[Pause von 10 Minuten.]
MR. DODD: Vor der Pause habe ich auf Dokument 654-PS, US-218, verwiesen. Dieses Dokument ist eine Aufzeichnung über eine Vereinbarung zwischen Reichsführer SS Himmler und dem Justizminister Thierack. Sie trägt das Datum 18. September 1942 Das Wort Vernichtung, auf das ich kurz vor der Pause verwiesen habe, ist in diesem Dokument ausdrücklich genannt. Ich möchte vor Seite 1, Absatz 2, dieses Dokuments zitieren:
»2. Auslieferung asozialer Elemente aus dem Strafvollzug an den Reichsführer SS zur Vernichtung durch Arbeit. Es werden restlos ausgeliefert die Sicherungsverwahrten, Juden, Zigeuner, Russen und Ukrainer, Polen über 3 Jahre Strafe, Tschechen oder Deutsche über 8 Jahre Strafe, nach Entscheidung des Reichsjustizministers. Zunächst sollen die übelsten asozialen Elemente unter letzteren ausgeliefert werden. Hierzu werde ich den Führer durch Reichsleiter Bormann unterrichten.«
Diese Vereinbarung enthält auf Seite 2, Absatz 12 des englischen Textes und Seite 3, Absatz 14 des deutschen Textes noch folgende weitere Bestimmungen:
»14. Es besteht die Übereinstimmung darüber, daß mit Rücksicht auf die von der Staatsführung für die Bereinigung der Ostfragen beabsichtigten Ziele in Zukunft Juden, Polen, Zigeuner, Russen und Ukrainer nicht mehr von den ordentlichen Gerichten, soweit es sich um Strafsachen handelt, abgeurteilt werden sollen, sondern durch den Reichsführer SS erledigt werden. Das gilt nicht für bürgerlichen Rechtsstreit und auch nicht für Polen, die in die deutschen Volkslisten angemeldet oder eingetragen sind.«
Im September 1942 traf der Angeklagte Speer Maßnahmen, um diese neue Quelle von Arbeitskräften unter seine Zuständigkeit zu bringen. Speer überzeugte Hitler, daß nur dann eine bedeutende Produktion erzielt werden könnte, wenn die Häftlinge aus den Konzentrationslagern, die in Fabriken beschäftigt werden, unter der technischen Kontrolle des Ministeriums Speer, anstatt unter der Kontrolle der Lagerverwaltung, stünden. In der Tat wäre es ohne die Mitwirkung des Angeklagten Speer unserer Meinung nach nur sehr schwer möglich gewesen, die Gefangenen in irgendwie bedeutendem Ausmaße für die Kriegsproduktion zu verwenden, da er nicht gewillt war, Himmler die Werkzeugmaschinen und andere notwendige Ausrüstung zur Verfügung zu stellen. Es wurde demzufolge vereinbart, daß die Gefangenen unter der Kontrolle des Angeklagten Speer in Fabriken ausgebeutet werden sollten. Um Himmler für die Abtretung dieser Zuständigkeit an Speer zu entschädigen, schlug der Angeklagte Speer vor, und Hitler stimmte dem zu, daß Himmler einen Anteil an den Rüstungserzeugnissen erhalten würde, und zwar im Verhältnis zu der Anzahl von Arbeitsstunden, die von seinen Häftlingen beigetragen wurden. Das Protokoll über Speers Besprechungen mit Hitler am 20., 21. und 22. September 1942 ist in der bereits vorliegenden Urkunde R-124, US-179, enthalten. Ich möchte besonders auf Seite 34 des englischen Textes verweisen. Es ist das Protokoll des Angeklagten Speer über diese Besprechung, und ich zitiere von Seite 34, Absatz 36, von der Mitte der Seite an. Es ist Seite 26 oben, im deutschen Text:
»Den Führer aufmerksam gemacht, daß – über eine geringe Menge von Arbeiten hinaus – es nicht möglich sein wird, in den Konzentrationslagern eine Rüstungsfertigung aufzuziehen, denn
1. fehlten hierfür die notwendigen Werkzeugmaschinen,
2. die notwendigen Baulichkeiten, während in der Rüstungsindustrie durch Ausnutzung der zweiten Schicht beides noch vorhanden sei.
Der Führer ist mit meinem Vorschlag einverstanden, nach dem die verschiedensten Betriebe, die aus Luftschutzgründen außerhalb der Städte angelegt wurden, ihre vorhandenen Arbeitskräfte an Betriebe in den Städten zur Ausfüllung der zweiten Schicht abgeben und hierfür aus den Konzentrationslagern die notwendigen Arbeitskräfte – ebenfalls für zwei Schichten – erhalten.
Ich habe den Führer auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, die ich in der Forderung von Reichsführer SS Himmler sehe, einen maßgebenden Einfluß auf diese Betriebe auszuüben. – Auch der Führer hält einen solchen Einfluß nicht für erforderlich.
Dagegen ist der Führer damit einverstanden, daß dem Reichsführer SS Himmler aus der Zurverfügungstellung der Häftlinge für die Ausrüstung seiner Division ein Vorteil erwächst.
Ich schlage vor, ihn an dem Arbeitsstundenaufwand seiner Häftlinge prozentual durch Abgabe von Kriegsgerät zu beteiligen. – Es wird von einer etwa 3-5prozentigen Beteiligung gesprochen, mit der der Führer einverstanden wäre, wobei die Geräte ebenfalls nach dem Arbeitsstundenaufwand angerechnet werden.
