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[Das Gericht vertagt sich bis

19. Dezember 1945, 10.00 Uhr.]

Dreiundzwanzigster Tag.

Mittwoch, 19. Dezember 1945.

Vormittagssitzung.

DR. FRITZ SAUTER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN VON SCHIRACH: Herr Vorsitzender, gestern ist auf der Leinwand eine schematische Darstellung über die Zusammensetzung des Reichskabinetts als einer der angeklagten Organisationen gezeigt worden. Auf dieser Darstellung war unter der Bezeichnung »Andere Teilnehmer an den Kabinettssitzungen« auch der Angeklagte von Schirach aufgeführt. Der Angeklagte von Schirach hat mir nun erklärt und mich gebeten, dem Gerichtshof mitzuteilen, daß er niemals an irgendeiner Sitzung des Reichskabinetts teilgenommen hat, daß er auch niemals zum Mitglied des Reichskabinetts ernannt wurde, daß er auch niemals an einer Beschlußfassung des Reichskabinetts beteiligt war.

VORSITZENDER: Ihre Stellungnahme scheint dem Gerichtshof verfrüht. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um die Frage aufzuwerfen, ob Ihr Mandant ein Mitglied des Reichskabinetts ist oder nicht. Die Besprechung dieser Frage wird erst nach der Beweisaufnahme stattfinden, nachdem die Anklagebehörde Gelegenheit gehabt haben wird, ihre sämtlichen Beweise hinsichtlich des verbrecherischen Charakters des Reichskabinetts vorzubringen. Ihnen und den anderen Verteidigern wird später die Möglichkeit gegeben werden, ihre Argumente vorzubringen. Wir wünschen augenblicklich Beweismaterial zu hören, und keine Erörterungen über den verbrecherischen Charakter. Ist Ihnen das klar?

DR. SAUTER: Jawohl. Ich werde dann bei der Vernehmung der Zeugen auf diesen Punkt zurückkommen und beweisen, daß der Angeklagte von Schirach dem Reichskabinett niemals angehört hat. Danke sehr.

OBERST STOREY: Hoher Gerichtshof! Gestern Nachmittag hatten wir gerade damit begonnen, die Teilnahme der SA an dem ersten Punkt, der Verbreitung der nationalsozialistischen Weltanschauung oder Propaganda, zu schildern. Ich verweise dazu auf einen Artikel, der im »Der SA-Mann« auf Seite 1 der Ausgabe vom Januar 1934, Dokument 3050-PS, erschienen ist; ich beziehe mich auf Seite 25 der englischen Übersetzung; die Stelle ist rot umklammert. Die Ausgabe ist datiert vom 6. Januar 1934. Ich zitiere:

»Das neue Deutschland wäre nicht ohne den SA-Mann. Und das neue Deutschland würde nicht von Bestand sein, wollte jetzt der SA-Mann in dem Gefühl erfüllter Pflicht still und selbstlos und bescheiden beiseite treten, oder würde der neue Staat ihn gar wie den Mohren, der seine Schuldigkeit getan hat, heimschicken. Im Gegenteil steht nach dem Willen des Führers der SA-Mann als Garant der nationalsozialistischen Revolution vor den Toren der Macht und wird da stehen bleiben für alle Zeiten. Denn noch harren gewaltige Aufgaben ihrer Erfüllung, die ohne das Vorhandensein und die tätige Mitarbeit der SA nicht denkbar wäre. Was bisher erreicht worden ist, die Übernahme der Macht im Staate und die Ausschaltung der Elemente, die als Gedankenträger des Marxismus, Liberalismus und Kapitalismus die unheilvolle Entwicklung der Nachkriegsjahre zu verantworten haben, sind nur die Vorbedingung, sind nur das Sprungbrett für die wirklichen Ziele des Nationalsozialismus. In dem Bewußtsein, daß ohne die Machtübernahme Adolf Hitlers die eigentliche nationalsozialistische Aufbauarbeit ein Bauen in den luftleeren Raum sein würde, hat die Bewegung, und als ihr kämpferischer Willensträger der SA-Mann, zunächst alle Bemühungen darauf gerichtet, mit der Macht im Staate die Plattform weiteren Strebens und das Fundament für die Verwirklichung unseres Wollens zu erringen. ... Daraus ergeben sich die ferneren Aufgaben der SA zur Vollendung der deutschen Revolution.

Erstens: Garant der Macht des nationalsozialistischen Staates zu sein gegen alle Angriffe von außen wie im Innern.

Zweitens: die hohe Schule des Volkes zum gelebten Nationalsozialismus zu sein.«

Die von der SA übernommene Aufgabe, Propagandist der Partei zu sein, war mehr als eine von der SA selbst übernommene Verantwortlichkeit. Diese Verpflichtung war vielmehr in der deutschen Gesetzgebung verankert. Das Dokument 1395-PS ist eine Abschrift des Gesetzes mit dem Titel: »Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat«, das ich bereits erwähnt habe, und das im Jahre 1933 vom Reichskabinett erlassen wurde. Ich möchte den Absatz 3, auf Seite 1 der englischen Übersetzung des Dokuments verlesen:

»Den Mitgliedern der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und der SA (einschließlich der ihr unterstellten Gliederungen) als der führenden und bewegenden Kraft des nationalsozialistischen Staates obliegen erhöhte Pflichten gegenüber dem Führer, Volk und Staat.

Sie unterstehen wegen Verletzung ihrer Pflichten einer besonderen Partei- und SA-Gerichtsbarkeit.

