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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

MR. ALBRECHT: Hoher Gerichtshof! Zwei wichtige Besprechungen, auf die bereits von der Anklagebehörde hingewiesen wurde, zeigen klar, wie der Angeklagte Göring die wirtschaftlichen Vorbereitungen Deutschlands für den Angriffskrieg veranlaßte und leitete. Am 8. Juli 1938 sprach er vor einer Reihe führender deutscher Luftfahrtindustrieller und legte den Grundstein für ein ungeheures Anwachsen der Luftfahrtproduktion. Er wies darauf hin, daß ein Krieg mit der Tschechoslowakei bevorstehe und prahlte damit, daß die deutsche Luftwaffe der englischen an Qualität und Quantität überlegen sei. Er erklärte ferner:

»... wenn wir den Kampf gewinnen würden. Dann ist Deutschland die erste Macht der Welt, dann gehört Deutschland der Markt der Welt, dann kommt die Stunde, wo Deutschland reich ist. Aber man muß was riskieren...«

Dieser Ausspruch stammt aus dem Dokument R-140, US-160.

Einige Wochen nach dem Münchener Abkommen sagte Göring am 14. Oktober 1938 bei einer anderen Besprechung in seinem Amt, daß Hitler ihn mit der Durchführung eines gigantischen Rüstungsprogramms beauftragt habe, das alles bisher Erreichte in den Schatten stellen werde. Er deutete an, daß er beauftragt sei, so schnell wie möglich eine fünfmal so große Luftwaffe aufzubauen, die Wiederaufrüstung von Heer und Marine zu beschleunigen, und sich dabei auf Angriffswaffen, insbesondere schwere Artillerie und schwere Tanks zu konzentrieren. Bei dieser Besprechung legte er ein bestimmtes Programm vor, wie diese Ziele zu erreichen seien. Dies ist eine kurze Zusammenfassung der Tatsachen, die sich aus dem bereits vorgelegten Dokument 1301-PS, US-123, ergeben.

In seiner Doppelrolle als Reichsluftfahrtminister und Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe war es Görings Aufgabe, die Luftwaffe zu einer wirklichen Kriegsstärke zu entwickeln. Schon am 10. März 1935 legte er bei einem Interview mit einem Korrespondenten der Londoner Daily Mail die Maske der Heuchelei ab und erklärte offen vor aller Welt, daß er im Begriff stünde, eine Kriegsluftwaffe im wahrsten Sinne des Wortes aufzubauen.

Zwei Monate später sprach Göring noch unverblümter in einer Ansprache vor tausend Offizieren der Luftwaffe. Ich lege aus unserem Dokument 3441-PS, US-437, Görings »Reden und Aufsätze«, einen weiteren Auszug vor, der bisher noch nicht verlesen wurde. Auf Seite 242 sagt Göring:

»Ich habe schon einmal gesagt: Mir schwebt vor, eine Luftwaffe zu besitzen, die, wenn einmal die Stunde schlagen sollte, wie ein Chor der Rache über den Geg ner hereinbricht. Der Gegner muß das Gefühl haben, schon verloren zu sein, bevor er überhaupt mit euch gefochten hat.«

Im gleichen Jahr, am 16. März 1935, setzte er seinen Namen unter das Gesetz über den Aufbau der Wehrmacht, das die allgemeine Wehrpflicht einführte, und das damit eine Verhöhnung des Versailler Vertrags durch Nazi-Deutschland darstellte. Der Gerichtshof wird von diesem Gesetz amtlich Kenntnis nehmen. Es ist unser Dokument 1654-PS, aus dem ich mit Erlaubnis des Gerichtshofs nichts verlesen werde. Es ist das Gesetz über den Aufbau der Wehrmacht und ist im Reichsgesetzblatt 1935, Teil I, Seite 369, abgedruckt.

Wie aus der bereits eingereichten eidesstattlichen Erklärung des Gesandten Messersmith hervorgeht, ließen die Erklärungen Görings zu dieser Zeit keinen Zweifel bei den alliierten Diplomaten darüber entstehen, daß Deutschland im Begriff war, seine Luftwaffe für einen bevorstehenden Krieg voll zu mobilisieren.

Göring war tatsächlich die Seele der militärischen Vorbereitung in Deutschland für einen Angriffskrieg.

