[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]
Nachmittagssitzung.
OBERST STOREY: Hoher Gerichtshof! Wir haben die Photokopie, die wir heute Morgen zum Beweis vorlegten, durch eine vergrößerte Tafel ersetzt. Eine andere Tatsache, auf die ich die Aufmerksamkeit des Hohen Gerichtshofs lenken möchte, ist der Umstand, daß die andere Tafel, ich meine die große Tafel, aus dem Jahre 1945 stammt und daher den Namen des Angeklagten Heß nicht zeigt, weil er 1941 nach England geflogen ist. Es soll daran erinnert werden, daß der Angeklagte Heß vor Bormann diese. Stellung unmittelbar unter dem Führer in der Organisation der Partei innegehabt hat.
Wir gehen nun zu den Hoheitsträgern über. Die Hoheitsträger sind, abgesehen von dem Text, auf dieser Tafel sehr gut zu erkennen. Alle jene die im schwarzen Felde erscheinen, stellen Hoheitsträger dar, angefangen vom Führer, die senkrechte Spalte hinunter bis zum Blockleiter.
Innerhalb des Korps der Politischen Leiter der Nazi-Partei besaßen bestimmte Politische Leiter einen höheren Grad von Verantwortung als andere; sie waren mit besonderen Vorrechten ausgestattet. Sie bildeten eine besondere Elitegruppe in der Nazi-Hierarchie. Es waren die sogenannten »Hoheitsträger«, die die Partei innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs, einem Teil der Hoheit, wie ich verstehe, dem sogenannten Hoheitsgebiet, vertraten. Ich lese nun von Seite 9 der englischen Übersetzung des Dokuments 1893-PS:
»Innerhalb der Politischen Leiter nehmen die Hoheitsträger eine Sonderstellung ein. Im Gegensatz zu den übrigen Politischen Leitern, die fachliche Aufgaben zu bearbeiten haben..., leiten letztere räumliches Gebiet, welches Hoheitsgebiet genannt wird:
Hoheitsträger sind: Der Führer, die Gauleiter, die Kreisleiter, die Ortsgruppenleiter, die Zellenleiter, die Blockleiter.
Hoheitsgebiete sind: Das Reich, die Gaue, die Kreise, die Ortsgruppen, die Zellen, die Blocks.
Den Hoheitsträgern ist für ihr Hoheitsgebiet das politische Hoheitsrecht übertragen. Sie vertreten in ihrem Bereich die Partei nach innen und außen und sind verantwortlich für die gesamtpolitische Lage in ihrem Hoheitsgebiet. Die Hoheitsträger üben die allgemeine Dienstaufsicht über alle ihnen nachgeordneten Parteidienststellen aus und sind für die Aufrechterhaltung der Disziplin in ihrem Bereich verantwortlich. Die Leiter der Ämter usw. und der angeschlossenen Verbände sind ihrerseits... insbesondere dem zuständigen Hoheitsträger für die ihnen übertragenen Aufgabengebiete verantwortlich. Die Hoheitsträger sind Vorgesetzte aller Politischen Leiter, Walter usw. ihres Hoheitsgebietes. Auf personellem Gebiet sind die Hoheitsträger... mit besonderen Befugnissen ausgestattet. ... Die Hoheitsträger der Partei sollen keine Verwaltungsbeamten... sein, sondern sich in dauernder lebendiger Fühlungnahme mit den Politischen Leitern und der Bevölkerung ihres Bereiches befinden. Die Hoheitsträger sind verantwortlich für eine ordnungsgemäße und gute Betreuung aller Volksgenossen in ihrem Hoheitsbereich. ...
Es ist die Absicht der Partei, zu erreichen, daß der einzelne Volksgenosse und die Volksgenossin... den Weg zur Partei findet...«
Der besondere Charakter der als Hoheitsträger bezeichneten Politischen Leiter, und ihr Bestand und Wirken als bestimmbare Gruppe ergibt sich aus der Zeitschrift »Der Hoheitsträger«, die laut Vorschrift des Reichsorganisationsleiters nur an Hoheitsträger und bestimmte andere Politische Leiter verteilt wurde. Ich möchte vom offiziellen Text abgehen und mich auf Nummer 2660-PS, Beweisstück US-325, beziehen. Ich möchte dem Hohen Gerichtshof das Heft selbst zeigen. Das ist das für die Hoheitsträger bestimmte Heft; es wurde nur in beschränktem Umfang verteilt. Ich zitiere von der Innenseite des Deckblattes der Zeitschrift vom Beginn an wie folgt:
»Der ›Hoheitsträger‹, dessen Inhalt vertraulich zu behandeln ist, dient nur der Unterrichtung der zuständigen Führer. Er darf an andere Personen nicht ausgeliehen werden.«
Darauf folgt eine Liste der Hoheitsträger und der anderen Politischen Leiter, an die die Zeitschritt geliefert werden durfte. Die Zeitschrift besagt, daß auch die folgenden Personen berechtigt waren, sie zu beziehen; ich möchte auf diese Aufzählung besonders aufmerksam machen:
»Kommandanten, Stammführer und Junker der Ordensburgen, die Reichs- und Stoßtrupp- und Gauredner der NSDAP, die Obergruppenführer und Gruppenführer der SA, SS, des NSKK, NSFK, die Obergebietsführer und Gebietsführer der HJ.«
Die Tatsache, daß es diese Zeitschrift gegeben hat, daß sie ihren Namen, von den leitenden Funktionären des Korps der Politischen Leiter ableitete, daß sie an die Elite des Führerkorps verteilt wurde, mit anderen Worten, daß ein inneres Informationsblatt durch die Befehlswege des Führerkorps bis hinunter zirkulierte, ist ein deutlicher Beweis dafür, daß das Korps der Politischen Leiter der Nazi-Partei eine Gruppe oder Organisation im Sinne des Artikels 9 des Statuts war.
Eine Prüfung des Inhalts der Zeitschrift »Der Hoheitsträger« zeigt, daß das Korps der Politischen Leiter der Nazi-Partei sich ständig mit Maßnahmen und Lehren befaßte, die im Verlauf der unter Anklage gestellten Verschwörung zur Anwendung kamen. Ich möchte den Gerichtshof nicht mit einer erschöpfenden Aufzählung dieser Dinge ermüden, noch das Protokoll damit belasten. Es mag jedoch zur Klarstellung der Pläne und der Politik dieser inneren Elite des Führerkorps dienen, wenn ich den Inhalt einiger Artikel, die in verschiedenen Nummern des »Hoheitsträgers« in der Zeit von Februar 1937 bis Oktober 1938 veröffentlicht worden sind, und die darin vertretenen Anschauungen herausgreife. Es waren: Verleumderische antisemitische Artikel, Angriffe gegen den Katholizismus, die christliche Religion und den Klerus, die Forderung nach motorisierter Rüstung, die dringende Forderung nach erweitertem Lebensraum und Kolonien, ständige Angriffe gegen den Völkerbund, die Verwendung der Blocks und Zellen zur Erzielung günstiger Parteiwahlergebnisse, die enge Verbundenheit zwischen Wehrmacht und politischer Führung, die Rassentheorien des Faschismus, der Kult des Führerprinzips, die Rolle der Gaue, Ortsgruppen und Zellen bei der Ausdehnung Deutschlands und andere verwandte Fragen, die sämtlich Elemente und auf der Parteilehre beruhende Verfahrensmaßnahmen zur Durchführung der von der Anklageschrift beschriebenen Verschwörung darstellten.
