HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Pause von 10 Minuten.]

VORSITZENDER: Oberst Amen, der Gerichtshof glaubt nicht, daß es notwendig ist, weitere Organisationsfragen zu diesem Zeitpunkt zu klären. Sie müssen diese Frage selbst entscheiden, da Sie wissen, welcher Art das Beweismaterial ist, das Sie in Betracht ziehen wollen. Soweit der Gerichtshof in Frage kommt, ist er der Auffassung, die Angelegenheit im augenblicklichen Stadium zu belassen. Hinsichtlich eines Punktes der Zeugenaussage bittet Sie der Gerichtshof jedoch, zu untersuchen, ob das Verfahren, von dem der Zeuge sprach, noch nach dem Jahre 1942 fortgesetzt wurde und wie lange?

OBERST AMEN:

[zum Zeugen gewandt]

Können Sie uns sagen, ob die Liquidierungen, die Sie beschrieben haben, nach dem Jahre 1942 fortgesetzt wurden, und, falls dies der Fall ist, wie lange darüber hinaus?

OHLENDORF: Mir ist nicht bekannt, daß der grundsätzliche Befehl aufgehoben worden ist, aber ich kann mich nicht an Einzelheiten erinnern, die die Möglichkeit geben würden, konkrete Aussagen darüber zu machen, zum mindesten nicht in Bezug auf Rußland, denn es haben ja sehr bald die Rückzüge eingesetzt, so daß der Operationsraum der Einsatzgruppe immer mehr schwand. Mir ist aber bekannt, daß weitere Einsatzgruppen mit entsprechenden Befehlen auch für andere Räume vorgesehen waren.

OBERST AMEN: Bis zu welchem Datum haben Sie persönliche Kenntnisse über die Liquidationstätigkeit?

OHLENDORF: In Bezug auf die Judenliquidation ist mir bekannt, daß entsprechende Verbote etwa sechs Monate vor Schluß des Krieges kamen. Ich habe im übrigen ein Dokument gesehen, wonach die Liquidation von Sowjetkommissaren eingestellt werden sollte. An ein genaues Datum kann ich mich nicht erinnern.

OBERST AMEN: Wissen Sie, ob diese tatsächlich auf diese Weise beendet wurden?

OHLENDORF: Ich glaube ja.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wünscht die Zahl der Leute zu wissen, die sich in Ihrer Einsatzgruppe befanden.

OHLENDORF: In meiner Einsatzgruppe werden etwa 500 Personen gewesen sein, außer denjenigen, die hilfsweise hinzugezogen wurden aus dem Lande selbst.

OBERST AMEN: Einschließlich dieser, sagten Sie?

OHLENDORF: Ausschließlich derjenigen, die aus dem Lande selbst dazu genommen wurden.

OBERST AMEN: Wissen Sie, wieviel in den anderen Gruppen waren?

OHLENDORF: Ich schätze, daß im Anfang 700 bis 800 dagewesen sein werden, aber wie ich vorhin schon sagte, hat sich diese Zahl im Laufe der Zeit sehr schnell geändert, und zwar dadurch, daß einzelne Einsatzgruppen selbst Leute nachgezogen, beziehungsweise es ihnen beim Reichssicherheitshauptamt gelang, weiteres Personal zu bekommen.

OBERST AMEN: Die Zahl stieg an, nicht wahr?

OHLENDORF: Ja, die Zahl stieg an.

OBERST AMEN: Ich habe noch ungefähr ein halbes Dutzend weiterer Fragen zu stellen; Sie können dem Gerichtshof eine weitere Klärung des vorherigen Beweismaterials geben; ich will mich kurz fassen, wenn der Gerichtshof damit einverstanden ist.

[Zum Zeugen gewandt]:

Können Sie die Bedeutung der verschiedenen Breiten der blauen Linien auf der Karte erklären?

OHLENDORF: Die starke blaue Linie zwischen der Position Himmler als Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei und dem Reichssicherheitshauptamt ist gewählt, um die Identität der Dienststellen, der Chefstellen, der Sicherheitspolizei und des SD in ihrer Aufgabenstellung hervorzuheben. Es handelte sich hier um ein Amt, in dem sowohl ministerielle Führungsfragen als auch einzelne Exekutivfragen bearbeitet wurden, nämlich geschlossen der Fragenkreis der Sicherheitspolizei und des SD.