Der Führer ist bereit, unter Vorlage einer Liste die zusätzliche Zuweisung dieser Geräte und Waffen an die SS zu befehlen.«
Nachdem auf diese Weise eine Nachfrage für Arbeitskräfte aus Konzentrationslagern geschaffen war, und der Angeklagte Speer ein Verfahren zur Ausnützung dieser Arbeitskräfte in Rüstungsfabriken aufgestellt hatte, wurden Vorkehrungen getroffen, um die Zuführung der zur Vernichtung durch Arbeit bestimmten Opfer zu erhöhen. Auf Grund einer Vereinbarung zwischen Himmler und dem obenerwähnten Justizminister wurde ein stetiger Zustrom gesichert, der durch Programme erreicht wurde, die im folgenden dargestellt werden. Ich verweise auf Urkunde L-61, US-177; ich zitiere Absatz 3. Wie sich der Gerichtshof erinnern wird, handelt es sich hier um einen Brief des Angeklagten Sauckel vom 26. November 1942 an die Präsidenten der Landesarbeitsämter. Ich zitiere den dritten Absatz dieses Briefes:
»Die im Rahmen dieser Maßnahme auszusiedelnden Polen werden, soweit es sich bei ihnen um kriminelle und asoziale Elemente handelt, in Konzentrationslagern untergebracht und zur Arbeit eingesetzt.«
Zu diesen allgemeinen Maßnahmen kamen besondere Aktionen zur Erfassung von Personen, die normalerweise nicht in Konzentrationslager gesandt worden wären.
VORSITZENDER: Haben Sie das nicht schon heute Morgen verlesen?
MR. DODD: Ja, Herr Präsident. Ich habe es wiederholt, um es im Hinblick zu diesem Beweisthema besonders zu betonen.
Zum Beispiel »aus Gründen der Kriegsnotwendigkeit« befahl Himmler die Überführung von mindestens 35000 arbeitsfähigen Gefangenen in Konzentrationslager. Ich lege jetzt Beweisurkunde 1063-D-PS, US-219, vor. Dieses Dokument ist ein Befehl Himmlers, datiert vom 17. Dezember 1942. Der Befehl sieht vor, ich zitiere ihn teilweise, und zwar den ersten Absatz:
»Aus kriegswichtigen, hier nicht näher zu erörternden Gründen, hat der RFSS und Chef der Deutschen Polizei am 14. Dezember 1942 befohlen, daß bis Ende Januar 1943 spätestens mindestens 35000 arbeitsfähige Häftlinge in die Konzentrationslager einzuweisen sind. Um diese Zahl zu erreichen, ist folgendes erforderlich:
1. Ab sofort (zunächst bis zum 1. Februar 1943) werden Ost- oder solche fremdvölkische Arbeiter, welche flüchtig gegangen oder vertragsbrüchig geworden sind und nicht den verbündeten, befreundeten oder neutralen Staaten angehören,... auf dem schnellsten Wege den nächstgelegenen Konzentrationslagern eingeliefert....
2. Die Befehlshaber und Kommandeure der Sicherheitspolizei und des SD und die Leiter der Staatspolizei(leit)stellen überprüfen sofort unter Zugrundelegung eines besonders scharfen und engen Maßstabes
a) die Hafträume,
b) die Arbeitserziehungslager.
Alle arbeitseinsatzfähigen Häftlinge sind, wenn es sachlich und menschlich irgendwie zu vertreten ist, sofort nach den folgenden Richtlinien in das nächstgelegene KZ zu überstellen, z. B. auch dann, wenn Strafverfahren demnächst eingeleitet werden oder werden sol len. Nur solche Häftlinge, welche im Interesse des weiteren Ermittlungsverfahrens unbedingt in Einzelhaft verbleiben müssen, können weiterhin belassen werden. Es kommt auf jede einzelne Arbeitskraft an.«
Es wurden auch Maßnahmen getroffen, um sicherzustellen, daß diese Vernichtung durch Arbeit mit größtmöglicher Wirksamkeit durchgeführt wurde. Neue Konzentrationslager wurden in der Nähe von wichtigen Kriegsbetrieben eingerichtet. Der Angeklagte Speer hat selbst zugegeben, daß er persönlich durch Ober-Österreich reiste, um Plätze für Konzentrationslager in der Nähe der verschiedenen Munitionsfabriken dort auszusuchen. Ich verweise hierzu auf das Protokoll über eine eidliche Vernehmung des Angeklagten Albert Speer.
VORSITZENDER: Herr Dodd, bezieht sich das letzte von Ihnen verlesene Dokument, Urkunde 1063-PS, auf Kriegsgefangene oder gewöhnliche Gefangene?
MR. DODD: Wir nehmen an, daß es sich auf Gefangene in gewöhnlichen Gefängnissen bezieht.
Zufolge der heute Morgen gefällten Entscheidung des Gerichtshofs halte ich es für richtig, festzustellen, daß dem Verteidiger des Angeklagten Speer der vollständige Text dieses Verhörs in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt wurde. Es ist zufällig eine kurze Vernehmung, und es war uns daher möglich, die Übersetzung schnell fertigzustellen; sie wurde in die Informationszentrale der Verteidiger gebracht.