In der deutschen Wirtschaftsentwicklung nahm er ebenfalls während der gesamten Vorkriegszeit eine Schlüsselstellung ein. Obwohl er offiziell keine Stellung auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten bekleidete, galt er doch in der Geschichte als der Nazi Nummer 2, der in allen wichtigen Abschnitten der Nazi-Angriffe zwischen 1937 und 1941 eine bedeutende Rolle spielte.

In der österreichischen Angelegenheit war Göring Souffleur und Spielleiter der diplomatischen »Tragikomödie«, die sich vor einer entrüsteten, aber schweigenden Welt abspielte.

Dem Gerichtshof ist die Mitschuld Görings an dem Angriff auf Österreich vollkommen bekannt. Uns sind aber gerade einige zusätzliche Dokumente zur Kenntnis gekommen, die beweisen, daß Göring nicht nur aktiv daran teilnahm, sondern daß er vielleicht sogar unmittelbar damit beauftragt war, den deutschen Plan des österreichischen Anschlusses durchzuführen.

Ich möchte nun als erstes dieser Dokumente unser Dokument 3473-PS, US-581, vorlegen. Ich werde aus diesem Beweisstück nichts verlesen, möchte jedoch die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf einen Brief lenken, den Keppler, einer von Görings Vertretern, an den Angeklagten Göring schrieb. Er ist vom 6. Januar 1938 datiert. Aus seinem Zusammenhang scheint sich der stichhaltige Schluß ziehen zu lassen, daß Göring schon 1937 aktiv an der österreichischen Angelegenheit arbeitete. Unsere bisherigen Beweise ließen ihn viel später auf der Bildfläche erscheinen. Die Anklagebehörde mißt diesem Dokument eine besondere Bedeutung zu, da es zeigt, daß der Angeklagte Seyß-Inquart tatsächlich von Göring beauftragt war, die Befehle der Nazi-Verschwörer in Wien auszuführen. Das Dokument selbst wird bei der Behandlung der persönlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten Seyß-Inquart verlesen und erörtert werden; ich möchte jetzt die Zeit des Gerichtshofs dafür nicht in Anspruch nehmen.

Das zweite Dokument, das ich einführen möchte, ist 3472-PS, US-582. Dieses Beweisstück dürfte den Versuch der Verschwörer dartun, den Anschein zu erwecken, daß der vollzogene Anschluß mit »legalen« Mitteln erreicht wurde. Die österreichischen Mitglieder der NSDAP hatten anscheinend den Auftrag, sich herauszuhalten, um den offiziellen Reichsbehörden, das heißt dem Angeklagten Göring und wahrscheinlich auch dem Angeklagten von Papen, die Möglichkeit zu geben, durch direkte Fühlungnahme mit den österreichischen Behörden ihre Teufelei auszuführen. Ich zitiere nun aus diesem Dokument:

»Gestern erreichte mich die Nachricht, daß Landesleiter Leopold« – ich möchte unterbrechend bemerken, daß das Wort »Landesleiter« der Titel des Führers der nationalsozialistischen Bewegung in Österreich ist – »nun auch seinerseits Besprechungen mit Bundeskanzler Schuschnigg aufgenommen habe. Ich habe daraufhin das Auswärtige Amt gebeten, die Richtigkeit dieser Meldung nachzuprüfen und gegebenenfalls dafür Sorge zu tragen, daß derartige Unterhandlungen unterbleiben, da doch hierdurch nur der Fortgang der übrigen Ver handlungen gestört werden kann.

Soeben teilt mir das Auswärtige Amt mit, daß nunmehr eine Meldung der Gesandtschaft in Wien vorliegt, die den Tatbestand bestätigt. Ich erlaube mir daher die Anfrage, ob es nicht zweckmäßig ist, Landesleiter Leopold und den anderen Mitgliedern der Landesleitung diese Verhandlungen mit Bundeskanzler Schuschnigg, wie auch jede Unterhandlung mit österreichischen Regierungsstellen wegen Durchführung des Abkommens vom 11. Juli 1936 zu verbieten, soweit sie nicht nach Fühlungnahme und im Einverständnis mit den maßgebenden Stellen im Reich erfolgen.«

Ich möchte nun die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf den Vermerk lenken, der sich unten auf diesem Brief befindet. Er ist mit Blaustift geschrieben. Obschon der Übersetzer die Initiale unter diesem Vermerk nicht deutete, möchte ich bemerken, daß es ein großes »G« ist; ich habe keine Zweifel, daß der Vermerk von dem Angeklagten Göring geschrieben war. Er lautet:

»Einverstanden! Am besten gibt Minister Heß oder Herr Bormann diesen Befehl! Keppler soll dies telephonisch veranlassen!«

Ich erlaube mir, Ihre Aufmerksamkeit noch auf einen weiteren, mit Bleistift geschriebenen Vermerk in der oberen rechten Ecke zu lenken: »Von Frl. Ernst telephonisch am 11. Februar 1938 an Herrn Keppler durchgegeben. Gezeichnet ›G‹.« Hier handelt es sich aber, wie wir wissen, um das Zeichen von Fräulein Grundmann, einer der Sekretärinnen Görings.

Das dritte Dokument, 3471-PS, lege ich als Beweisstück US-583 vor. Der erste Brief in diesem Beweisstück ist von demselben Keppler an denselben, vor kurzer Zeit erwähnten, Bodenschatz geschrieben, der jedoch jetzt General ist. Ich möchte diesen Brief nicht verlesen, sondern, wenn es dem Gerichtshof recht ist, kurz zusammenfassen. Dieser Brief und seine Anlagen lassen erkennen, daß Leopold, der Nazi-Landesleiter in Österreich, den von Berlin gegebenen Befehlen nicht sehr zugänglich war, und daß er den Anschluß auf seine Art und Weise vollziehen wollte. Die zweite Anlage zu diesem Briefe, die an Keppler gerichtet ist, der nach diesem Briefe SS- Gruppenführer gewesen zu sein scheint, zeigt, daß bedeutende Nazis sich für einen gewissen Major Klausner als Nachfolger Leopolds auf dem Posten eines Landesleiters einsetzten. Ich möchte den Gerichtshof darauf aufmerksam machen, daß sich am linken Rande des Briefes ein Rotstiftzeichen befindet; es ist jene charakteristische Farbe, die nach unserem Wissen bei mehreren Gelegenheiten von Göring benutzt wurde; das läßt darauf schließen, daß Göring diese Dokumente persönlich gesehen und General Bodenschatz ihn auf sie aufmerksam gemacht hatte. Auf jeden Fall zeigen diese Briefe erneut, daß Göring einer der Hauptverschwörer in der österreichischen Angelegenheit war.

Als es endlich am 11. März 1938 soweit war, den Anschluß zu vollziehen, hatte Göring die volle Kommandogewalt in seinen Händen. An diesem Tage leitete er während des ganzen Nachmittags und Abends telephonisch die Aktionen des Angeklagten Seyß-Inquart und der anderen Nazi-Verschwörer in Wien. Die betreffenden Teile dieser telephonischen Unterhaltungen wurden, wie Sie sich erinnern werden, in das Sitzungsprotokoll verlesen.

Wie erinnerlich, diktierte er schon am frühen Abend des 11. März dem Angeklagten Seyß-Inquart das Telegramm, das dieser nach Berlin schicken sollte, und in dem die Nazi-Regierung ersucht wurde, deutsche Truppen nach Österreich zu senden, um »Blutvergießen zu verhindern«. Zwei Tage später war er in der Lage, den Angeklagten Ribbentrop in London anzurufen und ihm voller Freude über seinen Erfolg zu berichten; dabei erklärte er wörtlich: »Diese Erzählung, wir hätten ein Ultimatum gestellt, das ist natürlich Quatsch«. Ich darf vielleicht einfügen, daß diese von mir eben erwähnte Stelle in das Sitzungsprotokoll. Band 2, Seite 469, verlesen wurde.

Ebenso spielte Göring eine bedeutende Rolle bei dem Überfall auf die Tschechoslowakei. Im März 1938, zur Zeit des Anschlusses hatte er dem Tschechoslowakischen Gesandten in Berlin eine feierliche Versicherung gegeben, daß die deutsch-tschechischen Beziehungen durch die Entwicklung in Österreich nicht ungünstig beeinflußt würden. Er hatte betont, daß sich Deutschland auch weiterhin um die Besserung dieser Beziehungen ernstlich bemühen werde. In diesem Zusammenhang gebrauchte er den Ausdruck »Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort«. Dieser Ausspruch wurde kürzlich in das Sitzungsprotokoll Band 3, Seite 49, verlesen.

Andererseits brachte er in seiner vorerwähnten Ansprache am 8. Juli 1938 an deutsche Luftfahrtindustrielle seine private Ansicht zu diesem Thema, die kaum in Einklang mit seinen feierlichen offiziellen Erklärungen standen, vollkommen klar zum Ausdruck.