Das Organisationsschema gibt aber rechtlich-verwaltungsmäßig gesehen einen illegalen Zustand wieder, der darin besteht, daß das Reichssicherheitshauptamt als Begriff niemals offizielle Gültigkeit gehabt hat. Der formelle, gesetzliche Zustand war ein anderer als er in dem Bild in Erscheinung tritt. Es waren hier staatliche Dienststellen und Parteidienststellen mit verschiedenen Befehlswegen zusammengefaßt. So sind unter dieser Bezeichnung weder Verordnungen noch Gesetze noch auf gesetzlicher Grundlage beruhende Erlasse herausgekommen. Das lag daran, daß die Staatspolizei in ihrer Ministerialinstanz nach wie vor abhängig war vom Innenministerium, während der SD trotz dieser Konstruktion ein Parteiorgan war.

Wenn ich also das Schema nach der Verwaltungssituation rechtlich wiedergeben wollte, so müßte ich zum Beispiel an Stelle des Amtes IV das Amt Politische Polizei des früheren Hauptamtes Sicherheitspolizei nennen. Dieses Amt »Politische Polizei« hat formell bis zuletzt bestanden und war hervorgegangen aus der Polizeiabteilung des Reichsinnenministeriums. Gleichzeitig war auch formell bestehen geblieben das Geheime Staatspolizeiamt, die Zentrale der Preußischen Geheimen Staatspolizei, dem Führungsorgan sämtlicher politischen Polizeien der Länder.

So wurden die Ministerialfragen auch weiterhin unter dem Kopf des Reichsministers des Innern abgewickelt. Soweit die Betonung der formellen Zuständigkeit des Innenministeriums notwendig war, erschien sie unter dem Kopf »Reichsminister des Innern« mit dem Aktenzeichen »Pol«, dem früheren Zeichen der Polizeiabteilung des Innenministeriums und dem entsprechenden Aktenzeichen des zuständigen Amtes, des früheren Hauptamtes Sicherheitspolizei, zum Beispiel Aktenzeichen »Pol-S« gleich Sicherheitspolizei, V gleich Amt Verwaltung und Recht.

Das Reichssicherheitshauptamt war also lediglich eine Tarnbezeichnung, die die tatsächlichen Verhältnisse nicht richtig wiedergab, aber dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD als zusammenfassende Bezeichnung für den Chef des Hauptamtes Sicherheitspolizei und dem bis 1939 bestehenden Chef des SD-Hauptamtes die Möglichkeit gab, jeweils den einen oder den anderen Briefkopf zu benutzen.

Gleichzeitig gab es ihm die Möglichkeit einer internen Zusammenfassung der Kräfte und einer Aufteilung der Arbeitsgebiete nach sachlichen Zweckmäßigkeits-Gesichtspunkten. Aber es blieb dabei, daß in diesem Amt staatliche Dienststellen in einer gewissen Abhängigkeit vom Innenministerium blieben und die Ämter aus dem SD Parteiämter blieben.

Das SD-Hauptamt beziehungsweise das Reichssicherheitshauptamt hat formell nur die Bedeutung eines SS-Hauptamtes gehabt, eines Hauptamtes, über das die SS-Angehörigen der Sicherheitspolizei und des SD zur SS gehörten. Aber es wurden für die staatlichen Dienststellen damit von der SS, das heißt Himmler als Reichsführer-SS, keine sachlichen Weisungsbefugnisse gegeben.

VORSITZENDER: Ich weiß nicht, ob ich das, was Sie gesagt haben, genau verfolgen konnte. Aber ist das, was Sie uns gesagt haben, der Grund dafür, daß Sie auf der Zeichnung als der Leiter des Amtes III angegeben sind, das sich augenscheinlich nur auf Deutschland selbst bezieht, während auf Grund Ihrer Aussage Sie der Führer einer Einsatzgruppe D waren, die außerhalb Deutschlands operierte?

OHLENDORF: Die Tatsache, daß ich eine Einsatzgruppe geleitet habe, hat mit der Stellung als Chef des Amtes III nichts zu tun, sondern wurde mir als Person gegeben und nicht als Leiter des Amtes III. Ich kam also als Leiter einer Einsatzgruppe in eine völlig neue Funktion und in eine völlig von der bisherigen Dienststelle getrennte Dienststelle.

