ist. Es ist der Schiedsvertrag zwischen Deutschland und Polen, den ich als GB-16 vorlege und von dem der Gerichtshof amtlich Kenntnis nehmen wolle. Dieser Punkt wird von meinem Freund, Oberst Griffith-Jones, behandelt werden, wenn er sich mit dem Fall Polen befaßt.

Hoher Gerichtshof! Ich komme nunmehr zu einer anderen Sache. Es ist kein Vertrag, sondern eine feierliche Erklärung. Es handelt sich um TC-18, das ich nunmehr als Beweisstück GB-17 dem Gerichtshof vorlege. Ich bitte den Gerichtshof, von dieser Erklärung der Völkerbundsversammlung amtlich Kenntnis zu nehmen. Die Wichtigkeit liegt im Datum; es ist der 24. September 1927. Der Gerichtshof wolle sich erinnern, daß ich gebeten hatte, von der Tatsache amtlich Kenntnis zu nehmen, daß Deutschland am 10. September 1926, also ein Jahr zuvor, Mitglied des Völkerbundes geworden war.

Die Wichtigkeit dieser Erklärung liegt nicht nur in ihrer Auswirkung auf das Völkerrecht, worauf mein gelehrter Freund, der Generalstaatsanwalt, hinwies, sondern auch in der Tatsache, daß sie einstimmig von der Versammlung des Völkerbundes angenommen wurde, dem Deutschland als freiwilliges und, lassen Sie mich zugleich sagen, als aktives Mitglied damals angehörte. Ich glaube, daß alles, was ich aus TC-18 vorlesen muß, ist, – wenn der Gerichtshof die Resolution einsehen will, die beginnt: »Herr Sokal (Polen), Berichterstatter« und dann die Übersetzung, nachdem der Berichterstatter sich mit den Formalitäten befaßt hat, – daß diese Resolution an den dritten Ausschuß gegangen und einstimmig angenommen worden sei, er sei gebeten worden, als Berichterstatter zu fungieren. Er sagte dann:

»Der Ausschuß war der Ansicht, daß im gegenwärtigen Zeitpunkt eine feierliche Resolution, die von der Versammlung dahin gefaßt wird, daß Angriffskriege niemals als Mittel zur Austragung von Streitigkeiten zwischen Staaten angewendet werden dürfen, und daß solche Kriege ein internationales Verbrechen darstellen, eine heilsame Wirkung auf die öffentliche Meinung ausüben und dazu beitragen würde, eine für die zukünftige Arbeit des Völkerbundes in Fragen der Sicherheit und Abrüstung günstige Atmosphäre zu schaffen. Der Dritte Ausschuß mußte zwar anerkennen, daß der Resolutionsentwurf nicht eine ordentliche rechtliche Handhabe darstellt, die für sich ausreichend wäre und einen konkreten Beitrag zur Sicherheit bedeuten würde; über den großen moralischen und erzieherischen Wert einer solchen Resolution bestand jedoch in dem Ausschuß Einmütigkeit.«

Er bat dann die Versammlung, den Resolutionsentwurf anzunehmen, und ich lese nun die Einzelheiten dieses Entwurfes vor, die beweisen, was so viele Länder, einschließlich Deutschland, damals anstrebten:

»In Anerkennung der Solidarität, welche die Völkergemeinschaft eint; beseelt von dem heißen Verlangen nach Erhaltung eines allgemeinen Friedens; in der Überzeugung, daß ein Angriffskrieg niemals als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten dienen kann und daher ein internationales Verbrechen ist; in der Erwägung, daß ein feierlicher Verzicht auf alle Angriffskriege zur Schaffung einer Atmosphäre allgemeinen Vertrauens führen würde, das dazu geeignet ist, den Fortschritt der... zum Zwecke der Abrüstung unternommenen Arbeit zu erleichtern; erklärt die Versammlung:

1. Daß alle Angriffskriege verboten sind und stets bleiben sollen.

2. Daß jedes friedliche Mittel zur Beilegung jeder Art Streitigkeiten, die zwischen Staaten entstehen mögen, angewendet werden muß. Die Versammlung erklärt, daß die Mitgliedstaaten des Völkerbundes verpflichtet sind, sich nach diesen Grundsätzen zu richten.«

