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MR. DODD: Hoher Gerichtshof! Wir wollen nun weitere Beweise darüber vorlegen, wie man in Nazi- Konzentrationslagern gegen das deutsche Volk und die Völker der alliierten Länder vorging. Wir schlagen vor, die Zwecke und die Rolle der Konzentrationslager in dem gesamten Nazi-Programm zu untersuchen. Wir wollen zeigen, daß das Konzentrationslager eine der grundlegenden Einrichtungen des Nazi- Regimes waren, ein Pfeiler des Terrorsystems, wodurch die Nazis ihre Macht über Deutschland befestigt und ihre Weltanschauung dem deutschen Volke aufgezwungen haben; daß sie die Hauptwaffe im Kampf gegen die Juden, gegen die christliche Kirche, gegen die Arbeiterschaft und alle diejenigen, die Frieden wollten, gegen jede Opposition oder Nichtübereinstimmung waren. Wir behaupten, daß sie die Anwendung von Terror zum System machten, um innerhalb Deutschlands den Zusammenhalt zu erzielen, der notwendig war, um die Angriffspläne der Verschwörer durchzuführen.

Wir beabsichtigen zu zeigen, daß das Konzentrationslager eins der Hauptmittel der Verschwörer zur Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und von Kriegsverbrechen in einem ungeheuren Ausmaß war, das letzte Glied in einer Kette von Terror und Unterdrückung durch SS und Gestapo, das zur Festnahme ihrer Opfer und zu ihrer Haft ohne Gerichtsverfahren, oft ohne Anklage und im allgemeinen ohne Angabe der Dauer der Haft führte.

Meine Kollegen werden das volle Beweismaterial für die verbrecherische Rolle von SS und Gestapo hinsichtlich eines Punktes des Nazi-Terrorismus, nämlich der Konzentrationslager, vorlegen. Hier möchte ich nur darauf hinweisen, daß die SS durch ihr Spionagesystem die Opfer ausfindig machte, daß die Kriminalpolizei und die Gestapo sie festnahmen und in die Lager brachten, und daß die Konzentrationslager von der SS verwaltet wurden.

Unserer Meinung nach hat der Gerichtshof bereits ekelerregende Beweise der Brutalität in den Konzentrationslagern durch die Vorführung der Filme empfangen. Außerdem sind Einzelverfahren vor anderen Gerichten im Gange, in denen diese Gewalttätigkeiten in allen Einzelheiten dargestellt werden. Deshalb haben wir nicht die Absicht, ein Verzeichnis über alle einzelnen Grausamkeiten vorzulegen, wir wollen vielmehr den Beweis über die grundlegenden Zwecke erbringen, für die diese Lager verwendet wurden, für die Terrormethoden, die angewandt wurden, für die Riesenzahl der Opfer und für den Tod und die Qualen, die sie verursachten.

Die Beweise, die sich auf Konzentrationslager beziehen, sind in einem Dokumentenbuch unter dem Buchstaben »S« zusammengefaßt. Ich möchte bemerken, daß die Dokumente in diesem Buch in der Reihenfolge ihrer Vorlage angeordnet wurden und nicht, wie wir es bisher gehandhabt haben, nach Nummern. Ein Dokument aus diesem Buch, und zwar 2309-PS ist mehrmals erwähnt; wir haben es daher mit einer Klappe gekennzeichnet, um das Zurückblättern zu diesem Dokument zu erleichtern. Auf diese Urkunde wird mehr als einmal verwiesen werden.

Die Nazis erkannten frühzeitig, daß sie ohne äußerst drastische Unterdrückung jedes wirklichen und möglichen Widerstands ihre Macht über das deutsche Volk nicht festigen konnten. Wir haben gesehen, daß unmittelbar nachdem Hitler Reichskanzler geworden war, die Verschwörer sofort die bürgerlichen Freiheiten durch die Notverordnung des Präsidenten vom 28. Februar 1933 aufhoben. Dies ist Dokument 1390-PS im Dokumentenbuch; es enthält die Verordnung, die dem Gerichtshof bereits zum Beweis vorgelegt wurde und die in dem Beweisstück US-B enthalten ist. Diese Verordnung war die Grundlage für die sogenannte »Schutzhaft«, die schreckliche Vollmacht, mit der man Leute ohne Gerichtsverfahren einsperren konnte. Dokument 2499-PS zeigt dies klar, es ist ein typischer Schutzhaft-Befehl. Wir legen es daher als typischen Schutzhaft-Befehl vor, der in den Besitz der Anklagebehörde gelangt ist. Es ist Beweisstück US- 232, und ich möchte aus dem Text dieses Befehls verlesen:

»Schutzhaft-Befehl.

Auf Grund des Paragraphen 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (Reichsgesetzblatt I, Seite 83) werden Sie im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Schutzhaft genommen.

Gründe: Verdacht staatsfeindlicher Betätigung«.

Der Angeklagte Göring suchte in einem Buche mit dem Titel: »Aufbau einer Nation«, das im Jahre 1934 veröffentlicht wurde, anscheinend den Eindruck zu erwecken, daß die Konzentrationslager ursprünglich für Leute bestimmt waren, die die Nazis als Kommunisten und Sozialdemokraten ansahen. Wir verwiesen auf Dokument 2324-PS, US-233. Dieses Dokument ist ein Auszug aus Seite 89 des deutschen Buches. Wir verwiesen auf den dritten und vierten Absatz des Dokumentes und verlesen wie folgt:

»Mit ganzer Rücksichtslosigkeit mußte gegen die Staatsfeinde vorgegangen werden. Es darf nicht vergessen werden, daß im Augenblick unserer Machtübernahme sich offiziell laut Reichstagswahl vom März zum Kommunismus über 6 Millionen Menschen und zum Marxismus etwa 8 Millionen bekannten.... So entstanden die Konzentrationslager, in die wir zunächst Tausende von Funktionären der kommunistischen und sozi aldemokratischen Partei einliefern mußten.«

In der Praxis war die Vollmacht, die Haft in diesen Lagern anzuordnen, fast unbegrenzt. Der Angeklagte Frick machte dies in einer Verordnung, die er als Innenminister am 25. Januar 1938 erließ, ganz klar. Ein Auszug aus dieser Verordnung ist Dokument 1723-PS, auf das wir Bezug nehmen. Es ist Beweisstück US-206. Ich möchte Paragraph 1 verlesen; und zwar beginne ich auf Seite 5 unter der englischen Übersetzung dieser Verordnung:

»Die Schutzhaft kann als Zwangsmaßnahme der Geheimen Staatspolizei zur Abwehr aller volks- und staatsfeindlichen Bestrebungen gegen Personen angeordnet werden, die durch ihr Verhalten den bestand und die Sicherheit des Volkes und Staates gefährden.«

Ich möchte auch die ersten beiden Absätze dieser Verordnung in das Protokoll verlesen, die sich auf Seite 1, oben, oder, englischen Übersetzung befinden.