VORSITZENDER: Ich verstehe. Bedeutet das, daß Sie Deutschland verlassen mußten und in das besetzte Gebiet der Sowjetunion einrückten?

OHLENDORF: Jawohl.

OBERST AMEN: Wollen Sie nun, bitte, erklären, was die punktierten blauen Linien im Gegensatz zu den festen blauen Linien auf der rechten Seite der Zeichnung zu bedeuten haben?

OHLENDORF: Die festen Linien bedeuten einen unmittelbaren Befehlsweg, während die punktierten Linien bedeuten, daß hier in der Regel kein unmittelbarer Befehlsweg bestand.

OBERST AMEN: Wurde die Bezeichnung »SD« dazu verwendet, um beide, die Sipo und den SD, zusammenzufassen?

OHLENDORF: Der »SD« ist im Laufe der Jahre immer mehr völlig verkehrt gebraucht worden. Er hat sich als Abkürzung für Sicherheitspolizei und SD eingebürgert, ohne dazu an sich geeignet zu sein. SD war ursprünglich nur die Bezeichnung für die Tatsache, daß jemand der SS über das SD-Hauptamt angehörte. Als das SD-Hauptamt aufgelöst wurde und im Reichssicherheitshauptamt aufging, ist daher auch die Frage aufgeworfen worden, daß für die Bezeichnung SD, die auch als Rune an dem Ärmel des betreffenden SS-Mannes geführt wurde, eine neue Rune oder eine neue Abkürzung, zum Beispiel RSHA, zu verwenden sei. Es ist dazu nicht gekommen, weil damit die Tarnung des RSHA gefährdet gewesen wäre; aber wenn ich zum Beispiel in einem Führerbefehl gelesen habe, daß in Frankreich Personen an den SD übergeben werden sollten, so ist das zum Beispiel eine solche falsche Anwendung des SD, da es in Frankreich solche Dienststellen gar nicht gab, und andererseits dem SD, soweit er in Ämtern, zum Beispiel im Amt III, als Dienststelle existierte, keinerlei Exekutivgewalt zustand, sondern ein reiner Nachrichtenapparat war.

OBERST AMEN: Kurz gesagt: Worin bestand die Verbindung zwischen SS und Gestapo?

OHLENDORF: Die Beziehungen zwischen SS und Gestapo bestanden darin, daß der Reichsführer-SS als solcher die Polizeiaufgaben übernommen hatte und versuchte, Staatspolizei und SS miteinander eng zu verbinden, das heißt, auf der einen Seite nur noch Staatspolizeiangehörige zu beschäftigen, die SS-fähig waren, und auf der anderen Seite die Einrichtungen der SS, zum Beispiel die Schulung und die Nachwuchserziehung der Waffen-SS, zu benutzen, um auch für die Staatspolizei den Nachwuchs auf diese Weise zu bekommen. Diese Zusammenfassung wurde ja auch später fortgesetzt, als er versuchte, denselben Zusammenhang zwischen SS und Innenministerium beziehungsweise der gesamten inneren Verwaltung herbeizuführen.

OBERST AMEN: Wieviele vollangestellte Beamte und wieviel ehrenamtliches Hilfspersonal beschäftigte ungefähr der SD?

OHLENDORF: Ja, also auch in diesem Zusammenhang kann man den Begriff SD nicht gebrauchen, sondern man muß hier unterscheiden zwischen dem Amt III und Amt VI. Das Amt III als Inlandsnachrichtendienst hatte etwa insgesamt 3000 hauptamtliche Angehörige, einschließlich Männer und Frauen. Dagegen arbeitete der Inlandsnachrichtendienst wesentlich mit ehrenamtlichen Mitarbeitern, das heißt mit Männern und Frauen, die die Erfahrungen ihres Berufs oder ihrer Umgebung dem Inlandsnachrichtendienst zur Verfügung stellten. Diese Zahl schätze ich auf etwa 30000.

OBERST AMEN: Wollen Sie mit wenigen Worten dem Gerichtshof allgemein erklären, wie eine typische Aktion auf den Kanälen, die auf der Karte aufgezeichnet sind, durchgeführt wurde?