Der Führer kann diese Bestimmungen auf die Mitglieder anderer Organisationen erstrecken.«

So waren die SA-Männer die Träger der Weltanschauung der Nazi-Partei, die Soldaten der Idee, um einen von den Nazi-Schriftstellern angewandten Ausdruck zu gebrauchen. Ich möchte ferner betonen, daß die SA das Propagandainstrument, und zwar das Hauptpropagandainstrument, war, das die Verschwörer benützten, um ihren Fanatismus in das deutsche Volk hineinzutragen.

Ich brauche wohl kaum auf die Wichtigkeit dieser Tätigkeit, die den Erfolg der Verschwörung zur Folge hatte, hinzuweisen; denn es ist selbstverständlich, daß die Nazis ihre Verschwörung nicht soweit hätten treiben können, wären die Gedanken des deutschen Volkes nicht auf so grausame und verwerfliche Weise durch ihre unheilvolle Weltanschauung beeinflußt und verpestet worden.

Ich gehe nun zu den anderen Tätigkeiten der SA über, die ich vorher erwähnt habe. Die nächste Funktion der SA im Anfangsstadium der Verschwörung ist ihre Verwendung als der »starke Arm« der NSDAP. In diesem Stadium der Bewegung schloß die Verwendung der SA als Propagandawerkzeug der Partei die gleichzeitige Anwendung von körperlicher Gewalt und von Brutalität in sich mit ein.

Hitler sagte es in »Mein Kampf«; der Auszug ist zu finden im Dokument 2760-PS, US-256, auf Seite 4 der englischen Übersetzung. Ich zitiere:

»Die junge Bewegung stand dabei vom ersten Tage an auf dem Standpunkt, daß ihre Idee geistig zu vertreten ist, daß aber der Schutz dieser Vertretung, wenn notwendig, auch durch brachiale Mittel gesichert werden muß.«

Ich lese den Schluß dieses Absatzes:

»Getreu ihrer Überzeugung von der ungeheuren Bedeutung der neuen Lehre, erscheint es ihr selbstverständlich, daß für die Erreichung dieses Zieles kein Opfer zu groß sein darf.«

In der Frühzeit der Nazi-Bewegung wurde die SA dann auch als eine Terroristengruppe mit dem Ziele benutzt, die fanatischen Gedanken der Nazis besser zu verbreiten und die Straßen zu beherrschen. Das ist lediglich eine andere Ausdrucksweise dafür, daß es eine Aufgabe der SA war, auf ihre politischen Gegner loszuschlagen und sie einzuschüchtern. Die wichtige Rolle dieser Aufgabe ergibt sich aus Dokument 2168-PS, US-411, das vom SA-Sturmführer Bayer auf Befehl der obersten SA-Führung verfaßt worden war. Ich zitiere von Seite 3 des Dokuments den dritten Absatz von unten, und zwar aus der englischen Übersetzung:

»Der Besitz der Straße ist der Schlüssel zur Macht im Staate – darum marschierte und kämpfte die SA. Niemals hätte die Öffentlichkeit Kenntnis erhalten von den agitatorischen Reden der kleinen Reichstagsfraktion und ihrer Propagandisten, oder von dem Wollen und den Zielen der Partei, wenn nicht der Marschschritt und die Kampflieder der SA-Stürme den Takt gegeben hätten zu den Wahrheiten einer schonungslosen Kritik der Zustände im System. Totschweigen wollte man die junge Bewegung. Nichts war in der Presse zu lesen von der Arbeit der Nationalsozialisten, geschweige denn von den grundlegenden Zielsetzungen ihres Programms. Man wollte einfach kein Interesse dafür wecken. Aber der Marschschritt der SA-Männer sorgte dafür, daß auch die verschlafensten Bürger wenigstens das Vorhandensein einer kämpferischen Truppe sehen mußten.«

Die Bedeutung der SA im Anfangsstadium der Bewegung wurde von Goebbels in einer Rede dargelegt, die im Oktober 1935 im »Archiv« erschien. Es ist dies unser Dokument 3211-PS, US-419. Die betreffende Stelle steht auf Seite 1 der englischen Übersetzung.

»Die innerpolitischen Gegner sind nicht aus unbekannten, geheimnisvollen Gründen verschwunden, sondern weil die Bewegung in ihren Organisationen Kraftarme besitzt. Und der stärkste Kraftarm der Bewegung ist die SA. Die Judenfrage wird nicht vom einzelnen, sondern nach Gesetzen gelöst, die wir erlassen, weil wir eine antijüdische Regierung sind.«

Ein besonderer Beweis für die Tätigkeit der SA während der Frühzeit der Nazi-Bewegung, in den Jahren 1922 bis 1931, ist in einer Reihe von Artikeln zu finden, die in der Zeitschrift »Der SA-Mann« erschienen, und zwar unter der Überschrift: »SA-Kampferlebnisse, die wir nie vergessen«. Jeder dieser Artikel ist ein Bericht von Straßen- oder Versammlungsschlachten der SA gegen ihre politischen Gegner zu Beginn ihres Kampfes um die Macht. Diese Artikel zeigen, daß es damals die Aufgabe der SA war, Brachialgewalt anzuwenden, um jegliche Gedankenäußerung, die man für feindlich gegenüber den Nazi-Zielen oder ihrer Philosophie halten konnte, zu ersticken und auszurotten.

Eine Anzahl solcher Artikel ist übersetzt worden, und die Überschriften sind aufschlußreich genug, um Beweis für die Tätigkeit der SA während der Anfangsperiode der Nazi-Bewegung zu erbringen. Ich möchte einige dieser Überschriften zitieren, wobei ich auf die betreffenden Seiten dieses umfangreichen Zeitungsbandes hinweisen werde.