Die Politischen Leiter waren nach dem Führergrundsatz organisiert. Ich zitiere aus dem Dokument 1893-PS; Absatz 4, auf Seite 2 unten und Seite 3 oben:
»Grundlage der Organisation der Partei ist der Führergedanke. Die Allgemeinheit kann sich nicht selbst regieren, weder mittel- noch unmittelbar. ... Alle Politischen Leiter gelten als vom Führer ernannt und sind ihm verantwortlich, sie genießen nach unten volle Autorität. ... Nur wer durch die Schule der Kleinarbeit in un serer Partei gegangen ist, darf bei entsprechender Eignung Anspruch auf höhere Führerämter erheben. Wir können nur Führer brauchen, die von der Pike auf gedient haben. Jeder Politische Leiter, der von diesem Grundsatz abweicht, soll entfernt werden oder zur Ausbildung an die unteren Arbeitsgebiete (als Blockleiter, Zellenleiter) zurückverwiesen. werden.
Der Politische Leiter ist kein Beamter, sondern immer der politische Beauftragte des Führers. ... Mit dem Politischen Leiter bauen wir die politische Führung im Staate auf. ... Der Typ des Politischen Leiters ist nicht charakterisiert durch das Amt, das er ausübt: Es gibt keinen Politischen Leiter der NSBO usw., sondern es gibt nur den Politischen Leiter der NSDAP.«
Jeder Politische Leiter wurde jährlich vereidigt. Dem Parteihandbuch zufolge lautete der Eid wie folgt, ich zitiere vom zweiten Absatz auf Seite 3 des Dokuments 1893-PS:
»Ich schwöre Adolf Hitler unverbrüchliche Treue. Ich schwöre ihm und den Führern, die er mir bestimmt, unbedingten Gehorsam.«
Das Organisationsbuch der NSDAP enthält ferner folgende Bestimmung; und ich zitiere von Seite 3, Absatz 4 des gleichen Dokuments:
»Der Politische Leiter fühlt sich unlöslich mit dem Gedankengut und der Organisation der NSDAP verbunden. Der Eid erlischt nur durch Tod des Vereidigten oder bei Ausstoßung aus der nationalsozialistischen Gemeinschaft.«
Ernennung politischer Führer: Über die Ernennung der politischen Führer, die das Korps der Politischen Leiter der Partei bildeten, zitiere ich von Seite 4 des Organisationsbuchs, Dokument 1893-PS:
»1. Der Führer vollzieht die Ernennungen folgender Politischer Leiter:
a) Reichsleiter und alle Politischen Leiter, einschließlich Frauenschaftsleiterinnen in der Reichsleitung,
b) Gauleiter bis einschl. Leiter eines Amtes der Gauleitung, sowie die Gau-Frauenschaftsleiterinnen,
c) Kreisleiter.
2. Der Gauleiter ernennt:
a) Die Politischen Leiter und die Frauenschaftsleiterinnen der Gauleitung...
b) Die Politischen Leiter und die Frauenschaftsleiterinnen in der Kreisleitung,
c) Die Ortsgruppenleiter.
3. Der Kreisleiter ernennt: Die Politischen Leiter und die Frauenschaftsleiterinnen der Ortsgruppen, einschl. der Block-, Zellenleiter...«
Die Befugnis der Hoheitsträger, andere Parteiformationen in Anspruch zu nehmen: Die Hoheitsträger im Korps der Politischen Leiter waren berechtigt, sich an die verschiedenen Parteiorganisationen zu wenden und Sie, falls notwendig, zur Ausführung der von der Nazi-Partei verfolgten Politik in Anspruch zu nehmen. Das Handbuch der Partei enthält folgende Bestimmungen über Vollmacht und Befugnisse der Hoheitsträger, Dienste seitens der SA anzufordern; ich zitiere von Seite 11 des gleichen Dokuments 1893-PS:
»Der Hoheitsträger hat die Verantwortung für das gesamte politische Auftreten der Bewegung in seinem Bereich. Der zuständige SA-Führer ist in dieser Beziehung an die Richtlinien des Hoheitsträgers gebunden. ...
Der Hoheitsträger ist der höchste Vertreter der Partei einschließlich der Gliederungen in seinem Bereich. Er kann die SA, die sich in seinem Bereich befindet, bei dem zuständigen SA-Führer anfordern, wenn er sie zur Lösung der ihm übertragenen politischen Aufgaben benötigt. Der Hoheitsträger weist der SA den Aufgabenkreis zu. ...
Benötigt der Hoheitsträger zur Durchführung seiner Aufgaben mehr SA, als ihm örtlich zur Verfügung steht, so wendet er sich an die nächsthöhere Hoheitsstelle, die dann die SA bei der ihr gleichgeordneten SA-Dienststelle anfordert.«
Nach dem Partei-Handbuch besaß der Hoheitsträger die gleiche Befugnis, die Dienste der SS und des NSKK in Anspruch zu nehmen, wie er dies der SA gegenüber tun konnte.
Über das Recht des Hoheitsträgers, die Dienste der Hitlerjugend, der HJ, in Anspruch zu nehmen, enthält das Partei-Handbuch folgende Bestimmungen; und ich zitiere von Seite 11 den letzten Absatz der Übersetzung:
»Der Politische Leiter hat die Berechtigung, die HJ genau so wie die SA zur Durchführung seiner politi schen Aktionen anzufordern. ...