OHLENDORF: Erst ein allgemeines Beispiel, das ich der Deutlichkeit wegen konstruiere. Himmler hatte in der Lage erfahren, daß immer mehr Saboteure durch Flugzeuge über dem deutschen Heimatraum abgeworfen wurden und Transport- und Fabrikanlagen gefährdeten. Er teilte dieses Kaltenbrunner als Chef der Sicherheitspolizei mit, mit der Weisung, seine Organe auf diesen Tatbestand hinzuweisen und Vorkehrungen zu treffen, daß diese abgeworfenen Saboteure so schnell und so umfassend wie möglich ergriffen würden.

Kaltenbrunner beauftragte den Amtschef IV, das heißt die Staatspolizei, mit der Vorlage eines entsprechenden Erlasses an die regionalen Dienststellen. Dieser Erlaß wurde von der zuständigen sachbearbeitenden Stelle des Amtes IV entworfen und nunmehr entweder von Müller unmittelbar an die Staatspolizeistellen im Reiche herausgegeben, oder aber, was wahrscheinlicher ist, wegen der Wichtigkeit der Frage und der Notwendigkeit, auch gleichzeitig die anderen Dienststellen der Sicherheitspolizei darauf aufmerksam zu machen, gab er den Erlaßentwurf an Kaltenbrunner, der ihn nunmehr unterschrieb und an die übrigen Dienststellen im Reich herausgab.

Auf Grund dieses Erlasses wurde zum Beispiel angewiesen, daß die Staatspolizeistellen sowohl ihre Maßnahmen, als auch die jeweiligen Erfolge zu berichten hätten. Diese Berichte gingen denselben Weg rückwärts von den regionalen Dienststellen draußen an die sachbearbeitende Dienststelle im Amt IV, von da an den Amtschef IV, von da an den Chef der Sicherheitspolizei, Kaltenbrunner, und von da an den Chef der Deutschen Polizei, Himmler.

OBERST AMEN: Und schließlich wollen Sie uns an Hand der Karte ein Beispiel für die Durchführung einer speziellen Aktion auf dem Dienstwege darstellen?

OHLENDORF: Ich nehme das Beispiel der Verhaftung von führenden Männern der Linksparteien nach den Ereignissen vom 20. Juli. Auch diese Weisung kam aus der Lage und wurde von Himmler an Kaltenbrunner gegeben; von Kaltenbrunner wiederum dann dem Amt IV ein entsprechender Erlaßentwurf aufgegeben und dieser Erlaßentwurf an die Dienststellen von Kaltenbrunner gezeichnet und herausgegeben; die Berichterstattung von unten nach oben wiederum auf demselben Weg.

OBERST AMEN: Hoher Gerichtshof! Der Zeuge steht jetzt den anderen Anklagevertretern zur Verfügung. Ich weiß, daß Oberst Pokrowsky in Vertretung der Sowjets einige Fragen an ihn richten will.

OBERST Y. V. POKROWSKY, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Die Aussagen des Zeugen haben Bedeutung für die Aufklärung einiger Fragen in einem Bericht, mit dem sich die sowjetrussische Delegation im Augenblick beschäftigt. Mit Bewilligung des Gerichtshofs wünsche ich deshalb einige Fragen an den Zeugen Ohlendorf zu stellen: Sie sagten, Herr Zeuge, daß Sie zweimal bei den Massenhinrichtungen zugegen waren. Auf wessen Befehl waren Sie als Inspekteur bei den Hinrichtungen zugegen?

OHLENDORF: Bei den Hinrichtungen war ich auf eigene Initiative hin anwesend.

OBERST POKROWSKY: Aber Sie sagten, daß Sie als Inspekteur zugegen waren?

OHLENDORF: Ich habe gesagt, zur Inspektion.

OBERST POKROWSKY: Das war Ihre Initiative?

OHLENDORF: Jawohl.

OBERST POKROWSKY: War bei den Hinrichtungen immer einer Ihrer Chefs zwecks Inspektion zugegen?

OHLENDORF: Wenn es mir irgendwie möglich war, habe ich irgendeinen der Angehörigen des Einsatzgruppenstabes zu den Hinrichtungen geschickt, aber es war bei der großen Entfernung des Raumes der Einsatzgruppe nicht immer möglich.