Hier ist in der Ausgabe vom 24. Februar 1934, auf Seite 4 ein Artikel mit der Überschrift: »Wir brechen den roten Terror«; auf Seite 12 der Ausgabe vom 8. September 1934, ein Artikel betitelt: »Nächtliche Straßenkämpfe an der tschechischen Grenze«; auf Seite 5 der Ausgabe vom 6. Oktober 1934: »Straßenschlacht in Chemnitz«; auf Seite 7 der Ausgabe vom 20. Oktober 1934 ein weiterer Artikel mit der Überschrift: »Siegreiche SA«. Ich überspringe einige Artikel und gehe auf einen Artikel der Ausgabe vom 26. Januar 1935, Seite 7, über, betitelt: »Die SA erobert Rastenburg«. Ein weiterer Artikel findet sich in der Ausgabe vom 23. Februar 1935 auf Seite 5, betitelt: »Sturm 88 erhält die Feuertaufe«. Noch ein Artikel, und zwar in der Ausgabe vom 20. Oktober 1934, Seite 7, trägt die Überschrift: »SA gegen Untermenschentum«. Schließlich erwähne ich einen Artikel in der Ausgabe vom 10. August 1935 auf Seite 10, betitelt: »Der Blutsonntag von Berlin«. Dann ein Bild in der Ausgabe vom 11. September 1937, Seite 1, das den SA-Mann als den Beherrscher der Straße darstellt.

Als ein Beispiel für den Charakter dieser Artikel dient ein Artikel in der Franken-Ausgabe des »SA- Mann« vom 30. Oktober 1937, Seite 3. Er trägt die Überschrift: »Der neunte November 1923 in Nürnberg«. Ich möchte von Seite 14 und 15 des Dokuments 3050-PS, einer englischen Übersetzung des Artikels, zitieren:

»Wir blieben nun über Nacht im Kolosseum (gemeint ist Nürnberg). Am Morgen erfuhren wir dann, was in München passiert war. ›Nun wird auch in Nürnberg Revolution gemacht‹, hieß es. Auf einmal kam dann die Polizei von der Maxtorwache und sagte, daß wir nach Hause gehen sollten, der Putsch in München sei mißglückt. Wir glaubten das nicht und gingen auch nicht nach Hause. Dann kam Landespolizei mit aufgepflanztem Seitengewehr und trieb uns aus dem Saal. Einer von uns schrie dann: ›Auf geht's zum Café Habsburg‹. Bis wir aber hinkamen, hatte die Polizei schon wieder alles umstellt. Einige schrien dann: ›Die Judenbude wird gestürmt;... raus mit den Juden‹. Dann hat die Polizei angefangen, auf uns einzuhauen. Wir sind dann in kleinen Trupps verteilt durch die Stadt gegangen, und wo wir einen uns bekannten Roten oder einen Juden erwischt haben, gab's Maulschellen.

Am Abend marschierten wir dann, obgleich die Polizei es verboten hatte, zu einer Versammlung nach Fürth. In der Hornschuchpromenade wollte uns wieder Polizei aufhalten. Uns war nun alles egal. Schon im nächsten Augenblick fielen wir in unserer Wut über die Polizei so her, daß sie ausreißen mußte. Wir marschierten weiter dann bis zum Geismannssaal. Dort wollten sie uns wieder aufhalten. Aber der Landsturm, der auch da war, schlug wie besessen auf die Schutzleute ein und trieb sie aus der Straße heraus. Nach der Versammlung gingen wir aufgelöst bis zur Stadtgrenze und marschierten von dort aus geschlossen wieder nach Nürnberg. In der Willstraße, auf dem Plärrer, kam wieder Polizei; wir drückten sie aber einfach auseinander. Sie trauten sich auch nicht einzuschlagen, denn das hätte ein Blutbad gegeben. Wir hatten vorher ausgemacht, uns nichts gefallen zu lassen. Auch in Fürth hatten sie schon gemerkt, daß wir keinen Guten rauchten; eine große Menschenmenge begleitete uns auf diesem Marsch. Wir marschierten mit entrollten Fahnen und sangen, daß die Straßen hallten:

Kamerad, reich mir die Hände, fest woll'n zusammen wir steh'n; mag man uns auch verkennen, der Geist darf nicht untergeh'n; Hakenkreuz am Stahlhelm, schwarz- weiß-rotes Band, Sturmabteilung Hitler werden wir genannt‹.«

Ich gehe nun darauf über, wie die SA eingesetzt wurde, um die Macht der Partei zu konsolidieren. Die dritte Aufgabe der SA war, verschiedene vorgesehene Maßnahmen durchzuführen, um die Nazi-Kontrolle im deutschen Staat zu festigen; besonders also die Auflösung der Gewerkschaften und die Judenverfolgungen.

Die SA-Gruppen wurden eingesetzt, um politische Gegner, wenn nötig, mit Gewalt und mit Brutalität zu vernichten. Ein Beispiel dafür liegt in dem Dokument 3221-PS, US-422, vor, dem Original einer eidesstattlichen Erklärung, abgegeben von William F. Sollman aus Pennsylvania (USA). Ich werde das Dokument 3221-PS vollständig verlesen.