DR. HANS FLÄCHSNER, VERTEIDIGER FÜR DEN ANGEKLAGTEN SPEER: Mit Bezug auf die Vernehmung, die der Herr Vertreter der Anklage eben zu verlesen angekündigt hat, möchte ich mir gestatten, einige Bemerkungen zu machen:
Es ist richtig, daß uns eine deutsche Übertragung des englischen Protokolls – wenn man es als Protokoll bezeichnen darf – übermittelt worden ist. Aus dem Vergleich des englischen Textes mit der deutschen Übertragung ergibt sich aber, daß sowohl in dem aufgenommenen englischen Text als auch in der deutschen Übertragung sinnentstellende Fehler enthalten sind, die, wie ich glaube, auf ein Mißverständnis des als Dolmetscher hinzugezogenen Urkundsbeamten zurückzuführen sind. Ich glaube daher, annehmen zu müssen, daß das sogenannte Protokoll, also auch der englische Wortlaut, nicht den Inhalt dessen wiedergibt, was der Angeklagte Speer bei seiner Vernehmung zum Ausdruck bringen wollte. Es dürfte daher der Ermittlung der Wahrheit nicht dienlich sein, wenn in diesem Verfahren dieses Protokoll überhaupt Verwendung findet.
VORSITZENDER: Herr Dodd, wann wurde die deutsche Übersetzung dem Verteidiger übergeben?
MR. DODD: Vor vier Tagen ungefähr.
VORSITZENDER: Herr Dodd, enthält sie eine Beglaubigung der Richtigkeit der englischen Übersetzung des Vernehmungsbeamten?
MR. DODD: Ja. Am Ende des Verhörs befindet sich eine Beglaubigung des Vernehmungsbeamten, des Dolmetschers und des Protokollführers. Es sind drei Beglaubigungen.
VORSITZENDER: Ich glaube, das Beste ist, unter diesen Umständen die Vernehmung jetzt zur Kenntnis zu nehmen. Sie werden die Möglichkeit haben, durch Befragen des Angeklagten zu zeigen, wie weit seiner oder Ihrer Behauptung nach das Verhör ungenau übersetzt wurde.
DR. FLÄCHSNER: Ich danke.
MR. DODD: Darf ich nun den Hohen Gerichtshof auf das letzte Dokument im Dokumentenbuch verweisen. Es ist die viertletzte Seite.
VORSITZENDER: Auf welche Seite verweisen Sie?
MR. DODD: Ich verweise auf Seite 16 des englischen Textes des Vernehmungsprotokolls und Seite 21 des deutschen Textes. Die Aussage dort lautet:
»Es war Tatsache, daß wir bisher sehr bemüht waren, Arbeitskräfte aus in der Nähe von Fabriken gelegenen Konzentrationslagern in Fabriken zu beschäftigen, um so die verfügbaren Arbeitskräfte zu erfassen. Aber die ses kam nicht zur Erwähnung in Verbindung mit der Reise... «,
d. h. die Reise Speers nach Österreich. Das Dokument hat die Nummer US-220.
VORSITZENDER: Ich glaube, ich muß dem Verteidiger des Angeklagten sagen, daß, wenn er die Verlesung der Beweisurkunde abgewartet hätte, eingesehen hätte, daß es ganz unnötig war, Einspruch zu erheben.
MR. DODD: Der Angeklagte Göring befürwortete diese Verwendung von Arbeitern aus den Konzentrationslagern und forderte noch mehr an. Ich verweise hier auf Dokument 1584-PS – Teil I, US-221. Dieses Dokument ist ein Fernschreiben von Göring an Himmler vom 14. Februar 1944. Ich zitiere aus diesem Dokument, und zwar beginne ich mit dem zweiten Satz:
»Gleichzeitig bitte ich Sie, mir für die Luftwaffenrüstung noch eine möglichst große Anzahl KZ-Sträflinge zur Verfügung zu stellen, da die bisherige Erfahrung diese Arbeitskräfte als sehr brauchbar herausgestellt hat. Die Luftkriegslage macht die Verlegung der Industrie unter die Erde erforderlich.
Gerade hierbei lassen sich KZ-Sträflinge arbeitsmäßig und lagermäßig besonders gut zusammenfassen.«
Später hat der Angeklagte Speer die Verantwortung für dieses Programm übernommen, und Hitler versprach Speer, daß 100000 ungarische Juden durch die SS herbeigeschafft werden würden, falls die für das Programm notwendigen Arbeitskräfte nicht beschafft werden könnten.
