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[Pause von 10 Minuten.]

HAUPTMANN HARRIS: Wir haben bis jetzt von den Germanisierungsmaßnahmen in den eingegliederten Gebieten gesprochen; nun möchte ich kurz zu dem Germanisierungsprogramm im Generalgouvernement übergehen.

Im Generalgouvernement gab es ursprünglich verhältnismäßig wenig Leute, die sich nach den Normen der Verschwörer zu Deutschen eigneten. Demzufolge hätte die Einführung einer Volksliste, nach der Personen deutscher Abstammung nach dem Vorbild der Einrichtung in den eingegliederten Gebieten in Klassen eingeteilt wurden, nicht viel genutet. Unseres Wissens ist auch keine solche Volksliste im Generalgouvernement angeordnet worden. Vielmehr scheint der Plan bestanden zu haben, a) das Generalgouvernement zu einer deutschen Kolonie zu machen, was, wie sich die Herren Richter noch aus dem vorgelegten Dokument EC-344-16, Beweisstück US-297, erinnern werden, das ausdrücklich erklärte Ziel des Angeklagten Frank war, und b) sogenannte »Deutsche Inselsiedlungen« in den fruchtbaren landwirtschaftlichen Gebieten zu schaffen. Diese Inselsiedlungen sollten durch den Zustrom deutscher Personen geschaffen werden, die treue Anhänger der nationalsozialistischen Ideen waren.

In diesem Zusammenhang lege ich zum Beweis Dokument 910-PS vor. Es ist Beweisstück US-310. Diese geheimen Aufzeichnungen tragen die Aufschrift: Abteilung innere Verwaltung, Krakau, den 30. März 1942. Sie beziehen sich auf die Erklärungen Himmlers über die geplante Germanisierung des Generalgouvernements. Dieses Dokument erhielten wir von der Nachrichtenzentrale der dritten Armee in Freising, Deutschland. Ich zitiere von Seite 2 des englischen Textes, Zeile 3 bis zum Schluß des Berichts. Im deutschen Text ist es Seite 2, Zeile 21 bis zum Schluß des Berichts. Im Dokument heißt es; und ich zitiere:

»Der Reichsführer-SS« – Himmler – »entwickelte sodann weitere Gedankengänge, die dahingingen, daß im ersten Fünfjahresplan der Umsiedlung nach dem Kriege zunächst einmal die neuen deutschen Ostgebiete aufgefüllt werden sollten, sodann sei beabsichtigt, in dieser Zeit die Krim und das Baltikum zum mindesten mit einer deutschen Oberschicht zu versehen. In das Generalgouvernement sollten vielleicht weitere deutsche Inselsiedlungen aus europäischen Nationen neu verpflanzt werden. Eine genaue Entscheidung in dieser Hinsicht sei jedoch nicht ergangen. Jedenfalls wolle man zunächst eine starke Ansiedlung längs des Sans und des Bugs vornehmen, so daß die fremdvölkischen Teile Polens eingekesselt werden. Es habe sich bisher immer erwiesen, daß diese Art der Umschließung am raschesten zu der gewünschten Nationalisierung führe.«

In demselben Zusammenhang lege ich Dokument 2233(h)-PS, Beweisstück US-311, vor. Es ist das Tagebuch des Angeklagten Frank, 1941 Band II, Seite 317. Ich zitiere vom letzten Satz unten auf Seite 3 des englischen Textes dieses Beweisstücks. Im deutschen Text erscheint diese Stelle auf Seite 317, Zeile 25 bis 28. Der Angeklagte Frank erklärte in diesem Tagebuch; und ich zitiere:

»Dieses Gebiet ist dank dem Heldenmut unserer Soldaten deutsch geworden, und das Weichseltal wird vom Quell bis zur Mündung ins Meer einmal so deutsch sein, wie das Rheintal es ist.«

Ich gehe nun zu einer anderen, schon vorher erwähnten Phase des Programms über, nämlich dem Plan der Verschwörer, das Eigentum von Polen, Juden und widerspenstigen Elementen zu beschlagnahmen. Wie ich bereits erwähnt habe, wird das Beweismaterial zeigen, daß mit diesen Plänen mehrere Ziele gleichzeitig verwirklicht werden sollten. Soweit die Juden betroffen waren, war es ein wesentlicher Bestandteil des Gesamtprogramms der Verschwörer, sie auszurotten. Die Beschlagnahme war auch ein Mittel, deutsche Siedler auszustatten und jene zu belohnen, die dem Nazi-Staat treu gedient hatten. Dieser Teil ihres Programms machte zugleich enteignete polnische Bauern für die Sklavenarbeit in Deutschland verfügbar und diente der Förderung des Zieles der Verschwörer, das Aufwachsen einer neuen Generation von Polen zu verhindern.

