[Pause von 10 Minuten.]
VORSITZENDER: Major Walsh, ich glaube, daß Sie dem Gerichtshof behilflich sein könnten, wenn sie die PS-Nummern der vorliegenden Dokumente etwas langsamer und deutlicher aussprechen würden. Wir kennen die US-Beweisstück-Nummern nicht, und Ich weiß nicht, ob es nicht besser wäre, die US-Beweisstück-Nummer zuerst zu nennen und erst hierauf die PS-Nummer. Ich bin mir darüber nicht ganz klar. Jedenfalls wäre es besser, wenn Sie bei Erwähnung der PS-Nummer etwas langsamer sprechen würden, um sicher zu sein, daß wir sie verstehen.
MAJOR WALSH: Gewiß, Herr Präsident.
Der Hauptschriftleiter des offiziellen Organs der SS, das »Schwarze Korps«, drückte am 8. August 1940 ähnliche Ansichten aus. Ich unterbreite Dokument 2668-PS als Beweismittel, Beweisstück US- 269; ich lese dem Gerichtshof Seite 2 des Originals und den ganzen, dem Gerichtshof in der Übersetzung vorliegenden Auszug vor:
»So wie für Deutschland selbst die Judenfrage erst ge löst ist, sobald der letzte Jude ausgetrieben wurde, so mag auch das übrige Europa wissen, daß der deutsche Friede, der seiner harrt, ein Friede ohne Juden sein muß.«
Aber dies waren nicht die einzigen Funktionäre der Partei oder des Staates, die diese Ansichten vertraten. Der Angeklagte Rosenberg schrieb für die Zeitschrift »Weltkampf«. Ich lege Urkunde 2665-PS, US-270, zum Beweis vor. In dieser Veröffentlichung, Nummer 1 und 2 vom April und September 1941, auf Seite 71 des Originals heißt es:
»Für Europa ist die Judenfrage erst dann gelöst, wenn der letzte Jude den europäischen Kontinent verlassen hat.«
Der Gerichtshof wird sich an die Bezugnahme von Justice Jackson auf die entschuldigende Notiz im Tagebuch des Angeklagten Hans Frank erinnern, wo er schrieb, und ich zitiere von der Urkunde 2233-C-PS, US-271, am Ende der ersten Seite der Übersetzung:
»Freilich, in einem Jahre konnte ich weder sämtliche Läuse noch sämtliche Juden beseitigen. Aber im Laufe der Zeit, und vor allem dann, wenn Ihr mir helft, wird sich das schon erreichen lassen.«
VORSITZENDER: Ich vergaß zu erwähnen, Major Walsh, daß es, wenn Sie nicht mit dem Anfang eines Absatzes beginnen, zweckmäßig wäre, uns zu sagen, wo es ungefähr ist.
MAJOR WALSH: Herr Präsident, ich werde es tun. Da diese Darlegung nicht unbedingt als eine chronologische Erzählung der Ereignisse in der Behandlung des jüdischen Volkes anzusehen ist, erscheint es hier angebracht, zu unterbrechen, um das bisher Dargelegte zu untersuchen. Wir sehen, daß die Nazi-Partei und der von den Nazis beherrschte Staat durch Wort und Schrift, durch Erlasse und offizielle Handlungen ihre Absicht klar ausdrückten. Der Jude muß ausgestoßen werden.
Wie schritten sie nun zur Ausführung dieses Zieles? Die erste Forderung war eine vollständige Registrierung aller Juden. Da die Juden-Politik den deutschen Angriffen auf dem Fuße folgte, wurde eine solche Registrierung nicht allein innerhalb des Reiches, sondern auch in den eroberten Gebieten verlangt. Beispielsweise wurde die Registrierung innerhalb Deutschlands durch Verordnung festgelegt, Reichsgesetzblatt 1938, Seite 922, vom 23. Juli, gezeichnet von dem Angeklagten Frick; in Österreich, Reichsgesetzblatt 1940, Teil I, Seite 694, vom 29. April; in Polen, Kurjer Krawkowki vom 5. Oktober 1939; in Frankreich, Journal Officiel Nummer 9 vom 30. September 1940, Seite 92; in Holland, Verordnungsblatt Nummer 6 vom 10. Januar 1941, unterzeichnet vom Angeklagten Seyß-Inquart.
Der zweite Schritt war, die Juden innerhalb fest begrenzter Gebiete, die Ghettos genannt wurden, abzusondern und zusammenzufassen. Diese Politik wurde sorgfältig ausgearbeitet, und vielleicht wird die folgende vertrauliche Erklärung aus den Archiven des Angeklagten Rosenberg als beste Illustration dienen.
Ich lege zum Beweis die Kopie eines Memorandums aus den Akten des Angeklagten Rosenberg vor, mit der Überschrift: »Richtlinien für die Behandlung der Judenfrage«, Dokument 212-PS, US-272. Ich zitiere vom Beginn der zweiten Seite der dem Gerichtshof vorliegenden Übersetzung:
»Ein erstes Hauptziel der deutschen Maßnahmen muß sein, das Judentum streng von der übrigen Bevölkerung abzusondern. Voraussetzung hierfür ist zunächst die restlose Erfassung der jüdischen Bevölkerung durch Einführung der Meldepflicht und sonstige geeignete Maßnahmen....«
Und dann heißt es weiter auf Seite 2, zweiter Absatz, zweiter Satz:
»... die Freizügigkeit für alle Juden aufzuheben. Eine Überführung in Ghettos unter gleichzeitiger Trennung der Geschlechter ist anzustreben. Das Vorhandensein zahlreicher mehr oder weniger geschlossener jüdischer Niederlassungen in Weißruthenien und in der Ukraine erleichtert diese Aufgabe. Im übrigen sind hierfür Orte auszuwählen, die infolge vorliegender Arbeitsvorhaben die völlige Ausnutzung der jüdischen Arbeitskraft ermöglichen. Diesen Ghettos kann unter Aufsicht eine jüdische Selbstverwaltung mit jüdischem Ordnungsdienst gegeben werden. Die Bewachung der Grenzen zwischen den Ghettos und der Außenwelt ist jedoch Sache der Polizei.
Auch in den Fällen, in denen ein Ghetto noch nicht errichtet werden konnte, ist durch scharfe Verbote und sonstige geeignet erscheinende Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß eine weitere blutmäßige Vermischung mit der übrigen Bevölkerung nicht mehr erfolgt.«
Im Mai 1941 erließ Rosenberg, Reichsminister für die Ostgebiete, Anweisungen, die Juden in der Ukraine in Ghettos zu sperren.
Ich überreiche Dokument 1028-PS, US-273, zum Beweis und lese den ersten Satz der dem Gerichtshof vorliegenden Übersetzung vor:
»Die Judenfrage wird nach der selbstverständlichen Ausscheidung der Juden aus allen öffentlichen Stellen eine entscheidende Lösung erfahren durch Einrichtung von Ghettos....«
Die in den zitierten Memoranden Rosenbergs niedergelegte Politik beschränkt sich weder auf Einzelfälle, noch war sie die Handlung einer Einzelperson. Sie war die ausgesprochene Staatspolitik. Der Angeklagte von Schirach hatte am Programm der Errichtung der Ghettos seinen Anteil. Ich lege zum Beweis Dokument 3048-PS, US-274, vor. Dem Gerichtshof liegt eine vollständige Übersetzung des Stückes vor, aus dem ich zitieren möchte. Der Angeklagte von Schirach sprach vor dem Europäischen Jugendkongreß in Wien am 14. September 1942, und ich zitiere von Seite 2, Spalte 2 der Wiener Ausgabe des »Völkischen Beobachters« vom 15. September:
»Jeder Jude, der in Europa wirkt, ist eine Gefahr für die europäische Kultur. Wenn man mir den Vorwurf machen wollte, daß ich aus dieser Stadt, die einst die europäische Metropole des Judentums gewesen ist, Zehntausende und aber Zehntausende von Juden ins östliche Ghetto abgeschoben habe, muß ich antworten: Ich sehe darin einen aktiven Beitrag zur europäischen Kultur.«
Eines der größten Ghettos befand sich innerhalb der Stadt Warschau. Der Originalbericht des SS-Generalmajors Stroop über dieses Ghetto trägt den Titel: »Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr.« Ich lege nunmehr mit Genehmigung des Gerichtshofs Dokument 1061-PS, US-275, vor und möchte mir vorbehalten, später in meiner Darstellung darauf zurückzukommen. Der Beginn der Seite 3 der Übersetzung lautet:
»Der so gebildete jüdische Wohnbezirk in der Stadt Warschau wurde von etwa 400000 Juden bewohnt. Es befanden sich in ihm 27000 Wohnungen mit einem Zimmerdurchschnitt von 2 1/2 Zimmern. Er war von dem übrigen Stadtgebiet durch Brand- und Trennmauern und durch Vermauerung von Straßenzügen, Fenstern, Türen, Baulücken abgetrennt und so weiter.«
Eine Vorstellung von den Verhältnissen innerhalb dieses Ghettos kann man durch die Tatsache erhalten, daß durchschnittlich sechs Personen in jedem Zimmer lebten. Himmler erhielt einen Bericht vom SS-Brigadeführer der Gruppe A vom 15. Oktober 1941, welcher die Errichtung und den Betrieb dieses Ghettos weiter beschreibt. Ich lege Dokument L-180, US-276, zum Beweis vor und zitiere aus der Übersetzung vom zweiten Absatz am Ende der neunten Seite:
»Neben der Organisierung und Durchführung der Exekutionsmaßnahmen wurde gleich in den ersten Tagen des Einsatzes in den größeren Städten auf die Schaffung von Ghettos hingewirkt. Besonders dringlich war dies in Kauen, da dort bei einer Gesamteinwohnerzahl von 152400 30000 Juden wohnten.«
Und vom letzten Absatz auf Seite 9 bis Seite 10 zitiere ich:
»In Riga wurde als Ghetto die sogenannte Moskauer Vorstadt bestimmt. Es handelt sich hier um das schlechteste Wohnviertel in Riga, das auch bisher schon im wesentlichen von Juden bewohnt war. Die Einweisung der Juden in den Ghettobezirk war ziemlich schwierig, weil die dort noch wohnenden Letten ausgesiedelt werden mußten und der Wohnraum Rigas sehr beengt ist. Von den in Riga verbliebenen Insgesamt rund 28000 Juden sind bisher 24000 im Ghetto untergebracht. Die Sicherheitspolizei beschränkte sich bei der Schaffung der Ghettos auf rein polizeiliche Aufgaben, während die Einrichtung und Verwaltung der Ghettos sowie die Regelung der Verpflegung der Insassen der Zivilverwaltung und ihr Arbeitseinsatz den Arbeitsämtern überlas sen wurden. Auch in den übrigen Städten, in denen noch eine größere Anzahl von Juden wohnt, werden Ghettos eingerichtet.«
Auch in der polnischen Provinz Galizien wurden Juden in Ghettos gezwungen. Keine Worte aus meinem Wortschatz könnten die Verhältnisse annähernd so beschreiben, wie sie in dem Bericht des Generalleutnants der Polizei, Katzmann, an den General der Polizei Ost, Krüger, vom 3. Juni 1943 beschrieben sind. Der Bericht trägt den Titel »Lösung der Judenfrage in Galizien«. Ich lege zum Beweis Dokument L-18, US-277, vor. Wir wollen von der Übersetzung der letzten drei Sätze auf Seite 11, beginnend mit dem Wort »Geradezu«, vorlesen:
»Geradezu katastrophale Zustände wurden in den Judenwohnbezirken in Rawa-Ruska und in Rohatyn angetroffen. Die Juden in Rawa-Ruska hatten aus Furcht vor der Aussiedelung ihre Fleckfieberkranken verschwiegen und in Erdlöchern untergebracht. Als die Aussiedelungsaktion begonnen werden sollte, wurde festgestellt, daß 3000 fleckfiebererkrankte Juden in diesem Wohnbezirk herumlagen. Zur Vertilgung dieses Seuchenherdes mußten sofort alle auf Fleckfieber geimpften Polizeibeamten herangezogen werden. Es gelang dann auch tatsächlich mit nur einem Mann Verlust, diese Pestbeule zu vernichten. Fast dieselben Zustände wurden in Rohatyn angetroffen.«
Von Seite 19 des gleichen Dokuments, L-18, letzter Absatz, möchte ich weiter zitieren.
VORSITZENDER: Ja.
MAJOR WALSH: »Da immer mehr alarmierende Nachrichten eintrafen über die sich mehrende Bewaffnung der Juden, wurde in den letzten 14 Tagen des Monats Juni 1943 in allen Teilen des Distrikts Galizien gleichzeitig mit den schärfsten Mitteln gegen die Vernichtung des jüdischen Banditentums eingeschritten. Besondere Maßnahmen waren notwendig bei der Auflösung des jüdischen Wohnbezirks in Lemberg, wo die bereits demontierten Bunker eingerichtet waren. Hier mußte, um eigene Verluste zu vermeiden, von vornherein brutal eingeschritten werden, wobei mehrere Häuser gesprengt bzw. durch Feuer vernichtet werden mußten. Hierbei ergab sich die erstaunliche Tatsache, daß anstatt der gemeldeten 12000 Juden insgesamt 20000 Juden erfaßt werden konnten. Mindestens 3000 jüdische Leichen, die durch Einnehmen von Gift Selbstmord begingen, mußten bei den Aufräumungsarbeiten aus allen möglichen Verstecken geborgen werden.«
Auf Seite 20 dieses Dokuments heißt es im dritten Absatz:
»Trotz der außerordentlichen Belastung, die jeder einzelne SS- und Polizeiangehörige während dieser Aktionen durchzumachen hatte, ist die Stimmung und der Geist der Männer vom ersten bis zum letzten Tage außerordentlich gut und lobenswert gewesen.«
Diese Taten und Handlungen der Beseitigung und Abschlachtung waren überdies auch noch gewinnbringend. Der Schreiber dieses Berichts führt auf Seite 9 der Übersetzung aus, und ich zitiere den letzten Absatz:
»Gleichzeitig mit den Aussiedelungsaktionen wurde die Erfassung der jüdischen Vermögenswerte durchgeführt. Außerordentliche Werte konnten sichergestellt und dem Sonderstab ›Reinhard‹ zur Verfügung gestellt werden. Außer den erfaßten Möbeln und großen Mengen von Textilien usw. wurden im einzelnen erfaßt und dem Sonderstab ›Reinhard‹ abgeführt:«
Ich möchte einige wenige dieser beschlagnahmten Gegenstände verlesen, so wie sie aufgeführt sind:
»20,952 kg Eheringe – Gold
7 Briefmarkensammlungen kompl.
1 Koffer mit Taschenmessern
1 Koffer mit Füllhaltern und Drehbleistiften
3 Säcke mit unechten Ringen – Schmuck
35 Waggons Pelze.«
Ich möchte den Gerichtshof nicht mit den detaillierten Listen von konfiszierten Wertgegenständen und Geld belasten; das Vorstehende wurde jedoch angeführt, um die Gründlichkeit der Plünderung eines wehrlosen Volkes zu schildern, die sogar »11,73 kg Zahngold – Zahnprothesen« in sich schließt.
Ende 1942 waren die Juden im Generalgouvernement Polen in 55 Gemeinden zusammengepfercht, während vor dem deutschen Überfall im gleichen Gebiet ungefähr 1000 jüdische Siedlungen bestanden haben. Dies wird in der amtlichen Zeitung für das Generalgouvernement 1942 in Nummer 94, Seite 665, vom 1. November 1942 berichtet.
Nachdem die Juden registriert und in die Ghettos gesperrt waren, bildeten sie nun ein Reservoir für Sklavenarbeit. Ich glaube, es gehört zur Sache, hier auf den Unterschied zwischen Sklavenarbeit und Arbeitspflicht hinzuweisen. Die letzte Gruppe hatte Anspruch auf mäßige Entschädigungen, auf festgesetzte Arbeitsstunden, ärztlichen Beistand und andere soziale Fürsorgemaßnahmen, während der erstgenannten Gruppe nichts von diesen Vorteilen gewährt wurde; tatsächlich war ihr Standard niedriger als der eines Sklaven.
Der Angeklagte Rosenberg errichtete als Reichsminister für die besetzten Ostgebiete innerhalb seiner Organisation eine Abteilung, die unter anderen Dingen eine Lösung des jüdischen Problems durch Zwangsarbeit suchte. Seine Pläne sind in einem anderen Dokument, 1024-PS, enthalten, das ich zum Beweis als US-278 vorlege.
Ich zitiere den ersten Teil des dritten Absatzes auf Seite 1 des Dokuments, das die Überschrift: »Allgemeiner Aufbau und Aufgaben einer Dienststelle für die zentrale Bearbeitung der Fragen des osteuropäischen Raumes« trägt. Es ist vom 29. April 1941 datiert. Ein kurzer Auszug lautet wie folgt:
»Eine allgemeine Behandlung erfordert die Judenfrage, deren zeitweilige Übergangslösung festgelegt werden muß (Arbeitszwang der Juden, eine Ghettosierung usw.).«
Sodann gab er Anweisungen heraus, daß jüdische Zwangsarbeitskräfte für jede Handarbeit herangezogen und verwandt werden sollten. Ich verweise auf Dokument 212-PS, US-272. Ich lese von Seite 3, Absatz 5 und 7; ich zitiere Absatz 5:
»Maßgebliches Gebot für den jüdischen Arbeitseinsatz wird allein die volle und unnachsichtliche Inanspruchnahme der jüdischen Arbeitskraft ohne irgendeine Altersbegrenzung zum Wiederaufbau der besetzten Ostgebiete sein.«
Und von Absatz 7 derselben Seite:
»Verstöße gegen deutsche Maßnahmen, insbesondere die Entziehung vom Arbeitszwang, sind bei Juden grundsätzlich mit der Todesstrafe zu ahnden.«
Aus den Ghettos wurden jüdische Arbeiter ausgesucht und in die Sammellager gebracht. Hier wurden die verwendbaren Juden von den als wertlos angesehenen Juden abgesondert. So wurde z. B. erwartet, daß ein Kontingent von 45000 Juden 10 bis 15000 verwendbare Arbeiter liefern würde. Die Quelle für meine Behauptung ist ein RSHA-Telegramm an Himmler, das mit »eilig« und »geheim« bezeichnet ist und das Datum des 16. Dezember 1942 trägt. Ich lege dieses Dokument, 1472-PS, als Beweisstück US-279 vor. Von der dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Übersetzung lese ich die letzten vier Zeilen vor:
»In der Zahl von 45000 ist der arbeitsunfähige Anhang (alte Juden und Kinder) mit inbegriffen. Bei Anlegung eines zweckmäßigen Maßstabes fallen bei der Ausmusterung der ankommenden Juden in Auschwitz mindestens 10000 bis 15000 Arbeitskräfte an.«
Aus Dokument L-18, dem Bericht des Generalleutnants der Polizei, Katzmann, an den General der Polizei Ost, Krüger, der als Beweisstück US-277 bereits vorliegt, finden wir die Art der Zwangsarbeit für die Juden deutlich geschildert. Ich lese von Seite 2 der Übersetzung, beginnend mit dem sechsten Absatz:
»Die beste Handhabe hierzu bot die Bildung von Zwangsarbeitslagern durch den SS- und Polizeiführer. Arbeitsmöglichkeiten boten sich vor allen Dingen an dem äußerst wichtigen, für den gesamten Südabschnitt der Front notwendigen Ausbau der Dg. 4, die sich in einem katastrophalen Zustand befand. Am 15. Oktober 1941 wurde mit dem Ausbau der Lager an der Rollbahn begonnen, und schon nach wenigen Wochen entstanden trotz erheblicher Schwierigkeiten 7 Lager, die mit 4000 Juden belegt wurden.«
Von Seite 2, Absatz 7, möchte ich wie folgt zitieren:
»Diesen ersten Lagern folgten bald weitere, so daß in kürzester Frist 15 derartige Lager dem Höheren SS- und Polizeiführer gemeldet werden konnten. Durch diese Lager sind im Laufe der Zeit rd. 20000 jüdische Arbeitskräfte durchgelaufen. Trotz aller erdenklichen Schwierigkeiten, die bei diesem Problem auftauchten, können heute rd. 160 km Straße als fertiggestellt gemel det werden.«
Und auf Seite 2, Absatz 8, heißt es:
»Zu gleicher Zeit wurden alle anderen arbeitsfähigen Juden von den Arbeitsämtern registriert und einer nutzbringenden Arbeit zugeführt.«
Auf Seite 5 in dem letzten Teil des ersten Absatzes...
VORSITZENDER: Wollen Sie nicht den restlichen Teil des Absatzes auf Seite 2 vorlesen?
MAJOR WALSH: Es ist ein so langes Dokument, daß ich zögerte, das Protokoll mit so viel zu belasten; ich habe nur gewisse Teile herausgezogen; doch bin ich gerne bereit, es in das Protokoll zu verlesen.
VORSITZENDER: »Da wiederholte Versuche der Stadtverwaltung Lemberg zum Beispiel, die Juden in einem abgeschlossenen jüdischen Wohnbezirk unterzubringen, scheiterten, wurde kurzerhand auch diese Frage vom SS- und Polizeiführer mit seinen Organen gelöst.«
MAJOR WALSH: Mit Genehmigung des Gerichtshofs füge ich dies dem Protokoll zu. Der letzte Absatz auf Seite 2 lautet wie folgt:
»Sowohl bei der Kenntlichmachung der Juden mit dem Davidstern als auch bei der Registrierung durch die Arbeitsämter, machten sich schon die ersten Anzeichen bemerkbar, daß die Juden sich den behördlichen Anord nungen zu entziehen versuchten. Die darauf durchgeführten Kontrollmaßnahmen führten zu Tausenden von Festnahmen. Es zeigte sich immer mehr, daß die Zivilverwaltung nicht in der Lage war, das Judenproblem auch nur einer annähernd befriedigenden Lösung zuzuführen. Da wiederholte Versuche der Stadtverwaltung Lemberg zum Beispiel, die Juden in einem abgeschlossenen jüdischen Wohnbezirk unterzubringen, scheiterten, wurde kurzerhand auch diese Frage vom SS- und Polizeiführer mit seinen Organen gelöst. Diese Maßnahme wurde um so vordringlicher, da allenthalben im Stadtgebiet in den Wintermonaten 1941 große Fleckfieberzentren auftraten....«
Sodann auf Seite 5 dieses Dokuments L-18 heißt es im letzten Teil des ersten Absatzes:
»Bei dieser Umsiedelung der Juden in ein bestimmtes Stadtviertel wurden mehrere Schleusen errichtet, an denen von vornherein bei der Durchschleusung das gesamte arbeitsscheue und asoziale jüdische Gesindel erfaßt und sonderbehandelt wurde. Durch die Eigenart, daß das Handwerkertum in Galizien fast zu 90 % aus jüdischen Arbeitskräften bestand, konnte die zu lösende Aufgabe nur Zug um Zug durchgeführt werden, da eine sofortige Entfernung nicht im Interesse der Kriegswirtschaft gelegen hätte.«
Und wiederum auf Seite 5 im letzten Teil des zweiten Absatzes, beginnend mit: »Es wurden Fälle bekannt... «:
»Es wurden Fälle bekannt, bei denen Juden zwecks Erlangung irgendeines Arbeitsausweises nicht allein kei nen Lohn verlangten, sondern sogar noch laufend Geld zuzahlten. Darüber hinaus nahm das ›Organisieren‹ der Juden für ihre ›Arbeitgeber‹ einen derartig katastrophalen Umfang an, daß im Interesse des Ansehens des Deutschtums energischst eingeschritten werden mußte. Da die Verwaltung nicht in der Lage war und sich zu schwach zeigte, dieses Chaos Herr zu werden, wurde kurzerhand der gesamte Arbeitseinsatz der Juden vom SS- und Polizeiführer übernommen. Die bestehenden jüdischen Arbeitsämter, die mit Hunderten von Juden besetzt waren, wurden aufgelöst, sämtliche Arbeitsbescheinigungen von Firmen und Dienststellen für ungültig erklärt und die von den Arbeitsämtern den Juden gegebenen Karten durch Abstempelung der Polizei- Dienststellen neu gültig gemacht. Im Zuge dieser Aktion wurden wiederum Tausende von Juden erfaßt, die sich im Besitze von gefälschten Ausweisen befanden, oder aber sich unter allen möglichen Vorwänden Arbeitsausweise erschlichen hatten. Auch diese Juden wurden einer Sonderbehandlung zugeführt.«
Wenn der Gerichtshof gestattet, möchte ich jetzt einen kurzen Film vorführen lassen, vielleicht eines der ungewöhnlichsten Beweisstücke, die dem Gerichtshof während dieser Verhandlungen vorgelegt werden. Mit Erlaubnis des Gerichtshofs bitte ich um die Unterstützung des Fregattenkapitäns Donovan.
VORSITZENDER: Müssen wir eine Vertagung einlegen?
MAJOR WALSH: Nein, Herr Präsident, der Film selbst ist sehr, sehr kurz.
VORSITZENDER: Gut.
FREGATTENKAPITÄN DONOVAN: Hoher Gerichtshof! Die Vereinigten Staaten führen jetzt das Dokument 3052-PS als Beweisstück US-280 vor, mit dem Titel »Originaldeutscher 8 mm Film über Greuel gegen Juden«. Es handelt sich um einen Filmstreifen, der unserer Meinung nach von einem Mitglied der SS aufgenommen und von amerikanischen Truppen in einer SS-Kaserne bei Augsburg, Deutschland, erbeutet wurde, wie es in den eidesstattlichen Versicherungen bestätigt wird, die dem Gerichtshof vorliegen.
Es war uns nicht möglich, zweifelsfrei festzustellen, wo dieser Film aufgenommen worden ist, wir glauben jedoch, daß dies unwesentlich ist.
Der von den Deutschen selbst aufgenommene Film bildet einen unableugbaren Beweis für die fast unglaubliche Brutalität gegen Juden, die sich in Gewahrsam der Nazis, einschließlich militärischer Verbände befanden.
Die Anklagevertretung glaubt, daß diese Szene die Vernichtung eines Ghettos durch Gestapo-Beamte unter Mithilfe von militärischen Einheiten darstellt. Wie das weitere Beweismaterial der Anklagevertretung zeigen wird, hat sich die in diesem Film geschilderte Szene wahrscheinlich tausendmal überall in Europa während der Zeit der Nazi-Schreckensherrschaft wiederholt.
Dieser Film ist mit einer 8 mm Zimmer-Kamera aufgenommen worden. Wir hatten nicht den Wunsch, den Film zu reproduzieren, sondern werden den ursprünglich unberührten Streifen, wie er von unseren Truppen erbeutet worden ist, zeigen. Die Aufnahmen wurden offenbar von einem Laien gemacht. Aus diesem Grunde, und weil ein Teil verbrannt ist, sowie mit Rücksicht auf den Umstand, daß die Vorführung des Films nur 1 1/2 Minuten dauert, und wegen der Verwirrung, die sich in jeder Beziehung in diesem Film zeigt, glauben wir nicht, daß der Gerichtshof bei einer einmaligen Vorführung des Films genügend Zeit hätte, ihn richtig zu sehen. Wir erbitten daher die Erlaubnis des Gerichtshofs, den Film, wie wir dies bereits für die Verteidigung getan haben, zweimal vorführen zu dürfen.
Es ist ein stummer Film; er ist allen Verteidigern gezeigt worden. Auch wurden ihnen übersetzte Kopien der zu dem Film gehörenden eidesstattlichen Erklärungen zur Verfügung gestellt.