Bei der Einsetzung von HJ- und DJ-Führern hat die zuständige HJ-Dienststelle das Einverständnis des zuständigen Hoheitsträgers einzuholen. Der Hoheitsträger kann also die Einsetzung der zur Führung der Jugend unbefähigten Führer verhindern. Wird er nicht gefragt, so ist auf sein Verlangen die Einsetzung rückgängig zu machen.«
Ein Beispiel für die Verwendung von Parteiformationen auf Verlangen des Führerkorps gibt das Einschreiten des Reichsorganisationsleiters Dr. Robert Ley, das zu der beabsichtigten Auflösung der Freien Gewerkschaften am 2. Mai 1933 führte. Ich zitiere von Dokument 392-PS, US-326, eine Kopie der Anordnung des Angeklagten Ley vom 21. April 1933, die auf Seite 51 bis 52 der Zeitschrift »Das soziale Leben im neuen Deutschland« von Professor Müller wiedergegeben ist. Diese Anweisung des verstorbenen Angeklagten Ley bestimmte die Verwendung der SS und SA bei der Besetzung der Gewerkschaftshäuser und bei der Inschutzhaftnahme der Gewerkschaftsführer. Ich zitiere jetzt den Absatz 6 von Seite 1 des Dokuments 392-PS. Es ist der dritte und vierte Absatz am Ende der Seite:
»SA bzw. SS ist zur Besetzung der Gewerkschaftshäuser und der Inschutzhaftnahme der in Frage kommenden Persönlichkeiten einzusetzen. Der Gauleiter trifft seine Maßnahmen im engsten Einvernehmen mit dem zustän digen Gaubetriebszellenleiter.«
Ich zitiere auch den zweiten Absatz von Seite 2 des gleichen Dokuments:
»In Schutzhaft werden genommen alle Verbandsvorsitzenden, die Bezirkssekretäre und die Filialleiter der Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten A.G.«
Ich lege nun Dokument 2474-PS, US-327, zum Beweis vor, eine Anordnung des Angeklagten Heß als Stellvertreter des Führers vom 25. Oktober 1934, die die Machtbefugnisse der Hoheitsträger hinsichtlich der Parteiformationen sicherte. Ich zitiere von Absatz 1, 5 und 6 auf Seite 1 des Dokuments 2474-PS, Seite 67 bis 68 der englischen Übersetzung:
»Die politische Führung innerhalb der Partei und ihre politische Vertretung gegenüber allen außerhalb der Partei stehenden staatlichen und sonstigen Stellen liegt einzig und allein bei ihren Hoheitsträgern, also bei mir, den Gauleitern, Kreisleitern und Ortsgruppenleitern. ... Die Sachbearbeiter der PO, wie Reichsleiter, Amtsleiter usw. sowie Führer der SA, SS, HJ und der unterstellten Verbände, dürfen verbindliche Abmachungen politischer Natur nur mit staatlichen und anderen Stellen nur mit Vollmacht der zuständigen Hoheitsträger treffen.
Dort, wo sich die Bereiche der Einheiten der SA, SS, HJ und der unterstellten Verbände nicht mit den Bereichen der Hoheitsträger decken, hat der Hoheitsträger seine politischen Anweisungen an den dienstältesten Führer jeder Einheit in seinem Hoheitsbereich zu erteilen.«
Es war die offizielle Politik des Führerkorps, enge Beziehungen der Zusammenarbeit mit der Gestapo herzustellen. Der Gerichtshof wird sich erinnern, daß der Chef der Deutschen Polizei und SS, Himmler, Reichsleiter auf der obersten Stufe des Korps der Politischen Leiter war. Ohne die vom Angeklagten Bormann als Stabsleiter des Stellvertreters des Führers am 26. Juni 1935 herausgegebene Anordnung zum Beweis vorzulegen, bitte ich den Gerichtshof, von dieser Anordnung amtlich Kenntnis zu nehmen; ich zitiere:
»Um eine engere Fühlungnahme zwischen allen Dienststellen der Partei und ihrer Gliederungen mit den Leitern der Geheimen Staatspolizei herbeizuführen, bittet der Stellvertreter des Führers, künftig die Leiter der Geheimen Staatspolizei zu allen größeren offiziellen Veranstaltungen der Partei und ihrer Gliederungen einzuladen.«
Es ist Seite 143 der Ausgabe von 1935: Anordnungen des Stellvertreters des Führers, eine Anordnung vom 26. Juni 1935.
Mit Bezug auf die Versammlungen und Konferenzen unter den Hoheitsträgern des Führerkorps behauptet, die Anklage, daß die Mitglieder des Korps der Politischen Leiter eine ganz bestimmte und genau umschriebene Gruppe bildeten. Dies wird stark durch die Tatsache unterstrichen, daß die verschiedenen Hoheitsträger periodisch zusammenkommen und beraten mußten, und zwar nicht allein mit den Stabsfunktionären ihres eigenen Stabes, sondern auch mit den politischen Führern und Stabsfunktionären, die diesen unmittelbar untergeordnet waren. So war zum Beispiel der Gauleiter verpflichtet, mit seinen Stabsfunktionären, das heißt seinem Stellvertreter, dem Schulungsleiter, Propagandaleiter, Presseleiter und Gaurichter und so weiter, alle acht bis vierzehn Tage zu beraten. Weiter mußte der Gauleiter alle drei Monate eine dreitägige Zusammenkunft mit den ihm unterstellten Gauleitungsfunktionären abhalten, um Politik und Weisungen der Nazi-Partei zu diskutieren und zu klären, um grundlegende Vorlesungen über Parteipolitik zu hören und Informationen über das laufende Parteiprogramm auszutauschen. Der Gauleiter war auch verpflichtet, mindestens einmal im Monat mit den Führern der Parteiformationen und angeschlossenen Verbände in seinem Gau, wie zum Beispiel mit den Führern der SA, SS, Hitlerjugend und anderen zusammenzukommen. Zur Unterstützung dieser Behauptungen zitiere ich von Seite 8 des Dokuments 1893-PS; ich glaube nicht, daß ich es vollständig verlesen muß:
»Führerbesprechung im Gau.
a) Gauleiter«
Ich möchte mit Genehmigung des Hohen Gerichtshofs dieses Dokument nicht verlesen, da ich es bereits in meinen früheren Ausführungen zusammengefaßt habe. Ich möchte nur den Unterabsatz d verlesen:
»Der Hoheitsträger trifft sich mindestens einmal im Monat mit den in seinem Amtsbereich zuständigen SA-, SS-, NSKK-, HJ- sowie Reichsarbeitsdienst- und NSFK-Führern, um sich gegenseitig zu unterrichten.«
Das Organisationsbuch der Partei verlangt auch von allen anderen Hoheitsträgern, einschließlich Kreisleitern, Ortsgruppenleitern, Zellenleitern und Blockleitern periodische Versammlungen und Besprechungen.
Die klare Folge dieser regelmäßigen Pflichtbesprechungen und Versammlungen aller Hoheitsträger sowohl mit ihren Stabsfunktionären als mit den Politischen Leitern und den diesen untergeordneten Stabsfunktionären war, daß die grundlegende Nazi-Politik und die von Hitler und dem Chef der Parteikanzlei, dem Angeklagten Martin Bormann, ausgegebenen Anordnungen unmittelbar durch die Befehlskette der Hoheitsträger, und die Verwaltungsvorschriften, die von den verschiedenen Reichsleitern und Trägem von Reichsämtern ausgegeben wurden, durch Verwaltungs- und Fachkanäle sicherlich an die Masse der Mitglieder des Korps der Politischen Leiter gelangten und von diesen richtig verstanden wurden.
Ich möchte nun vom Text abgehen und Ihre Aufmerksamkeit auf diese Tafel lenken. Sie werden sehen, daß die punktierten Linien von der Parteistufe hinab über die Gaustufe zu ähnlichen Ämtern auf den niedrigeren Stufen führen.