Der Beweis dafür, daß die Verschwörer das Eigentum von Polen zur Förderung ihres Germanisierungs- und Sklavenarbeitsprogramms beschlagnahmten, ergibt sich aus Dokument 1352-PS, das bereits von Herrn Dodd als Beweisstück US-176 eingeführt wurde. Dieses Beweisstück enthält eine Anzahl von Berichten eines gewissen Kusche, der anscheinend einer der Hauptbevollmächtigten Himmlers in Polen gewesen ist. Herr Dodd zitierte aus einem der vertraulichen Berichte Kusches vom 22. Mai 1940 von Seite 4, Absatz 5 des englischen Textes. Im deutschen Text ist es Seite 9, Zeile 16 bis 18. In dieser Erklärung wies Kusche darauf hin, daß es ohne weiteres möglich wäre, kleine Güter zu beschlagnahmen; und nun zitiere ich:

»Die ehemaligen Eigentümer der polnischen Betriebe werden durch die Arbeitsämter ins Altreich mit ihren Familien als Landarbeiter vermittelt.«

Nun möchte ich aus einem anderen Bericht Kusches zitieren, der im gleichen Beweisstück enthalten ist und das gleiche Datum des 22. Mai 1940 trägt. Ich glaube, die Zahlen in der rechten oberen Ecke werden es leichter machen, ihn aufzufinden. Der Bericht, aus dem ich nun zitiere, ist als »geheim« gekennzeichnet und trägt die Überschrift: «... Einzelheiten der Beschlagnahmungen im Kreise Bielitz.«

Ich möchte zunächst den letzten Absatz auf Seite 1 unten zitieren. Dieses Beweisstück ist, wie Sie sich erinnern werden, 1352-PS, der letzte Absatz auf Seite 1 unten. Im deutschen Text ist es Seite 11, Absatz 1 und 2. Kusche erklärte, und ich zitiere:

»Vor einigen Tagen sprach der Kommandant des zu errichtenden Konzentrationslagers in Auschwitz bei Stabsführer Müller vor und bat um Unterstützung zur Durchführung seiner Aufgaben. Er sagte, daß es unbedingt erforderlich sei, in einem gewissen Umkreis des KZ die landwirtschaftlichen Betriebe zu beschlagnahmen, denn diese grenzen nicht nur mit ihren Ackerflächen, sondern verschiedentlich auch mit ihren Gehöften direkt an das KZ. Eine am 21. d. M. stattgefundene örtliche Besichtigung ergab folgendes:

Es steht außer Zweifel, daß die an das KZ grenzenden landwirtschaftlichen Betriebe sofort zu beschlagnahmen sind. Darüber hinaus bittet der Lagerkommandant, daß ihm weite Flächen Ackerland zur Verfügung gestellt werden, damit er die Häftlinge beschäftigen kann. Auch dies läßt sich ohne weiteres ermöglichen, da genügend Ländereien hierfür zur Verfügung gestellt werden können. Eigentümer der Flächen sind durchweg Polen.«

Weiterhin zitiere ich von Seite 2, Zeile 22 bis 31 des englischen Textes desselben Beweisstücks. Im deutschen Text ist es Seite 12, Absatz 2 bis Zeile 22 von oben. Ich zitiere:

»Mit dem Leiter des Arbeitsamts in Bielitz habe ich folgende Absprache vorgenommen:

Im Altreich herrscht immer noch Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften. Die Vermittlung der ehemaligen Eigentümer von beschlagnahmten landwirtschaftlichen Betrieben als Landarbeiter mit ihren gesamten Familien nach dem Reich ist ohne weiteres mög lich. Nur muß das Arbeitsamt rechtzeitig die Verzeichnisse der Personen bekommen, damit es das Erforderliche veranlassen kann. (Zusammenstellung des Transportes, Verteilung auf die verschiedensten Bedarfsgebiete.)«

Zum Schluß zitiere ich von Seite 3 des gleichen Beweisstücks, Zeile 6 bis 13 des englischen Textes. Im deutschen Text ist es Seite 13, drittletzte Zeile bis Seite 14, Zeile 9:

»Die Beschlagnahmung dieser polnischen Betriebe in Alzen wird ebenfalls in den nächsten Tagen dann vorgenommen. Bei der Durchführung der Aktion wird der Kommandant des KZ SS-Männer und einen Lastwagen zur Verfügung stellen. Sollte es noch nicht möglich sein, daß die Alzener Polen nach Auschwitz gebracht werden können« – Auschwitz ist, wie sich die Herren Richter erinnern werden, der Ort, wo das Konzentrationslager lag –, »so sind sie in das leerstehende Schloß nach Zator zu transportieren. Der freiwerdende polnische Besitz ist bedürftigen Volksdeutschen Landwirten in Alzen zur Nutzung zu übergeben.«

Um das Programm der Beschlagnahme auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen, gab der Angeklagte Göring am 17. September 1940 einen Erlaß heraus. Dieser Erlaß erscheint im Reichsgesetzblatt 1840, Teil 1, Seite 1270, und ich bitte den Gerichtshof, ihn amtlich zur Kenntnis zu nehmen. In Paragraph 2 dieses Erlasses wurde die Beschlagnahme von beweglichem und unbeweglichem Vermögen, Vorräten, Rechten und Interessen aller Art von Juden und »von Personen, die geflüchtet oder nicht nur vorübergehend abwesend sind«, gesetzlich befohlen.

Außerdem konnte die Beschlagnahme nach Paragraph 2, Absatz 2, ausgesprochen werden, wenn das Vermögen »zum öffentlichen Wohl, insbesondere im Interesse der Reichsverteidigung oder der Festigung des deutschen Volkstums« benötigt werde.

Nach Paragraph 9 dieses von dem Angeklagten Göring herausgegebenen Erlasses war die Einziehung beschlagnahmten Vermögens zugelassen, »wenn es das öffentliche Wohl, insbesondere die Reichsverteidigung oder die Festigung deutschen Volkstums erfordert«.

Paragraph 1, Absatz 2 des Erlasses sah jedoch vor, daß das Vermögen deutscher Staatsangehöriger einer solchen Beschlagnahme oder Einziehung nicht unterliege. Paragraph 13 bestimmte, daß die Beschlagnahme ausgesetzt werden sollte, wenn der Eigentümer behauptete, Deutscher zu sein. Schon auf den ersten Blick zeigt der Erlaß sehr deutlich die Absicht, Polen, Juden und widerspenstige Elemente ihres Vermögens zu berauben. Darüber hinaus war er anerkanntermaßen dazu bestimmt, den Germanismus zu fördern. Wir bitten den Gerichtshof, amtlich Kenntnis von ihm zu nehmen. Er steht im Reichsgesetzblatt.

Anscheinend tauchte die Frage auf, ob der Erlaß in jedem Einzelfalle, in dem es sich um das Vermögen eines Polen handelte, eine Entscheidung dahin verlangte, daß das Vermögen »zum öffentlichen Wohl, insbesondere im Interesse der Reichsverteidigung oder der Festigung des deutschen Volkstums« benötigt wurde. Die Antwort der Verschwörer war klipp und klar. In jedem Falle, in welchem es sich um das Vermögen eines Polen handelte, rechtfertigte »die Festigung deutschen Volkstums« seine Beschlagnahme. Im Zusammenhang damit lege ich Dokument R-92, Beweisstück US-312, vor. Dieses Dokument vom 15. April 1941 trägt den Briefkopf des Reichsführers-SS, Kommissar für die Festigung deutschen Volkstums, und hat den Titel »Interne Richtlinien für die Anwendung der Polenvermögensverordnung vom 17. September 1940«. Es wurde von dem USA-Nachrichtenkorps erbeutet. Ich zitiere von Seite 2, Zeile 11 bis 14 des englischen Textes. Im deutschen Text erscheint diese Erklärung auf Seite 3, Paragraph 2, Absatz 2; ich zitiere:

»Die Voraussetzungen der Beschlagnahmemöglichkeiten nach Paragraph 2, Absatz 2 a, sind objektiv stets dann gegeben, wenn es sich z.B. um Grundbesitz handelt, der einem Polen gehört. Denn der polnische Grundbesitz wird restlos für die Festigung deutschen Volkstums benötigt.«

Im Generalgouvernement erließ der Angeklagte Frank am 24. Januar 1940 einen Erlaß, der die Beschlagnahme »zur Erfüllung gemeinnütziger Aufgaben« und die Liquidierung »unsozialer oder finanziell nicht leistungsfähiger Betriebe« zulässig machte. Der Erlaß ist in dem Verordnungsblatt des Generalgouvernements Nummer 6 vom 27. Januar 1940, Seite 23 enthalten, und wir bitten den Gerichtshof, amtlich Kenntnis von ihm zu nehmen. Der Mangel an bestimmten Tatbestandsmerkmalen in diesem Erlaß ermächtigte augenscheinlich die Nazi-Beamten im Generalgouvernement, die Beschlagnahme von Eigentum in großem Stile durchzuführen.

Die Größe des Beschlagnahmeprogramms der Verschwörer in Polen war erschütternd. Ich bitte die Herren Richter, sich die Tabelle auf Seite 6 des Dokuments R-92 anzusehen, das soeben als Beweisstück US-312 vorgelegt wurde.

Diese Aufstellung zeigt für den 31. Mai 1943 die erschütternde Bilanz: 693252 Betriebe mit einer Fläche von 6097525 ha wurden beschlagnahmt, und 9508 Betriebe mit einer Fläche von 270446 ha wurden von den Bodenämtern in Danzig-Westpreußen, Posen, Zichenau und Schlesien eingezogen. Dies stellt, wie Sie bemerken wollen, die Beschlagnahme und Einziehung von nur vier Ämtern dar.

Damit beende ich, meine Herren Richter, meinen Vortrag über Polen und gehe nun zur Tschechoslowakei über. In diesem Abschnitt des Verfahrens werde ich nur ein Dokument über die Tschechoslowakei vorlegen. Dieses eine Dokument enthält jedoch eine erschreckende Enthüllung über die Pläne der Verschwörer, Böhmen und Mähren zu germanisieren. Es legt dar, wie drei Pläne, von denen jeder einzelne durch seine Härte gekennzeichnet war, besprochen wurden und wie sich schließlich der Führer für den Plan c) entschied, die Einverleibung etwa der Hälfte der tschechischen Bevölkerung in das Deutschtum und der Ausrottung der anderen Hälfte. Weiterhin sah der Plan ein starkes Hineinströmen von Deutschen, deren Treue zum Führer einwandfrei feststand, in die Tschechoslowakei vor.

Ich lege das Dokument zum Beweis vor; es ist 862-PS, Beweisstück US-313. Es ist ein als Geheime Kommandosache gekennzeichneter Bericht des Generals Friderici, des Wehrmachtbevollmächtigten in Böhmen und Mähren, vom 15. Oktober 1940. Aus der ersten Seite des Dokuments ergibt sich, daß nur vier Ausfertigungen gemacht wurden. Das Dokument, das wir als Beweis vorlegen, ist das Originaldokument, das unter den erbeuteten Akten des OKW gefunden wurde. Auf der ersten Seite links erscheinen die mit der Hand geschriebenen Buchstaben »K« und »J«. Man hat mir erklärt, daß dies zweifellos die Handschrift der Angeklagten Keitel und Jodl ist. Ich zitiere das gesamte Dokument:

»Das Amt des Reichsprotektors hat am 9. Oktober dieses Jahres eine Dienstbesprechung abgehalten, in der Staatssekretär SS-Gruppenführer K. H. Frank dem Sinne nach etwa folgendes ausführte:«

Ich möchte hier bemerken, daß SS-Gruppenführer K. H. Frank Staatssekretär unter dem Angeklagten von Neurath war, der zur Zeit dieses Berichts der Protektor von Böhmen und Mähren war.