»William F. Sollman, Pendle Hill School. Wallingford, Pennsylvania, nach gesetzlicher Vorschritt ordnungsgemäß vereidigt, sagt unter Eid das Folgende aus:

Von 1919 bis 1933 war ich Sozialdemokrat und Mitglied des Deutschen Reichstags. Vor dem 11. März 1933 war ich Chefredakteur einer Reihe von Tageszeitungen, die im Kampfe gegen die Nazi-Partei führend waren. Mein Büro befand sich in Köln, Deutschland.

Am 9. März 1933 kamen Mitglieder der SS und SA in meine Wohnung in Köln, zerschlugen die Möbel und vernichteten meine persönlichen Akten. Dann wurde ich ins Kölner Braune Haus gebracht, wo ich gefoltert wurde, indem man mich mehrere Stunden lang schlug und mit Füßen trat. Sodann wurde ich in das Kölner Staatsgefängnis überführt, wo ich von zwei Aerzten behandelt und am nächsten Tage entlassen wurde. Am 11. März 1933 verließ ich Deutschland.‹ Unterschrieben und beeidigt.«

Bevor die Gestapo im ganzen Reich organisiert war, dienten örtliche SA-Sammelplätze als Verhaftungsstellen, und Mitglieder der SA wurden dazu verwendet, Kommunisten und andere Personen, die tatsächlich oder einer Vermutung nach gegen die Partei eingestellt waren, in Schutzhaft zu nehmen. Diese Tätigkeit ist beschrieben im Dokument 1759-PS, US- 420, dem Original einer eidesstattlichen Erklärung von Raymond H. Geist. Herr Geist war früher amerikanischer Konsul in Berlin; er ist jetzt in Mexiko City. Ich möchte aus seiner eidesstattlichen Erklärung einen Teil verlesen, und zwar den ersten davon von Seite 5 der englischen Übersetzung, ungefähr auf der Mitte der Seite:

»Zu Anfang des Hitler-Regimes hatte als einzige Organisation die SA (Sturmabteilungen) Versammlungsplätze im ganzen Lande. Bis die Gestapo im ganzen Reichsgebiet organisiert werden konnte, wurden Tausende von SA-Versammlungsplätzen als Verhaftungsplätze benutzt. Es gab davon wenigstens 50 in Berlin. Kommunisten, Juden und andere Gegner der Nazi-Partei wurden dorthin gebracht und, wenn sie hinreichend wichtig waren, wurden sie sofort zum Gestapo-Hauptquartier gebracht. Im Jahre 1933/34, als die Gestapo durchorganisiert wurde, begann man, die SA nach und nach als Verhaftungsinstanz auszuschalten, und die SS wurde in den Verwaltungs- und Exekutivbereich der Gestapo eingegliedert. Gegen Ende 1934 war die SA beinahe ganz ausgeschaltet, und die SS, deren Mitglieder elegante schwarze Uniformen trugen und daher Elite-Garde genannt wurde, waren mit den Beamten der Gestapo nahezu identisch.«

Ich gehe jetzt über zu Seite 7 des Dokuments in der englischen Übersetzung. Sie beginnt:...

VORSITZENDER: Oberst Storey, bedeutet das, daß die SA in Verhaftungsangelegenheiten oder auch in anderen Angelegenheiten ausgeschaltet wurde?

OBERST STOREY: Nein, Herr Vorsitzender. Soweit ich verstehe, hatte die SA den Höhepunkt ihrer Volkstümlichkeit im Jahre 1934 erreicht, und sofort nach dem Röhm-Putsch ging sie in ihrer Bedeutung zurück. In der Zwischenzeit fing die SS, die aus der SA hervorgegangen war, an zu wachsen, wurde nun der starke Teil der Organisation, vergrößerte sich und gedieh. Ich glaube, die Beweisführung wird darlegen, daß nach 1934 die SA rasch an Bedeutung verlor.

Nun möchte ich von Seite 7 der englischen Übersetzung einen Teil des Berichts des Konsuls zitieren, der ungefähr auf der Mitte der Seite beginnt:

»Ein anderer Amerikaner, ein Mr. Herman I. Roseman, gab die folgende eidesstattliche Erklärung ab:

Gestern, am 10. März 1933, nachmittags um 4,30 Uhr, kam ich mit meiner Braut, Frl. Else Schwarzlose, wohnhaft in Wilmersdorf (die genaue Adresse wird angegeben) aus dem KDW. Ein Mann in SA-Uniform trat absichtlich auf meinen Fuß – zweifellos um mich zu beleidigen – und sagte: ›Verzeihung‹. Ich sagte: ›Bitte‹, und ging weiter. Er ging mir nach, rempelte mich an und sagte: ›Nun, und?‹ Ein Polizist sah dies und ging vorüber, ohne sich um die gegen mich gerichtete Tät lichkeit zu kümmern. Daraufhin nahm ich meinen Paß aus der Tasche, zeigte ihn dem nächsten Polizisten und sagte, ich sei amerikanischer Bürger. Der ging aber weiter; offensichtlich war er nicht in der Lage, mich zu schützen, oder hatte keine Lust dazu. Der SA-Mann griff mich weiter an, schlug mir ins Gesicht, verletzte mich über dem Auge und setzte seine Tätlichkeiten fort. Währenddem ging ich weiter; wir kamen wieder an einem Polizisten vorbei. Ich bat um Hilfe, zeigte meinen Paß und sagte: ›Ich bin ein amerikanischer Bürger und habe Anspruch auf Schutz‹. Er zuckte mit den Schultern und sagte: ›Was kann ich schon machen‹. Zu dem Zeitpunkt hatte der SA-Mann mich anscheinend genügend mißhandelt und ging weiter.