»In Zusammenfassung aller bisher über die Zusammenarbeit zwischen der Partei und der Geheimen Staatspolizei erlassenen Anordnungen weise ich auf folgendes hin bzw. verfüge ich:

1. Der Geheimen Staatspolizei ist vom Führer der Auftrag übertragen worden, die Feinde der Partei und des nationalsozialistischen Staates sowie alle gegen beide gerichteten« zersetzenden Kräfte aller Art zu überwachen und unschädlich zu machen. Die erfolgreiche Lösung dieser Aufgabe bildet eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die ungestörte und reibungs lose Arbeit der Partei. Der Geheimen Staatspolizei ist bei dieser äußerst schwierigen Tätigkeit durch die NSDAP in jeder Weise Hilfestellung zu leisten und Unterstützung zu gewähren.«

Die Verschwörer haben damals ihre Terrormaschine gegen »Staatsfeinde«, gegen »zersetzende Kräfte« und gegen Leute, die den Staat »durch ihre Haltung« gefährdeten, gerichtet. Wer war es, der ihrer Meinung nach zu diesen breiten Kategorien gehörte? In erster Linie waren es die Deutschen, die Frieden wollten. Wir verweisen diesbezüglich auf Dokument L-83, US-234.

VORSITZENDER: Was war das Datum dieses Dokuments, auf das Sie sich soeben berufen haben, Nummer 1723-PS?

MR. DODD: Der 25. Januar 1938. Es ist bereits vorgelegt worden und befindet sich in Beweisstück US-B. Dieses Dokument enthält eine eidesstattliche Erklärung des Gerhart H. Seger, und ich möchte nur Seite 1, Absatz 2 davon verlesen:

»... 2. Während der Zeit nach dem ersten Weltkrieg bis zu meiner Einlieferung in das Leipziger Gefängnis und in das Konzentrationslager Oranienburg im Frühjahr 1933 nach der Machtübernahme durch die Nazis im Januar desselben Jahres war ich durch meine geschäftliche Tätigkeit und meine politischen Verbindungen dem vollen Ansturm der Nazi-Theorien und ihrer brutalen militärischen und terrorisierenden Gepflogenheiten ausgesetzt. Meine Zusammenstöße mit den Nazis auf Grund meiner Verbindung mit der Friedensbewegung und als ein Mitglied des Reichstags, der eine politische Richtung vertrat (Sozialdemokratische Partei), die dem Nationalsozialismus feindlich gegenüberstand, zeigten ganz deutlich, daß selbst in der Zeit vor 1933 die Nazis Verbrechen und Terrormaßnahmen als notwendige und erwünschte Waffen betrachteten, um über die demokratische Opposition die Überhand zu gewinnen.«

Ich gehe nun zu Seite 5 desselben Dokuments über, und zwar zu Absatz (e):

»Daß die Nazis schon die Idee der Konzentrationslager als ein Mittel der Unterdrückung und Knebelung von Oppositionselementen geboren hatten, wurde mir im Laufe einer Unterhaltung mit Dr. Wilhelm Frick im Dezember 1932 klar zum Bewußtsein gebracht. Frick war zu jener Zeit Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im Reichstag, dessen Mitglied ich war. Als ich Frick meinen Standpunkt in einer besonderen Angelegenheit, die gerade zur Diskussion stand, klar machte, antwortete er: ›Schon gut, wenn wir zur Macht kommen, werden wir Euch Kerle alle ins Konzentrationslager stecken!‹ Als die Nazis zur Macht kamen, wurde Frick zum Innenminister ernannt und rührte zusammen mit Göring, als der Chef der preußischen Staatspolizei, und Himmler seine Drohung prompt aus.«

Dieser Absatz beweist klar, daß die Nazis, noch ehe sie in Deutschland die Macht ergriffen, bereits den Plan gefaßt hatten, jeden nur möglichen Widerstand mit Terror zu unterdrücken, und Fricks Erklärung Seger gegenüber stimmt völlig mit einem früheren Ausspruch überein, den er am 18. Oktober 1929 gemacht hat. Wir verweisen hierzu auf Dokument 2513-PS, US-235, das gleichfalls zum Beweis vorgelegt und im Beweisstück US-B enthalten ist. Wir verweisen auf die erste Seite der englischen Übersetzung, Seite 48 des deutschen Textes. Auf Seite 1 beginnt das Zitat:

»Dieser Schicksalskampf wird zunächst mit dem Stimmzettel geführt, er kann aber nicht von Dauer sein, denn die Geschichte hat es uns gelehrt, daß im Kampfe Blut fließt und Eisen gebrochen wird. Der Stimmzettel ist der Anfang zu diesem Schicksalskampf. Wir sind entschlossen, mit der Faust zu verteidigen, was wir predigen. Genau so wie Mussolini die Marxisten in Italien ausgerottet hat, so muß es auch bei uns durch Diktatur und Terror erreicht werden.«

VORSITZENDER: Ist das der Angeklagte?

MR. DODD: Ja, der Angeklagte Frick. Es gab noch viele andere Fälle, in denen man sich der Konzentrationslager bediente, um gegen Leute vorzugehen, die den Frieden wollten. Es gab zum Beispiel eine Gruppe, die sogenannten Bibelforscher, von denen die meisten als »Jehovas Zeugen« bekannt waren. Sie waren Pazifisten, und so ließen die Verschwörer sie nicht nur vor ordentlichen Gerichten verfolgen, sondern noch nach Verbüßung ihrer Gerichtsstrafen in Konzentrationslagern festhalten. Wir verweisen hierzu auf Dokument Nummer D-84, US-236.