VORSITZENDER: Was sagten Sie, wer Frank gewesen sei?

HAUPTMANN HARRIS: Frank war SS-Gruppenführer und Staatssekretär unter dem Angeklagten von Neurath. Es ist nicht der Angeklagte Hans Frank. Zur Zeit dieses Berichts war von Neurath, unter dem K. H. Frank arbeitete, der Protektor von Böhmen und Mähren. Ich fahre nun mit dem Zitat fort:

»Seit Schaffung des Protektorats Böhmen und Mähren haben sowohl Parteidienststellen als auch Wirtschaftskreise, sowie zentrale Behördendienststellen Berlins, Erwägungen über die Lösung des tschechischen Problems angestellt.

Der Reichsprotektor hat zu den verschiedentlichen Planungen nach reiflicher Prüfung in einer Denkschrift Stellung genommen. In dieser wurden drei Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt:

a) Deutsche Durchdringung Mährens und Rückbau des tschechischen Volksteiles auf ein Restböhmen. Diese Lösung wird, da ja das tschechische Problem, wenn auch verkleinert, weiterbestehen bleibt, als nicht befriedigend bezeichnet.

b) Gegen die an sich totalste Lösung, nämlich die Aussiedlung der gesamten Tschechen, sprechen mannigfaltige Gründe. Die Denkschrift kommt daher zum Ergebnis, daß sie in absehbarer Zeit undurchführbar ist.

c) Assimilierung des Tschechentums, d.h. Aufsaugen etwa der Hälfte des tschechischen Volksteiles im Deutschtum, insoweit diese blut- und sonst wertmäßig Bedeutung hat. Diese wird u. a. auch durch vermehrten Arbeitseinsatz von Tschechen im Reichsgebiet (ausgenommen die sudetendeutschen Grenzgebiete), also durch Zerstreuung des geschlossenen tschechischen Volksteiles erfolgen.

Die andere Hälfte des tschechischen Volksteiles muß auf die verschiedensten Arten entmachtet, ausgeschaltet und außer Landes gebracht werden. Dies gilt besonders für die rassisch-mongoloiden Teile und den Großteil der intellektuellen Schicht. Letztere ist sowohl stimmungsmäßig kaum zu gewinnen und andererseits dadurch, daß sie immer wieder Führungsansprüche gegenüber den anderen tschechischen Volksteilen anmelden und damit eine möglichst rasche Assimilierung stören würde, eine Belastung.

Elemente, die der beabsichtigten Germanisierung entgegenarbeiten, müssen scharf angefaßt und ausgeschaltet werden. Die aufgezeigte Entwicklung setzte naturgemäß ein vermehrtes Hereinströmen Deutscher aus dem Reichsgebiet in das Protektorat voraus.

Der Führer hat nach Vortrag als Richtlinie für die Lösung des Tschechischen Problems die Lösung nach c) (Assimilierung) gegeben und entschieden, daß bei äußerer Beibehaltung der Autonomie des Protektorats die Germanisierung noch Jahre einheitlich vom Amt des Reichsprotektors wahrgenommen werden müsse.

Von seiten der Wehrmacht ergeben sich aus Obigem keine wesentlichen Folgerungen. Es ist die Richtung, die von hier stets vertreten wurde. Ich nehme in diesem Zusammenhange Bezug auf meine an den Herrn Chef des Oberkommandos der Wehrmacht am 12. Juli 1939 unter Zahl 6/39 g.Kdos. verfaßte Denkschrift: ›Das Tschechische Problem.‹ (Liegt als Anlage zu.) Der Wehrmachtbevollmächtigte beim Reichsprotektor in Böhmen und Mähren,« Unterschrift: »Friderici, General der Infanterie.«

Mit Genehmigung des Gerichtshofs möchte ich zu einigen Teilen dieses Memorandums einige Bemerkungen machen. Zuerst möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf Lösung a) lenken. Diese Lösung würde die deutsche Durchdringung Mährens und die zwangsweise Verbringung der Tschechen aus jenem Gebiet nach Böhmen vorgesehen haben. Wie die Herren Richter wissen, liegt Mähren zwischen Böhmen und der Slowakei. Demzufolge würde die Lösung a) zur Errichtung eines deutschen Staates zwischen Böhmen und der Slowakei geführt und gegenseitige Verbindungen zwischen den Tschechen und den Slowaken wirksam verhindert haben. Auf diese Weise würde das historische Verlangen dieser beiden Gruppen friedliebender Völker nach einer Einigung und das Fortbestehen ihres tschecho-slowakischen Staates vereitelt worden sein. Die Lösung a) wurde, wie ich hervorheben möchte, abgelehnt, weil die überlebenden Tschechen, auch wenn sie in ein »Restböhmen« zusammengepfercht waren, weiterhin eine Plage für die Verschwörer geblieben wären.

Lösung b), die die zwangsmäßige Verschleppung aller Tschechen vorsah, wurde nicht deshalb abgelehnt, weil ihre Bestimmungen zu drastisch schienen, sondern weil vielmehr eine raschere Lösung des Problems erwünscht war.

Lösung c) wurde, wie aus dem Beweisstück hervorgeht, als die brauchbarste angesehen und daher angenommen. Diese Lösung sah zuerst die Assimilierung etwa der Hälfte der Tschechen vor. Dies bedeutete zweierlei: a) zwangsmäßige Gennanisierung derjenigen, die rassisch geeignet erschienen und b) Verschleppung anderer zur Sklavenarbeit in Deutschland. »Vermehrter Arbeitseinsatz von Tschechen im Reichsgebiet«, wie es im Beweisstück heißt, bedeutete in Wirklichkeit Sklavenarbeit in Deutschland.