OBERST POKROWSKY: Aus welchem Grunde wurde jemand zu Inspektionszwecken hingeschickt?

OHLENDORF: Wollen Sie die Frage, bitte, noch einmal wiederholen?

OBERST POKROWSKY: Zu welchem Zwecke wurde ein Inspekteur hingeschickt?

OHLENDORF: Um festzustellen, ob meine Weisungen, wie bei der Hinrichtung zu verfahren war, auch durchgeführt wurden.

OBERST POKROWSKY: Soll ich das so verstehen, daß sich der Inspekteur davon überzeugen sollte, daß die Hinrichtung auch wirklich durchgeführt wurde?

OHLENDORF: Nein, das würde die Sache nicht richtig wiedergeben, sondern er sollte sich überzeugen, ob die Bedingungen bei der Hinrichtung, die ich gestellt hatte, durchgeführt wurden.

OBERST POKROWSKY: Welche Art von Bedingungen hatten Sie im Sinn?

OHLENDORF: Erstens: der Ausschluß der Öffentlichkeit, zweitens: die militärische Durchführung im Peloton, drittens: der reibungslose Ablauf des Herantransports und der Durchführung der Liquidation, um unnötige Erregungen zu vermeiden, viertens: die Überwachung der Eigentumsbehandlung, um jede Bereicherung zu vermeiden. Es können sich aus der damaligen Situation noch Einzelheiten ergeben haben, an die ich mich jetzt nicht mehr erinnere. Auf alle Fälle sollten jede Mißhandlungen durch diese Maßnahmen vermieden werden, und zwar sowohl seelische als auch körperliche.

OBERST POKROWSKY: Sie wollten sich vergewissern, daß eine Ihrer Meinung nach angemessene Verteilung dieses Eigentums vorgenommen würde, oder beabsichtigen Sie eine vollständige Inbesitznahme der Wertgegenstände?

OHLENDORF: Die Wertsachen wurden bereits übergeben, bevor die Exekution stattfand; sie wurden von dem jüdischen Verbindungsmann eingesammelt und dem örtlichen Einsatzkommando ausgehändigt.

OBERST POKROWSKY: Um was für Wertsachen oder Eigentümer handelte es sich?

OHLENDORF: Zum Beispiel Gold, Silber und Wertpapiere.

OBERST POKROWSKY: Sie wollen behaupten, daß mit diesen Wertsachen ordnungsgemäß verfahren wurde?

OHLENDORF: Jawohl.

OBERST POKROWSKY: Sie sprachen von Mißhandlungen. Was verstanden Sie unter Mißhandlungen bei den Hinrichtungen?

OHLENDORF: Wenn zum Beispiel die Art der Hinrichtung nicht vermeiden konnte, daß Erregungen und Ungehorsam bei den Opfern aufkamen, und so die bei der Liquidation befindlichen Kommandos mit Gewalt die Ordnung durchsetzen mußten.

OBERST POKROWSKY: Was verstehen Sie unter »mit Gewalt die Ordnung durchsetzen mußten«. Was verstehen Sie unter gewaltsamer Unterdrückung der unter den Opfern entstehenden Erregung?

OHLENDORF: Also wenn, wie ich eben schon sagte, zur Herbeiführung der ordnungsgemäßen Liquidation zum Beispiel Schlagen angewandt werden mußte.

OBERST POKROWSKY: War es durchaus notwendig, die Opfer zu schlagen?

OHLENDORF: Also, ich habe selbst keinen solchen Fall gesehen, aber ich habe davon gehört.

OBERST POKROWSKY: Von wem?

OHLENDORF: In Gesprächen mit Angehörigen anderer Kommandos.

OBERST POKROWSKY: Sie sagten, daß Wagen, Kraftwagen für die Hinrichtung verwendet wurden?

OHLENDORF: Jawohl.

OBERST POKROWSKY: Wissen Sie, wo und mit wessen Hilfe der Erfinder Becker imstande war, seine Erfindungen zu verwirklichen?

OHLENDORF: Ich habe nur in Erinnerung, daß es im Rahmen des Amtes II des Reichssicherheitshauptamtes geschehen ist, ich kann es aber nicht mehr mit Bestimmtheit sagen.