Dieses Dokument ist vom 5. August 1937 datiert und stellt einen Befehl der Geheimen Staatspolizei in Berlin dar. Ich verweise ganz besonders auf den ersten und letzten Absatz dieses Befehls, der wie folgt lautet:

»Der Herr Reichsminister der Justiz hat mir mitgeteilt, daß er die verschiedentlich von den ihm nachgeordneten Behörden geäußerte Meinung, die Inschutzhaftnahme der Bibelforscher nach Strafverbüßung gefährde die Autorität der Gerichte, nicht teile. Die Notwendigkeit staatspolizeilicher Maßnahmen, auch nach Strafverbüßung sei ihm durchaus verständlich. Er bittet jedoch, die Verbringung der Bibelforscher in Schutzhaft nicht unter Begleitumständen vorzunehmen, die dem Ansehen der Gerichte abträglich sein könnten.«

Ich komme nun zu Punkt 2:

»Wird von den Strafvollstreckungsbehörden über die bevorstehende Entlassung von Bibelforschern aus der Strafhaft Mitteilung gemacht, so ist umgehend meine Entscheidung über Anordnung staatspolizeilicher Maßnahmen gemäß meinem vorbezeichneten RdErl. vom 22. 4. 1937 einzuholen, damit die Überführung in ein Konzentrationslager unmittelbar im Anschluß an die Strafverbüßung erfolgen kann. Solange die Überführung in ein Konzentrationslager nicht unmittelbar nach der Strafverbüßung erfolgen kann, sind die Bibelforscher in Polizeigefängnissen unterzubringen.«

Die Gewerkschaften, von denen ich mit ziemlicher Sicherheit sagen kann, daß die Mehrzahl traditionsgemäß Gegner von Angriffskriegen ist, bekamen ebenfalls die volle Gewalt des Nazi-Terrors zu spüren. Major Wallis, ein Mitglied der amerikanischen Anklagebehörde, hat bereits dem Hohen Gerichtshof Beweismaterial für das Vorgehen der Verschwörer gegen die Gewerkschaften vorgelegt. Das Konzentrationslager war eine wichtige Waffe in diesem Feldzug, und der Gerichtshof wird sich des Dokuments 2324-PS erinnern, auf das ich heute Morgen verwiesen habe, in welchem der Angeklagte Göring klar aussprach, daß Angehörige der Sozialdemokratischen Partei in Konzentrationslagern festzuhalten seien. Arbeiterführer waren zum großen Teil Mitglieder dieser Partei, und so lernten sie bald die Schrecken der Schutzhaft kennen. Ich verweise auf Dokument 2330-PS, US-237, welches bereits als Bestandteil von Beweisstück US-G vorgelegt wurde; es enthält einen Befehl, daß ein gewisser Josef Simon in Schutzhaft zu nehmen sei. Wir verweisen auf die Mitte der ersten Seite der englischen Übersetzung dieses Befehls, beginnend mit dem Wort »Gründe«:

VORSITZENDER: Ich denke, Sie sollten mit dem vorhergehenden Satz beginnen, zwei Zeilen weiter oben; dort heißt es: »Gegen die Verhängung der Schutzhaft steht dem Verhafteten kein Beschwerderecht zu.«

MR. DODD: »Gegen die Verhängung der Schutzhaft steht dem Verhafteten kein Beschwerderecht zu.« Dann kommt die Überschrift »Gründe«:

»Simon war langjähriges Mitglied der SPD, vorübergehend der USP. Von 1907 bis 1918 war er Landtagsabgeordneter der SPD und von 1908 bis 1930 sozialdemokratischer Stadtrat in Nürnberg. Im Hinblick auf die maßgebende Rolle, die Simon in der internationalen Gewerkschaftsbewegung spielte, wie auf seine auch nach der nationalen Erhebung fortbestehenden Verbindungen zu internationalen, marxistischen Führern und Zentralstellen, wurde er am 3. 5. 33 in Schutzhaft genommen und bis 25. 1. 34 im Konzentrationslager Dachau untergebracht. Simon steht in dem dringenden Verdacht, noch nach diesem Zeitpunkt für die illegale Fortführung der Sozialdemokratischen Partei tätig gewesen zu sein. Er beteiligte sich an Besprechungen, die die illegale Fortführung der Sozialdemokratischen Partei, sowie die Verbreitung von illegalen marxistischen Druckschriften in Deutschland zum Ziele hatten. Durch dieses radikale staatsfeindliche Verhalten gefährdet Simon unmittelbar die öffentliche Sicherheit und Ordnung.«

Wir werden diesen Prozeß nicht mit der Wiederholung solcher Fälle belasten; wir möchten den Hohen Gerichtshof jedoch auf Dokumente aufmerksam machen, die im Zusammenhang mit der Beweisführung über die Zerstörung der Gewerkschaften vorgelegt wurden. Insbesondere möchten wir auf die Dokumente Nummer 2334-PS und 2928-PS, US-238 und 239, die beide Teile des Beweisstücks US-G sind, verweisen.

Tausende von Juden wurden, wie der ganzen Welt bekannt ist, in diesen Konzentrationslagern gehalten. Das Beweismaterial zu diesem Gegenstand wird bei einem späteren Vorbringen von einem anderen Mitglied der Anklagevertretung der Vereinigten Staaten erörtert werden. Aber aus der großen Anzahl der hierzu vorliegenden Beweise über Inhaftierung von Deutschen aus dem einzigen Grunde, weil sie Juden waren, möchte ich Dokument 3051-PS als Beweisstück US- 240 vorlegen. Es ist dies die Abschrift eines Fernschreibens von SS-Gruppenführer Heydrich, das vom 10. November 1938 datiert ist. Es wurde »an alle Staatspolizei(leit)stellen und Staatspolizeistellen, an alle SD-Oberabschnitte und SD-Unterabschnitte« gesandt. Wir verweisen auf Absatz 5 dieses Fernschreibens, Seite 3 der englischen Übersetzung. Es beginnt unten auf Seite 2 und fährt auf Seite 3 fort. Ich verlese Punkt 5:

»Sobald der Ablauf der Ereignisse dieser Nacht die Verwendung der eingesetzten Beamten hierfür zuläßt, sind in allen Bezirken so viele Juden – insbesondere wohlhabende – festzunehmen, als in den vorhandenen Hafträumen untergebracht werden können. Es sind zunächst nur gesunde männliche Juden nicht zu hohen Al ters festzunehmen. Nach Durchführung der Festnahme ist unverzüglich mit den zuständigen Konzentrationslagern wegen schnellster Unterbringung der Juden in den Lagern Verbindung aufzunehmen. Es ist besonders darauf zu achten, daß die auf Grund dieser Weisung festgenommenen Juden nicht mißhandelt werden.«