Nach einem feierlichen Votum in der Form eines Namensaufrufs verkündete der Präsident, wie Sie am Ende der Erklärung sehen werden:

»Nachdem alle Delegationen für die vom Dritten Ausschuß unterbreitete Erklärung gestimmt haben, erkläre ich sie für einstimmig angenommen.«

Der letzte allgemeine Vertrag, den ich dem Gerichtshof vorzulegen habe, ist der Kellogg-Briand- Pakt, der Pakt von Paris vom Jahre 1928, den mein Kollege, der Generalstaatsanwalt, bei der Eröffnung des entsprechenden Teiles des Falles bereits vollständig verlesen und ausführlich kommentiert hat. Ich lege ihn als Beweisstück GB-18, TC-19, vor: es ist eine Abschrift dieses Paktes. Ich möchte, wenn der Gerichtshof es nicht anders wünscht, diesen Pakt nicht noch einmal verlesen, da ihn der Generalstaatsanwalt gestern bereits vollständig zitierte; aber um dem Gerichtshof dienlich zu sein, lege ich das Dokument hiermit vor.

Ich habe nun dem Gerichtshof noch gewisse Dokumente vorzulegen, die Herr Alderman während seiner Rede erwähnte und mir zur Behandlung überlassen hat. Ich bedauere, daß ich sie nicht in einer bestimmten Reihenfolge gebracht habe, denn sie beziehen sich nicht auf die Verträge, mit denen ich mich befaßt habe, sondern auf Herrn Aldermans Beweisführung. Das erste dieser Dokumente, das ich vorlege, ist Beweisstück GB-19, TC-26. Es folgt gleich auf die Resolution des Völkerbundes, mit dem der Gerichtshof sich eben befaßte. Es handelt sich um die in der Hitler-Rede vom 21. Mai 1935 enthaltene Zusicherung; es ist sehr kurz, und, falls der Gerichtshof es von Herrn Aldermans Erörterung her nicht mehr in Erinnerung hat, möchte ich es nochmals verlesen; ich bin nicht ganz sicher, ob es bereits verlesen wurde.

»Deutschland hat weder die Absicht noch den Willen, sich in die inneren österreichischen Verhältnisse einzumengen, Österreich etwa zu annektieren oder anzuschließen. Das deutsche Volk und die Deutsche Regierung haben aber aus dem einfachen Solidaritätsgefühl gemeinsamer nationaler Herkunft den begreiflichen Wunsch, daß nicht nur fremden Völkern, sondern auch dem deutschen Volk überall das Selbstbestimmungsrecht gewährleistet wird. Ich selbst glaube, daß auf die Dauer kein Regime, das nicht im Volk verankert, vom Volke getragen und vom Volke gewünscht wird, Bestand haben kann.«

Das nächste Dokument, TC-22, auf der nächsten Seite, lege ich als GB-20 vor. Es handelt sich um eine Kopie der amtlichen Proklamation über die Vereinbarung zwischen der Deutschen Regierung und der österreichischen Bundesregierung vom 11. Juli 1936. Ich bin fast sicher, daß Herr Alderman dieses Dokument verlesen hat. Ich verweise jedoch den Gerichtshof auf Artikel 1 des Abkommens, um ihn an den wesentlichen Inhalt zu erinnern:

»Im Sinne der Feststellungen des Führers und Reichskanzlers vom 21. Mai 1935 anerkennt die Deutsche Reichsregierung die volle Souveränität des Bundesstaates Österreich.«

Hier habe ich nun drei Dokumente, die sich auf die Tschechoslowakei beziehen, und die ich auf Wunsch von Herrn Alderman vorlege. Das erste ist TC-27, welches der Gerichtshof als drittes nach dem Dokument über das eben erwähnte Abkommen mit Österreich finden wird. Es handelt sich um die deutsche Zusicherung an die Tschechoslowakei. Ich lege einen von Herrn Jan Masaryk, dem Sohne Masaryks, an Lord Halifax gerichteten Brief vom 12. März 1938 als GB-21 vor. Ich glaube, daß, wenn Herr Alderman ihn noch nicht verlesen hat, er sicherlich Görings Aussage, die im dritten Absatz erscheint, zitierte. In seiner ersten Erklärung gebrauchte der Feldmarschall die Worte: »Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!« Und wenn Sie drei Absätze tiefer nachsehen wollen, nachdem der Angeklagte Göring verlangt hatte, daß von der Mobilisierung der tschechoslowakischen Armee Abstand genommen werde, fährt der Bericht fort:

»Herr Masaryk war in der Lage, ihm bestimmte und bindende Zusicherungen in dieser Beziehung zu geben. Er sprach heute mit Baron von Neurath«

– es ist der Angeklagte von Neurath –

»der ihm unter anderem in Herrn Hitlers Namen versicherte, daß Deutschland sich selbst noch immer an die im Oktober 1925 in Locarno abgeschlossene deutsch- tschechoslowakische Schiedsvereinbarung gebunden fühle.«

Ich möchte dem Gerichtshof hier die Tatsache in Erinnerung bringen, daß Herr Stresemann im Jahre 1925 in einem freiwillig abgeschlossenen Abkommen im Namen Deutschlands gesprochen hatte. Hätte der geringste Zweifel in dieser Frage bestanden, so gab uns der Angeklagte Neurath in Hitlers Namen die Zusicherung, daß Deutschland sich immer noch an den deutsch-tschechischen Schiedsvertrag vom 12. März 1938 gebunden betrachte. Dies war 6 Monate, bevor Dr. Benesch ohne Erfolg sich darauf berief, und vor Ausbruch der Krise im Herbst 1938. Die schwierige Lage, in der sich die Tschechoslowakische Regierung befand, ist im letzten Absatz der Erklärung Masaryks ausgedrückt. Dieser letzte Satz ist, wie der Gerichtshof sehen wird, von großer Bedeutung:

»Sie könne jedoch nicht umhin, den Ablaut der Ereignisse in Österreich mit großer Besorgnis zu betrachten, die sich zwischen dem Abschluß des zweiseitigen Vertrages zwischen Deutschland und Österreich, dem 11. Juli 1936, und dem gestrigen Tage, dem 11. März 1938, abgespielt haben.«

Ich enthalte mich eines Kommentares, wage aber zu behaupten, daß dies einer der inhaltschwersten Aussprüche in Bezug auf diesen Zeitraum ist.

Das nächste Dokument, TC-28, das ich als Beweisstück GB-22 vorlege, ist eine Zusicherung, die Hitler am 26. September 1938 der Tschechoslowakei gab, und auch hier – der Gerichtshof wird mein Gedächtnis prüfen –, ich glaube nicht, daß Herr Alderman dieses Dokument verlesen hat.

VORSITZENDER: Nein; ich glaube es nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn er es nicht verlas, glaube ich, sollte es dem Gerichtshof vorgelegt werden, weil es einen wichtigen Hinweis auf den behaupteten leitenden Grundsatz gibt, Deutsche zurück ins Reich zu bringen, einen Grundsatz, nach dem die Nazi-Verschwörer eine beträchtliche Zeit zu handeln vorgaben, und zwar solange es ihnen paßte. Es lautet:

»Ich habe nur weniges zu erklären: Ich bin Herrn Chamberlain dankbar für alle seine Bemühungen. Ich habe ihm versichert, daß das deutsche Volk nichts anderes will als Frieden; allein, ich habe ihm auch erklärt, daß ich nicht hinter die Grenzen unserer Geduld zurückgehen kann.«

Der Gerichtshof wird sich daran erinnern, daß sich dies zwischen dem Godesberger Besuch und dem Münchener Vertrag zutrug:

»Ich habe ihm weiter versichert, und wiederhole es hier, daß es, wenn dieses Problem gelöst ist, für Deutschland in Europa kein territoriales Problem mehr gibt!

Und ich habe ihm weiter versichert, daß in dem Augenblick, in dem die Tschechoslowakei ihre Probleme löst, das heißt, in dem die Tschechen mit ihren anderen Minderheiten sich auseinandergesetzt haben, und zwar friedlich und nicht durch Unterdrückung, daß ich dann am tschechischen Staat nicht mehr interessiert bin. Und das wird ihm garantiert! Wir wollen gar keine Tschechen! Allein, ebenso will ich nun vor dem deutschen Volke erklären, daß in Bezug auf das sudetendeutsche Problem meine Geduld jetzt zu Ende ist! Ich habe Herrn Benesch ein Angebot gemacht, das nichts anderes ist als die Realisierung dessen, was er selbst schon zugesichert hat. Er hat jetzt die Entscheidung in seiner Hand! Frieden oder Krieg! Er wird entweder dieses Angebot akzeptieren und den Deutschen jetzt endlich die Freiheit geben, oder wir werden diese Freiheit uns selbst holen!«

Kaum ein halbes Jahr vor dem 15. März gebrauchte Hitler die stärksten Ausdrücke und sagte »er wolle keine Tschechen«!

Der Gerichtshof erfuhr heute morgen die folgenden Ereignisse durch meinen Freund, Herrn Alderman. Das letzte Dokument, das ich gebeten wurde vorzulegen, und von dem Kenntnis zu nehmen ich jetzt bitte, und das ich überreiche, ist GB-23, TC-23, und eine Abschrift des Münchener Abkommens vom 29. September 1938. Es wurde von Hitler, dem verstorbenen Neville Chamberlain, Daladier und Mussolini unterzeichnet, und ist im wesentlichen ein verfahrensmäßiges Übereinkommen, das die Bestimmungen über den Einmarsch der deutschen Truppen in das sudetendeutsche Gebiet enthält. Das zeigt schon die einleitende Klausel:

»Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien sind unter Berücksichtigung des Abkommens, das hinsichtlich der Abtretung des sudetendeutschen Gebietes bereits grundsätzlich erzielt wurde, über folgende Bedingungen und Modalitäten dieser Abtre tung und über die danach zu ergreifenden Maßnahmen übereingekommen und erklären sich durch dieses Abkommen einzeln verantwortlich für die zur Sicherung seiner Erfüllung notwendigen Schritte.«

Ich glaube nicht, daß ich die verschiedenen Etappen durchgehen muß, es sei denn, daß der Gerichtshof es wünscht. Artikel 4 des Abkommens lautet:

»Die etappenweise Besetzung des vorwiegend deutschen Gebietes durch deutsche Truppen beginnt am 1. Oktober.« – Die vier auf der anliegenden Karte bezeichneten Gebietsabschnitte. – Und Artikel 6: »Die endgültige Festlegung der Grenzen wird durch den internationalen Ausschuß vorgenommen werden.«

Das Abkommen sieht auch Optionsrecht und Entlassung von Sudetendeutschen aus dem tschechischen Heeresdienst vor.

Das war, was Hitler in seiner etwas rhetorischen Bemerkung, die ich gerade verlesen habe, forderte, und es muß bemerkt werden, daß ein äußerst bedeutungsvoller Zusatz diesem Abkommen beigefügt ist. Dieser »Zusatz zu dem Abkommen« lautet:

»Seiner Majestät Regierung im Vereinigten Königreich und die Französische Regierung haben sich dem vorstehenden Abkommen angeschlossen auf der Grundlage, daß sie zu dem Angebot stehen, welches im Paragraph 6 der englisch-französischen Vorschläge vom 19. September enthalten ist, betreffend eine internationale Garantie der neuen Grenzen des Tschechoslowakischen Staates gegen einen unprovozierten Angriff.

Sobald die Frage der polnischen und ungarischen Minderheiten in der Tschechoslowakei geregelt ist, werden Deutschland und Italien ihrerseits der Tschechoslowakei eine Garantie geben.«

Die polnischen und ungarischen Minderheiten, nicht die heute früh erwähnte slowakische Frage. Das ist der Grund, warum Herr Alderman die Behauptung aufstellte, der ich mich anschließe, daß die Aktion des 15. März 1939 einen offenen Bruch des Vertrages dem Buchstaben und dem Sinne nach darstellt.

Das ist der Teil des Falles, den ich zur Darstellung zu bringen hatte.

VORSITZENDER: Wir werden die Sitzung für 10 Minuten unterbrechen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft: Ich danke Ihnen!