OBERST POKROWSKY: Wieviele Leute wurden in diesen Wagen hingerichtet?

OHLENDORF: Ich habe die Frage nicht verstanden.

OBERST POKROWSKY: Wieviele Leute wurden unter Verwendung dieser Wagen hingerichtet?

OHLENDORF: Ich kann genaue Zahlen nicht angeben, aber es sind verhältnismäßig sehr wenige gewesen; ich schätze einige hundert.

OBERST POKROWSKY: Sie sagten, daß in diesen Wagen hauptsächlich Kinder und Frauen hingerichtet wurden. Aus welchem Grunde?

OHLENDORF: Es war ein ausdrücklicher Befehl Himmlers, und zwar sollten die Kinder und Frauen auf diese Weise der seelischen Belastung der Exekutionshandlung nicht ausgesetzt werden, ebenso die Männer, die zu einem großen Teil verheiratet waren, nicht gezwungen werden, auf Frauen und Kinder zu schießen.

OBERST POKROWSKY: Hat irgend jemand das Verhalten der Leute beobachtet, die in diesen Wagen hingerichtet wurden?

OHLENDORF: Jawohl, der Arzt.

OBERST POKROWSKY: Ist Ihnen bekannt, daß Becker gemeldet hat, daß der Tod in diesen Wagen besonders qualvoll war?

OHLENDORF: Nein. Ich habe von Beckers Meldung zum erstenmal in dem Brief an Rauff gelesen, der mir vorgelegt worden ist. Im Gegenteil, ich weiß von der Meldung des Arztes, daß die Opfer von dem eintretenden Tode keine Empfindung hatten.

OBERST POKROWSKY: Haben irgendwelche militärischen Einheiten, ich meine Einheiten der Armee, an diesen Massenhinrichtungen teilgenommen?

OHLENDORF: In der Regel nicht.

OBERST POKROWSKY: Und als Ausnahme?

OHLENDORF: Ich meine in Erinnerung zu haben, daß sowohl in Nikolajew als auch in Simferopol vorübergehend ein Zuschauer vom Armee-Oberkommando dabei gewesen ist.

OBERST POKROWSKY: Zu welchem Zweck?

OHLENDORF: Das kann ich nicht sagen; wahrscheinlich um sich selbst persönlich zu informieren.

OBERST POKROWSKY: Waren in diesen Städten militärische Abteilungen beauftragt, Hinrichtungen durchzuführen?

OHLENDORF: Die Armee hat offiziell keine Abteilungen gestellt, wie überhaupt die Armee an und für sich gegen die Liquidationen war.

OBERST POKROWSKY: Aber tatsächlich?

OHLENDORF: Selbst da haben sich freiwillige Abteilungen hier und da zur Verfügung gestellt. Allerdings ist mir im Augenblick kein Fall bekannt aus der Armee selbst, sondern lediglich aus dem Heeresgefolge.

OBERST POKROWSKY: Sie waren der Mann, auf dessen Befehl Menschen in den Tod geschickt wurden. Wurden nur Juden den Einsatzgruppen zur Hinrichtung übergeben, oder wurden auch Kommunisten, Sie nennen sie in Ihren Anweisungen kommunistische Kommissare, mit den Juden zusammen zur Hinrichtung übergeben?

OHLENDORF: Jawohl, und zwar Aktivisten und zwar war es immer der Begriff: politische Kommissare; nicht die Tatsache der kommunistischen Parteizugehörigkeit war für eine Verfolgung oder für eine Tötung ausreichend.

OBERST POKROWSKY: Wurden irgendwelche besonderen Untersuchungen darüber angestellt, welche Rolle eine Person in der kommunistischen Partei spielte?

OHLENDORF: Nein, sondern ich sagte das Gegenteil: Die Tatsache der Angehörigkeit der kommunistischen Partei war nicht ausschlaggebend, weder zur Verfolgung eines Menschen überhaupt, noch zur Hinrichtung, sondern es war eine besondere politische Funktion vorausgesetzt.

OBERST POKROWSKY: Haben Sie irgendwelche Besprechungen über die aus Berlin geschickten Mordwagen und über deren Verwendung gehabt?