Speer machte über seine Besprechungen mit Hitler am 6. und 7. April 1944 Aufzeichnungen, die in dem bereits vorliegenden Dokument R-124, US-179, enthalten sind. Ich lese von Seite 36 des englischen Textes, Seite 29 des deutschen Textes:
»Dem Führer vorgeschlagen, daß aus Mangel an Baukräften und Einrichtungen das zweite Großbauvorhaben nicht auf deutschem Gebiet, sondern in unmittelbarer Nähe der Grenze auf geeignetem Gelände (vor allem Kiesgrundlage und Transportmöglichkeiten) auf französischem, belgischem oder holländischem Gebiet errichtet werden soll. Der Führer ist dann mit diesem Vorschlag einverstanden, wenn das Werk hinter eine befestigte Zone zur Erstellung kommen kann. Für den Vorschlag auf französischem Boden spricht insbesondere die Tatsache, daß es dann wesentlich leichter möglich sein wird, die notwendigen Arbeiter zur Verfügung zu stellen. Trotzdem bittet der Führer zu versuchen, in einem wesentlich sichereren Gebiet, nämlich im Protektorat, dieses zweite Werk zu errichten. Sollten dort die Arbeitskräfte ebenfalls nicht zu stellen sein, so will der Führer persönlich sich mit dem Reichsführer SS in Verbindung setzen und diesen veranlassen, aus Ungarn die erforderlichen etwa 100000 Mann durch Bereitstellung entsprechender Judenkontingente aufzubringen. Der Führer verlangt ausdrücklich unter scharfer Betonung des Versagens der Bauorganisation bei der Industriege meinschaft Schlesien, daß dieses Werk ausschließlich durch die OT gebaut werden muß und die Menschengestellung durch den Reichsführer SS erfolgen muß. Er verlangt, daß kurzfristig eine Sitzung bei ihm stattfindet zur Besprechung der Einzelheiten unter Anwesenheit der beteiligten Männer.«
Die unsagbar brutale, unmenschliche und entwürdigende Behandlung von alliierten Staatsbürgern und anderen Opfern der Konzentrationslager, die buchstäblich zu Tode gearbeitet wurden, ist im Dokument L-159, das nicht im Dokumentenbuch enthalten ist, beschrieben. Es ist ein offizieller, von einem Kongreß-Komitee der Vereinigten Staaten erstatteter Bericht, und zwar das US-Senatsdokument Nummer 47. Dieses Kongreß-Komitee unternahm auf Aufforderung von General Eisenhower Besichtigungen der befreiten Lager. Das Dokument trägt die Beweisstücknummer US-222. Ich möchte kurz aus diesem Schriftstück vorlesen, und zwar den letzten Absatz auf Seite 14 und die ersten zwei Absätze auf Seite 15 des englischen Textes:
»Die Behandlung dieser Gefangenen war im allgemeinen die folgende: Sie wurden in Holzbaracken zusammengepfercht, die nicht einmal groß genug waren, um ein Zehntel der Zahl zu fassen. Sie mußten auf mit Holzbrettern versehenen Holzgestellen schlafen, 2, 3 und 4 Etagen übereinander, manchmal ohne Decken, manchmal mit einem Haufen schmutziger Lumpen versehen, die sowohl als Strohsack als auch als Decke dienten.
Ihre Nahrung bestand im allgemeinen aus ungefähr einem halben Pfund Schwarzbrot pro Tag und einer Schüssel wässeriger Suppe, mittags und abends, manchmal auch nicht einmal soviel. Infolge der großen Anzahl, die auf kleinem Raum zusammengedrängt war und infolge mangelnder Vorkehrungen, vermehrten sich Läuse und Ungeziefer, Krankheiten verbreiteten sich und diejenigen, die nicht bald als Folge von Krankheit und Qual starben, fielen dem langsamen, langen Prozeß des Verhungerns anheim. Trotz dieses planmäßigen Aushungerungsprogramms für Gefangene fanden wir keinen Beweis dafür, daß die deutsche Bevölkerung als Ganzes an Nahrung oder Kleidung Mangel litt. Der Gegensatz war so frappierend, daß wir nur zu der Schlußfolgerung kommen konnten, daß die Aushungerung der Insassen dieser Lager beabsichtigt war.
Nach Ankunft im Lager wurden Neuankömmlinge gezwungen, entweder in einer naheliegenden Rüstungsfabrik zu arbeiten, oder sie wurden in ›Kommandos‹ aufgeteilt, zur Erledigung irgendwelcher Aufgaben in der Nachbarschaft, und jeden Abend wurden sie in ihren Barackenstall zurückgebracht. Gewöhnlich war einem deutschen Verbrecher die Aufsicht über einen solchen ›Block‹ oder Schuppen gegeben, in dem die Gefangenen schliefen. Von Zeit zu Zeit wählte er unter seinen Gefangenen einen aus, der ihm besonders geweckt oder intelligent erschien, oder der sonst irgendwie Führereigenschaften zu besitzen schien. Dieser mußte sich im Wachraum melden und man hörte nie wieder etwas von ihm. Die Häftlinge waren allgemein der Ansicht, daß diese Menschen erschossen, vergast oder gehängt und dann verbrannt wurden. Arbeitsverweigerung oder irgendein Vergehen gegen bestehende Bestimmungen wurde mit Prügelstrafe bestraft, oder durch andere Arten der Folterung, wie zum Beispiel das Ausreißen der Fingernägel, und gewöhnlich endete jeder Fall nach schweren Leiden mit dem Tod. Das hier beschriebene Vorgehen stellt ein berechnetes und teuflisches Programm beabsichtigter Quälerei und Vernichtung seitens derjenigen dar, die die deutsche Regierungsgewalt besaßen.«
Ich verlese nun von Seite 11 des englischen Textes, und zwar beginne ich mit dem zweiten Satz des Absatzes 2; im deutschen Text Seite 12, Absatz 1. Es ist eine Beschreibung des Lagers Dora in Nordhausen.
»Im allgemeinen fanden wir, daß dieses Lager genau nach dem Muster von Buchenwald betrieben und verwaltet worden war. Wenn die Leistungsfähigkeit der Arbeiter infolge der schlechten Arbeitsbedingungen nachließ, wurden zur Strafe ihre Rationen herabgesetzt; das Resultat war ein circulus vitiosus, bei dem die Schwachen immer schwächer wurden, bis man sie schließlich ausrottete.«
Dies war der Ablauf der Dinge für die Arbeit in den Konzentrationslagern: Arbeit, Folterung, Aushungerung und Tod. Von diesen Arbeitskräften hat der Angeklagte Göring, indem er verlangte, daß ihm mehr davon zur Verfügung gestellt werden, gesagt, daß sie sich als sehr nützlich erwiesen hätten; und der Angeklagte Speer war »eifrigst bestrebt«, sie in den Fabriken unter seiner Kontrolle zu verwenden.