Im Jahre 1934 deutete Himmler an, daß die Einsperrung der Juden in Konzentrationslager nicht nur aus Gründen der Nazi-Rassentheorie erfolgt war. Himmler deutete vielmehr an, daß diese Politik motiviert worden war mit der Furcht, die Juden könnten ein Hindernis für die Aggression sein. Es ist nicht nötig, zu erwägen, ob diese Furcht gerechtfertigt war. Wichtig ist, daß diese Furcht bestand, und im Zusammenhang damit verweisen wir auf Dokument 1919-PS, US-170. Das Dokument enthält eine Rede, die von Himmler bei der SS-Gruppenführertagung in Posen am 4. Oktober 1943 gehalten wurde, in der er die antijüdische Politik der Nazis zu rechtfertigen suchte. Wir verweisen auf einen Teil dieses Dokuments oder dieser Rede auf Seite 4, Absatz 3 der englischen Übersetzung, der mit den Worten beginnt: »Ich meine jetzt die Judenevakuierung.«

»Ich meine jetzt die Judenevakuierung, die Ausrottung des jüdischen Volkes. Es gehört zu den Dingen, die man leicht ausspricht. – ›Das jüdische Volk wird ausgerottet‹, sagt ein jeder Parteigenosse, ›ganz klar, steht in unserem Programm, Ausschaltung der Juden, Ausrot tung, machen wir.‹ Und dann kommen sie alle an, die braven 80 Millionen Deutschen, und jeder hat seinen anständigen Juden. Es ist ja klar, die anderen sind Schweine, aber dieser eine ist ein prima Jude. Von allen, die so reden, hat keiner zugesehen, keiner hat es durchgestanden. Von Euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Dies ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte, denn wir wissen, wie schwer wir uns täten, wenn wir heute noch in jeder Stadt – bei den Bombenangriffen, bei den Lasten und bei den Entbehrungen des Krieges – noch die Juden als Geheimsaboteure, Agitatoren und Hetzer hätten.«

Wir behaupten, daß aus dem Vorhergesagten klar hervorgeht, daß vor dem Beginn der Aggression der Nazis das Konzentrationslager eine der Hauptwaffen darstellte, mit welchen die Verschwörer den sozialen Zusammenhalt erreichten, der zur Ausführung ihrer Angriffspläne nötig war. Nachdem sie mit dem Angriff begonnen hatten und ihre Armeen Europa überrannten, brachten sie Konzentrationslager in die besetzten Länder und brachten die Bürger dieser besetzten Länder nach Deutschland, wo sie dem ganzen Apparat von Nazi-Brutalität ausgesetzt wurden.

Dokument Nummer R-91, US-241, enthält eine Mitteilung von Müller an Himmler, den Chef der Sicherheitspolizei und des SD, vom 16. Dezember 1942 über die Verhaftung polnischer Juden und deren Verbringung in Konzentrationslager nach Deutschland. Ich beginne mit dem ersten Absatz:

»Im Zuge der bis 30. Januar 1943 befohlenen verstärkten Zuführung von Arbeitskräften in die KL, kann auf dem Gebiete des Judensektors wie folgt verfahren werden:

1. Gesamtzahl 45000 Juden

2. Transportbeginn 11. 1. 1943

Transportende 31. 1. 1943

(Die Reichsbahn ist nicht in der Lage, in der Zeit vom 15. 12. 1942 bis 10. 1. 1943 infolge des verstärkten Wehrmachtsurlaubverkehrs Sonderzüge für die Evakuierung bereitzustellen.)

3. Aufgliederung: Die 45000 Juden verteilen sich auf 30000 Juden aus dem Bezirk Bialystok, 10000 aus dem Ghetto Theresienstadt. Davon 5000 arbeitsfähige Juden, die bisher für im Ghetto erforderliche kleinere Arbeiten eingesetzt waren und 5000 im allgemeinen arbeitsunfähige, auch über 60 Jahre alte Juden.«

Ich überspringe den nächsten Satz:

»Es würden, wie bisher, für den Abtransport nur Juden, die über keine besonderen Beziehungen und Verbindungen verfügen und keine hohen Auszeichnungen besitzen, erfaßt. 3000 Juden aus den besetzten niederländischen Gebieten; 2000 Juden aus Berlin = 45000. In der Zahl von 45000 ist der arbeitsunfähige Anhang (alte Juden und Kinder) mit Inbegriffen. Bei Anlegung eines zweckmäßigen Maßstabes fallen bei der Ausmusterung der ankommenden Juden in Auschwitz mindestens 10000 bis 15000 Arbeitskräfte an.«

Die Juden von Ungarn erlitten dasselbe tragische Schicksal. In der Zeit vom 19. März bis zum 1. August 1944 wurden mehr als 400000 ungarische Juden zusammengetrieben. Viele davon wurden in Waggons gesteckt und nach Vernichtungslagern transportiert. Wir verweisen auf Dokument 2605-PS, US-242. Es ist eine in London abgegebene eidesstattliche Erklärung von Dr. Rudolph Kastner, einem früheren Beamten der Ungarischen Zionistischen Organisation. Ich verlese den dritten Absatz auf Seite 3:

»Im März 1944 kam zusammen mit der deutschen militärischen Besetzung ein Spezialkommando der deutschen Geheimpolizei in Budapest an, dessen einzige Aufgabe war, die Juden in Ungarn zu liquidieren. An seiner Spitze stand Adolf Aichmann, SS-Obersturmbannführer, Chef der Abteilung IV B, des Reichssicherheitsamtes. Seine nächsten Mitarbeiter waren: SS-Obersturmbannführer Hermann Krumey, Hauptsturmführer Wisliczeny, Hunsche, Novak, Dr. Seidl, später Dannecker und Wrtok. Sie verhafteten alle Führer des jüdischen politischen und geschäftlichen Lebens und Journalisten, zusammen mit den ungarischen demokratischen und antifaschistischen Politikern. Das ›Interregnum‹, das der deutschen Besetzung folgte und vier Tage dauerte, ausnützend, setzten sie ihre Quislinge in das Innenministerium.«

Ich verlese nun auf Seite 7, Absatz 8 des gleichen Dokuments und beginne, wo es heißt: »Die Kommandanten der Todeslager...«:

»Die Kommandanten der Todeslager vergasten nur auf direkten oder indirekten Befehl von Aichmann. Der besondere Offizier von IV B, der die Deportationen aus einem bestimmten Land leitete, hatte die Vollmacht, zu bestimmen, ob der Zug in ein Todeslager gehen sollte oder nicht, sowie, was mit den Passagieren zu geschehen habe. Die Befehle wurden gewöhnlich von SS-Unteroffizieren, die den Zug begleiteten, ausgeführt. Die Buchstaben ›A‹ oder ›M‹ auf den Begleitpapieren deuteten Auschwitz (Oswiecim) oder Maidanek an. Sie bedeuteten, daß die Passagiere vergast werden sollten.«

Ich überspringe den nächsten Satz und komme zu folgender Stelle:

Bezüglich der ungarischen Juden wurden in Oswiecim folgende allgemeine Regeln festgelegt: Kinder bis zu 12 oder 14 Jahren und alte Leute über 50, sowie Kranke oder Personen mit Vorstrafen (die in besonders gekennzeichneten Wagen befördert wurden) wurden sofort nach Ankunft in die Gaskammern gebracht.