Ich komme nun zu den statistischen Zahlen über das Korps der Politischen Leiter der Nazi-Partei und zu den Beweisen über den Umfang des Führerkorps. Wie bereits gezeigt, umfaßte das Korps der Politischen Leiter neben Hitler und den Mitgliedern der Reichsleitung, wie den Reichsleitern und den Trägem von Reichsämtern eine ganze Hierarchie von Hoheitsträgern, die ich beschrieben habe, und ebenso die Stabsfunktionäre, die den Hoheitsträgern beigegeben waren. Ich lege jetzt Dokument 2958-PS, US-325, vor, Nummer 8 des Jahrgangs 1939 der amtlichen Zeitschrift des Korps der Politischen Leiter »Der Hoheitsträger«. Aus diesem Dokument, das dem vorher gezeigten ähnlich ist, ersehen wir, daß 1939 folgende Organisationen bestanden: 40 Gaue und ein Auslandsgau, jeder von einem Gauleiter geführt, das sind 41, 808 Kreisleiter, 28376 Ortsgruppenleiter, 89378 Zellenleiter und 463048 Blockleiter.
Wie aus dem bereits vorgelegten Beweismaterial hervorgeht, setzte sich das Korps der Politischen Leiter der Nazi-Partei nicht nur aus den Hoheitsträgern, sondern auch aus Stabsfunktionären und Amtsträgern zusammen, die den Hoheitsträgern beigegeben waren. Der Gauleiter zum Beispiel wurde unterstützt von einem Stellvertreter, einigen Gauinspekteuren und einem Stab, der in Hauptämter und Ämter, wie Gaustabsamt, Schatzamt, Erziehungsamt, Propagandaamt, Presseamt, Amt für Universitätslehrer, Gemeindepolitik und so weiter zerfiel. Wie bereits gezeigt, wiederholte sich die Ämter-Struktur des Gaues in den unteren Stufen des Führerkorps, wie Kreis, Ortsgruppe und so weiter. Die Kreise und kleineren Bezirke der Partei hatten ebenfalls Stabsämter, die sich mit den verschiedenen Tätigkeiten des Führerkorps befaßten. Natürlich verringerte sich die Bedeutung und die Anzahl solcher Stabsämter, je niedriger sie in der Hierarchie standen, so daß, während der Stab des Kreisleiters über alle oder fast alle für den Gau genannten Abteilungen verfügte, die Ortsgruppe weniger und die ihr untergeordneten Einheiten noch weniger Abteilungen besaßen.
Genaue Angaben über die Gesamtzahl der Stabsfunktionäre, die von den Hoheitsträgern und Politischen Leitern selbst zu unterscheiden, sind, wurden nicht gefunden.
Was Umfang und Zusammensetzung des Korps der Politischen Leiter der Nazi-Partei angeht, ist die Anklagevertretung der Ansicht, die sie auch dem Hohen Gerichtshof zur Annahme vorschlägt, daß bei der Abgrenzung des Korps der Politischen Leiter Stabsfunktionäre nur bis einschließlich zum Kreis hinunter einbezogen werden sollten. Auf dieser Grundlage bestand das Korps der Politischen Leiter der Nazi-Partei aus dem Führer, den Mitgliedern der Reichsleitung, den fünf Stufen der Hoheitsträger und den Staatsfunktionären, die den ungefähr 40 Gauleitern und 800 oder 900 Kreisleitern beigegeben waren. Wenn wir diese Begriffsbestimmung für das Korps der Politischen Leiter annehmen, finden wir, daß die Gesamtzahl der Mitglieder des Korps der Politischen Leiter gemäß der Statistik aus dem grundlegenden Partei- Handbuch für Deutschland ungefähr 600000 betrug. Wenn wir die Stabsfunktionäre der niedrigeren Stufen ausnehmen, wie es in der Anklageschrift vorgesehen ist und wie wir eben ausgeführt haben, dürfte die Zahl von 600000 ungefähr genau sein. Ohne die eventuellen späteren Einzelverfolgungen von Personen, die ausgenommen worden sind, einzurechnen, halten wir die Zahl von rund 600000 für ungefähr richtig.
Es ist wahr, daß diese Zahl auf einem zugegebenerweise eng begrenzten Überblick über den Umfang der Mitglieder des Führerkorps der Nazi-Partei beruht, denn die Beweise haben ergeben, daß das Korps der Politischen Leiter in Wirklichkeit auch Stabsfunktionäre der untergeordneten Hoheitsträger einschloß. Wenn wir vorgeschlagen hätten, auch diese Stabsfunktionäre in die Schätzung des Umfangs des Führerkorps einzubeziehen, so würde dies das Führerkorps bedeutend vergrößert haben. Bei Einschluß der Stabsfunktionäre bis hinunter zum Blockleiter würde sich eine Endziffer von rund zwei Millionen ergeben.
MR. FRANCIS BIDDLE, MITGLIED DES GERICHTSHOFS FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Welcher Grund besteht dafür, sie auszuschließen?
OBERST STOREY: Hoher Gerichtshof! Das geschieht aus folgendem Grund: eine Person auf der niedrigsten Stufe eines Blockleiters mag wohl den Dienst eines einzelnen Mitarbeiters beansprucht haben, der zu seinem Stab gehörte, er hatte jedoch sicherlich nicht die Macht, wie sie zum Beispiel ein Stabsleiter oder Gauleiter hatte, der, sagen wir, als Propagandamann Informationen hinunterzugeben hatte oder bei der Ausarbeitung der Pläne und der Politik der höheren Organisation mitwirkte.
Die untergeordneten Stabsfunktionäre, die wir also ausschließen, waren in ihrer Tätigkeit den höheren Stabsfunktionären hinsichtlich ihrer besonderen Aufgaben, wie Propaganda, Parteiorganisation und so weiter verantwortlich, sowie den entsprechenden Hoheitsträgern hinsichtlich Disziplin und Kontrolle der Politik. Auch waren diese höheren Stabsfunktionäre, wie schon erwähnt, mitbeteiligt am Entwurf der Pläne und der Politik und gaben diese Politik über die technischen Unterstufen oder technischen Kanäle weiter im Gegensatz zu den untergeordneten Personen, die nur Befehle weitergaben.
Der nächste Punkt lautet folgendermaßen: Das Führerkorps der NSDAP nahm an dem gemeinsamen Plan und an der Verschwörung teil.