Die Lösung c) sah weiterhin vor, daß die andere Hälfte der tschechischen Bevölkerung, besonders die Intellektuellen und diejenigen, die den rassischen Anforderungen der Verschwörer nicht entsprachen, »auf die verschiedensten Arten« ausgeschaltet und verschleppt werden sollten. Die Intellektuellen waren überall ein Stein des Anstoßes für die Nazi-Verschwörer, und die tschechischen Intellektuellen bildeten keine Ausnahme.

In der Tat hatten die tschechischen Intellektuellen, wie die Verschwörer wohl wußten, wegen ihrer Tapferkeit und Selbstaufopferung und wegen ihres Widerstandes gegen die Nazi-Ideologie einen hervorragenden Ruf. Sie mußten daher ausgerottet werden. Wie in einem anderen Zusammenhang gezeigt werden wird, hatte jener Abschnitt des Geheimberichts, der lautete: »Elemente, die der beabsichtigten Germanisierung entgegenarbeiten, müssen scharf angefaßt und ausgeschaltet werden«, die Bedeutung, daß die Intellektuellen und andere widerspenstige Elemente entweder in Konzentrationslager geworfen oder sofort vernichtet werden sollten.

Kurz zusammengefaßt: die Bestimmungen der Lösung c) waren einfach eine praktische Anwendung der Philosophie der Verschwörer, wie sie in Himmlers Rede Ausdruck fand. Einen Teil dieser Rede haben wir aus Dokument L-70, das bereits als Beweisstück US-308 vorgelegt wurde, zitiert.

Himmler sagte: »Entweder wir gewinnen das gute Blut, das wir verwerten können,... oder wir vernichten dieses Blut.«

Ich wende mich nun kurz dem Verschwörerprogramm der Plünderung und Germanisierung in den besetzten westlichen Ländern zu. Beweismaterial, das in einem späteren Zeitpunkt dieses Verfahrens vorgelegt werden wird, zeigt, wie die Verschwörer die besetzten Westgebiete zu germanisieren suchten, wie sie die eroberten Länder im Westen der Nahrungsmittel und Rohmaterialien beraubten und ihnen kaum genug für ihre bloße Existenz ließen; wie sie die örtliche Industrie und Landwirtschaft zwangen, die unersättlichen Wünsche der deutschen Zivilbevölkerung und der Wehrmacht zu erfüllen, und wie schließlich die Ausplünderung der besetzten Länder des Westens durch übermäßige Besatzungskosten, durch zwangsmäßige und betrügerische Abrechnungs-Methoden und durch Beschlagnahme ihrer Gold- und Devisenbestände unterstützt und sichergestellt wurde.

Das Beweismaterial zu diesen Punkten wird in allen Einzelheiten von dem Ankläger für die Französische Republik vorgelegt werden; es ist derartig überwältigend, daß man sich der Folgerung nicht entziehen kann, daß die Taten der Verschwörer planmäßig begangen waren.

Das Beweismaterial über die Ausführung der Pläne der Verschwörer im Westen kann jedoch vor der Weihnachtspause dem Gerichtshof nicht vorgelegt werden.

Zur Erläuterung und zum Beweis dafür, daß die Pläne der Verschwörer sowohl die besetzten Gebiete des Westens als auch die des Ostens umfaßten, legen wir daher jetzt nur ein einziges Beweisstück zu diesem Teil des Falles vor, und zwar R-114, US-314. Das Dokument wurde von dem Abwehrdienst der Vereinigten Staaten erbeutet. Das Beweisstück besteht aus zwei Vermerken, datiert vom 7. August 1942 und vom 29. August 1942, und stammt aus Himmlers persönlichen Akten. Der erste Vermerk behandelt eine Besprechung von SS-Offizieren und ist betitelt: »Richtlinien für die Behandlung von ausgesiedelten Elsässern«. Der zweite Vermerk hat die Aufschrift »Geheim« und ist betitelt: »Absiedlung von Elsässern in das Reich«. Die Vermerke in diesem Beweisstück zeigen, daß Pläne geschmiedet und teilweise ausgeführt wurden, nach denen alle Elemente, die den Verschwörern feindlich gesinnt waren, aus dem Elsaß entfernt werden sollten und die Provinz germanisiert werden sollte. Ich zitiere Seite 1, Zeile 21 bis 31 des englischen Textes, betitelt: »Richtlinien für die Behandlung von ausgesiedelten Elsässern«. Diese Stellen befinden sich im deutschen Text auf Seite 1, die letzten acht Zeilen und auf Seite 2, Zeile 1 bis 5. Ich zitiere:

»Die erste Ausweisungsaktion wurde im Elsaß in der Zeit vom Juli bis Dezember 1940 durchgeführt und von ihr 105000 Personen ausgewiesen bzw. an der Rückkehr verhindert. Es waren dies hauptsächlich Juden, Zigeuner und andere Fremdrassige, Verbrecher, Asoziale und unheilbare Geisteskranke, ferner Franzosen und Frankophile. Die Patois-Bevölkerung wurde von dieser Aussiedlungswelle in der gleichen Weise wie die übrigen Elsässer durchgekämmt.