Die Übrigen wurden einem SS-Arzt vorgeführt, der auf das bloße Ansehen hin bestimmte, wer arbeitsfähig und wer nicht arbeitsfähig war. Die Arbeitsunfähigen wurden in die Gaskammern gebracht, während die anderen auf die verschiedenen Arbeitslager verteilt wurden.«

In den sogenannten »Ostgebieten« wurden diese Opfer zum Zweck der Vernichtung festgenommen....

VORSITZENDER: Herr Dodd, wollen Sie nicht zum Beweis für die von Ihnen genannten Zahlen von Seite 5 verlesen, wo es heißt »bis zum 27. Juni 1944«? Sie haben uns noch keine Quelle für die Ziffern angegeben, die Sie genannt haben.

MR. DODD: Ja, auf Seite 5 des gleichen Dokuments 2605-PS heißt es: »Bis zum 27. Juni 1944 wurden 475000 Juden verschleppt.«

In den sogenannten »Ostgebieten« wurden diese Opfer verhaftet, um in Konzentrationslagern ermordet zu werden, ohne daß man auch nur Beschuldigungen gegen sie erhob. In den besetzten Gebieten des Westens sind anscheinend gegen einige dieser Opfer Beschuldigungen vorgebracht worden. Einige der Beschuldigungen, welche die Nazi-Verschwörer als genügend für eine Inhaftierung in einem Konzentrationslager angesehen haben, sind in Dokument L-215, US-243, angeführt. Dieses Dokument ist eine Zusammenfassung eines Aktenstücks, das die Verhaftung von 25 Personen in Luxemburg zwecks Verschickung in verschiedene Konzentrationslager behandelt und Beschuldigungen gegen jede einzelne Person enthält. Ich beginne unten auf der ersten Seite mit dem Absatz unter dem Namen »Henricy« und lese:

»Name: Henricy«, Beschuldigung: «... indem er mit Angehörigen der illegalen Widerstandsbewegung Verbin dung unterhielt und sich von ihnen unter Verstoß gegen devisenrechtliche Bestimmungen Geldmittel verschaffte, die Belange des Reiches schädigt, und erwarten läßt, er werde auch in Zukunft gesetzliche und behördliche Anordnungen mißachten und sich deutschfeindlich verhalten. Konzentrationslager Natzweiler.«

Dann kommt der Name »Krier« und Beschuldigung:

»..., daß er fortgesetzte Arbeitssabotage treibt und auf Grund seines politischen und kriminellen Vorlebens zu der Befürchtung Anlaß gibt, er werde in Freiheit sein asoziales Treiben fortsetzen.... Konzentrationslager Buchenwald.«

Ich gehe nun auf die Mitte der Seite 2 über und lese unter dem Namen »Monti«, Beschuldigung:

»... da er der Beihilfe zur Fahnenflucht dringend verdächtig ist.... Konzentrationslager Sachsenhausen.«

Sodann folgt auf den Namen »Junker« Beschuldigung:

»... da er als Angehöriger einer fahnenflüchtigen Person erwarten läßt, er werde in Freiheit die Belange des Großdeutschen Reiches schädigen.... Konzentrationslager Sachsenhausen.«

Der nächste Name ist der »Jäger«, und die Beschuldigung gegen Jäger lautet:

»... indem er als Angehöriger eines Fahnenflüchtigen erwarten läßt, er werde in Freiheit jede Gelegenheit zur Schädigung der Belange des Großdeutschen Reiches wahrnehmen.... Konzentrationslager Sachsenhausen.«

Dann folgt der Name »Ludwig«, und die Beschuldigung gegen Ludwig lautet, daß er

»der Beihilfe zur Fahnenflucht dringend verdächtig ist. Konzentrationslager Dachau.«

Nicht nur Zivilpersonen aus den besetzten Gebieten, sondern auch Kriegsgefangene waren den Schrecken und der Brutalität in den Konzentrationslagern ausgesetzt. Ich verweise hier auf Urkunde 1165-PS, US-244. Dieses Dokument ist eine Aufzeichnung, Schnellbrief, gerichtet an alle Offiziere der Staatspolizei vom 9. November 1941, unterschrieben von Müller, dem Chef der Gestapo. Die Aufzeichnung trägt den aufschlußreichen Titel »Transport der zur Exekution bestimmten sowjetrussischen Kriegsgefangenen in die Konzentrationslager.«

Ich möchte aus dem Inhalt der Aufzeichnung auf Seite 2 der englischen Übersetzung verlesen. Es heißt dort wörtlich:

»Die Kommandanturen der Konzentrationslager führen Klage darüber, daß etwa 5 bis 10 % der zur Exekution bestimmten Sowjetrussen tot oder halbtot in den Lagern ankommen. Es erweckt daher den Eindruck, als würden sich die Stalags auf diese Weise solcher Gefangener entledigen. Insbesondere ist festgestellt worden, daß bei Fußmärschen, z. B. vom Bahnhof zum Lager eine nicht unerhebliche Zahl von Kriegsgefangenen wegen Erschöpfung unterwegs tot oder halbtot zusammenbricht und von einem nachfolgenden Wagen aufgelesen werden muß.

Es ist nicht zu verhindern, daß die deutsche Bevölkerung von diesen Vorgängen Notiz nimmt.

Wenn auch derartige Transporte bis zum Konzentrationslager in der Regel von der Wehrmacht durchgeführt werden, so wird die Bevölkerung doch diesen Sachverhalt auf das Konto der SS buchen. Um derartige Vorgänge in Zukunft nach Möglichkeit auszuschließen, ordne ich daher mit sofortiger Wirkung an, daß als endgültig verdächtig ausgesonderte Sowjetrussen, die bereits offensichtlich dem Tode verfallen sind (z. B. bei Hungertyphus) und daher den Anstrengungen, insbesondere eines, wenn auch kurzen Fußmarsches, nicht mehr gewachsen sind, in Zukunft grundsätzlich vom Transport in die Konzentrationslager zur Exekution auszuschließen sind.«