Das von Hitler am 24. 2. 1920 proklamierte Parteiprogramm enthielt die Hauptelemente des Nazi-Planes zur Beherrschung und Eroberung. Ich zitiere jetzt aus Dokument 1708-PS, dem Jahrbuch von 1941, veröffentlicht von der Partei und herausgegeben von dem verstorbenen Robert Ley. Dieses Buch, das ich nun als Beweisstück US-255 vorlege, enthält die berühmten 25 Punkte der Partei. Ich beabsichtige nicht, von meinem Text abweichend, alle fünfundzwanzig Parteiziele zu zitieren, ich möchte vielmehr nur auf einige von ihnen verweisen. Ich zitiere von Seite 1 der englischen Übersetzung des Dokuments 1708-PS, Punkt 1:
»Wir fordern den Zusammenschluß aller Deutschen auf Grund des Selbstbestimmungsrechts der Völker zu einem Großdeutschland.«
Punkt 2 dieses Programms forderte einseitige Aufhebung der Friedensverträge von Versailles und St. Germain. Ich zitiere:
»Wir fordern die Gleichberechtigung des deutschen Volkes gegenüber den anderen Nationen, Aufhebung der Friedensverträge von Versailles und St. Germain.«
Punkt 3:
»Wir fordern Land und Boden (Kolonien) zur Ernährung unseres Volkes und Ansiedlung unseres Bevölkerungsüberschusses.«
Punkt 4:
»Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist, Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksicht auf Konfession. Kein Jude kann daher ›Volksgenosse‹ sein.«
Punkt 6:
»Das Recht, über Führung und Gesetze des Staates zu bestimmen, darf nur dem Staatsbürger zustehen. Daher fordern wir, daß jedes öffentliche Amt, gleichgültig welcher Art, ob in Reich, Land oder Gemeinde nur von Staatsbürgern bekleidet werden darf. Wir bekämpfen die korrumpierende Parlamentswirtschaft, eine Stellenbesetzung nur nach Parteigesichtspunkten, ohne Rücksicht auf Charakter und Fähigkeiten.«
Punkt 22 auf Seite 2 der englischen Übersetzung des Dokuments 1708-PS:
»Wir fordern die Abschaffung der Söldnertruppe und die Bildung eines Volksheeres.«
Und zurück zu Seite 1, ich zitiere weiter:
»Das Programm ist das politische Fundament der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und damit das politische Grundgesetz des Staates. ...
Alle Gesetzesvorschriften müssen im Geiste des Parteiprogramms angewendet werden.
Seit der Machtübernahme ist es dem Führer gelungen, wesentliche Teile des Parteiprogramms über das Grundsätzliche hinaus bis in Einzelheiten hinein zu verwirklichen.
Das Parteiprogramm der NSDAP ist am 24. Februar 1920 von Adolf Hitler auf der ersten großen Parteiversammlung in München verkündet worden und ist seit diesem Tage unverändert geblieben. In ihm ist die nationalsozialistische Weltanschauung in 25 Punkten zusammengefaßt.«
Wie bereits gesagt, war das Parteiprogramm für die Politischen Leiter bindend, und sie waren verpflichtet, dieses Programm auszuführen und es zu unterstützen.
Das Partei-Handbuch bestimmt, und ich zitiere noch einmal von Seite 1, Mitte des Dokuments 1893-PS:
»Die Gebote des Nationalsozialisten:
Der Führer hat immer recht!...
Das Programm sei dir Dogma; es fordert von dir äußerste Hingabe an die Bewegung!...
Recht ist, was der Bewegung und damit Deutschland... nützt!«
Ich zitiere nur kurz von Seite 2 desselben Dokuments:
»Dieses Führerkorps ist für die restlose Durchdringung des deutschen Volkes im nationalsozialistischen Geist... verantwortlich.«
Der von den Politischen Leitern Hitler zu leistende Eid wurde schon erwähnt. In diesem Zusammenhang sagt das Handbuch der Partei, und ich zitiere vom zweiten Absatz, Seite 3 desselben Dokuments:
»Der Politische Leiter fühlt sich unlöslich mit dem Gedankengut und der Organisation der NSDAP verbunden. Der Eid erlischt nur durch Tod des Vereidigten oder bei Ausstoßung aus der nationalsozialistischen Gemeinschaft.«
Während das Führerprinzip die bindende Kraft der Erklärungen Hitlers, seines Programms und seiner Politik der ganzen Partei und dem Korps der Politischen Leiter gegenüber sicherte, machte dieses Führerprinzip auch jeden einzelnen Politischen Leiter in seinem Bezirk im Bereich seiner Tätigkeit und seines Amtes voll verantwortlich.
Das Führerprinzip galt nicht nur gegenüber Hitler als dem obersten Führer, sondern auch gegenüber den Politischen Leitern unter ihm und durchdrang so das ganze Führerkorps. Ich zitiere von der Mitte der Seite 2 des Dokuments 1893-PS:
»Die Grundlage der Organisation der Partei ist der Führergedanke. ... Alle Politischen Leiter gelten als vom Führer ernannt und sind ihm verantwortlich, sie genießen nach unten volle Autorität.«
Die verschiedenen Hoheitsträger des Führerkorps waren in ihren Gebieten selbst Führer. Ich zitiere Seite 9 von Absatz 3 desselben Dokuments:
»Den Hoheitsträgern ist für ihr Hoheitsgebiet das politische Hoheitsrecht übertragen. Sie... sind verantwortlich für die gesamtpolitische Lage in ihrem Hoheitsgebiet.«
Ich verweise erneut auf Dokument 1814-PS, US- 328, das Handbuch der Partei. Ich zitiere daraus nur einen Satz, der lautet:
»Die Partei ist vom Führer geschaffen worden...«
Die Unterordnung aller Mitglieder des Führerkorps unter das Führerprinzip ist klar ersichtlich aus folgender Stelle des Partei-Handbuchs, Seite 3 desselben Dokuments:
»Dadurch ist eine feste Verankerung aller Organisationen in das Parteigefüge gegeben und in allen Hoheitsgebieten eine feste und dem nationalsozialistischen Führerprinzip entsprechende Verbindung mit den Hoheitsträgern der NSDAP geschaffen.«
Das nächste Thema heißt: Die Nazi-Partei, geführt vom Korps der Politischen Leiter, beherrschte und kontrollierte den Deutschen Staat und die Regierung.
Der Anklageschriftsatz, der den verbrecherischen Charakter des Reichskabinetts behandelt, bringt das Beweismaterial über die Person verschiedener Minister des Kabinetts; ich werde mich mit diesem Gegenstand nicht befassen.
Die Anwesenheit der Reichsleiter und anderer hervorragender Mitglieder des Korps der Politischen Leiter im Kabinett erleichterte die Beherrschung des Kabinetts durch die Nazi-Partei und das Korps der Politischen Leiter.
Ich lasse den nächsten Absatz bis zum Gesetz vom 14. Juli 1933 aus.
Ein Gesetz vom 14. Juli 1933 erklärte die Bildung anderer politischer Parteien außer der Nazi-Partei für ungesetzlich und verbot sie; es erklärte die Verletzung dieses Gesetzes zu einer strafbaren Handlung und schuf damit das Einparteiensystem und eine Immunität zu Gunsten des Korps der Politischen Leiter gegenüber der Opposition organisierter politischer Gruppen.
