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[Pause von 10 Minuten.]

MR. ALDERMAN: Hoher Gerichtshof! Es wurde mir von den Dolmetschern gesagt, daß ich heute Morgen zu schnell sprach. Ich werde versuchen, langsamer zu sprechen.

Als nächstes Kapitel möchte ich die Politik der Zerstörung, die Vorbereitung des politischen Teiles des Angriffs, vorbringen. Wie ich bereits angedeutet habe, und wie ich später ausführlicher darlegen werde, waren sowohl wirtschaftliche als auch politische Gründe der Verschwörer für den Einfall in Rußland ausschlaggebend. Ich habe bereits das Ausmaß der wirtschaftlichen Pläne und Vorbereitungen des Angriffs erörtert. Ebenso ausführlich planten und bereiteten die Verschwörer die Verwirklichung der politischen Ziele ihres Angriffs vor. Augenblicklich genügt es meiner Ansicht nach, festzustellen, daß ihr politisches Ziel die Beseitigung der Sowjetunion als eines mächtigen politischen Faktors in Europa und der Erwerb von Lebensraum war. Um dieses Ziel zu erreichen, wählten die Nazi-Verschwörer den Angeklagten Rosenberg als ihren Beauftragten. Schon am 2. April 1941 bereitete Rosenberg oder ein Mitglied seines Stabes ein Memorandum über die USSR vor. Dieses Memorandum spielt mit dem Gedanken einer möglichen Auseinandersetzung mit der USSR, die eine schnelle Besetzung eines bedeutenden Teiles dieses Landes nach sich ziehen würde. Dieses Memorandum erörtert dann, was das politische Ziel einer solchen Besetzung sein sollte, und schlägt die Wege zur Erreichung dieses Zieles vor. Das Memorandum ist 1017-PS und ich lege es dem Gerichtshof als Beweisstück US-142 vor. Der zweite Abschnitt, unter der Überschrift »USSR« lautet wie folgt:

»Eine militärische Auseinandersetzung mit der USSR wird zu einer außerordentlich schnellen Okkupation eines wichtigen großen Teiles der USSR führen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß auf ein militärisches Vorgehen unsererseits sehr bald der militärische Zusammenbruch der USSR folgt. Die Besetzung der Gebiete würde dann weniger militärische als verwaltungsmäßige und wirtschaftliche Schwierigkeiten aufwerfen. Hier entsteht die erste Frage:

Soll die Besetzung von rein militärischen beziehungsweise wirtschaftlichen Notwendigkeiten bestimmt werden, oder sind für die Ausdehnung der Besetzung auch schon politische Gründe für eine künftige Gestaltung der Gebiete mitbestimmend? In diesem Falle ist die Festlegung des zu erreichenden politischen Zweckes vordringlich, da er unzweifelhaft auch auf das militärische Vorgehen zurückwirken wird.

Wird als Ziel des militärischen Vorgehens eine politische Zertrümmerung des östlichen Großreiches in seinem derzeitigen Schwächezustand festgelegt, dann ergeben sich folgende Schlußfolgerungen:

1. Die Besetzung muß ungeheuer große Gebiete umfassen.

2. Die Behandlung der einzelnen Gebietsteile sollte von vornherein auf die angestrebten politischen Ziele ausgerichtet werden, sowohl in verwaltungsmäßiger als auch wirtschaftlicher und ideologischer Hinsicht.

3. Die Behandlung der für diese ungeheuren Gebiete übergeordneten Fragen, wie insbesondere die Sicherstellung der kriegswichtigen Lieferungen zur Fortführung des Krieges gegen England, die Aufrechterhaltung der deswegen notwendigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und die für die einzelnen Gebiete von einander völlig abweichenden großen Direktiven, sollten wiederum am besten in einer Stelle konzentriert werden.

