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[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

OBERST AMEN: Es würde zehn Minuten dauern, um den nächsten Zeugen zu holen. Ich hatte nicht erwartet, daß wir so schnell fertig sein würden. Wünschen Sie, daß ich ihn noch heute Nachmittag holen lasse?

VORSITZENDER: Haben Sie in dieser Sache noch weitere Zeugen zu vernehmen?

OBERST AMEN: Nein, in dieser Sache nicht, Herr Vorsitzender. Ich habe noch zwei Zeugen kurz zu verhören. Den ersten über das schriftliche Abkommen zwischen dem OKW und OKH und dem RSHA, über das heute früh Zeugnis abgelegt wurde. Der Zeuge kann die heute Vormittag von Mitgliedern des Gerichtshofs gestellten Fragen sehr kurz beantworten. Der andere Zeuge wird über etwas ganz anderes aussagen.

VORSITZENDER: In welcher Sache soll der andere Zeuge aussagen?

OBERST AMEN: Er wird über die Identifizierung von zwei Angeklagten in einem der Konzentrationslager aussagen. Ich möchte ihre Namen der Verteidigung gegenüber nicht erwähnen, es sei denn, Sie wünschen es ausdrücklich.

VORSITZENDER: Ich bin damit einverstanden; dann werden Sie also die beiden Zeugen morgen aufrufen?

OBERST AMEN: Jawohl, Herr Vorsitzender, ich glaube, keiner der beiden Zeugen wird mehr als 20 Minuten in Anspruch nehmen.

VORSITZENDER: Gut. Dann werden Sie mit der Beweisaufnahme gegen das Oberkommando fortfahren?

OBERST AMEN: Jawohl, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Wir werden uns jetzt vertagen.

[Das Gericht vertagt sich bis

4. Januar 1946, 10.00 Uhr.]

Siebenundzwanzigster Tag.

Freitag, 4. Januar 1946.

Vormittagssitzung.

OBERST AMEN: Ich möchte als Zeugen für die Anklagevertretung Walter Schellenberg aufrufen.

[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Heißen Sie Walter Schellenberg?

ZEUGE WALTER SCHELLENBERG: Ich heiße Walter Schellenberg.

VORSITZENDER: Wollen Sie den folgenden Eid schwören: Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

OBERST AMEN: Sprechen Sie langsam und machen Sie zwischen den Fragen und Antworten Pausen. Wo sind Sie geboren?

SCHELLENBERG: In Saarbrücken.

OBERST AMEN: Wie alt sind Sie?

SCHELLENBERG: 35 Jahre.

OBERST AMEN: Waren Sie Mitglied der NSDAP?

SCHELLENBERG: Jawohl.

OBERST AMEN: Und der SS?

SCHELLENBERG: Ja, auch der SS.

OBERST AMEN: Und der Waffen-SS?

SCHELLENBERG: Auch der Waffen-SS.

OBERST AMEN: Und des SD?

SCHELLENBERG: Und des SD.

OBERST AMEN: Welches war der höchste Rang, den Sie innehatten?

SCHELLENBERG: Der höchste Rang, den ich in der SS innehatte, war SS-Brigadeführer, und in der Waffen-SS Generalmajor der Waffen-SS.

OBERST AMEN: Waren Sie Chef des Amtes VI?

SCHELLENBERG: Ich war Chef des Amtes VI und Mil.

OBERST AMEN: Während welchen Zeitraums?

SCHELLENBERG: Ich wurde stellvertretender Amtschef VI im Juli 1941 und im Juni 1942 endgültig als solcher bestätigt.

OBERST AMEN: Erklären Sie kurz die Funktionen des Amtes VI des RSHA.

SCHELLENBERG: Das Amt VI war der politische Geheimdienst des Reiches und arbeitete grundsätzlich im Ausland.

OBERST AMEN: Wissen Sie etwas über ein Übereinkommen zwischen dem OKW, OKH, und dem RSHA, betreffend den Einsatz von Einsatzgruppen und des Einsatzkommandos im russischen Feldzug?

SCHELLENBERG: Ende Mai 1941 fanden Verhandlungen statt zwischen dem damaligen Chef der Sicherheitspolizei und dem Generalquartiermeister Wagner, General Wagner.

OBERST AMEN: Und wem?

SCHELLENBERG: Dem Generalquartiermeister des Heeres, General Wagner.

OBERST AMEN: Waren Sie bei den Besprechungen persönlich zugegen?

SCHELLENBERG: Ich war bei der Abschlußbesprechung als Protokollführer persönlich zugegen.

OBERST AMEN: Haben Sie uns die Namen aller bei den Verhandlungen anwesenden Personen angegeben?

SCHELLENBERG: Diese Verhandlungen waren grundsätzlich zwischen dem Obergruppenführer Heydrich, dem damaligen Chef der Sicherheitspolizei und des SD, und dem Generalquartiermeister des Heeres.

OBERST AMEN: Waren irgendwelche andere Personen während irgendeiner dieser Verhandlungen zugegen?