Unter Berufung auf die ihm vom Führer erteilte Genehmigung, das Elsaß von allem Fremden, Kranken und Unzuverlässigen zu säubern, hat Gauleiter Wagner vor kurzem auf die politische Notwendigkeit einer zweiten Aussiedlungsaktion hingewiesen, die möglichst bald vorbereitet werden soll.«

Ich bitte den Gerichtshof, meine restlichen Darlegungen bis Montag verschieben zu dürfen. Herr Justice Jackson möchte gern dem Gerichtshof noch einiges vortragen.

MR. JUSTICE JACKSON: Hoher Gerichtshof! Ich möchte die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs und der Verteidiger auf die Gestaltung des Prozeßverfahrens während der nächsten Woche lenken. Ich glaube, daß es zu einer Beschleunigung unseres Verfahrens führen würde, wenn unser Vorschlag über das Wochenende erwogen wird.

Die Darlegungen des Herrn Hauptmann Harris werden nur eine kurze Zeit am Montag in Anspruch nehmen. Sobald sie beendet sind, hat der Beweisvortrag der Vereinigten Staaten jenen Teil der Anklageschrift erreicht, der ein Feststellungsurteil dieses Gerichtshofs darüber verlangt, daß sechs der in ihr genannten Organisationen verbrecherische Organisationen sind. Die Wirkung eines derartigen Spruches soll dann die Grundlage für die Anklageerhebung gegen einzelne Mitglieder vor anderen Gerichtshöfen sein. In diesem Verfahren kann der einzelne Angeklagte alles zu seiner Verteidigung vorbringen, er darf nur nicht den Spruch dieses Gerichtshofs über den Charakter der Organisation, deren Mitglied er war, anfechten.

Die Vereinigten Staaten werden dieses Beweismaterial derart vorlegen, daß dem Gerichtshof Zeit gespart und der Anklagevortrag möglichst beschleunigt wird, damit Personal der Vereinigten Staaten entlassen werden kann.

Ferner werden wir den Verteidigern möglichst viel von unserem Beweismaterial gegen die Organisationen noch vor der Weihnachtspause zur Verfügung stellen, damit sie während dieser Pause Gelegenheit haben, es zu prüfen und ihre Verteidigung vorzubereiten; dann würden sich irgendwelche weiteren Vertagungsanträge aus diesem Grunde erübrigen.

Das Wesentliche unseres Vorschlags ist, daß alle abschließenden Fragen zu diesem Teil des Falles erst erörtert werden, wenn das Beweismaterial dem Gerichtshof vorgetragen ist. Es handelt sich nicht darum, ob das Beweismaterial zuzulassen ist; entscheidend kommt es vielmehr auf seinen Wert und die sich aus ihm nach den Bestimmungen dieses Statuts ergebenden rechtlichen Folgen an. Jedes Beweisstück, das wir vorlegen werden, legen wir in dem Glauben vor, daß ihm ein Beweiswert nicht abgesprochen werden kann, und daß es für die in der Anklage aufgeführten Anklagepunkte erheblich ist. Dies aber sind die Gründe, aus denen das Statut die Ablehnung von Beweisen zuläßt.

Wir wollen zur Zeit keinen anderen Vorteil aus unserem Vorschlag ziehen, als dem Gerichtshof und uns Zeit zu ersparen. Damit würde den Angeklagten vor der Weihnachtspause soviel wie möglich von dem Fall bekanntgegeben, und die entscheidenden Streitfragen würden erst vorgebracht, wenn sie verständlich erörtert und auf der Grundlage eines richtigen Protokolls und nicht auf derjenigen von Mutmaßungen und hypothetischen Feststellungen von Tatsachen gewürdigt werden könnten.

Bei der Vorlage des Beweismaterials gegen die Organisationen schlagen wir vor, folgendes festzulegen:

Jeglicher Einspruch jedweder Art gegen irgendeinen Punkt des Beweismaterials, das von den Vereinigten Staaten gegen diese Organisationen vorgelegt wird, wird als vorbehaltlich angesehen; die Verteidigung kann den Einspruch jederzeit, bevor die Vereinigten Staaten ihren Vortrag beendet haben, mit der gleichen Wirksamkeit geltend machen, als wenn er bei der Vorlage des Beweismaterials erhoben worden wäre. Die Ermächtigung des Gerichtshofs, jedes Beweisstück zu dieser Materie, sei es auf Antrag eines Verteidigers, sei es von Amts wegen, zurückzuweisen, auch wenn kein Einspruch erhoben ist, soll unberührt bleiben. Jede Frage über die Wirkung des Beweisstückes soll offen erörtert werden und nicht durch die Tatsache beeinflußt sein, daß das Beweisstück ohne Einspruch angenommen wurde.

Wir erkennen an, daß den Fragen, die auftauchen können, ein strittiger Charakter innewohnt. Was dieses Beweismaterial beweist, bei welchen Organisationen es zu einer Verurteilung ausreicht, und wie das Statut sich darauf anwenden läßt, sind Fragen, die sich für Debatten eignen; wir sind durchaus bereit, sie zu erörtern, wenn dies in einer ordnungsmäßigen und vernünftigen Weise geschehen kann. Wir würden es gern bei der abschließenden Zusammenfassung tun, sind dazu aber auch zu einer Zeit, die der Gerichtshof bestimmt, bereit, sobald ein Protokoll vorhanden ist, auf das sich die Erörterungen stützen lassen. Wir sind willens, die Streitfragen zu erörtern, bevor oder nachdem die Angeklagten ihre Verteidigung aufgenommen haben. Andererseits glauben wir, daß, wenn schrittweise mit der Vorlage der Beweisstücke jeweils zugleich die Frage ihrer Zulässigkeit erörtert würde, ein unordentliches und zeitraubendes Verfahren Platz greifen würde. Eine stückweise Erörterung würde zeitraubend sein, weil sie die Anwälte auf beiden Seiten zwingt, entweder auf Beweismaterial zurückzugreifen, das schon eingeführt ist, oder sich über Beweismaterial, das noch nicht vorgelegt ist, in Spekulationen zu ergehen, zu hypothetischen Fragen Zuflucht zu nehmen und dasselbe wieder und wieder bei jedem einzelnen Einspruch zu wiederholen. Ein solches Verfahren würde auch mit unserem Plan des Beweisvortrags nicht übereinstimmen.