Die Politik, die diesem Programm zu Grunde lag, die Art, in der es ausgeführt wurde und die diesbezügliche Verantwortlichkeit der Verschwörer ist ausführlich erörtert worden. Ich möchte deshalb jetzt die besondere Verantwortlichkeit des Angeklagten Sauckel behandeln.
Die Tatsache der Ernennung des Angeklagten Sauckel zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz kann vor allem wohl damit erklärt werden, daß er ein alter und verläßlicher Nazi war. In dem bereits vorliegenden Dokument 2974-PS, US-15, vom 17. November 1945 gibt er zu, die folgenden Stellungen innegehabt zu haben:
Im Anfang nur ein Mitglied der NSDAP, wurde er später Mitglied des Reichstags, dann Gauleiter von Thüringen, Mitglied des Thüringer Landtags, Innenminister und Chef des Thüringischen Staatsministeriums, Reichsstatthalter von Thüringen, SA-Obergruppenführer, SS-Obergruppenführer. 1935 wurde er Leiter der Berlin-Suhler Waffen- und Fahrzeugwerke, 1936 Leiter der Gustloff-Werke Nationalsozialistische Industrie-Stiftung und ehrenamtlicher Stiftungsführer. Und vom 21. März 1942 bis 1945 war er Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz.
Sauckels amtliche Funktionen sind alle durch Beweise belegt. Seine Bestellung zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz erfolgte durch einen Erlaß vom 21. März 1942, den wir bereits verlesen haben und der von Hitler, Lammers und dem Angeklagten Keitel unterzeichnet wurde. Durch diesen Erlaß erhielt Sauckel Vollmacht und Verantwortung, die nur derjenigen Hitlers und Görings, des Beauftragten für den Vierjahresplan, nachstanden. Und auch diesen Beiden war er nur hinsichtlich der Anwerbung, des Einsatzes und der Behandlung ausländischer und einheimischer Arbeiter unterstellt.
Der Angeklagte Göring, dem Sauckel unmittelbar unterstellt war, schaffte die Werbungs- und Verteilungsstellen im Rahmen seines Vierjahresplans ab und übertrug deren Vollmachten dem Angeklagten Sauckel. Ferner übertrug er dem Angeklagten Sauckel die weitgehenden Vollmachten eines stellvertretenden Bevollmächtigten für den Vierjahresplan.
Dies erhellt aus dem Dokument 1666-PS, und zwar einem zweiten Dokument 1666-PS, aber datiert vom 27. März 1942. Es ist ein Erlaß, der im Reichsgesetzblatt 1942, Teil I, auf Seite 180 veröffentlicht ist. Ich bitte den Gerichtshof, von diesem Erlaß amtlich Kenntnis zu nehmen.
»In Ausführung des Erlasses des Führers über einen Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vom 21. März 1942, ordne ich folgendes an:
1. Meine Geschäftsgruppen Arbeitseinsatz (Runderlaß vom 22. Oktober 1936) werden aufgelöst. Ihre Aufgaben (Beschaffung und Verteilung der Arbeitskräfte, Regelung der Arbeitsbedingungen) übernimmt der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz, der mir unmittelbar untersteht.
2. Dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz obliegt es, die Arbeitsbedingungen (Lohnpolitik) der im Reichsgebiet eingesetzten Arbeitskräfte nach den Erfordernissen des Arbeitseinsatzes zu regeln.
3. Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz ist ein Organ des Vierjahresplanes. Soweit neues Recht zu setzen oder bestehendes zu ändern ist, hat er mir entsprechende Vorschläge zu machen.
4. Dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz stehen zur Durchführung seiner Aufgaben die mir vom Führer übertragenen Weisungsrechte an die Obersten Reichsbehörden, ihre nachgeordneten Dienststellen sowie an die Dienststellen der Partei und ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände, an den Reichsprotektor, den Generalgouverneur, die Militärbefehlshaber und Chefs der Zivilverwaltungen, zur Verfügung.
Anordnungen und Weisungen von grundsätzlicher Bedeutung sind mir vorher vorzulegen.«
Das Dokument 1903-PS ist ein Hitler-Erlaß vom 30. September 1942, der dem Angeklagten Sauckel außerordentliche Vollmachten über Zivil- und Militärbehörden in den von Deutschland besetzten Gebieten überträgt. Ich ersuche den Gerichtshof, von diesem Erlaß amtlich Kenntnis zu nehmen. Er ist veröffentlicht in Band II, Seite 510, der »Verfügungen, Anordnungen und Bekanntgaben«, die von der Parteikanzlei herausgegeben worden sind.
Dieser Erlaß bestimmt folgendes:
»Ich ermächtige den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, Reichsstatthalter und Gauleiter Fritz Sauckel, zur Durchführung meines Erlasses über einen Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vom 21. März 1942 (Reichsgesetzblatt I, Seite 179), nach seinem Ermessen im Großdeutschen Reich einschließlich das Protektorat sowie im Generalgouvernement und in den besetzten Gebieten alle Maßnahmen zu treffen, die den geordneten Arbeitseinsatz für die deutsche Kriegswirtschaft unter allen Umständen gewährleisten. Er kann zu diesem Zweck bei den Dienststellen der Militär- und Zivilverwaltung Beauftragte ernennen. Diese sind dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz unmittelbar unterstellt. Zur Durchführung ihrer Aufgaben können sie den für den Arbeitseinsatz und die Lohnpolitik zuständigen militärischen und zivilen Dienststellen Weisungen erteilen.
Die näheren Bestimmungen erläßt der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz.
Führerhauptquartier, 30. September 1942.