SCHELLENBERG: Während der Verhandlung selbst nicht, später an einer Tagung waren andere Personen beteiligt.

OBERST AMEN: Hatten diese Verhandlungen das Ergebnis, daß ein Übereinkommen unterzeichnet wurde?

SCHELLENBERG: Es wurde eine Vereinbarung schriftlich abgeschlossen.

OBERST AMEN: Waren Sie bei der Unterschrift dieser schriftlichen Vereinbarung zugegen?

SCHELLENBERG: Ich war als Protokollführer zugegen und habe gesehen, wie beide Herren unterzeichnet haben.

OBERST AMEN: Von wem wurde diese Vereinbarung unterzeichnet?

SCHELLENBERG: Sie wurde unterzeichnet von dem damaligen Chef der Sicherheitspolizei, SS-Gruppenführer Heydrich, und dem Generalquartiermeister des Heeres, General Wagner.

OBERST AMEN: Wissen Sie, wo das Originaldokument oder eine Abschrift desselben heute vorhanden ist?

SCHELLENBERG: Nein, das kann ich nicht sagen, ich weiß darüber nichts.

OBERST AMEN: Aber Sie sind doch mit dem Inhalt dieser schriftlichen Vereinbarung vertraut?

SCHELLENBERG: Ja, ich kann mich an den größten Teil erinnern.

OBERST AMEN: Erzählen Sie dem Gerichtshof nach bestem Wissen genau, was in dieser schriftlichen Vereinbarung enthalten war.

SCHELLENBERG: Der erste Teil dieser Vereinbarung begann mit der Anführung eines grundsätzlichen Führerbefehls. Er lautete ungefähr in der Erläuterung folgendermaßen:

Zur Sicherung der kämpfenden Truppen bei dem bevorstehenden Rußlandfeldzug soll mit allen Mitteln der Rücken freigehalten werden. Aus dieser Überlegung heraus sei jeder Widerstand mit jedem Mittel zu brechen. Zur Unterstützung des Kampfverbandes des Heeres sei zu dieser Aufgabe auch die Sicherheitspolizei und der SD heranzuziehen.

Wenn ich mich recht erinnere, wurde als ein besonderes Beispiel eines Sicherungsobjekts die Sicherung der sogenannten großen Nachschubstraßen, auch Rollbahnen genannt, erwähnt.

OBERST AMEN: Erinnern Sie sich an irgendwelche andere Dinge, die in dieser Vereinbarung enthalten waren?

SCHELLENBERG: Im zweiten Teil der Vereinbarung wurde die Organisation der Heeresgruppen angeführt...

OBERST AMEN: Was wurde darüber gesagt?

SCHELLENBERG:... und dementsprechend der Aufbau der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD. Es wurden vier verschiedene Raumabschnitte unterschieden. Ich erinnere mich folgender: Erstens das Frontgebiet, zweitens das Operationsgebiet. Es gliederte sich auf in ein Armeegebiet und ein rückwärtiges Armeegebiet. Drittens das rückwärtige Heeresgebiet, viertens die Gebiete der einzurichtenden Zivilverwaltungen, Reichskommissariate.

Für diese verschiedenen Räume wurden die Unterstellungs- und Befehlsverhältnisse genau festgelegt. In den Front- oder Gefechtsgebieten waren die Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD taktisch und truppendienstlich, das heißt also völlig der Befehlsgewalt des Heeres unterstellt.

In den Operationsgebieten sollte nur die truppendienstliche Unterstellung gelten, desgleichen diese Regelung im rückwärtigen Heeresgebiet. In den vorgesehenen Gebieten der Zivilverwaltung, Reichskommissariate, sollten die gleichen Befehls- und Unterstellungsverhältnisse gelten wie im Reichsgebiet.

Im dritten Teil war dann erläutert, was unter taktisch und truppendienstlich zu verstehen sei, das heißt: es wurde im einzelnen nur der Begriff truppendienstlich erläutert.

Man verstand darunter die disziplinäre und versorgungsmäßige Unterstellung unter die Teile des Heeres. Besondere Erwähnung fand noch die Hervorhebung, daß die truppendienstliche Unterstellung auch die gesamte Versorgung, vor allem mit Benzin, Ernährung und die Zurverfügungstellung der technischen Nachrichtenübermittlungswege einbegreife.

OBERST AMEN: Haben Sie uns nunmehr alles gesagt, dessen Sie sich in Bezug auf diese Vereinbarung erinnern können?

SCHELLENBERG: Ja! Mehr kann ich mich nicht erinnern, daß diese Vereinbarung enthalten hat.

OBERST AMEN: Herr Vorsitzender, das ist alles.

VORSITZENDER: Hat die englische Anklagevertretung irgendwelche Fragen zu stellen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Nein.

VORSITZENDER: Hat der russische Anklagevertreter irgendwelche Fragen zu stellen?

OBERST POKROWSKY: Nein.

VORSITZENDER: Hat der französische Anklagevertreter irgendwelche Fragen zu stellen?