Auf meine Bitte brachte der Polizist mich und meine Braut nach der Wache Bayreuther Straße Nr. 13. Meine Braut und ich erstatteten dem wachhabenden Beamten Bericht. Er hörte uns zu und sagte dann, es täte ihm leid, aber da sei nichts zu machen. Mein Gesicht blutete. Der Polizist sagte, er habe Befehl, sich nicht einzumischen, wenn ein SA-Mann an der Sache beteiligt sei. Ich fragte ihn dann, was ich tun könne, um mich zu schützen. Er sagte, da sei nichts zu machen, als zu warten, bis die Lage sich gebessert habe. Er fügte hinzu, daß die Polizei absolut machtlos sei, den Weisungen der SA unterstehe, und daß SA-Sturmabteilungen in die Polizei selbst eingegliedert seien. Ich ging dann fort. ...«

Auf der nächsten Seite, Seite 8, ist die eidesstattliche Erklärung einer Amerikanerin, Frau Jean Klauber. Ich zitiere:

»Am Abend des Freitag, des 10. März 1933, hatten sie und ihr Mann sich zu Bett gelegt, als sie durch längeres Klingeln an der Wohnungstüre geweckt wurden. Sie hörten lautes Hämmern gegen die Haustüre und die Forderung, sofort aufzumachen, unter gleichzeitiger Drohung, daß die Türe sonst aufgebrochen werden würde. Die Haustüre wurde durch die Portiersfrau geöffnet; vier oder fünf Männer kamen herein und gingen sofort zu der Wohnung der Zeugin, wo sie wieder klingelten und auf die Türe hämmerten. Herr Klauber fragte, wer dort sei und erhielt die Antwort: ›Die Polizei‹. Er machte die Türe auf und vier oder fünf Männer in brauner Uniform, von denen einer einen dunklen Mantel und ein Gewehr trug, drängten sich herein, indem sie Herrn und Frau Klauber beiseitestießen. Einer der Männer fragte Frau Klauber, wo das Telephon sei; sie deutete auf das Zimmer hin, wo es sich befand und war gerade im Begriff, in Richtung auf jenes Zimmer zu gehen. Daraufhin schlug sie einer der Männer nieder. Dann gingen die Männer ins Schlafzimmer, wohin Herr und Frau Klauber ihnen folgten; man verlangte dort ihre Pässe. Herr Klauber ging zum Schrank, um den seinigen zu holen, wurde aber angehalten und von einem der Eindringlinge gefragt, ob er irgendwelche Waffen bei sich habe. Da Herr Klauber im Schlafanzug war, begleitete er seine Verneinung mit einer Geste auf seine Kleidung. Er wandte sich dann dem Schranke zu, öffnete ihn und langte nach einem seiner vier dort hängenden Anzüge, in dem er den Paß vermutete, wobei er sofort von hinten von allen Eindringlingen, von einem einzi gen abgesehen, angefallen wurde; sie schlugen mit Polizeiknüppeln heftig auf ihn ein. Der Mann im Mantel mit Gewehr stand dabei. Dabei wurden laute Bemerkungen gemacht, wie: ›Guck, vier Anzüge, während wir 14 Jahre lang gehungert haben‹. Frau Klauber versuchte, den Grund für ihre Handlungsweise zu erfahren; die Antwort war: ›Juden, wir hassen Euch. Vierzehn Jahre lang haben wir auf diesen Moment gewartet, und heute Nacht hängen wir viele von Euch auf‹.

Als die Eindringlinge aufhörten, Herrn Klauber zu schlagen, war dieser bewußtlos; sie verlangten dann nochmals die Pässe von Frau Klauber. Sie fand ihren amerikanischen Paß und den deutschen Paß, den die Ortsbehörden von ihr als Frau eines deutschen Bürgers verlangten und der ihr bei der Ankunft in München durch die Polizei ausgestellt worden war. Die Eindringlinge nahmen ihr beide Pässe ab, trotz ihres Protestes, daß sie Amerikanerin sei. Sie suchte dann nach dem Paß ihres Mannes, fand seine Brieftasche und in ihrer Aufregung wollte sie diese den Männern geben. Obgleich sie mit Geld gefüllt war, verweigerten die Männer die Annahme und verlangten wieder den Paß. Frau Klauber fand ihn dann und händigte ihn aus.

Die Eindringlinge wandten sich dann dem bewußtlosen Herrn Klauber zu, sagten: ›Der hat noch nicht genug gehabt‹, und schlugen weiter auf ihn ein. Dann gingen sie fort und sagten noch: ›Noch sind wir aber nicht fertig‹, und als sie gerade beim Herausgehen waren, sagte einer zu Frau Klauber: ›Warum hast du einen Juden geheiratet? Ich hasse sie,‹ und schlug mit dem Polizeiknüppel auf den Kiefer.«

Das ist das Ende der eidesstattlichen Erklärung.