Fragen, die sich auf diese Organisationen beziehen, führen zurück zu dem wesentlichen Inhalt des Vorschlags, den Präsident Roosevelt auf der Konferenz von Jalta machte und dessen Annahme die Grundlage dieses Prozesses bildet. Ehe Vereinigten Staaten würden Sich nicht an einer so gearteten Feststellung der Schuldfrage beteiligt haben, wenn man nicht auf diese oder eine entsprechende Weise tausende Andere hätte erfassen wollen, die, wenn auch weniger auffällig, doch ebenso schuldig an diesen Verbrechen sind, wie die Männer auf der Anklagebank. Weil ich bei der Formulierung des Statuts mitgewirkt habe und das Problem kenne, das erfaßt werden sollte, werde ich auch auf die rechtlichen Streitpunkte, die mit diesen Fragen im Zusammenhang stehen, eingehen.

Das Beweismaterial jedoch wird von Juristen vorgelegt, die sich bei der Prüfung und Zusammenstellung des Beweismaterials auf einen besonderen und begrenzten Punkt der Anklageschrift spezialisiert haben. Eine stückweise Erörterung würde daher unmethodisch, und eine wiederholte Erörterung würde unvollständig und schlecht geordnet sein und dem Gerichtshof nur wenig nützen. Die Streitfragen erfordern einen sorgfältig vorbereiteten Vortrag der Behauptungen auf beiden Seiten.

Unter diesen Umständen, die unseres Erachtens die Rechte auf jeder Seite wahren und die Verteidigung ebenso wie uns selbst in die Lage versetzen, ihre Fragen besser vorzutragen, weil genügend Zeit zur Vorbereitung vorhanden ist, bitten wir, das Beweismaterial gegen die Organisation dem Gerichtshof in der nächsten Woche so schnell wie möglich und, soweit angängig, auch ohne Unterbrechungen vorlegen zu dürfen.

VORSITZENDER: Herr Justice Jackson, haben Sie dies den Verteidigern schon schriftlich mitgeteilt?

MR. JUSTICE JACKSON: Ich habe es noch nicht getan; vielleicht ist es aber dem Informationsbüro heute mittag zugesandt worden.

VORSITZENDER: Es wäre vielleicht angebracht, daß Sie Ihre uns hier vorgetragenen Ausführungen über Einreden gegen das Beweismaterial schriftlich niederlegten, damit man sie eingehend würdigen kann.

MR. JUSTICE JACKSON: Ich habe das bereits vorbereitet und werde den Mitgliedern des Gerichtshofs und allen Verteidigern genügend Abschriften zukommen lassen.

VORSITZENDER: Ja.

RA. BÖHM: Rechtsanwalt Böhm als Verteidiger von Mitgliedern der SA, die sich zum Verhör vor diesem Gerichtshof gemeldet haben.

Ich habe die Ausführungen des Herrn Richters Jackson nur zum Teil verstanden. Ich habe als Verteidiger niemanden, der mich informiert. Ich kann mich unter gar keinen Umständen damit einverstanden erklären, daß ich mich in diesem Prozeß zu Vorträgen äußere, die mir nicht bekannt sind oder so bekanntgegeben werden, daß ich nicht in der Lage bin, mir eine Information zu besorgen, Ich möchte zunächst bitten, dafür Sorge zu tragen, daß ich die Ausführungen, die die Anklage wegen des künftigen Prozeßstoffs gemacht hat, in deutscher Sprache zugestellt bekomme, damit ich mich dazu auch äußern kann. Ich habe nicht nur eine Person in diesem Prozeß zu vertreten, sondern Millionen von Menschen, die sich nach diesem Prozeß mit allen möglichen, zum Teil vielleicht sogar berechtigten Vorwürfen an mich wenden werden.

Die Verantwortung sowohl für die Kollegen als auch für mich, die wir Organisationen vertreten werden, ist ungeheuer groß. Ich möchte deshalb grundsätzlich bitten, mir alles, was in diesem Prozeß überhaupt vorgelegt wird, in deutscher Sprache vorzulegen, weil ich nicht in der Lage bin, von einem Tag zum andern ganze Bände von Dokumenten ins Deutsche übersetzen zu lassen, von denen es ein leichtes wäre, sie mir in der deutschen Urschrift zu geben. Das ist ein Umstand, der nicht nur mir, sondern auch einer Reihe von anderen Kollegen es ungeheuer schwer macht, diesem Prozeß überhaupt zu folgen. Aus den bisherigen Sitzungen konnte ich zur Belastung der Organisationen noch herzlich wenig entnehmen. Nachdem aber für die Zukunft das Beweismaterial gegen die Organisationen vorgelegt werden soll, nach den heutigen Ausführungen, möchte ich dringend bitten, wenn wir schon die Verteidigung der Organisationen weiterbehalten sollen, die Prozeßlage so zu gestalten, daß wir auch aus technischen Gründen in der Lage sind, die Verteidigung verantwortlich zu führen.

VORSITZENDER: Wie Sie wissen oder wie Ihnen mitgeteilt wurde, werden nur die Teile der Dokumente, die vor dem Gerichtshof verlesen werden, als Beweismittel behandelt. Deshalb hören Sie durch Ihre Kopfhörer alle Beweisstücke in deutscher Sprache. Sie wissen auch, daß zwei Abschriften der Dokumente in deutscher Sprache in Ihrem Informationsbüro aufliegen. So war bis jetzt der Gang des Verfahrens.

Um den berechtigten Wünschen der deutschen Verteidiger entgegenzukommen, scheint mir der von Herrn Justice Jackson soeben gemachte Vorschlag sehr einfach. Er geht dahin: Die Frage der Kriminalität dieser Organisationen soll nicht erörtert werden, bevor das Beweismaterial vorgelegt ist; die Anklagebehörde der Vereinigten Staaten soll zuerst das Beweismaterial vorlegen; sie hofft, den größeren Teil des Beweismaterials noch vor der Weihnachtspause vorlegen zu können. Die deutschen Verteidiger sollen jedoch berechtigt sein, jederzeit, und zwar bis zum Abschluß des Vortrags der Vereinigten Staaten, Einwendungen gegen irgendeinen Teil des Beweismaterials über diese verbrecherischen Organisationen zu erheben. Ist das nicht klar?

RA. BÖHM: Jawohl, das ist verständlich.

VORSITZENDER: Haben Sie irgendwelche Einwendungen gegen ein solches Verfahren?

RA. BÖHM: Jawohl, das Verfahren, wie es vorgetragen würde, ist klar. Ich bin aber der Auffassung, daß es reichlich unzulänglich ist. Von den beiden Exemplaren, die unten im Zimmer 54 liegen sollen, habe ich bis jetzt noch keine Möglichkeit gehabt, eins in die Hände zu bekommen. Vielleicht mag es deswegen der Fall gewesen sein, weil mit zwei Exemplaren fünfundzwanzig Anwälten nicht gedient ist, insbesondere aber dann nicht gedient ist, wenn diese Exemplare in deutscher Sprache vormittags um 10.30 Uhr im Zimmer 54 aufgelegt werden, während die Sitzung bereits um 10.00 Uhr begonnen hat. Es würde auch dann nicht genügen, wenn diese beiden Exemplare für fünfundzwanzig Herren am Tag vorher aufgelegt würden, weil es ja nicht möglich ist, daß in dieser kurzen Zeit sich sämtliche Herren mit diesen beiden Exemplaren begnügen können. Ich würde also versuchen – wie die Anklage das macht, beziehungsweise machen kann, weiß ich nicht –, die Verhältnisse so zu gestalten, daß wir in der Lage sind, rechtzeitig, und ich bitte noch einmal, in deutscher Sprache, das zu wissen, was die Anklage von uns verlangt, um uns so einstellen zu können, daß wir mit unserer Arbeit dem Gericht auch dienen können.

VORSITZENDER: Was Sie soeben ausgeführt haben, ist ein allgemeiner Einwand gegen das Verfahren, das bisher angewandt wurde, hat jedoch nichts mit dem Verfahren zu tun, das Herr Justice Jackson bezüglich der verbrecherischen Organisationen vorgeschlagen hat. Sein Vorschlag war, daß Erörterungen über strafrechtliche Streitfragen oder die verbrecherische Natur dieser Organisationen verschoben werden sollten, bis das Beweismaterial vorgelegt ist. Die Verteidiger sollten das Recht haben, in jeder Phase des Verfahrens Einwendungen zu erheben oder besser gesagt, sie sollten ihre Einwendungen aufschieben bis das Beweismaterial vorgelegt ist. Es wurde die Hoffnung ausgesprochen, daß dieser Beweisvortrag bis zur Weihnachtspause abgeschlossen oder nahezu abgeschlossen sein wird. Was Sie über das allgemeine Verfahren sagen, dürfte der Gerichtshof in Erwägung ziehen.

Haben Sie nun noch zu der besonderen Frage, daß heißt zu der Frage der Verfahrensgestaltung, wie sie von Herrn Justice Jackson vorgeschlagen wurde, irgendeinen Einwand?

RA. BÖHM: Ich habe dagegen nur dann Einwände, wenn ich durch dieses Verfahren – und dazu behalte ich mir alle Freiheiten und alle Möglichkeiten im Interesse meines großen Klientenkreises vor – in irgendeiner Weise gehandicapt oder beeinträchtigt werde, die Interessen der so vielen Menschen hier vor dem Gericht zu vertreten.

VORSITZENDER: Wir sind uns dessen bewußt, doch scheint dies für die Frage, ob die rechtlichen Erörterungen bis nach dem Beweisvortrag verschoben werden sollen, nicht wesentlich zu sein. Die Tatsache, daß Sie Millionen von Menschen zu vertreten haben, hat nichts mit der Frage zu tun, ob rechtliche Erörterungen vor, während oder nach dem Beweisvortrag stattfinden sollen. Was ich Sie frage, ist: Haben Sie irgendeinen Einwand dagegen, daß die rechtlichen Erörterungen nach Vorlage des Beweismaterials stattfinden?

RA. BÖHM: Ich habe gegen diesen Vorschlag nichts einzuwenden, wenn er meine Verteidigung in keiner Weise beeinträchtigt.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich jetzt vertagen.