OHLENDORF: Ich habe die Frage nicht verstanden.

OBERST POKROWSKY: Hatten Sie Gelegenheit, mit Ihren Vorgesetzten und Ihren Kollegen über den Umstand zu sprechen, daß von Berlin an Ihre eigene Einsatzgruppe diese Motorfahrzeuge zur Durchführung der Hinrichtungen geschickt worden waren? Erinnern Sie sich an irgendeine solche Unterredung?

OHLENDORF: An eine konkrete Unterredung könnte ich mich nicht erinnern.

OBERST POKROWSKY: Hatten Sie irgendwelche Kenntnis von der Tatsache, daß die Angehörigen der mit der Hinrichtung beauftragten Vollstreckungsmannschaften diese Wagen nur widerstrebend benutzten?

OHLENDORF: Daß Einsatzkommandos sich der Wagen bedienten, davon hatte ich Kenntnis.

OBERST POKROWSKY: Nein, ich meine etwas anderes. Ich wollte wissen, ob Ihnen irgendwelche Berichte darüber zugegangen sind, daß Mitglieder der Vollstreckungskommandos die Wagen widerstrebend benutzten, und ob sie andere Hinrichtungsmethoden vorzogen?

OHLENDORF: Also den Gaswagen lieber benutzten als die Tötung durch Erschießen?

OBERST POKROWSKY: Im Gegenteil, daß sie die Hinrichtung durch Erschießen derjenigen durch die Gaswagen vorzogen?

OHLENDORF: Jawohl, das habe ich vorhin schon ausgeführt, daß der Gaswagen...

OBERST POKROWSKY: Und warum zogen sie die Hinrichtung durch Erschießen derjenigen durch die Gaswagen vor?

OHLENDORF: Ich sagte vorhin schon, deswegen, weil das Ausladen der Leichen nach Ansicht der Einsatzkommandoführer eine unnötige seelische Belastung darstellte.

OBERST POKROWSKY: Was meinen Sie, »eine unnötige seelische Belastung«?

OHLENDORF: Soweit ich mich an die damaligen Zustände erinnere, an die Lagebilder der Leichen und dadurch, daß wahrscheinlich bestimmte Funktionen des Körpers ausgeübt wurden, die eben die Leichen im Schmutz liegen ließen.

OBERST POKROWSKY: Sie wollen sagen, daß die Leiden, die die Opfer vor der Hinrichtung erdulden mußten, ihnen deutlich anzusehen waren? Habe ich Sie richtig verstanden?

OHLENDORF: Die Frage verstehe ich nicht; Sie meinen während der Tötung im Gaswagen?

OBERST POKROWSKY: Ja.

OHLENDORF: Daraufhin kann ich nur wiederholen, was mir der Arzt gesagt hat, daß die Opfer von der Tötung im Gaswagen keine Empfindung hatten.

OBERST POKROWSKY: In diesem Falle wird Ihre Antwort auf meine vorhergehende Frage, daß nämlich das Ausladen der Leichen einen furchtbaren Eindruck auf die Mitglieder der Vollstreckungsmannschaften machte, völlig unverständlich.

OHLENDORF: Ja, und wie ich sagte, durch die Lagebilder der Leichen und durch den Zustand, in dem sich der Wagen, wahrscheinlich beschmutzt und so weiter, befand.

OBERST POKROWSKY: Ich habe im gegenwärtigen Stand der Verhandlung keine weiteren Fragen an diesen Zeugen zu stellen.

VORSITZENDER: Wünscht der Hauptanklagevertreter Frankreichs einige Fragen an diesen Zeugen zu richten?

M. FRANÇOIS DE MENTHON, HAUPTANKLÄGER FÜR DIE FRANZÖSISCHE REPUBLIK: Nein.

VORSITZENDER: Hat der Verteidiger Kaltenbrunners den Wunsch, das Kreuzverhör jetzt oder zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen?

DR. KAUFFMANN: Vielleicht kann ich einige wenige Fragen jetzt stellen, mit der Bitte, mir die Ergänzung des Kreuzverhörs vorzubehalten, nachdem ich mit Kaltenbrunner gesprochen habe.

VORSITZENDER: Jawohl.

DR. KAUFFMANN: