[Keine Antwort.]
VORSITZENDER: Wollen die Verteidiger irgendwelche Fragen stellen?
DR. KAUFFMANN: Ist es richtig, daß Dr. Kaltenbrunner Ihr Vorgesetzter war?
SCHELLENBERG: Dr. Kaltenbrunner war mein unmittelbarer Vorgesetzter.
DR. KAUFFMANN: Und bis zu welcher Zeit?
SCHELLENBERG: Vom 30. Januar 1943 bis zum Ende.
DR. KAUFFMANN: Kennen Sie seine Einstellung zu wichtigen Lebensfragen des Nationalsozialismus, also zum Beispiel zur Frage der Judenbehandlung oder zur Frage der Kirchenbehandlung?
SCHELLENBERG: Ich habe nie Gelegenheit gehabt, mich über diese Fragen persönlich mit ihm unterhalten zu können. Das, was ich mir subjektiv von ihm als Bild erstellen kann, kann nur geschehen auf Grund einzelner persönlicher Wahrnehmungen.
DR. KAUFFMANN: Haben Sie Originalbefehle von Kaltenbrunner gesehen, die sich auf Hinrichtungen von Sabotagetrupps, auf Einweisung in Konzentrationslager und dergleichen bezogen?
SCHELLENBERG: Nein. Ich habe lediglich mündliche Anordnungen von ihm in dieser Hinsicht gehört, von Befehlen, die er an den Chef der Staatspolizei, den Amtschef IV des Reichssicherheitshauptamtes gegeben hat.
DR. KAUFFMANN: Hat Ihnen Kaltenbrunner irgendwann einmal eine Andeutung gemacht, er habe mit Himmler verabredet, alles, was sich auf Konzentrationslager beziehe, überhaupt die gesamte Exekutive, solle von ihm weggenommen werden; ihm solle lediglich der SD als Nachrichtendienst anvertraut werden, und er wolle diesen Nachrichtendienst ausbauen, um die sonst fehlende Kritik zu ersetzen?
SCHELLENBERG: Ich habe von einer solchen Vereinbarung nie etwas gehört, und das, was ich an Tatbeständen erfahren habe, spricht das Gegenteil aus.
DR. KAUFFMANN: Nun muß ich Sie fragen, damit das nun klar ist, nachdem Sie diese Frage im negativen Sinne beantwortet haben: Welche Tatbestände meinen Sie, Herr Zeuge?
SCHELLENBERG: Ich meine zum Beispiel einen Tatbestand, daß nach einer von mir mühselig abgerungenen Zustimmung des Reichsführers-SS, die Konzentrationslager nicht zu evakuieren, Kaltenbrunner in unmittelbarem Kontakt mit Hitler diesen Befehl Himmlers umging und international damit Wortbruch betrieb.
DR. KAUFFMANN: Waren denn internationale Bestimmungen darüber vorhanden, Bestimmungen, die sich auf vorliegende Gesetze beziehen, oder Bestimmungen, die sich auf internationale Vereinbarungen beziehen?
SCHELLENBERG: Ich möchte das so auslegen, daß, wenn über internationale Persönlichkeiten an offizielle alliierte Stellen die bindende Erklärung des damaligen Reichsführers-SS abgegeben wurde, die Konzentrationslager wegen der Notlage nicht zu evakuieren, es eben menschenrechtlich bindend war.
DR. KAUFFMANN: Was verstehen Sie unter Evakuieren?
SCHELLENBERG: Die Lager vor den herannahenden Feindtruppen willkürlich zu evakuieren und nach noch nicht besetzten Teilen Deutschlands zu verzetteln.
DR. KAUFFMANN: Und Ihre Meinung war welche?
SCHELLENBERG: Daß keine Evakuierung mehr stattfinden dürfte, weil es einfach menschenrechtlich nicht erträglich war.
DR. KAUFFMANN: Daß also die Lager dem herankommenden Feind übergeben werden sollten?
SCHELLENBERG: Jawohl.
DR. KAUFFMANN: War Ihnen bekannt, daß auch Ihre Tätigkeit dazu beitragen konnte, sehr vielen Menschen Leid zuzufügen, die an sich ja schuldlos waren?
SCHELLENBERG: Ich darf bitten, mir diese Frage zu wiederholen, ich habe sie nicht verstanden.
DR. KAUFFMANN: Haben Sie einmal darüber nachgedacht, daß auch Ihre Tätigkeit und die Tätigkeit Ihrer Mitarbeiter irgendeine Ursache dafür war, daß vielen Menschen, sagen wir also Juden, sehr großes Leid zugefügt werden konnte, obwohl diese Menschen ja schuldlos waren.
SCHELLENBERG: Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Tätigkeit meines Amtes etwas Derartiges hervorrufen konnte. Ich war lediglich ein Informationsdienst.
DR. KAUFFMANN: Hatte also Ihr Informationsdienst gar keine Beziehungen zu derartigen Verbrechen?
SCHELLENBERG: Nein.
DR. KAUFFMANN: Dann würde in diesem Punkt auch Kaltenbrunner nicht belastet werden können.
SCHELLENBERG: Doch, denn er war gleichzeitig Vorgesetzter des Amtes IV der Staatspolizei.
DR. KAUFFMANN: Ja, ich habe gefragt »in diesem Punkt«, damit habe ich gemeint Ihren Sektor.
SCHELLENBERG: Ich vertrete nur den Sektor des Amtes VI und Amt Mil.
DR. KAUFFMANN: Aber Kaltenbrunner war doch auch gleichzeitig der Chef vom Amt VI.
SCHELLENBERG: Kaltenbrunner war der Chef des RSHA. Ihm unterstanden die Ihnen wahrscheinlich auch bekannten acht Ämter. Von einem oder zwei davon war ich Vorgesetzter, nämlich dem Amt VI und dem Amt Mil. Diese beiden Ämter hatten mit der Exekutive der Staatspolizei nichts zu tun.
DR. KAUFFMANN: Wenn also Ihr Amt...
VORSITZENDER: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, so führten Sie aus, daß Sie nur in einer Abteilung waren, die ein Informationsbüro war, ist das richtig?
SCHELLENBERG: Ja.
VORSITZENDER: Ist es richtig, daß Kaltenbrunner Ihr direkter Vorgesetzter war?
SCHELLENBERG: Kaltenbrunner war der Chef des Reichssicherheitshauptamtes.
VORSITZENDER: Er war Vorgesetzter nicht allein Ihrer Abteilung, sondern der ganzen Organisation.
SCHELLENBERG: Jawohl, jawohl.
DR. KAUFFMANN: Ich darf mir vorbehalten, an diesen Zeugen zu einem anderen Zeitpunkt noch Fragen zu stellen, wenn ich mit Kaltenbrunner gesprochen habe.
DR. KUBUSCHOK: Waren Sie, Herr Zeuge, im Sommer 1943 in Ankara und haben Sie bei dieser Gelegenheit auch einen Besuch der Deutschen Botschaft abgestattet?
SCHELLENBERG: Jawohl.
DR. KUBUSCHOK: Haben Sie bei diesem Besuch die deutsche Außenpolitik in verschiedener Hinsicht kritisiert, und haben Sie dabei erwähnt, daß es unbedingt ratsam wäre, zum Heiligen Stuhl bessere Beziehungen anzuknüpfen? War dabei die Antwort des Herrn von Papen: »Dies ist nur dann überhaupt möglich, wenn entsprechend meiner immer wieder aufgestellten Forderung, die Kirchenpolitik einer absoluten Revision unterzogen und die Kirchenverfolgung eingestellt wird«?
SCHELLENBERG: Jawohl, dieser Sachverhalt trifft zu, und ich habe mich auch in diesem Sinn mit dem damaligen Botschafter von Papen ausgesprochen.
DR. ALFRED THOMA, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN ROSENBERG: Herr Zeuge, Sie sagten vorhin, im Gebiete der Zivilverwaltung seien die Unterstellungs- und Befehlsverhältnisse wie im Reich.
SCHELLENBERG: Ja, sie sollten gelten.
DR. THOMA: Ich bitte, meine Frage nochmals zu beantworten.
SCHELLENBERG: Ich darf wiederholen, ich habe die Vereinbarung wiedergegeben, die die Bestimmung enthielt, daß in den vorgesehenen Gebieten der Zivilverwaltung, Reichskommissariaten, die gleichen Unterstellungs- und Befehlsverhältnisse im Verhältnis des Heeres zur Sicherheitspolizei und zum SD genau so gelten sollten wie im Reich.
DR. THOMA: Wissen Sie, wie das praktisch gehandhabt wurde?
SCHELLENBERG: Nein, ich habe mich später mit diesen Fragen nicht mehr beschäftigt.
DR. THOMA: Danke schön.
RA. BABEL: Herr Zeuge, Sie waren Mitglied der SS und des SD, und zwar in führenden Stellungen....
VORSITZENDER: Wollen Sie zur Aufnahme in das Protokoll angeben, für welche Organisationen Sie sprechen.
RA. BABEL: