[Der genannte Film wird im Gerichtssaal vorgeführt.]
FREGATTENKAPITÄN DONOVAN: Hoher Gerichtshof! Während der Film wieder aufgerollt wird, möchte ich bemerken, daß den zum Beweis vorgelegten eidesstattlichen Erklärungen eine Beschreibung jedes in diesem Film gezeigten Bildes beigefügt ist. Mit Erlaubnis des Gerichtshofs möchte ich einige ausgewählte Stellen jetzt vor der zweiten Vorführung des Films verlesen, um die Aufmerksamkeit auf einige bestimmte Szenen zu lenken.
Szene 2: ein nacktes Mädchen, das über den Hof läuft,
Szene 3: eine ältere Frau, die an der Kamera vorbeigezerrt wird, ein Mann in SS-Uniform steht rechts von der Szene,
Szene 5: ein Mann mit einer Schädelkappe und eine Frau werden rauh angepackt,
Szene 14: eine halbnackte Frau läuft durch die Menge,
Szene 15: eine andere halbnackte Frau läuft aus dem Hause,
Szene 16: zwei Männer zerren einen alten Mann heraus,
Szene 18: ein Mann in deutscher Militäruniform, den Rücken zur Kamera gewendet, beobachtet,
Szene 24: eine Gesamtaufnahme von der Straße zeigt zu Boden gefallene Körper und nackt herumlaufende Frauen,
Szene 32: ein Straßenbild zeigt fünf zu Boden gefallene Körper,
Szene 37: ein Mann mit blutendem Kopf wird nochmals geschlagen,
Szene 39: ein Soldat in deutscher Militäruniform, mit Gewehr, steht dabei, wie die Menge sich um einen Mann schart, der aus dem Hause kommt,
Szene 44: Soldat mit Gewehr, in deutscher Uniform, geht an einer Frau vorbei, die ihre zerrissene Bluse krampfhaft festhält,
Szene 45: eine Frau wird an den Haaren über die Straße gezerrt.
[Der genannte Film wird zum zweitenmal im Gerichtssaal vorgeführt.]
FREGATTENKAPITÄN DONOVAN: Wir legen dem Gerichtshof diesen 8 mm Filmstreifen für das Protokoll vor.
MAJOR WALSH: Von diesem Punkt an ist es schwierig, den Gang der Ereignisse in chronologischer Ordnung zu verfolgen, oder sie unter einem Thema zu behandeln. Die Urkunden sind so zahlreich und ihr Inhalt so fürchterlich, daß die Anklagevertretung in dieser kurzen Darstellung nicht den Versuch machen wird, einzelne Verbrechen festzuhalten. Ausgewählte Dokumente werden jedoch die Verbrechen mit allen Einzelheiten offenbaren.
Bevor wir uns mit der Frage beschäftigen, welche Mittel man zur Erreichung des Endzwecks, das heißt, der Ausrottung der Juden, zu gebrauchen hatte, möchte ich mich jener reichhaltigen Beweisquelle zuwenden, die das Tagebuch des Angeklagten Hans Frank, des damaligen Generalgouverneurs im besetzten Polen, darstellt. In einer Kabinettssitzung vom Dienstag, dem 16. Dezember 1941, im Regierungsgebäude in Krakau, sprach der Angeklagte Frank Schlußworte zu den Sitzungsteilnehmern. Ich lege nun zum Beweis jenen Teil der Urkunde 2233-d-PS, US-281, CV 1941, Oktober bis Dezember, Seite 76, Zeile 10, bis Seite 77, Zeile 33 des Originals und der ganzen, dem Gerichtshof vorliegenden Übersetzung vor; ich zitiere:
»Mit den Juden – das will ich ganz offen sagen – muß so oder so Schluß gemacht werden. Der Führer sprach einmal das Wort aus: wenn es der vereinigten Judenschaft wieder gelingen wird, einen Weltkrieg zu entfesseln, dann werden die Blutopfer nicht nur von den in den Krieg gehetzten Völkern sein, sondern dann wird der Jude in Europa sein Ende gefunden haben. Ich weiß, es wird an vielen Maßnahmen, die jetzt im Reich gegenüber den Juden getroffen werden, Kritik geübt. Bewußt wird, das geht aus den Stimmungsberichten hervor, immer wieder versucht, von Grausamkeit, von Härte und so weiter zu sprechen. Ich möchte Sie bitten: eini gen Sie sich mit mir zunächst, bevor ich jetzt weiterspreche, auf die Formel: Mitleid wollen wir grundsätzlich nur mit dem deutschen Volk haben, sonst mit niemandem auf der Welt. Die anderen haben auch kein Mitleid mit uns gehabt. Ich muß auch als alter Nationalsozialist sagen; Wenn die Judensippschaft den Krieg überleben würde, wir aber unser bestes Blut für die Erhaltung Europas geopfert hätten, dann würde dieser Krieg doch nur einen Teilerfolg darstellen. Ich werde daher den Juden gegenüber grundsätzlich nur von der Erwartung ausgehen, daß sie verschwinden. Sie müssen weg. Ich habe Verhandlungen zu dem Zwecke angeknüpft, sie nach dem Osten abzuschieben. Im Januar findet über diese Frage eine große Besprechung in Berlin statt, zu der ich Herrn Staatssekretär Dr. Bühler entsenden werde. Diese Besprechung soll im Reichssicherheitshauptamt mit SS-Obergruppenführer Heydrich gehalten werden. Jedenfalls wird eine große jüdische Wanderung einsetzen.
Aber was soll mit den Juden geschehen? Glauben Sie, man wird sie im Ostland in Siedlungsdörfern unterbringen? Man hat uns in Berlin gesagt: Weshalb macht man diese Scherereien? Wir können im ›Ostland‹ oder im ›Reichskommissariat‹ auch nichts mit ihnen anfangen, liquidiert sie selber!
Meine Herren, ich muß Sie bitten, sich gegen alle Mitleidserwägungen zu wappnen. Wir müssen die Juden vernichten, wo immer wir sie treffen und wo es irgend möglich ist, um das Gesamtgefüge des Reiches hier aufrecht zu erhalten. Das wird selbstverständlich mit Methoden geschehen, die anders sind als diejenigen, von denen Amtschef Dr. Hummel gesprochen hat. Auch die Richter der Sondergerichte können nicht dafür verantwortlich gemacht werden, denn das liegt eben im Rahmen des Rechtsverfahrens.
Man kann bisherige Anschauungen nicht auf solche gigantische einmalige Ereignisse übertragen. Jedenfalls müssen wir aber einen Weg finden, der zum Ziele führt, und ich mache mir darüber meine Gedanken.
Die Juden sind auch für uns außergewöhnlich schädliche Fresser. Wir haben im Generalgouvernement schätzungsweise 2,5, vielleicht mit den jüdisch Versippten und dem, was alles daran hängt, jetzt 3,5 Millionen Juden. Diese 3,5 Millionen Juden können wir nicht erschießen, wir können sie nicht vergiften, werden aber trotzdem Eingriffe vornehmen können, die irgendwie zu einem Vernichtungserfolg führen, und zwar im Zusammenhang mit den vom Reich her zu besprechenden großen Maßnahmen. Das Generalgouvernement muß genau so judenfrei werden, wie es das Reich ist. Wo und wie das geschieht, ist eine Sache der Instanzen, die wir hier einsetzen und einsetzen müssen, und deren Wirksamkeit ich Ihnen rechtzeitig bekanntgeben werde.«
Und dies, Hoher Gerichtshof, ist nicht etwa das Planen und Ränkeschmieden einer Einzelperson, vielmehr die Auslassung eines Funktionärs des Deutschen Staates, dem ernannten Generalgouverneur für das besetzte Polen. Die Methoden zur Vernichtung der Juden waren verschiedenartig, und wenn auch nicht zart, so im hohen Grad erfolgreich.
Ich habe von Zeit zu Zeit auf gewisse Äußerungen und Handlungen des Angeklagten Rosenberg hingewiesen, einem der Führer und maßgebenden Politiker der Nazi-Partei und des Deutschen Staates. Man darf annehmen, daß der Angeklagte Rosenberg behaupten wird, daß er viele seiner Handlungen auf höheren Befehl ausgeführt hat. Ich habe ein erbeutetes Dokument vor mir, 001-PS, »Geheim«, datiert vom 18. Dezember 1941, mit dem Titel »Dokumentarische Aktennotiz für den Führer« – betreffend »Jüdisches Eigentum in Frankreich«. Es ist das Beweisstück US-282.
Ich darf wohl sagen, daß keine andere Urkunde, die diesem Gerichtshof vorgelegen hat, die persönliche Haltung des Angeklagten Rosenberg, sein Temperament und seine Überzeugung gegenüber den Juden klarer zeigt, als diese Aktennotiz. Hier schlägt er aus eigener Initiative Plünderung und Tod vor. Ich lege Dokument 001-PS zum Beweis vor. Der wesentliche Inhalt der Aktennotiz lautet wie folgt:
»1. Entsprechend dem Führerbefehl über Sicherstellung des jüdischen kulturellen Besitzes sind eine große Anzahl jüdischer Wohnungen unbewacht geblieben. Dies hat zur Folge gehabt, daß im Laufe der Zeit viele Einrichtungsgegenstände verschwunden sind, da naturgemäß eine Bewachung nicht durchgeführt werden konnte. Im gesamten Osten hat die Verwaltung furchtbare Wohnungszustände vorgefunden, und die Möglichkeiten der Anschaffung sind so beschränkt, daß praktisch jetzt nichts mehr besorgt werden kann. Ich bitte deshalb den Führer, zu genehmigen, daß die gesamten jüdischen Wohnungseinrichtungen der geflohenen oder noch abreisenden Juden in Paris, wie überhaupt in den besetzten westlichen Gebieten, nach Möglichkeit zur Unterstützung der Einrichtungen für die Verwaltung im Osten beschlagnahmt werden.
2. Eine große Anzahl führender Juden sind nach kurzer Untersuchung in Paris wieder entlassen worden. Die Attentate auf deutsche Wehrmachtsangehörige haben nicht aufgehört, sondern werden fortgesetzt. Es tritt hier ein eindeutiger Plan in Erscheinung, die deutsch-französische Zusammenarbeit zu stören, Deutschland zu Vergeltungsmaßnahmen zu zwingen, und damit eine neue Abwehr seitens der Franzosen Deutschland gegenüber hervorzurufen. Ich rege beim Führer an, doch an Stelle von 100 Franzosen jeweilig 100 oder mehr jüdische Bankiers, Rechtsanwälte usw. erschießen zu lassen. Die Juden in London und New-York sind es, welche französische Kommunisten aufstacheln, Attentate zu verüben, und es erscheint recht und billig, wenn die Rassenangehörigen in Frankreich dafür büßen. Es wären nicht die kleinen Juden, sondern ganz systematisch alle führenden Juden in Frankreich zur Verantwortung zu ziehen. Das könnte zum Erwachen des Antijudaismus beitragen.«
Stempel »gez. A. Rosenberg.«