Es soll hier nochmals betont werden, daß auch alle nachfolgenden Ausführungen natürlich nur nach Sicherstellung der zur Fortführung des Krieges für das Großdeutsche Reich eben notwendigen kriegswichtigen Lieferungen aus dem zu besetzenden Gebiet Geltung haben. Aus der Bevölkerungskarte Rußlands ergeben sich für den Kenner des Ostens folgende nationale oder geographische Einheiten:

a) Großrußland mit Moskau als Zentrum,

b) Weißrußland mit Minsk bzw. Smolensk als Hauptstadt,

c) Estland, Lettland und Litauen,

d) Ukraine und die Krim mit Kiew als Zentrum,

e) das Dongebiet mit Rostow als Hauptstadt,

f) das Kaukasusgebiet,

g) Russisch-Mittel-Asien oder Russisch-Turkestan.«

Dieses Memorandum behandelt dann weiter jede Fläche oder geographische Einheit im einzelnen, und ich brauche diese Seiten nicht zu verlesen. Am Ende des Schriftstücks macht der Autor jedoch eine Zusammenfassung und legt seinen Plan dar. Ich möchte diesen Abschnitt für das Protokoll verlesen. Es ist unten auf Seite 4 der englischen Übersetzung, unter der Überschrift »Zusammenfassung«.

»Aus den hier flüchtig skizzierten Erwägungen ergibt sich folgender planmäßiger Aufbau:

1. Die Schaffung einer mehr oder minder nur auf die Kriegszeit beschränkten Zentralstelle für die besetzten Gebiete der USSR.

Ihr obläge im Einklang mit den obersten und oberen Reichsbehörden:

a) verbindliche politische Anweisungen unter Berück sichtigung der vorgefundenen Lage und des zu erreichenden Zieles an die einzelnen Verwaltungsgebiete herauszugeben.

b) Die kriegswichtigen Lieferungen aus allen besetzten Gebieten für das Reich zu sichern.

c) Die prinzipielle Durchführung der für alle Gebiete übergeordneten Fragen, wie z.B. der Finanz- und Geldmittel, des Transports, der Öl-, Kohlen- und Nahrungsmittelproduktion vorzubereiten und zu überwachen.

2. Die Durchführung einer scharf abgegrenzten Dezentralisation in den einzelnen national oder wirtschaftspolitisch zusammengefaßten Verwaltungsgebieten zur Durchführung der ihnen gestellten völlig verschiedenen Aufgaben.

Dagegen dürfte eine aus rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu errichtende schematische Verwaltungsstelle, wie sie zur Zeit ins Auge gefaßt wird, sehr bald ihre Unzulänglichkeit erweisen und ihren Zweck verfehlen. Eine solche Zentrale wäre gezwungen, eine gleichartige, nur von wirtschaftlichen Erwägungen diktierte Behandlung in allen Gebieten durchzuführen, was die Erfüllung der politischen Aufgabe behindern und bei der rein bürokratischen Zusammenfassung vielleicht sogar verhindern dürfte.

Es erhebt sich daher die Frage, ob nicht aus rein zweckmäßigen Gründen von vornherein beim Aufbau der militärisch-wirtschaftlichen Verwaltung die dargelegten Gesichtspunkte berücksichtigt werden sollten. In Anbetracht der ungeheuren Räume und der allein dar aus erwachsenden Schwierigkeiten der Verwaltung, sowie in Anbetracht der von den westeuropäischen völlig abweichenden Lebensverhältnisse, wie sie durch den Bolschewismus hervorgerufen worden sind, bedürfte die Gesamtfrage der USSR einer anderen Behandlung als sie bei den einzelnen Ländern Westeuropas zur Anwendung gebracht worden ist.«

MR. BIDDLE: Ist es unterschrieben?

MR. ALDERMAN: Nein, Herr Richter, es ist nicht unterschrieben.

MR. BIDDLE: Ist es in der Handschrift des Angeklagten Rosenberg?

MR. ALDERMAN: Es war in Rosenbergs Akten.

MR. BIDDLE: Ist irgendwie ersichtlich, daß er es geschrieben hat?

MR. ALDERMAN: Nein. Wie ich bereits sagte, wurde es augenscheinlich von Rosenberg oder seinem Stab vorbereitet. Wir erbeuteten alle Akten Rosenbergs, die tatsächlich eine große Bibliothek darstellen. Es ist augenscheinlich, daß die »aus rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu errichtende schematische Verwaltungsstelle«, auf die sich das Memorandum bezieht, der wirtschaftliche Stab »Oldenburg« war, welcher, wie bereits beschrieben, von Göring und General Thomas errichtet wurde.

Die Ausführungen Rosenbergs, vorausgesetzt, daß dies seine Ausführungen sind, über das politische Ziel der Invasion und seine Analyse der Durchführung stießen anscheinend nicht auf taube Ohren. Mit Erlaß des Führers vom 20. April 1941 wurde Rosenberg zum »Beauftragten für die zentrale Bearbeitung der Fragen des osteuropäischen Raumes« ernannt. Dieser Erlaß ist ein Teil der Korrespondenz über die Ernennung Rosenbergs, die mit der Nummer 865-PS versehen worden ist. Ich bitte, dieses Aktenstück, das durchwegs die gleiche Sache betrifft und aus vier Briefen besteht, die ich sämtlich verlesen oder anführen werde, als Beweisstück US-143 zuzulassen. Der Erlaß selbst lautet wie folgt, es ist der erste Teil der englischen Übersetzung von 865-PS:

»Ich ernenne den Reichsleiter Alfred Rosenberg zu meinem Beauftragten für die zentrale Bearbeitung der Fragen des osteuropäischen Raumes. Reichsleiter Rosenberg steht zur Erfüllung der ihm damit übertragenen Aufgaben eine Dienststelle für die zentrale Bearbeitung der Fragen des osteuropäischen Raumes zur Verfügung, die nach seinen Anordnungen einzurichten ist.

Die für diese Dienststelle erforderlichen Mittel sind im Haushalt der Reichskanzlei in einer Pauschalsumme auszubringen. Führerhauptquartier, den 20. April 1941.

Der Führer, gez.: Adolf Hitler.

Der Reichsminister und Chef der Reichskanzlei,

gez.: Dr. Lammers.«

Diese Kopie des Befehls des Führers war einem Brief beigelegt, den Dr. Lammers an den Angeklagten Keitel schrieb und in welchem er ihn um seine Mitarbeit mit Rosenberg ersuchte und ihn weiterhin bat, Keitel möge einen Stellvertreter ernennen, der mit Rosenberg arbeiten würde. Dieser Brief lautet wie folgt. Er ist auf dem Briefpapier des »Reichsminister und Chef der Reichskanzlei« geschrieben:

»Berlin, 21. April 1941.« hen von ihren eigenen Angriffsabsichten und der Kriegserklärung gegen die Vereinigten Staaten in ihrer Zusammenarbeit mit Japan, Kräfte aufstachelten und in Bewegung hielten, die nach menschlichem Ermessen zu einem Angriff gegen die Vereinigten Staaten führen mußten. Trotz ihres Wunsches, die Vereinigten Staaten zu diesem Zeitpunkt nicht am Krieg beteiligt zu sehen, sahen sie trotzdem eine ausgesprochene Möglichkeit, sogar Wahrscheinlichkeit, einer solchen Verwicklung als Folge dieser Ermutigungspolitik voraus. Sie wußten, daß Japan Angriffspläne gegen die Vereinigten Staaten vorbereitet hatte, und zeigten sich mit den Folgen insofern einverstanden, als sie den Japanern versicherten, sie würden Amerika den Krieg erklären, sollte es zu einem japanisch-amerikanischen Konflikt kommen.

Da es sich um erbeutete feindliche Urkunden handelt, wird notwendigerweise die Vollständigkeit des Planes verschleiert; nichtsdestoweniger zeigen die aufgefundenen und dem Gerichtshof als Beweismittel unterbreiteten Urkunden, daß der japanische Angriff die nächste voraussehbare Folge ihrer Bündnispolitik war, und daß die Aufhetzung und Ermutigung der Japaner so sicher zum Angriff auf Pearl Harbor führen mußte, als wäre Pearl Harbor selbst erwähnt worden.

Ich möchte noch eine Eintragung aus dem Tagebuch Cianos vom 8. Dezember, dem Tag nach Pearl Harbor, verlesen:

»Ein nächtlicher Telephonanruf von Ribbentrop. Er ist überglücklich über den Angriff Japans auf Amerika. Er ist so glücklich, daß ich mit ihm glücklich bin, obgleich ich über die endgültigen Vorteile dessen, was sich ereignet hat, nicht so sicher bin. Eins ist nun sicher: Amerika wird nun in den Krieg eintreten und der Kampf wird ein so langer sein, daß Amerika imstande sein wird, die gesamten Kraftreserven ins Spiel zu bringen.

Heute morgen habe ich mit dem König gesprochen, der sich über das Ereignis gefreut hatte. Schließlich gab er aber zu, daß ich auf lange Sicht recht haben könnte. Mussolini war auch glücklich. Seit langer Zeit hatte er eine deutliche Klärung der Beziehungen zwischen Amerika und den Achsenmächten begünstigt.«

Das letzte Dokument besteht aus einer sehr geheimen Niederschrift über eine Besprechung zwischen Hitler und dem Japanischen Botschafter Oshima am 14. Dezember 1941, von 13.00 bis 14.00 Uhr, in Gegenwart des Reichsaußenministers Ribbentrop. Es ist unser Dokument 2932-PS, das ich jetzt als Beweisstück US-165 vorlege. Das unmittelbare Thema ist der Angriff auf Pearl Harbor, aber die darin enthaltenen Ausdrücke sind typisch für die Nazi-Technik. Ich zitiere aus dem zweiten Absatz der englischen Übersetzung, der bis jetzt noch nicht verlesen wurde:

»Der Führer überreicht zunächst dem Botschafter Oshima das Großkreuz des Verdienstordens vom Deutschen Adler in Gold. Mit herzlichen Worten würdigt er seine Verdienste um das Zustandekommen der deutsch-japanischen Zusammenarbeit, die nun in einer engen Waffenbrüderschaft ihre Krönung gefunden hat.

General Oshima sprach seinen Dank für die große Ehrung aus und hebt hervor, wie froh er sei, daß zwischen Deutschland und Japan diese Waffenbrüderschaft nunmehr zustande gekommen ist.

Der Führer fährt fort: ›Sie haben die richtige Kriegserklärung gegeben!‹ Diese Methode sei die einzig wahre. Japan hat sie ja auch bereits früher verfolgt, und sie entspräche auch seinem eigenen System, nämlich solange zu verhandeln, wie es irgend geht. Wenn man dann aber sähe, daß der andere es nur darauf abgesehen habe, einen hinzuhalten, zu beschämen und zu demütigen und gar nicht zu einer Einigung kommen will, dann soll man so zuschlagen, und zwar so hart wie es gehe, und nicht erst lange Krieg erklären. Ihm sei das Herz aufgegangen, wie er von den ersten Operationen der Japaner gehört habe. Er selbst habe ja auch manchmal mit einer unendlichen Geduld verhandelt, z.B. mit Polen und auch mit Rußland. Als er dann erkannte, daß der andere gar nicht zu einer Einigung kommen wollte, habe er plötzlich und ohne Formalitäten losgeschlagen. Auch in Zukunft würde er diesen Weg gehen.«

Hoher Gerichtshof! Hier endet mein Beweisvortrag über die verschiedenen Phasen der Führung von Angriffskriegen, die in Punkt 1 der Anklageschrift als Verbrechen gegen den Frieden unter Anklage gestellt werden. Zum Abschluß möchte ich, mit Erlaubnis des Gerichtshofes, dem Abteilungschef, Fregattenkapitän Sidney J. Kaplan, und seinen Mitarbeitern meinen tiefgefühlten Dank für die Arbeit aussprechen, die sie bei Zusammenstellung und Vorbereitung des von mir hier vorgelegten Materials geleistet haben. In der Reihenfolge des von mir vorgelegten Materials zähle ich die Namen dieser Mitarbeiter auf: Major Joseph Dainow, Korvettenkapitän Harold Leventhal, Leutnant John M. Woolsey, Leutnant James A. Correll und Leutnant Roy H. Steyer.

Fregattenkapitän Kaplan und sein Stab haben dem berühmten Wahlspruch ihrer Waffengattung, der amerikanischen Küstenverteidigung: »Semper Paratus« (»Allezeit bereit«) voll entsprochen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich jetzt vertagen.