Der Führer, gez.: Adolf Hitler.«
Innerhalb eines Monats nach seiner Ernennung übermittelte der Angeklagte Sauckel dem Angeklagten Rosenberg sein »Arbeitsmobilisierungs-Programm«. Dieses Programm ist in dem bereits vorliegenden Dokument 016-PS, US-168, wiedergegeben. Es sieht Zwangsaushebung und die höchst mögliche Ausnützung der gesamten Arbeitshilfsquellen sowohl der eroberten Gebiete als auch der Kriegsgefangenen im Interesse der Nazi-Kriegsmaschine vor, und zwar mit den denkbar niedrigsten Ausgaben für den deutschen Staat.
Ich verweise hierzu auf eine Erklärung des Angeklagten Sauckel, Seite VI, unten, des englischen Textes; Seite 9, Absatz 2 des deutschen Textes, und verlese wie folgt:
»Es ist zu betonen, daß trotzdem noch eine gewaltige Zahl fremder Arbeitskräfte ins Reich hereingenommen werden muß. Das größte Reservoir hierfür sind die besetzten Gebiete des Ostens.
Es ist daher unumgänglich notwendig, die in den eroberten sowjetischen Gebieten vorhandenen Menschenreserven voll auszuschöpfen. Gelingt es nicht, die benötigten Arbeitskräfte auf freiwilliger Grundlage zu gewinnen, so muß unverzüglich zur Aushebung derselben bzw. zur Zwangsverpflichtung geschritten werden.
Neben den schon vorhandenen, noch in den besetzten Gebieten befindlichen Kriegsgefangenen, gilt es also vor allem, Zivil- und Facharbeiter und -arbeiterinnen aus den Sowjet-Gebieten vom 15. Lebensjahr ab für den deutschen Arbeitseinsatz zu mobilisieren.«
Ich gehe nun zu Seite 11, Absatz 1, des englischen Textes, Seite 17, Absatz 4, des deutschen Textes über und zitiere wörtlich:
»Die restlose Beschäftigung aller Kriegsgefangenen sowie die Hereinnahme einer Riesenzahl neuer ausländischer Zivilarbeiter und Zivilarbeiterinnen, ist zur undiskutierbaren Notwendigkeit für die Lösung der Aufgaben des Arbeitseinsatzes in diesem Kriege geworden.«
Der Angeklagte Sauckel vervollständigte diesen von ihm vorgelegten Plan mit den erforderlichen grundlegenden Richtlinien. Er sah die Einführung eines zwangsweisen Arbeitsdienstes für den Fall vor, daß die freiwillige Rekrutierung ausländischer Arbeiter erfolglos bleiben sollte.
Dokument 3044-PS enthält die Verordnung Nummer 4 des Angeklagten Sauckel vom 7. Mai 1942. Ich bitte den Gerichtshof, von dieser Verordnung amtlich Kenntnis zu nehmen. Sie ist in Band II, Seite 516 bis 527 der »Verfügungen, Anordnungen und Bekanntgaben« veröffentlicht, auf die ich schon vorher verwiesen habe.
Ich lese von Seite 1, Absatz 3 des englischen Textes:
»Die Anwerbung der ausländischen Arbeitskräfte erfolgt grundsätzlich auf der Grundlage der Freiwilligkeit. Dort jedoch, wo in besetzten Gebieten der Appell der Freiwilligkeit nicht ausreicht, müssen unter allen Umständen Dienstverpflichtungen und Aushebungen vorgenommen werden. Es ist dies ein undiskutierbares Erfordernis unserer Arbeitslage.«
Sauckel traf auch Maßnahmen für den Einsatz fremdländischer Arbeiter im Hinblick auf ihre Wichtigkeit für die Nazi-Kriegsmaschine. Wir verweisen auf Dokument 3044-(a)-PS, Anordnung Nummer 10 des Angeklagten Sauckel, und ersuchen den Gerichtshof, von dieser Anordnung amtlich Kenntnis zu nehmen. Sie ist in Band II der »Verfügungen, Anordnungen und Bekanntgaben« auf Seite 531 bis 533 veröffentlicht. Ich verlese Absatz 3 dieser Anordnung:
»Die verfügbaren Arbeitskräfte der besetzten Gebiete sind in erster Linie zur Befriedigung des kriegswichtigen Bedarfs in Deutschland selbst einzusetzen. In den besetzten Gebieten sind sie nach folgender Rangordnung einzusetzen:
a) Für notwendige Aufgaben der Truppe, der Besatzungsdienststellen und der zivilen Dienststellen,
b) für deutsche Rüstungsaufgaben,
c) für Aufgaben der Ernährungs- und Landwirtschaft,
d) für gewerbliche, im deutschen Interesse liegende Aufgaben außerhalb der Rüstungswirtschaft,
e) für gewerbliche Aufgaben im Interesse der Bevölkerung des betreffenden Gebietes.«
Der Angeklagte Sauckel und die ihm unterstehenden Behörden hatten ausschließliche Vollmacht hinsichtlich der Werbung von Arbeitern aus ganz Europa, soweit es vom Deutschen Reich besetzt, kontrolliert oder mit ihm befreundet war. Der Angeklagte Sauckel selbst bestätigte diese Befugnis in einem Erlaß, in dem bereits vorliegenden Dokument 3044-PS, US-206. Ich verweise auf Seite 1, Absatz 5 des englischen Textes dieses Dokuments und verlese wörtlich:
»Für die Anwerbung von Arbeitskräften in den von Deutschland besetzten Gebieten sind ausschließlich die Arbeitseinsatzdienststellen der in diesen Gebieten eingesetzten deutschen Militär- und Zivilverwaltungen verantwortlich.«
VORSITZENDER: Haben Sie das nicht schon verlesen?
