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[zum Zeugen gewandt]

Ich vertrete die Organisationen SS und SD. Im Reichssicherheitshauptamt war auch eine Abteilung der Sicherheitspolizei und des SD. Wie waren diese beiden Abteilungen miteinander verflochten und was war der Zweck des SD?

SCHELLENBERG: Das ist eine Frage, die ich mit einem Satz nicht beantworten kann.

RA. BABEL: Vielleicht kann ich die Frage zunächst zurückstellen und konkret fragen: Wurde der SD bei diesen Einsatzgruppen im Osten verwendet, in welchem Umfang und mit welchen Aufgaben?

SCHELLENBERG: Ich glaube, daß der Schwerpunkt der Verwendung des Personals im Einsatz im Osten bei der Sicherheitspolizei, das heißt bei der Staatspolizei und der Kriminalpolizei lag, und daß aus dem Personal des SD lediglich zusätzliche Kontingente gestellt wurden.

RA. BABEL: Wie groß waren diese Kontingente? Wie groß war der Bestand des SD überhaupt?

SCHELLENBERG: Ja, ich glaube, daß ein Verhältnis vielleicht von mir geschätzt werden kann; ohne weibliche Angestellte von der Staatspolizei vielleicht 40000 bis 45000; der Kriminalpolizei von 15000 bis 20000; des SD Inland, also des Amtes III, mit seinen organisatorischen Untergliederungen von 2000 bis zweieinhalbtausend; und des SD Ausland, also meines Amtes VI, von 400.

RA. BABEL: Ja, und wie ist nun der SD im Osten bei diesen Einsatzgruppen verwendet worden?

SCHELLENBERG: Ich kann das im einzelnen nicht sagen, weil das eine Angelegenheit der Personalverwaltung und der unmittelbaren Anweisung des damaligen Chefs der Sicherheitspolizei war.

RA. BABEL: Unter den Zahlen, die Sie jetzt genannt haben, waren das lediglich männliche Mitglieder des SD oder waren da auch weibliche Angestellte, Frauen, darunter inbegriffen?

SCHELLENBERG: Das waren nur männliche Mitglieder; ich habe die weiblichen herausgelassen aus den Zahlen, die ich genannt habe.

RA. BABEL: Uns hat gestern ein Zeuge eine ähnliche Zahl genannt, von ungefähr 3000, und gemeint, dabei wären auch die weiblichen Angestellten inbegriffen.

SCHELLENBERG: Ich habe ja eine Zahl von 2000 bis 2500 für den SD-Inland genannt.

RA. BABEL: Ja. Wie war die Gliederung der Waffen-SS?

SCHELLENBERG: Die Gliederung der Waffen-SS kann ich verantwortlich hier im einzelnen nicht aussagen, weil ich mich mit der Frage nicht beschäftigt habe.

RA. BABEL: Nun, waren Sie Mitglied der Waffen- SS und des SD?

SCHELLENBERG: Ich bin lediglich der Waffen-SS im Januar 1945, sozusagen auf höheren Befehl, eingegliedert worden, weil man mir, da größere Teile von militärischen Verbänden mir unterstellt waren, durch das Amt Mil. einen militärischen Dienstgrad verleihen wollte.

RA. BABEL: Ist Ihnen bekannt, daß das in größerem Umfange auch sonst geschehen ist?

SCHELLENBERG: Da bin ich überfragt.

RA. BABEL: Danke.

OBERST AMEN: Wissen Sie von einem Spezialfall, in welchem Kaltenbrunner die Evakuierung eines Lagers entgegen den Wünschen Himmlers angeordnet hat?

SCHELLENBERG: Ja.

OBERST AMEN: Bitte, erzählen Sie dem Gerichtshof hierüber.

SCHELLENBERG: Ich kann das Datum nicht mehr genau angeben; ich glaube, es war aber im Anfang April 1945, als der Sohn des Altbundespräsidenten Musy der Schweiz, der seinen Herrn Vater in die Schweiz verbracht hatte, mit dem Wagen zurückgekehrt war nach dem Lager Buchenwald, um dort persönlich eine von mir befreite jüdische Familie abzuholen. Er traf das Lager in voller Evakuierung unter unwürdigsten Zuständen. Da er drei Tage vorher seinen Herrn Vater mit dem endgültigen Bescheid der Nichtevakuierung der Lager – diese Erklärung war auch für General Eisenhower bestimmt – in die Schweiz abgefahren hatte, war er über diese Nichteinhaltung des Versprechens doppelt enttäuscht. Musy junior kam zu mir persönlich in meine Amtsräume, war tief beleidigt und machte mir bittere Vorwürfe. Ich konnte den Sachverhalt nicht verstehen und setzte mich sofort mit dem Sekretär Himmlers in Verbindung und verwahrte mich gegen ein derartiges Vorgehen. Nach kurzer Zeit wurde mir der Tatbestand, wie er von Herrn Musy junior geschildert war, als richtig zugegeben, jedoch sei es völlig unerklärlich, da Himmler diese Befehle nicht gegeben hätte. Es wurde sofortige Abstellung mit allen Mitteln zugesichert. Dies bestätigte mir auch Himmler telefonisch persönlich einige Stunden später. Ich glaube, es war am gleichen Tage, als ich nach einer Amtschefsitzung Kaltenbrunner über diesen Sachverhalt unterrichtete und ihn von meiner großen Sorge über diesen erneuten Bruch internationaler Versicherungen Mitteilung machte. Als ich bei diesem Gesprächsmoment eine Pause machte, schaltete sich der Chef der Staatspolizei; Gruppenführer Müller, ein und erklärte, er habe ja auf Weisung Kaltenbrunners schon vor drei Tagen mit der Evakuierung der wichtigsten Häftlinge der einzelnen Lager begonnen. Kaltenbrunner erwiderte wörtlich:

»Ja, das ist richtig, es handelt sich um einen Führerbefehl, der mir auch neuerlich von ihm, also dem Führer, bestätigt worden ist. Alle wichtigen Häftlinge sind nach seiner Weisung nach dem Süden des Reiches zu evakuieren.«

Er wandte sich dann spöttisch an mich und sagte auf Dialekt:

»Sagen Sie Ihrem alten Herrn, das war Herr Musy senior, in den Lagern werden's noch genug verbleiben. Damit können Sie sich auch abfinden.«

Ich glaube, das war am 10. April 1945.

OBERST AMEN: Das, Hoher Gerichtshof, ist alles.

GENERAL NIKITCHENKO: Können Sie uns gleich sagen, welches die Aufgaben des Reichssicherheitshauptamtes waren?

SCHELLENBERG: Das kann ich nicht in einem Satz beantworten. Ich glaube,...

GENERAL NIKITCHENKO: Fassen Sie sich kurz! Fassen Sie sich kurz! Was waren die Aufgaben?

SCHELLENBERG: Das Reichssicherheitshauptamt war eine Zusammenfassung einer sicherheitspolizeilichen, das heißt staatspolizeilichen...

GENERAL NIKITCHENKO: Die Organisation kennen wir schon aus dem Material, das dem Gerichtshof bereits vorgelegen hat; aber welches waren seine Funktionen?

SCHELLENBERG: Ja, ich wollte Ihnen die Funktionen erläutern. Die Funktionen bestanden in einer Sicherheits-, das heißt staatspolizeilichen Tätigkeit, in einer kriminalpolizeilichen Tätigkeit, in einer nachrichtendienstlichen Tätigkeit im Inland und einer nachrichtendienstlichen Tätigkeit im Ausland.

GENERAL NIKITCHENKO: Ist es zutreffend, wenn man es so formuliert, daß die Funktionen in der Unterdrückung derer bestanden haben, die die Regierung und die Nazi-Partei als Gegner ansahen?

SCHELLENBERG: Nein, ich glaube, diese Formulierung ist zu einseitig.

GENERAL NIKITCHENKO: Aber auch diese Funktionen gehörten dazu?

SCHELLENBERG: Sie waren vielleicht ein gewisser Bestandteil der Tätigkeit der Staatspolizei.

GENERAL NIKITCHENKO: Hat sich dieser Teil der Funktionen nach der Amtsübernahme durch Kaltenbrunner geändert?

SCHELLENBERG: Nein, es hatte sich nichts geändert.

GENERAL NIKITCHENKO: Haben sich diese Funktionen, über die Sie eben gesprochen haben, seit Kaltenbrunners Amtsantritt als Chef des Reichssicherheitshauptamtes geändert?

SCHELLENBERG: Die Funktionen, so wie ich sie formuliert habe, haben sich nach dem Amtsantritt Kaltenbrunners nicht geändert.

GENERAL NIKITCHENKO: Ich habe noch eine Frage. Was waren die Aufgaben der Einsatzgruppen, die auf Grund der Abmachungen zwischen dem Sicherheitsdienst und dem Oberkommando geschaffen werden sollten?

SCHELLENBERG: Bei der damaligen Vereinbarung war in dem ersten Teil, den ich hier bereits beschrieben habe, die Aufgabe umschrieben, die Sicherung im Rücken der kämpfenden Truppe zu übernehmen und jeden Widerstand mit jedem Mittel niederzuhalten.

GENERAL NIKITCHENKO: Den Widerstand niederzuhalten oder den Widerstand zu brechen?

SCHELLENBERG: Es hieß wörtlich, jeden Widerstand mit jedem Mittel zu brechen.

GENERAL NIKITCHENKO: Mit welchen Mitteln sollte dieser Widerstand unterdrückt werden?

SCHELLENBERG: Das wurde in der damaligen Vereinbarung weder erwähnt noch besprochen.

GENERAL NIKITCHENKO: Aber es ist Ihnen bekannt, welche Mittel angewandt wurden, nicht wahr?

SCHELLENBERG: Ich habe später gehört, daß durch die Härte des Kampfes die Mittel auch sehr hart gewählt wurden. Ich weiß das aber nur vom Hörensagen.

GENERAL NIKITCHENKO: Und was heißt das genau formuliert?

SCHELLENBERG: Daß im Partisanenkampf und in der Begegnung der Zivilbevölkerung zahlreiche Erschießungen vorgenommen worden sind.

GENERAL NIKITCHENKO: Darunter auch von Kindern?

SCHELLENBERG: Das habe ich nicht gehört.

GENERAL NIKITCHENKO: Das haben Sie nicht gehört.