Ich zitiere aus Dokument 1388-PS der englischen Übersetzung des »Gesetzes gegen die Neubildung von Parteien«, Reichsgesetzblatt 1933, Teil I, Seite 479; ich lese die ersten beiden Paragraphen dieses Gesetzes, die lauten:
»In Deutschland besteht als einzige politische Partei die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Wer es unternimmt, den organisatorischen Zusammenhalt einer anderen politischen Partei aufrechtzuerhalten oder eine neue politische Partei zu bilden, wird, sofern nicht die Tat nach anderen Vorschriften mit einer höheren Strafe bedroht ist, mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis von sechs Monaten bis zu drei Jahren bestraft.«
Ich überspringe den nächsten Absatz.
Ich berufe mich nun auf Dokument 1398-PS der englischen Übersetzung des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, datiert vom 20. Juli 1933, Reichsgesetzblatt 1933, Teil I, Seite 518.
Am 13. Oktober 1933 wurde ein »Gesetz zur Gewährleistung des Rechtsfriedens« erlassen, das unter anderem die Todesstrafe oder andere schwere Bestrafung für jene Personen vorsah, die es unternahmen, »... einen Angehörigen... der Sturmabteilungen, der Schutzstaffeln der NSDAP, einen Amtswalter der NSDAP... aus politischen Beweggründen oder wegen ihrer amtlichen... Tätigkeit zu töten...«; 1394-PS.
VORSITZENDER: Wo steht das, was Sie gelesen haben, 1398-PS?
OBERST STOREY: Ja, Herr Vorsitzender, 1398-PS. Ich bin im Irrtum, es ist 1394-PS unmittelbar vorangehend.
VORSITZENDER: Welchen Artikel haben Sie vorgelesen?
OBERST STOREY: Ich fürchte, ich habe die Bezugstelle nicht, aber hier ist das Zitat; ich glaube, es befindet sich auf dieser Seite Gesetz zur Gewährleistung des Rechtsfriedens. Es ist Artikel 2, glaube ich, – Absatz 2, Artikel 1.
Ich verweise nun auf Dokument 1395-PS, die englische Übersetzung des Gesetzes zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom 1. Dezember 1933. Das Gesetz wurde erlassen, um die Einheit von Partei und Staat zu sichern. Es bestimmt, daß die Partei Träger des deutschen Staatsgedankens und mit dem Staat unlöslich verbunden sein solle. Es machte den Stellvertreter des Führers, damals Heß, und den Stabschef der SA, damals Röhm, zu Mitgliedern der Reichsregierung. Ich zitiere:
»Nach dem Sieg der nationalsozialistischen Revolution ist die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei die Trägerin des deutschen Staatsgedankens und mit dem Staat unlöslich verbunden. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.« Ihre Satzung bestimmt der Führer. »... Zur Gewährleistung engster Zusammenarbeit der Dienststellen der Partei und der SA mit den öffentlichen Behörden werden der Stellvertreter des Führers und der Chef des Stabes der SA Mitglieder der Reichsregierung.«
Dieses Gesetz war eine grundlegende Maßnahme, um das Korps der Politischen Leiter an die Stelle höchster politischer Macht in Deutschland zu setzen. Denn es bestimmte, daß die Partei, geleitet vom Korps der Politischen Leiter, den Staat verkörperte und in Wirklichkeit der Staat war. Darüber hinaus ernannte dieses Gesetz den Stellvertreter des Führers und den Stabschef der SA, welche als Parteiorganisation unter der Befehlsgewalt der Hoheitsträger standen, zu Mitgliedern der Reichsregierung und befestigte auf diese Weise die Kontrolle des Korps der Politischen Leiter über das Kabinett noch stärker. Die beherrschende Stellung des Korps der Politischen Leiter ist auch aus der Bestimmung ersichtlich, daß der Reichskanzler die Ausführungsbestimmungen zu diesem Gesetz in seiner Eigenschaft als Führer der Nazi- Partei erließ. Die Tatsache, daß Hitler als Leiter des Führerkorps der Nazi-Partei Vorschriften erlassen konnte, die Gesetzeskraft hatten und im Reichsgesetzblatt, der für staatliche Anordnungen bestimmten offiziellen Sammlung, veröffentlicht wurden, ist nur ein weiterer Beweis für die tatsächliche Herrschaft der Partei über den Deutschen Staat.
Ich verweise nun auf das Dokument 2775-PS, US- 330, die englische Übersetzung einiger Auszüge aus Hitlers Reden auf den Parteitagen 1934 und 1935 in Nürnberg. Ich zitiere aus dem zweiten Auszug, Dokument 2775-PS, einer Erklärung Hitlers auf dem Parteitag 1934, einen einzigen Satz, wie folgt:
»Nicht der Staat befiehlt uns, sondern wir befehlen dem Staat.«
Die Beweiskraft dieser kategorischen Erklärung des Führers des Korps der Politischen Leiter, in der die Vorherrschaft der Partei über den Staat bestätigt wird, kann nicht bestritten werden.
Am 30. Juni 1934 leitete Hitler als Führer der Nazi-Partei das Massaker von Hunderten von SA- Männern und anderen politischen Gegnern. Hitler trachtete, diese Massenmorde zu rechtfertigen, indem er im Reichstag erklärte:
»In dieser Stunde war ich verantwortlich für das Schicksal der deutschen Nation, und damit war des deutschen Volkes Oberster Gerichtsherr... ich selbst.«
Das Beweismaterial für diese Geschehnisse wird zu einem späteren Zeitpunkt im Zusammenhang mit dem Vorbringen gegen die SA vorgelegt werden.
Am 3. Juli 1934 erließ das Kabinett ein Gesetz, in dem die Morde und das Blutbad vom 30. Juni 1934 tatsächlich als berechtigte Staatsnotwehr dargestellt wurden. Mit diesem Gesetz machte das Reichskabinett sich selbst zum Teilnehmer an diesen Morden nach der Tat. Die Beherrschung durch die Partei verwandelte diese kriminelle Handlung Hitlers und seiner höchsten Parteiführer in eine mit der politischen Realität übereinstimmende staatliche Maßnahme. Ich beziehe mich auf Dokument 2057-PS, der englischen Übersetzung des Gesetzes über Maßnahmen der Staatsnotwehr vom 3. Juli 1934, Reichsgesetzblatt 1934, Teil I, Seite 529. Ich zitiere den einzigen Artikel dieses Gesetzes, der sich noch immer auf die blutige Säuberung bezieht und lautet:
»Die zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe am 30. Juni, 1. und 2. Juli 1934 vollzogenen Maßnahmen sind als Staatsnotwehr rechtens.«
Am 12. Juli 1934 wurde ein Gesetz erlassen, das die Aufgaben der Akademie für Deutsches Recht festlegt. Ich verweise auf 1391-PS, eine englische Übersetzung der Satzung der Akademie für Deutsches Recht vom 12. Juli 1934, Reichsgesetzblatt 1934, Teil I, Seite 605 und 606:
»Die Akademie für Deutsches Recht hat die Aufgabe,... in enger dauernder Verbindung mit den für die Gesetzgebung zuständigen Stellen das nationalsozialistische Programm auf dem gesamten Gebiete des Rechts zu verwirklichen.«
Am 30. Januar 1933 wurde Hitler, der Führer der Nazi-Partei und des Korps der Polnischen Leiter, zum Reichskanzler ernannt. Als Präsident von Hindenburg 1934 starb, vereinigte der Führer in seiner Person die Ämter des Reichskanzlers und des Reichspräsidenten. Ohne aus dem Dokument zu zitieren, nehme ich Bezug auf Dokument 2003-PS, das diese Tatsache feststellt. Es ist Reichsgesetzblatt 1934, Teil I, Seite 747.
Mit Gesetz vom 20. Dezember 1934 wurde Parteiuniformen und Parteieinrichtungen der gleiche Schutz gewährt, wie denen des Staates. Dieses Gesetz hieß: »Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen.« Dieses Gesetz sieht schwere Strafen für alle Personen vor, die falsche Behauptungen abgeben, geeignet, das Wohl und Ansehen der Partei oder ihrer Dienststellen zu gefährden. Es schreibt Gefängnisstrafen für jene vor, die gehässige oder hetzerische Äußerungen über leitende Persönlichkeiten der Nazi-Partei verbreiten, und Zuchthaus für das unerlaubte Tragen von Parteiuniformen oder -abzeichen. Ich verweise, ohne zu zitieren, erneut auf Dokument 1393-PS, die englische Übersetzung, die dafür Quelle ist.
Mit Gesetz vom 15. September 1935 wurde schließlich die Hakenkreuzfahne der Partei zur amtlichen Fahne des Reiches erklärt. Ich verweise auf Dokument 2079-PS, die englische Übersetzung des Reichsflaggengesetzes, Reichsgesetzblatt 1935, Teil I, Seite 1145. Ich zitiere nur einen Satz:
»Reichs- und National-Flagge ist die Hakenkreuzflagge.«
Das Hakenkreuz war Fahne und Symbol des Korps der Politischen Leiter der Partei. Kraft Gesetzes wurde es zur Staatsflagge erklärt, womit man anerkannte, daß die Partei und ihr politisches Führerkorps die obersten Hoheitsgewalten in Deutschland waren.
Am 23. April 1936 erging ein Gesetz, das »Straffreiheit gewährt für Straftaten, zu denen sich der Täter durch Übereifer im Kampf hat hinreißen lassen«. Ich berufe mich auf Dokument 1386-PS, die englische Übersetzung des Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit vom 23. April 1936, Reichsgesetzblatt 1936, Teil I, Seite 378.
In Förderung der Verschwörung zur Erlangung der totalen Kontrolle über das deutsche Volk erging am 1. Dezember 1936 ein Gesetz, das die gesamte deutsche Jugend in der Hitlerjugend zusammenfaßte und damit die totale Mobilisierung der deutschen Jugend herbeiführte. Ich zitiere Dokument 1392-PS, das dieses Gesetz enthält, Reichsgesetzblatt 1936, Teil I, Seite 993. Nach den Bestimmungen dieses Gesetzes »wird die Aufgabe der Erziehung der gesamten deutschen Jugend in der Hitlerjugend dem Reichsjugendführer der NSDAP übertragen«. Durch dieses Gesetz kam das Monopol der Kontrolle über die gesamte deutsche Jugend in die Hände eines der obersten Funktionäre, eines Reichsleiters des Führerkorps der Nazi-Partei, nämlich des Angeklagten von Schirach.
Am 4. Februar 1938 erließ Hitler als Führer des Korps der Politischen Leiter der Nazi-Partei einen Erlaß, mit welchem er die unmittelbare Befehlsgewalt über die gesamte deutsche Wehrmacht übernahm. Ich zitiere Dokument 1915-PS, Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, Seite 111. Hitler sagte darin:
»Die Befehlsgewalt über die gesamte Wehrmacht übe ich von jetzt an unmittelbar persönlich aus.«
Auf Grund des früheren Gesetzes vom 1. August 1934 verband Hitler das Amt des Reichspräsidenten mit dem des Reichskanzlers. Im Endergebnis war Hitler also Oberbefehlshaber der Wehrmacht, Oberhaupt des Deutschen Staates und Führer der Nazi-Partei.
Dazu schreibt das Partei-Handbuch wie folgt; ich zitiere von Dokument 1893-PS, Seite 19:
»Um dieses Ziel zu erreichen, schuf der Führer die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Er erfüllte sie mit seinem Geist und seinem Willen und eroberte mit ihr am 30. Januar 1933 die staatliche Macht. Der Wille des Führers ist oberstes Gesetz der Partei. ...
Mit dem Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches vom 1. August 1934 ist das Amt des Reichspräsidenten mit dem des Reichskanzlers vereinigt worden. Infolgedessen gingen die bisherigen Befugnisse des Reichspräsidenten auf den Führer Adolf Hitler über. Durch dieses Gesetz sind Partei- und Staatsführung in eine Hand gelegt worden. Auf Wunsch des Führers wurde über das Gesetz am 19. August 1934 eine Volksabstimmung herbeigeführt. An diesem Tag hat das deutsche Volk Adolf Hitler zu seinem alleinigen Führer erkoren. Er ist nur seinem Gewissen und dem deutschen Volke verantwortlich.«
Eine Verordnung vom 16. Januar 1942 sieht vor, daß die Partei an der Gesetzgebung sowie bei der Anstellung und Beförderung von Beamten beteiligt werden soll.
Zum Beweis zitiere ich Dokument 2100-PS, die englische Übersetzung einer Verordnung zur Durchführung des Erlasses des Führers über die Stellung des Leiters der Parteikanzlei, vom 16. Januar 1942, Reichsgesetzblatt 1942, Teil I, Seite 35. Die Verordnung bestimmte, daß diese Mitwirkung ausschließlich durch den Angeklagten Bormann, den Chef der Parteikanzlei und Reichsleiter des Führerkorps, ausgeübt werden dürfe. Die Verordnung sagte, daß der Chef der Parteikanzlei an der Vorbereitung aller Gesetze und Verordnungen der Reichsbehörden, einschließlich derjenigen des Ministerrats für die Reichsverteidigung, mitzuwirken, und seine Zustimmung zu den Gesetzen der Länder und Reichsstatthalter zu geben hat. Mit den Ländern sind die deutschen Staaten gemeint. Der Schrittwechsel zwischen Staats- und Parteibehörden, ausgenommen innerhalb eines Gaues selbst, mußte durch Bormanns Hände gehen. Diese Verordnung ist von ausschlaggebender Bedeutung bei der Darstellung der dem Führerkorps übertragenen höchsten Kontrolle und Verantwortlichkeit für die Regierungspolitik und die Handlungen zur Förderung der Verschwörung.