MR. DODD: Nein, Herr Vorsitzender. Ich hatte bereits auf diesen Erlaß verwiesen, jedoch nicht auf diese Stelle.
Ich gehe nun zu Seite 2, Absatz II, 1-a, über und zitiere wieder wörtlich:
»Für die Durchführung der Anwerbung im verbündeten, befreundeten oder neutralen Ausland sind ausschließlich meine Beauftragten verantwortlich.«
Außerdem arbeiteten die folgenden Angeklagten, die von Sauckel über die Kontingente der von ihm geforderten ausländischen Arbeiter unterrichtet waren, mit ihm und seinen Bevollmächtigten zusammen, um diese Kontingente zu stellen. Der Angeklagte Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, arbeitete mit Sauckel zusammen.
Ich lege Dokument 3012-(1)-PS, US-190, vor. Es ist die Aufzeichnung eines Ferngesprächs des Chefs des Wirtschaftsstabs Ost der deutschen Armee vom 11. März 1943. Ich möchte die ersten beiden Absätze der Urkunde verlesen:
»Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz, Gauleiter Sauckel, weist in einem dringenden Fernschreiben an mich darauf hin, daß der Arbeitseinsatz in der deutschen Landwirtschaft und ebenso alle dringlichsten, vom Führer befohlenen Rüstungsprogramme die schnellste Heranführung von ca. 1 Million Frauen und Männer aus den neubesetzten Ostgebieten innerhalb der nächsten vier Monate zur gebieterischen Notwendigkeit machen. Gauleiter Sauckel fordert zu diesem Zwecke ab 15. März den Abtransport von täglich 5000, ab 1. April von täglich 10000 Arbeiterinnen bzw. Arbeitern aus den neubesetzten Ostgebieten.«
Ich gehe nun zum nächsten Absatz über:
»Im Hinblick auf die der deutschen Kriegswirtschaft durch die Entwicklung der letzten Monate entstandenen außerordentlich hohen Ausfälle an Arbeitskräften ist es nunmehr erforderlich, daß die Werbung von Arbeitskräften für das Reich jetzt allenthalben mit allem Nachdruck wieder aufgenommen wird. Die im dortigen Bereich augenblicklich erkennbare Tendenz der Beschränkung bzw. der völligen Einstellung der Reichswerbung ist bei dieser Sachlage keinesfalls tragbar. Gauleiter Sauckel, der über diese Vorgänge unterrichtet ist, hat sich hierwegen unter dem 10. März 43 in einem Fernschreiben unmittelbar an Generalfeldmarschall Keitel gewendet und bei dieser Gelegenheit zum Ausdruck gebracht, daß, wie in allen anderen besetzten Gebieten, dort, wo alle anderen Mittel versagen, auf Befehl des Führers von einem gewissen Druck Gebrauch gemacht werden muß.«
Wir hatten vor, an dieser Stelle das Protokoll über ein eidliches Verhör des Angeklagten Sauckel vorzulegen. Der Verteidiger des Angeklagten Sauckel ist jedoch nur im Besitze des englischen Vernehmungsprotokolls. Immerhin hat er es bereits seit einiger Zeit und die Auszüge, auf die wir uns zu beziehen beabsichtigten, waren ihm auch in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt worden.
Wenn ich die Entscheidung des Gerichtshofs richtig verstanden habe, werden wir das ganze Protokoll in deutscher Sprache zur Verfügung stellen müssen.
VORSITZENDER: Sie können diese Vernehmung verwerten, da ja die Auszüge in deutscher Sprache vorgelegt wurden.
MR. DODD: Jawohl, Herr Vorsitzender, auch der vollständige englische Text ist vorgelegt worden.
VORSITZENDER: Sehr gut.
MR. DODD: Ich verweise nunmehr auf das Protokoll über ein eidliches Verhör des Angeklagten Sauckel vom 5. Oktober 1945, vormittags, US-224. Es ist das allerletzte Dokument im Dokumentenbuch. Ich möchte vom Schluß der Seite 1 des englischen Textes, es ist Seite 1, Absatz 11 des deutschen Textes, folgendes zitieren:
»Frage: War es für die Erfüllung des Kontingents notwendig, Verbindung mit dem OKW zu haben?
Antwort: Ich erinnere mich, daß der Führer Feldmarschall Keitel Anweisung gegeben hatte dahingehend, daß meine Aufgabe außerordentlich wichtig sei; und ich selbst habe öfters mit Keitel nach solchen Führerbesprechungen konferiert und ihn um seine Unterstützung gebeten.
Frage: Ist es richtig, daß es seine Aufgabe war, die vorschriftsmäßige Ausführung der gegebenen Befehle durch die Militärbefehlshaber in den besetzten Gebieten zu überwachen?
Antwort: Ja, der Führer sagte mir, daß er den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht und den Chef der Reichskanzlei wegen dieser Angelegenheit informieren werde. Dasselbe gilt für das Auswärtige Amt.«
Wir wollten ferner ein Protokoll über ein Verhör des Angeklagten Rosenberg vorlegen. Zu diesem Protokoll muß ich jedoch folgendes bemerken: Während wir dem Verteidiger die deutsche Übersetzung der Stellen, auf die wir uns berufen wollen, zur Verfügung gestellt haben, hatten wir keine Gelegenheit, dem Verteidiger den gesamten Text zur Verfügung zu stellen. Er hat jedoch die deutsche Übersetzung derjenigen Teile erhalten, deren Verwendung und Vorlage beim Gerichtshof wir beabsichtigen.