Der amerikanische Konsul fügt im nächsten Absatz hinzu:

»Ich kann persönlich bestätigen, daß die Polizei Weisung erhalten hat, sich nicht einzumischen, und das heißt, daß diese Umtriebe offiziell gebilligt wurden. Eidesstattliche Erklärungen von zahlreichen Opfern bestätigen diese Tatsache. Ich bin mit zwei Polizisten, die Ecke Bellevuestraße und Tiergartenstraße nahe dem Generalkonsulat stationiert sind, persönlich bekannt geworden. Sie sagten mir, daß sie und alle anderen Polizeibeamten klare Anordnungen erhalten hätten, sich in Bezug auf SA, SS oder Hitlerjugend in keiner Weise einzumischen.«

Außerdem wurden SA-Männer während der Konsolidierungsperiode der Wachtmannschaften in Konzentrationslagern eingesetzt, und sie nahmen an der Verfolgung und Mißhandlung von Häftlingen teil. Ich verweise nun auf das Dokument 2824-PS, US-423, ein Buch mit dem Titel: »Das Konzentrationslager in Oranienburg«. Es stammt von einem SA-Sturmbannführer, namens Schaefer, der Kommandant des Konzentrationslagers in Oranienburg war. Ich zitiere einen Auszug aus Seite 1 der englischen Übersetzung:

»Die zuverlässigsten, ältesten SA-Männer wurden ausgesucht, um als ständige Lagerbewachung im Lager Wohnung zu beziehen. So schafften wir uns einen Stamm von erfahrenen und stets einsatzbereiten Wach männern.«

Weiteren Beweis für die Betätigung der SA in Konzentrationslagern finden wir in Dokument 787-PS, US-421. Es ist dies ein von der Staatsanwaltschaft verfaßter, an Hitler gerichteter Bericht über die Verfahrenseinstellung gegen einen gewissen Vogel wegen Mißhandlung von Personen im Konzentrationslager. Ich zitiere aus diesem Bericht:

»Gegen den Oberregierungsrat Erich Vogel in Dresden hat die Staatsanwaltschaft in Dresden unter dem 14. März 1935 Anklage wegen Körperverletzung im Amte erhoben. Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Vogel gehört als Beamter dem Geheimen Staatspolizeiamt für das Land Sachsen seit seiner Gründung an und ist Vorstand der Hauptabteilung II, die früher die Bezeichnung ZUB (Zentrale für Umsturzbekämpfung) trug. Im Rahmen der Bekämpfung staatsfeindlicher Bestrebungen führte Vogel im Jahre 1933 mehrere sogenannte Grenzlandaktionen durch, bei denen in den Grenzgebieten eine große Zahl politisch unzuverlässiger und politisch straffällig gewordener Personen in Schutzhaft genommen und nach dem Schutzhaftlager Hohnstein gebracht wurden. In dem Lager ist es mindestens seit Sommer 1933 zu ungewöhnlich schweren Mißhandlungen der Häftlinge gekommen. Die Häftlinge wurden nicht nur, ähnlich wie in dem Schutzhaftlager Bredow bei Stettin, grundlos mit Peitschen und anderen Werkzeugen bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen, son dern man quälte sie auch auf andere Weise, so u. a. mit Hilfe eines ausschließlich zu diesem Zweck konstruierten Tropfapparats, unter dem die Häftlinge so lange stehen mußten, daß sie schwere eitrige Verletzungen der Kopfhaut davontrugen. Die schuldigen SA-Führer und SA-Männer sind durch Urteil der großen Strafkammer des Landgerichts in Dresden vom 15. Mai 1935... zu Strafen von 6 Jahren bis 9 Monaten Gefängnis verurteilt worden. An diesen Mißhandlungen ist, soweit sie im Aufnahmezimmer des Lagers bei Erledigung der Aufnahmeformalitäten und auf der Kammer bei der Ausgabe der Schlafdecken stattfanden, Vogel, den seine Dienstgeschäfte wiederholt nach dem Lager führten, beteiligt gewesen. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß Vogel, gerade in seiner Eigenschaft als Leiter der ZUB, bei der Besatzung des Lagers allgemein bekannt war und sein Verhalten mindestens zum Teil für das erwähnte Verhalten der SA-Führer und -Männer maßgebend geworden ist.«

Ich will noch das Ende des Zitats verlesen. Leider sehe ich, daß ich es nicht hier habe. Es ist ein kleiner Teil, der sofort anschließend an das Vorhergehende gelesen werden sollte. Ich gehe also auf das unmittelbar folgende Zitat über:

»Vogel hat sich lange Zeit in dem Aufnahmeraum aufgehalten und diesem Treiben zugesehen, ohne etwas dagegen zu unternehmen. In seiner Gegenwart versetzte z.B. der SA-Mann Mutze ohne Anlaß einem Gefangenen derartige Ohrfeigen, daß dieser sich um sich selbst drehte. Wie schon erwähnt, ist Vogel gegen diese Be handlung der Gefangenen nicht nur nicht eingeschritten, sondern er hat sich sogar darüber lustig gemacht und zum Ausdruck gebracht, daß es ihm Spaß mache, wie es hier klatsche.

Auf der Kammer hat Vogel selbst bei den allgemeinen schweren Mißhandlungen mit zugeschlagen. Die SA-Männer verwendeten hier Peitschen und andere Gegenstände und schlugen derart auf die Häftlinge ein, daß schwere Verletzungen hervorgerufen wurden, die Häftlinge z. T. bewußtlos wurden und lange Zeit im Revier liegen mußten. Vogel ist oft auf der Kammer bei den Mißhandlungen zugegen gewesen. Mindestens in den folgenden Fällen hat er sich selbst an Gefangenen vergriffen.«

Ich übergehe jetzt einen Teil und fahre fort:

»... wurde dieser Häftling in der üblichen Weise über den Schaltertisch gezogen, am Kopf und an den Armen festgehalten und hierauf von den SA-Männern mit Peitschen und anderen Gegenständen längere Zeit geschlagen. Dabei schlug eine Zeitlang auch Vogel mit zu, und er ohrfeigte ihn auch nach dieser Mißhandlung nochmals, so daß der Häftling hinterher grün und blau im Gesicht aussah. Der Häftling ist der Klempner Hans Kühitz, der den Spitznamen Johnny führte. Bei seinem Weggange übergab Vogel dem Leiter der Kammer, dem Truppführer Herbert Meier, einen Geldbetrag von 5 bis 6 RM mit der Begründung, daß die SA-Männer ›so geschwitzt hätten‹. Das Geld wurde dann von Meier an diejenigen SA-Kameraden verteilt, die sich an den Mißhandlungen beteiligt hatten.«

Eine weitere Tätigkeit der SA während der Zeit kurz nach der Machtübernahme durch die Nazis bestand darin, daß sie als Hilfspolizei fungierte. Ich verweise hierbei auf das Dokument 3252-PS, US-424. Es ist ein Buch über Hermann Göring.

VORSITZENDER: Oberst Storey, ist dies eine Urkunde, die klar besagt, daß der Mann für sein Verhalten bestraft wurde?

OBERST STOREY: Ich glaube, sie tut das; ja, Herr Präsident, ich glaube ja.

VORSITZENDER: Ich bin der Ansicht, daß diese Tatsache festgestellt werden sollte.

OBERST STOREY: Ich denke, es wurde bereits erwähnt, Herr Präsident. Am Anfang heißt es, daß die Staatsanwaltschaft in Dresden Vogel wegen körperlicher Mißhandlung angeklagt hatte, und ich dachte, es stellt auch fest, daß Vogel bestraft wurde.

VORSITZENDER: In der Tat stellt das Dokument dies fest, aber ich glaube, daß Sie dies dem Gerichtshof hätten vortragen sollen. Das Dokument endet mit Absatz 3.

OBERST STOREY: Es besagt, daß der Mann bestraft wurde, Herr Präsident. Der Zweck meines Vorbringens war, zu zeigen, was tatsächlich vorfiel.

Ich wende mich jetzt dem Dokument 3252-PS zu. Wie eben erwähnt, ist es ein Buch mit dem Titel »Hermann Göring, Werk und Mensch«, von Erich Gritzbach. Hierin ist zum Ausdruck gebracht, daß die Reihen der Sicherheitspolizei durch die SA aufgefüllt wurden, die als das zuverlässigste Werkzeug der Bewegung hingestellt wurde. Ich möchte von der ersten Seite der englischen Übersetzung zitieren; es ist der vierte Absatz von Dokument 3252-PS:

»Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit, geht die Umformung der Schutzpolizei vor sich. Ihre Reihen werden verstärkt durch das verläßlichste Instrument der Bewegung, durch die SA. Diese Hilfspolizei hat durch ihren kämpferischen Einsatzwillen im Kampf gegen die Kommunisten und die übrigen Staatsfeinde nicht nur Göring wirksame Hilfe geleistet, sie hat durch ihr nationalsozialistisches Streben nach einem neuen Geist bei der exekutiven Polizei auch deren feste Organisation mitschaffen helfen.«

Ich gehe nun auf die Anteilnahme der SA am Judenpogrom vom 10. und 11. November 1938 über, dargestellt im Dokument 1721-PS, US-425. Es ist dies ein vertraulicher Bericht eines SA-Brigadeführers an seinen Gruppenführer, datiert vom 29. November 1938. Ich beginne in der englischen Übersetzung am Anfang unter Weglassung der Anschriften. Der Bericht ist an die SA-Gruppe Kurpfalz in Mannheim gerichtet:

»Am 10. November 1938, 3 Uhr, erreichte mich folgender Befehl:

Auf Befehl des Gruppenführers sind sofort innerhalb der Brigade 50 sämtliche jüdischen Synagogen zu sprengen oder in Brand zu stecken.

Nebenhäuser, die von arischer Bevölkerung bewohnt werden, dürfen nicht beschädigt werden. Die Aktion ist in Zivil auszuführen, Meutereien oder Plünderungen sind zu unterbinden. Vollzugsmeldung bis 8.30 an Brigadeführer oder Dienststelle.‹

Die Standartenführer wurden von mir sofort alarmiert, genauestens instruiert, und mit dem Vollzug sofort begonnen.

Ich melde hiermit, es wurden zerstört in der Gegend von...«

Es folgt nun eine Liste von 35 zerstörten Synagogen. Ich führe nur einige derselben an:

»1. Synagoge in Darmstadt, Bleistraße, durch Brand zerstört. ...

4. Synagoge in Gräfenhausen, Einrichtung zertrümmert.«

Dann unter Standarte 145:

»Synagoge in Bensheim durch Brand zerstört.«

Dann kommen vier durch Brand zerstörte Synagogen. Im Bereich der Standarte 168 wurden 8 Synagogen als durch Brand zerstört gemeldet. Im Bereich der Standarte 86 wurde die Synagoge in Beerfelden durch Sprengungen zerstört; dann folgen verschiedene andere, in denen die Einrichtung zertrümmert wurde. Im Bereich der Standarte 221 wurde Synagoge und Bethaus in Groß-Gerau durch Brand zerstört; eine weitere wurde niedergerissen und ihre Einrichtung zerstört. Gezeichnet ist der Bericht vom Führer der Brigade 50, unleserliche Unterschrift und Brigadeführer.

Im Zusammenhang mit den Judenverfolgungen sehen wir abermals, daß die SA Propagandatätigkeit für die Nazis entfaltete. Es war dabei die Aufgabe der SA, im Volke den antijüdischen Geist und die antijüdische Einstellung zu wecken und zu verstärken, ohne welche die furchtbaren Menschlichkeitsverbrechen gegen die jüdische Rasse sicherlich von keinem zivilisierten Volke gebilligt worden wären. Grundlegende und überzeugende Beweise für diese Aufgabe der SA können in den Sammelbänden »Der SA-Mann« gefunden werden. Während des in diesen Bänden enthaltenen Zeitabschnitts erschienen in diesen Veröffentlichungen fortgesetzt Aufsätze, die in völlig verrohter und verwerflicher Art antireligiöse Propaganda enthielten und dazu bestimmt waren, Haß und Feindschaft gegen die jüdische Rasse zu stiften und zu nähren.

Ich will mich auf die Nennung von einigen der erschienenen Überschriften beschränken: Am 27. Juli 1935 lautet auf Seite 4 die Überschrift: »Schluß mit den Juden«. Sie ist im Dokument 3050-PS auf Seite 16 bis 18 enthalten, Herr Präsident. In der Ausgabe vom 2. Februar 1935, Seite 5, lautet die Überschrift: »Die jüdische Weltgefahr«; am 20. Juli 1935 auf Seite 4: »Jüdische Sorgen«; am 1. Juni 1935 auf Seite 1: »Juden sind hier unerwünscht« mit folgender Erklärung:

»Dann wird auch vor dem letzten deutschen Dorf die Tafel stehen: ›Juden sind hier unerwünscht‹, und dann wird aber endlich auch kein deutscher Volksgenosse mehr die Schwelle eines jüdischen Geschäfts betreten. Dieses Ziel zu erreichen, ist mit eine Aufgabe des SA- Mannes als dem politischen Soldaten des Führers. Neben seinem Wort und seiner Aufklärung stehe sein Vorbild.«

Ferner am 17. August 1935, Seite 1: »Gott erhalte den Juden«. In der Ausgabe des 5. Oktober 1935, Seite 6, erscheint die Überschrift: »Das Antlitz des Juden« mit dem Bild eines Juden, der Hammer und Sichel hält.

Ich will noch auf einen oder zwei weitere Artikel verweisen. Hier ist einer vom 23. November 1935, Seite 2, mit der Überschrift: »Der getarnte Benjamin – Jüdischer Kulturbolschewismus in der deutschen Musik.«

Ferner einer vom 2. Januar 1937, Seite 6, ein scheußliches Bild mit der Überschrift: »Rumänien den Juden?«

Als letztes erwähne ich die Ausgabe vom 3. Februar 1939, Seite 14, mit der Überschrift: »Freunde des Weltjudentums – Roosevelt und Ickes«.

Das Eindrucksvolle an diesen Artikeln ist die Tatsache, daß keineswegs beabsichtigt war, die in diesen Artikeln ausgedrückten Lehren lediglich auf die Mitglieder der SA zu beschränken; ganz im Gegenteil, der Gedanke war, die Mitglieder der SA in diesen verwerflichen Lehren zu schulen, um die SA wiederum als Verbreiter dieser Ideen innerhalb der deutschen Bevölkerung zu verwenden. Diese Tatsache wird veranschaulicht in der Einleitung zu einer Reihe von antisemitischen Artikeln in der Ausgabe vom 5. Dezember 1936, auf Seite 6. Ich beabsichtige, nur die Überschrift vorzulesen. Sie ist auf Seite 28 des gleichen Dokuments zu finden und lautet: »Totengräber der Weltkultur«. Ebenfalls von der gleichen Seite 28 zitiere ich die folgende Stelle:

»Wir empfehlen den Kameraden, diese Aufsatzreihe besonders zu beachten und auch für weitere Verbreitung zu sorgen.«

Zusätzlich wurden Werbefeldzüge unternommen, um das Publikum zu überreden, den »Der SA-Mann« zu kaufen und zu lesen. »Der SA-Mann« mit seinen verschiedenen Ausgaben wurde an öffentlichen Plätzen angeschlagen, damit die Bevölkerung diese Zeitung lesen könne. »Der SA-Mann« enthielt selbst verschiedene Photographien, die ihn an Plakatwänden in den Straßen zeigen; ferner sind einige Photographien da, die Reklame-Anschläge zeigen; einer derselben, zum Beispiel jener vom 31. Oktober 1936, lautet: »Der SA-Mann gehört in jedes Haus, jedes Hotel, jedes Gasthaus, jedes Wartezimmer und jedes Geschäft«. Ebenso war in der Ausgabe vom 24. August 1935 auf Seite 3 ein Gruppenbild von SA-Männern auf Lastautos, und vor diesen befanden sich große Plakate; eines lautete: »Lies den Stürmer, dann erkennst Du den Juden«. Auf der gleichen Seite der erwähnten Veröffentlichung findet sich wohl das Photo einer öffentlichen Versammlung, auf der ein großes Plakat mit folgendem Wortlaut gezeigt wird: »Wer den Juden kennt, kennt den Teufel«.

VORSITZENDER: Oberst Storey, der Gerichtshof gab gestern seiner Ansicht Ausdruck, daß er Beweishäufungen nicht zu hören wünscht. Ist dies nicht eher eine Häufung von Beweisen?

OBERST STOREY: Ich stimme mit Ihnen überein, Herr Vorsitzender. Ich versuche, mich kurz zu fassen und will den Rest fortlassen. Wir wollen nun zum letzten Abschnitt der Aufgabe der SA in der Verschwörung übergehen.

VORSITZENDER: Wir wollen uns lieber für 10 Minuten vertagen.