Weiteres Beweismaterial darüber, daß russische Kriegsgefangene in Konzentrationslagern festgehalten wurden, findet sich in einem amtlichen Bericht über die Untersuchung des Konzentrationslagers Flossenbürg durch das Hauptquartier der 3. Amerikanischen Armee, Abteilung Armeejustiz, und im besonderen der Kriegsverbrechen-Abteilung, vom 21. Juni 1945: Es ist unser Dokument 2309-PS, US-245. Die beiden letzten Sätze auf Seite 2, unten, des englischen Textes lauten, und ich zitiere:

»Im Jahre 1941 wurde dem Lager Flossenbürg ein zusätzliches Gefangenenlager angeschlossen, um 2000 russische Gefangene aufzunehmen. Von diesen 2000 Gefangenen blieben nur 102 am Leben.«

Russische Kriegsgefangene fanden aber auch ihre Alliierten in den Konzentrationslagern vor; das zeigt sich auf Seite 4 des gleichen Dokuments, 2309-PS, insbesondere Absatz 5 auf Seite 4:

»Unter den Opfern von Flossenbürg befanden sich russische Zivilisten und Kriegsgefangene, deutsche Staatsangehörige, Italiener, Belgier, Polen, Tschechen, Ungarn, britische und amerikanische Kriegsgefangene. Zur Vervollständigung der Liste der Opfer dieser Lager standen praktische Mittel nicht zur Verfügung, jedoch wird die Zahl der mit Lagergründung 1938 bis zum Tage der Befreiung Getöteten auf mehr als 29000 Insassen geschätzt.«

Entflohene Kriegsgefangene wurden von den Verschwörern in Konzentrationslager gesandt, und diese Lager waren speziell als Vernichtungslager eingerichtet. Ich verweise hierzu auf Dokument 1650-PS, US- 246. Bei diesem Dokument handelt es sich um eine Mitteilung der Geheimen Staatspolizei in Köln vom 4. März 1944. Oben am Anfang der Seite 1 des englischen Textes erscheint der Vermerk »Geheim durchgegeben, als geheime Reichssache zu behandeln«. Ich zitiere vom dritten Absatz:

»Betrifft Maßnahmen gegen wiederergriffene flüchtige kriegsgefangene Offiziere und nichtarbeitende Unteroffiziere mit Ausnahme britischer und amerikanischer Kriegsgefangener. Das OKW hat folgendes angeordnet:

1. Jeder wiederergriffene flüchtige kriegsgefangene Offizier und nichtarbeitende Unteroffizier, mit Ausnah me britischer und amerikanischer Kriegsgefangener, gleichgültig, ob es sich um eine Flucht beim Transport, um eine Massenflucht oder Einzelflucht handelt, ist nach seiner Wiederergreifung dem Chef der Sipo und des SD mit dem Kennwort ›Stufe ROEM. 3‹ zu übergeben.

2. Da die Überstellung der Kriegsgefangenen an die Sicherheitspolizei und den SD nach außen unter keinen Umständen offiziell bekannt werden darf, dürfen andere Kriegsgefangene von der Wiederergreifung keinesfalls Kenntnis erhalten. Die Wiederergriffenen sind der Wehrmachtsauskunftsstelle als ›geflohen und nicht wiederergriffen‹ zu melden. Ihre Post ist entsprechend zu behandeln. Auf Anfragen von Vertretern der Schutzmacht, des Internationalen Roten Kreuzes und anderen Hilfsgesellschaften wird die gleiche Auskunft gegeben werden.«

Die gleiche Mitteilung enthielt auch die Abschrift eines Befehls des SS-Generals Müller, der in Vertretung des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD handelte, mit Anweisung an die Gestapo, entflohene, wiederergriffene Gefangene direkt nach Mauthausen zu transportieren. Ich zitiere die ersten beiden Absätze des Befehls von Müller, der auf Seite 1, unten, anfängt und bis Seite 2 des englischen Textes weitergeht. Ich zitiere:

»Die Staatspolizei-Leitstellen übernehmen von den Stalagkommandanturen die wiederergriffenen flüchtigen kriegsgefangenen Offiziere und überführen sie im bisher üblichen Verfahren, falls den Umständen nach nicht ein besonderer Transport erforderlich erscheint, in das KL. Mauthausen. Auf dem Transport – nicht auf dem Wege zum Bahnhof, soweit dieser vom Publikum eingesehen werden kann – sind die Kriegsgefangenen zu fesseln. Der Lagerkommandantur Mauthausen ist mitzuteilen, daß die Überstellung im Rahmen der Aktion ›Kugel‹ erfolgt. Über die Überstellung ist von den Staatspolizei- Leitstellen halbjährlich rein zahlenmäßig, erstmalig zum 5. 7. 44 (genau) Bericht zu erstatten.«

Ich lasse die nächsten drei Sätze aus und komme zu folgendem Satz:

»Das OKW ist gebeten worden, die Kriegsgefangenenlager anzuweisen, im Interesse der Tarnung die Wiederergriffenen nicht unmittelbar nach Mauthausen, sondern der örtlich zuständigen Staatspolizeistelle zu übergeben.«

Es ist kein Zufall, daß die wörtliche Übersetzung für das deutsche Wort »Kugel« im Englischen »bullet« ist, denn Mauthausen, wohin die wiederergriffenen Gefangenen gesandt wurden, war ein Vernichtungslager.

Die Nazi-Eroberung war gekennzeichnet durch die Errichtung von Konzentrationslagern in ganz Europa. In diesem Zusammenhang verweisen wir auf Dokument R-129, ein Bericht über Standorte der Konzentrationslager, gezeichnet von Pohl, einem SS-General, der mit der Leitung des Konzentrationslager-Arbeitseinsatzes beauftragt war. Dokument R-129 ist das Beweisstück US-217.

Ich möchte besonders auf Seite 1, Abschnitt 1, Absatz 1 und 2 des englischen Textes dieses Dokuments verweisen. Es ist an Reichsführer SS gerichtet und trägt den Stempel »Geheim«:

»Reichsführer! Ich berichte Ihnen heute über die augenblickliche Lage der Konzentrationslager, über Maßnahmen, welche ich getroffen habe, um Ihren Befehl vom 3. März 1942 durchzuführen:

1. Bei Kriegsausbruch waren folgende Konzentrationslager vorhanden:

a) Dachau 1939, 4000 Gefangene;

heute 8000

b) Sachsenhausen 1939, 6500 Gefangene;

heute 10000

c) Buchenwald 1939, 5300 Gefangene;

heute 9000

d) Mauthausen 1939, 1500 Gefangene;

heute 5500

e) Flossenbürg 1939, 1600 Gefangene;

heute 4700

f) Ravensbrück 1939, 2500 Gefangene;

heute 7500«

Im Absatz 2 heißt es, und ich zitiere:

»2. In den Jahren 1940 und 1942 wurden neun weitere Lager errichtet, und zwar:

a) Auschwitz.

b) Neuengamme.

c) Gusen.

d) Natzweiler.

e) Groß-Rosen.

f) Lublin.

g) Niederhagen.

h) Stutthof.

i) Arbeitsdorf.«

Außer den Lagern im besetzten Gebiet, die in diesem Dokument R-129 genannt sind, aus dem ich diese Namen und Zahlen soeben verlesen habe, gab es noch viele, viele andere. Ich verweise auf den offiziellen Bericht des Hauptquartiers der 3. Amerikanischen Armee, auf den ich mich schon früher berufen habe. Er befindet sich in der Urkunde 2309-PS, und ich zitiere von Seite 2 des englischen Textes, Abschnitt IV, Absatz 4:

»Konzentrationslager Flossenbürg wurde im Jahre 1938 als Lager für politische Gefangene gegründet. Bauarbeiten begannen 1938; der erste Gefangenentransport traf erst April 1940 ein.

Von diesem Zeitpunkt an begann ein steter Zustrom von Gefangenen in das Lager (Beweisstück B-1). Flossenbürg war das Hauptlager, und unter seiner unmittelbaren Kontrolle befanden sich 47 unterstellte Lager oder Außenkommandanturen für männliche Gefangene und 27 Lager für Arbeiterinnen. Diesen Außenkommandanturen wurden die erforderlichen Gefangenen für die in Angriff genommenen verschiedenen Arbeitsprojekte geliefert.

Von all diesen Außenkommandanturen wurden Hersbruck und Leitmeritz (in der Tschechoslowakei), Oberstaubling, Mulsen und Sall (an der Donau) als die schlimmsten Lager betrachtet.«

Ich möchte die Zeit des Gerichtshofs nicht dafür in Anspruch nehmen, jedes einzelne der Nazi-Konzentrationslager zu besprechen, mit denen Europa übersät war. Wir sind der Ansicht, daß der weitverbreitete Gebrauch dieser Konzentrationslager allgemein bekannt ist. Wir wollen jedoch dem Gerichtshof eine Tabelle vorführen, die wir angefertigt haben. Die starken schwarzen Linien bezeichnen die Grenzen Deutschlands nach dem Anschluß. Wir möchten den Gerichtshof auf die Tatsache aufmerksam machen, daß die Mehrzahl der Lager, die auf dieser Tabelle eingezeichnet sind, sich innerhalb der Grenzen Deutschlands selbst befinden. Es sind die roten Punkte auf der Karte. In der Mitte Deutschlands liegt in der Nähe von Weimar das Lager Buchenwald, und am äußersten unteren Ende der Tabelle befindet sich Dachau, wenige Meilen von München entfernt; am oberen Rand der Karte finden Sie Neuengamme und Bergen- Belsen in der Nähe von Hamburg. Links davon ist das Lager Niederhagen im Ruhrtal. Rechts oben sehen Sie eine ganze Reihe von Lagern in der Nähe von Berlin, darunter Sachsenhausen, früher Oranienburg, eines der ersten Lager, das nach der Machtübernahme durch die Nazis errichtet wurde. In der Nähe davon ist das Lager Ravensbrück, das ausschließlich für Frauen bestimmt war. Einige der bekanntesten Lager befanden sich außerhalb Deutschlands. Mauthausen lag in Österreich. In Polen lag das berüchtigte Auschwitz; und auf der linken Seite der Tabelle befindet sich das Lager Hertogenbosch auf holländischem Gebiet, wie die Karte zeigt; darunter liegt Natzweiler in Frankreich.

Die Lager waren netzartig angelegt, und man kann beobachten, daß jedes der Hauptlager – die größeren roten Punkte – von einer Gruppe von Nebenlagern umgeben ist. Die Namen der bedeutendsten und berüchtigtsten Lager sind über der Karte und darunter auf der Tabelle angegeben. Diese Namen sind für viele Menschen ein Symbol des Nazi-Systems der Konzentrationslager, wie sie für die Welt seit Mai 1945 oder etwas später bekannt geworden sind.

Ich möchte nun unsere Aufmerksamkeit kurz der Behandlung zuwenden, die den Insassen in diesen Lagern zuteil wurde. Der Film, von dem ich vorher sprach, der den Mitgliedern des Hohen Gerichtshofs vorgeführt wurde, hat bereits die schreckliche und grausame Behandlung dieser alliierten Staatsbürger, Kriegsgefangenen und anderen Opfer des Nazi-Terrors gezeigt. Weil dieser Film die Lage, zumindest wie sie zur Zeit der Aufnahme war, deutlich veranschaulicht, will ich mich auf eine ganz kurze Besprechung dieses Gegenstands beschränken.

Wir behaupten, daß die Zustände in diesen Lagern den gleichen Zwecken entsprachen, die diese Nazi- Verschwörer durch Anwendung von Terror außerhalb der Lager zu erzielen versuchten.

Es ist unserer Ansicht nach wirklich erstaunlich, wie leicht dieses Wort »Konzentrationslager« diesen Männern über die Lippen ging. Wie einfach wurden alle Probleme, wenn sie sich der Schreckensinstitute der Konzentrationslager bedienen konnten. Ich verweise auf Dokument R-124, das dem Gerichtshof bereits als US-179 vorliegt. Es ist wieder das Dokument über die Protokolle der Zentralen Planung, deren Leiter der Angeklagte Speer war, und in der die wichtigsten und obersten Pläne der Nazi-Rüstungsproduktion formuliert wurden. Ich habe nicht die Absicht, neuerlich Verlesungen aus dem Dokument vorzunehmen, da ich dies heute Morgen zur Darstellung eines anderen Gegenstands getan habe. Aber es wird dem Gerichtshof noch in Erinnerung sein, daß es diese Sitzung war, in der der Angeklagte Speer und andere über die sogenannten Bummler bei der Arbeit und die Einleitung drastischer Maßnahmen gegen diese Leute sprachen, die nicht genug leisteten, um ihre Herren zufriedenzustellen. Der Angeklagte Speer schlug vor: »SS und Polizei könnten hier ruhig hart zufassen und die Leute, die als Bummelanten bekannt sind, in KZ-Betriebe stecken.« Er gebrauchte den Ausdruck »KZ-Betriebe« und fügte hinzu: »Das braucht nur ein paarmal zu passieren, das spricht sich herum.«

Wir behaupten, daß derartige Aussprüche das Schicksal von vielen Opfern besiegelt haben. Was das »sich herumsprechen« betrifft, das der Angeklagte Speer erwähnte, blieb dies nicht dem Zufall überlassen, wie wir sogleich beweisen werden.