VORSITZENDER: Ich nehme an, daß Sie das später tun wollen.
MR. DODD: Ja, Herr Vorsitzender, sobald wir diese Akten in den Informationsraum bringen können.
VORSITZENDER: Gut.
MR. DODD: Das nächste Dokument ist ziemlich lang. Darf ich fragen, ob der Gerichtshof wünscht, daß ich fortfahre?
VORSITZENDER: Ja.
MR. DODD: Ich möchte nun auf den Angeklagten Rosenberg, den Reichsminister für die besetzten Ostgebiete, zu sprechen kommen, der gleichfalls mit dem Angeklagten Sauckel zusammengearbeitet hat. Insbesondere verweise ich hierzu auf das Protokoll über eine eidliche Vernehmung des Angeklagten Rosenberg, die am Nachmittag des 6. Oktober 1945 stattgefunden hat. Es ist Beweisstück US-187, das drittletzte Vernehmungsprotokoll im Dokumentenbuch, und ich zitiere von Seite 1 des Protokolls:
»Frage: Ist es richtig, daß Sauckel die Anzahl Arbeiter, die für Arbeitszwecke aufgebracht werden mußten, auf die verschiedenen Ihnen unterstellten Gebiete aufgeschlüsselt hat?
Antwort: Ja.
Frage: Und ist es richtig, daß danach Ihre Beauftragten versuchten, diese Arbeitskräfte aufzubringen, um das festgesetzte Kontingent zu erreichen?
Antwort: Sauckel hatte gewöhnlich sehr weitreichende Wünsche, die man nur erfüllen konnte, wenn man sehr genau in die Sache hineinschaute.
Frage: Unabhängig davon, ob Sauckels Wünsche weitreichend waren oder nicht. Das hat nichts mit der Sache zu tun. Ist es richtig, daß Ihnen für die Ihnen unterstellten Gebiete Kontingente auferlegt wurden und daß Sie diese Kontingente zu erfüllen hatten?
Antwort: Ja; es gehörte zum Amtsbereich der Verwaltungsbeamten, diese Kontingente entgegenzunehmen und sie über ihren Bezirk so zu verteilen, daß sie je nach der Anzahl und den Altersgruppen am besten erfüllt werden konnten.
Frage: Waren diese Verwaltungsbeamten ein Teil Ihres Verwaltungsapparates?
Antwort: Sie waren Funktionäre oder Beamte des Reichskommissars für die Ukraine, aber als solche waren sie durch das Ministerium für die besetzten Ostgebiete in ihr Amt eingesetzt.
Frage: Ist es richtig, daß Sie erkannt haben, daß die Kontingente, die Ihnen von Sauckel auferlegt worden waren, nicht durch freiwillige Arbeiter erfüllt werden konnten? Ist es weiterhin richtig, daß Sie die Rekrutierung zur Zwangsarbeit nicht mißbilligt haben?
Antwort: Ich habe bedauert, daß die Forderungen Sauckels so dringend waren, daß sie bei Fortsetzung von freiwilligen Rekrutierungen nicht erfüllt werden konnten; und deshalb habe ich der Notwendigkeit von Zwangsmaßnahmen zugestimmt.«
Dann lese ich weiter unten auf derselben Seite:
»Frage: Die Briefe, die wir gesehen haben und die zwi schen Ihnen und Sauckel gewechselt wurden, enthalten keinen Hinweis darauf, daß Sie mit dem Prinzip der Anwerbung von Arbeitskräften gegen deren Willen nicht einverstanden waren; sie zeigen, wenn ich mich recht erinnere, daß Sie zwar mit der späteren Behandlung dieser Arbeiter nicht einverstanden waren, aber gegen die ursprüngliche zwangsweise Anwerbung nichts einzuwenden hatten?«
VORSITZENDER: Herr Dodd, ich glaube, es wäre dem Angeklagten Rosenberg gegenüber nur recht und billig, auch die beiden nächsten Antworten zu verlesen, und zwar die, die seiner Aussage, er habe sich der Notwendigkeit der zwangsweisen Anwerbung fügen müssen, folgen.
MR. DODD: Sehr wohl, ich werde sie verlesen, Herr Vorsitzender.
VORSITZENDER: »Haben Sie niemals mit Sauckel darüber diskutiert...«
MR. DODD: Ja.
»Frage: Haben Sie niemals mit Sauckel darüber diskutiert, daß in Anbetracht der Tatsache, daß die Kontingente nicht mit Freiwilligen erfüllt werden konnten, das gesamte Arbeiterwerbungsprogramm aufgegeben werden müsse, ausgenommen für Geworbene, die sich freiwillig meldeten?
Antwort: Ich konnte das nicht tun, denn die Anzahl oder Kontingente, die Sauckel vom Führer aufgetragen worden waren, waren vollkommen bindend für ihn, und ich konnte nichts dazu tun.«
Und nun komme ich noch einmal auf die Frage zurück, die ich eben verlesen habe; die Antwort darauf heißt:
»Das ist richtig. In diesen Briefen habe ich vornehmlich die Möglichkeit behandelt, eine Methode zu finden, die am wenigsten hart war; ich habe mich jedoch in keiner Weise in Opposition zu den Befehlen gesetzt, die letzterer für den Führer auszuführen hatte.«
VORSITZENDER: Ich glaube, wir sollten die Sitzung jetzt vertagen.
MR. DODD: Sehr wohl, Herr Vorsitzender.