Am oder um den 26. April 1942 erklärte Hitler in einer Rede, daß ihm als Führer der Nation, als Oberstem Befehlshaber der Wehrmacht, als Regierungschef und Führer der Partei das Recht zuerkannt werden müsse, mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln einen jeden Deutschen, gleichgültig, ob Soldat, Richter, Staatsbeamter oder Parteifunktionär, zu zwingen, seine Pflicht zu tun. Er verlangte vom Reichstag, ihm offiziell dieses von ihm behauptete Recht zu bestätigen, und am 26. April 1942 beschloß der Reichstag, die eben erwähnten Rechte des Führers in vollem Umfange anzuerkennen. Ich zitiere Dokument 1961-PS, die englische Übersetzung dieses Beschlusses, der im Reichsgesetzblatt 1942, Teil I, Seite 247, zu finden ist. Ich lese:
»Der Großdeutsche Reichstag hat in seiner Sitzung vom 26. April 1942 auf Vorschlag des Präsidenten des Reichstags, die vom Führer in seiner Rede in Anspruch genommenen Rechte einmütig durch nachfolgenden Beschluß bestätigt:
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Führer in der gegenwärtigen Zeit des Krieges, in der das deutsche Volk in einem Kampf um Sein oder Nichtsein steht, das von ihm in Anspruch genommene Recht besitzen muß, alles zu tun, was zur Erringung des Sieges dient oder dazu beiträgt. Der Führer muß daher – ohne an bestehende Rechtsvorschriften gebunden zu sein – in seiner Eigenschaft als Führer der Nation, als Oberster Befehlshaber der Wehrmacht, als Regierungschef und oberster Inhaber der vollziehenden Gewalt, als oberster Gerichtsherr und als Führer der Partei jederzeit in der Lage sein, nötigenfalls jeden Deutschen – sei er einfacher Soldat oder Offizier, niedriger oder hoher Beamter oder Richter, leitender oder dienender Funktionär der Partei, Arbeiter oder Angestellter – mit allen ihm geeignet erscheinenden Mitteln zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten und bei Verletzung dieser Pflichten nach gewissenhafter Prüfung ohne Rücksicht auf sogenannte wohlerworbene Rechte mit der ihm gebührenden Sühne zu belegen, ihn im besonderen ohne Einleitung vorgeschriebener Verfahren aus seinem Amte, aus seinem Rang und seiner Stellung zu entfernen.
Im Auftrage des Führers wird dieser Beschluß hiermit verkündet. Berlin, den 26. April 1942.«
Hitler selbst hat vielleicht am besten das wirkliche politische Wesen seines Deutschland zusammengefaßt, das der Anklage die Grundlage zu der Behauptung gab, das Korps der Politischen Leiter der Nazi- Partei und seine Unterorgane beherrschten tatsächlich den Staat. Der Kernpunkt der Lage wurde von Hitler in seiner Rede vor dem Reichstag am 20. Februar 1938 dargelegt, in der er tatsächlich feststellte, daß jede Einrichtung im Deutschen Reich dem Führerkorps der Nazi-Partei unterstehe.
Für die Behauptung der Anklage, das Korps der Politischen Leiter habe den Deutschen Staat beherrscht und trage daher die Verantwortung, zitiere ich als letztes Beweisstück das Dokument 2715-PS, Hitlers Rede vor dem Reichstag vom 20. Februar 1938, wie sie in der Zeitschrift »Das Archiv«, Band 47, Februar 1938, Seite 1441 und 1442, wiedergegeben ist. Ich zitiere einen kurzen Auszug aus Dokument 2715-PS und lege es als Beweisstück US-331 vor:
»Im Nationalsozialismus hat das deutsche Volk jene Führung erhalten, die als Partei die Nation nicht nur mobilisiert, sondern vor allem organisiert hat, und zwar so organisiert, daß auf Grund des natürlichen Prinzips der Auslese die Fortdauer einer sicheren politischen Führung für immer gewährleistet erscheint. ...
Der Nationalsozialismus... besitzt ganz Deutschland seit dem Tag, an dem ich als Reichskanzler vor fünf Jahren das Haus am Wilhelmsplatz verließ. Es gibt keine Institution in diesem Staat, die nicht nationalsozialistisch ist. Vor allem aber hat die nationalsozialistische Partei in diesen fünf Jahren nicht nur die Nation nationalsozialistisch gemacht, sondern sich auch selbst jene vollendete Organisation gegeben, die für alle Zukunft die Selbst- und Forterhaltung gewährleistet. Die größte Sicherung dieser nationalsozialistischen Revolution liegt führungsgemäß nach innen und außen in der restlosen Erfassung des Reiches und all seiner Einrichtungen und Institutionen durch die nationalsozialistische Partei. Sein Schutz der Welt gegenüber aber liegt in der neuen nationalsozialistischen Wehrmacht. ...
In diesem Reich ist jeder Nationalsozialist, der an irgendeiner verantwortlichen Stelle steht. ... Jede Institution dieses Reiches steht unter dem Befehl der obersten politischen Führung... Die Partei führt das Reich politisch und die Wehrmacht verteidigt dieses Reich militärisch. ... es gibt niemand an einer verantwortlichen Stelle in diesem Staat, der daran zweifelt, daß der autorisierte Führer dieses Reiches ich bin...«
Daß das Korps der Politischen Leiter die oberste Gewalt über den Deutschen Staat und die Regierung ausübte, wird in einem Artikel der offiziellen Zeitschrift »Der Hoheitsträger« vom Februar 1939 betont. In diesem Artikel, der an alle Hoheitsträger gerichtet war, wird dem Korps der Politischen Leiter in Erinnerung gerufen, daß es den Staat erobert habe und absolute und totale Gewalt in Deutschland besitze. Ich zitiere 3230-PS, die englische Übersetzung eines Artikels mit dem Titel »Kampf und Ordnung«. Aus diesem Artikel, der – wie ich sagen möchte – den Schlachtruf des Führerkorps im Ton eines Cäsarismus in das deutsche Leben hinaustrompetet, zitiere ich:
»Kampf? Was redet Ihr nur immer von Kampf? Ihr habt doch den Staat erobert, und wenn Euch etwas nicht gefällt, dann macht ein Gesetz und regelt es anders. Was braucht Ihr da immerzu von Kampf zu reden? Ihr habt doch jede Macht. Worum kämpft Ihr noch? Außenpolitisch? Ihr habt doch die Wehrmacht, die wird den Kampf schon führen, wenn es erforderlich ist! Innenpolitisch? Ihr habt doch die Justiz und die Polizei, die alles ändern können, was Euch nicht zusagt!«
VORSITZENDER: Wäre es Ihnen recht, jetzt zu unterbrechen?
OBERST STOREY: Ja, Herr Vorsitzender.