Die Schreckenswirkung der Konzentrationslager auf die Öffentlichkeit war sehr sorgfältig geplant. Um die Atmosphäre des Schreckens zu erhöhen, wurden die Vorgänge in den Lagern geheimgehalten. Was hinter den Stacheldrahtzäunen geschah, war Gegenstand angstvoller Vermutungen in Deutschland und den Ländern unter Nazi-Kontrolle. Dies entsprach der Politik der Nazis vom Augenblick an, in dem sie zur Macht kamen und das System der Konzentrationslager einführten. Wir verweisen jetzt auf Dokument 778-PS, US-247. Es ist dies ein Befehl vom 1. Oktober 1933 vom Lagerkommandanten von Dachau. Das Dokument sieht ein Programm von Prügelstrafen, Einzelhaft und Hinrichtungen für Häftlinge im Falle von Überschreitungen der Vorschriften vor. Unter diesen Vorschriften waren auch solche, die strengste Zensur für alle Mitteilungen über die Zustände im Lager vorsahen; ich verweise auf Seite 1 des englischen Textes und zitiere den Absatz, der mit Paragraph 11 überschrieben ist:

»Wer im Lager, an der Arbeitsstelle, in den Unterkünften, in Küchen und Werkstätten, Aborten und Ruheplät zen zum Zwecke der Aufwiegelung politisiert, aufreizende Reden hält, sich mit anderen zu diesem Zwecke zusammenfindet, Cliquen bildet oder umhertreibt, wahre oder unwahre Nachrichten zum Zwecke der gegnerischen Greuelpropaganda über das Konzentrationslager oder dessen Einrichtungen sammelt, empfängt, vergräbt, weiter erzählt, an fremde Besucher oder an andere weitergibt, mittels Kassiber oder auf andere Weise aus dem Lager hinausschmuggelt, Entlassenen oder Überstellten schriftlich oder mündlich mitgibt, in Kleidungsstücken oder anderen Gegenständen versteckt, mittels Steinen usw. über die Lagermauer wirft, oder Geheimschriften anfertigt, ferner wer zum Zwecke der Aufwiegelung auf Barackendächer und Bäume steigt, durch Lichtsignale oder auf andere Weise Zeichen gibt oder nach außen Verbindung sucht, oder wer andere zur Flucht oder zu einem Verbrechen verleitet, hierzu Ratschläge erteilt oder durch andere Mittel unterstützt, wird kraft revolutionären Rechts als Aufwiegler gehängt.«

Die Zensur über die Lager selbst wurde noch durch eine offiziell geführte Gerüchtepropaganda außerhalb der Lager unterstützt. Man sprach nur im Flüsterton über Konzentrationslager, und diese geflüsterten Gerüchte wurden durch Agenten der Geheimpolizei verbreitet. Als der Angeklagte Speer bemerkte, daß, wenn man mit Konzentrationslagern drohe, sich die Nachricht darüber schnell genug herumsprechen werde, wußte er, wovon er sprach.

Wir verweisen nun auf Dokument 1531-PS. Zu diesem Dokument möchte ich eine kurze Erklärung abgeben. Der Originaltext in deutscher Sprache, die deutsche Originalurkunde, die von uns erbeutet wurde, befand sich hier im Dokumentenraum und wurde, wie unsere Übersetzung zeigt, ins Englische übersetzt. Gestern wurde uns mitgeteilt, daß der deutsche Originaltext leider entweder verloren gegangen oder verlegt worden ist, und daß keine Photokopie in Nürnberg vorhanden ist. Eine beglaubigte Abschrift davon wurde jedoch von Frankfurt abgeschickt und befindet sich heute auf dem Wege hierher. Ich bitte den Gerichtshof um die Genehmigung, die englische Übersetzung des deutschen Originals, die vom Übersetzer als richtig bestätigt ist, als Beweis vorlegen zu dürfen, mit dem Vorbehalt, sie zurückzuziehen, falls die beglaubigte Abschrift des deutschen Originals einlaufen sollte.

Ich verweise nun auf Urkunde 1531-PS, US 248. Dieses Dokument trägt den Vermerk »Geheime Reichssache« und ist an alle Staatspolizei(leit)stellen und an das Geheime Staatspolizeiamt, sowie nachrichtlich an die Inspekteure der Sicherheitspolizei und des SD gerichtet. Es ist ein Befehl, erlassen vom Chef der Gestapo hinsichtlich der Konzentrationslager; ich verlese wörtlich den englischen Text, indem ich mit dem zweiten Absatz beginne:

»Um eine weitergehende abschreckende Wirkung zu erzielen, ist in jedem Einzelfall in Zukunft folgendes zu beachten:...

3. In keinem Falle darf, auch wenn der Reichsführer- SS und Chef der Deutschen Polizei bzw. der Chef der Sicherheitspolizei und des SD die Dauer der Einweisung bereits bestimmt hat, diese Zeitdauer erwähnt werden.

Nach außen ist die Dauer der Einweisungen in ein Konzentrationslager stets mit ›bis auf weiteres‹ anzugeben. Hingegen bestehen keine Bedenken, wenn in schweren Fällen durch die Auslösung einer geschickt einsetzenden Flüsterpropaganda die abschreckende Wirkung erhöht wird, etwa in dem Sinne, man habe gehört, daß der Eingewiesene im Hinblick auf die Schwere des Falles vor Ablauf von 2 bis 3 Jahren nicht entlassen wird.

4. In Einzelfällen wird der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei neben der Einweisung in ein Konzentrationslager auch die Verabreichung von Stockhieben anordnen. Solche Anordnungen werden in Zukunft der zuständigen Staatspolizei(leit)stelle ebenfalls mitgeteilt. Auch in diesem Falle bestehen keine Bedenken, wenn diese Verschärfung wie zu Ziffer 3, Absatz 3, in Umlauf gesetzt wird, sofern dies geeignet erscheint, die abschreckende Wirkung zu erhöhen.

5. Für die Verbreitung solcher Mitteilungen sind selbstverständlich besonders geeignete und zuverlässige Personen auszuwählen.«

VORSITZENDER: Herr Dodd, der Gerichtshof ist der Ansicht, daß von dem amerikanischen Dokument 2309-PS amtlich Kenntnis genommen wird. Um der Verteidigung entgegenzukommen, wird der Gerichtshof, da die Sitzung bis 1 Uhr gedauert hat, nicht vor 2.15 Uhr nachmittags wieder zusammentreten.

MR. DODD: Sehr gut, Herr Vorsitzender.