Am 14. Oktober 1938, kurz nach dem Münchener Abkommen, erklärte Göring bei einer Besprechung im Luftfahrtministerium, daß das Sudetenland mit allen Mitteln ausgebeutet werden müsse, und er mit einer vollständigen industriellen Einverleibung der Tschechoslowakei rechne. In der Zwischenzeit führte er, wie die dem Gerichtshof vorliegenden Beweismittel zeigen, die Vertreter der slowakischen Marionetten-Regierung zum gleichen Zweck an der Nase herum.

Nach dem vollständigen Raub der Tschechoslowakei im folgenden Jahr erklärte Göring offen, welche Absichten Deutschland während der ganzen Episode gehabt hatte. Er führte aus, daß die Eingliederung Böhmens und Mährens in die deutsche Wirtschaft unter anderem deshalb stattgefunden habe, um das deutsche Kriegspotential durch Ausbeutung der dortigen Industrie zu heben.

Göring war ebenfalls die treibende Kraft bei den späteren Verbrechen gegen den Frieden. Als Nachfolger Hitlers, als Chef der Luftwaffe und Wirtschaftszar von Großdeutschland, nahm er an allen Plänen für die militärischen Operationen der Nazi-Streitkräfte in Ost und West teil.

In der polnischen Angelegenheit war es zum Beispiel Göring, der am 31. Januar 1935 der durch den Grafen Czembek vertretenen Polnischen Regierung Zusicherungen gab, wie sie im Polnischen Weißbuch aufgezeichnet sind; ich bitte den Gerichtshof, hiervon amtlich Kenntnis zu nehmen. In ihnen heißt es, daß in Polen nicht die geringsten Befürchtungen gehegt zu werden brauchten, daß Deutschland nicht auch in Zukunft an ihm, nämlich dem deutsch-polnischen Bündnis, festhalten würde. Dennoch half Göring vier Jahre später, bei der Vorbereitung der Pläne für die rücksichtslose Invasion polnischen Gebiets.

Hinsichtlich des Angriffs auf die Sowjetunion beweisen die bereits vorgelegten Dokumente, daß Pläne für die rücksichtslose Ausbeutung sowjetrussischen Gebiets bereits Monate vor Eröffnung der Feindseligkeiten vorlagen. Göring wurde die Leitung dieser Plünderungsarmee übertragen, deren Aufgabe in der »Erfassung von Rohmaterialien und in der Übernahme aller wichtigen Betriebe« bestand.

Alle diese Einzelfälle sind nur herausgegriffen, um Görings Tätigkeit auf dem Gebiet des Angriffskriegs zu beleuchten. Auf den Seiten 20, 21 und 22 unseres Schriftsatzes erscheint eine durchaus nicht vollständige Liste von Dokumenten, die schon früher von der Anklagebehörde vorgelegt wurde; aus den Dokumenten geht hervor, daß Göring nicht nur mit dem Kriegsprogramm der Nazis vertraut war, sondern auch fortgesetzt an ihm teilnahm.

Wir wenden uns nun Görings Verantwortlichkeit für die Planung und seiner Teilnahme an der Beschaffung von Zwangsarbeitern, der Deportation und Versklavung der Bevölkerung der besetzten Gebiete, dem Einsatz von Kriegsgefangenen in die deutsche Kriegsindustrie, dem Raub von Kunstwerken und der Germanisierung und Plünderung der von den Nazis überrannten Länder zu.

Das vor kurzem eingeführte Beweismaterial hat das Zwangsarbeitsprogramm der Nazi-Verschwörer eingehend behandelt und seine beiden verbrecherischen Zwecke aufgezeigt. Der erste Zweck bestand darin, den Arbeiterbedarf der Nazi-Kriegsmaschine zu decken, indem Bewohner besetzter Gebiete gezwungen wurden, in Deutschland zu arbeiten, der zweite, die Bevölkerung der besetzten Gebiete zu schwächen oder zu vernichten. Es hat sich gezeigt, daß Millionen ausländischer Arbeiter nach Deutschland gebracht wurden, zum größten Teil unter Druck, meistens auch mit Gewalt; daß diese Arbeiter sodann unter Bedingungen unbeschreiblicher Brutalität und Erniedrigung schaffen mußten, und daß sie häufig in Fabriken und Industrieanlagen eingesetzt waren, die ausschließlich der Erzeugung von Kriegsmaterial dienten.

Göring war stets in das Sklavenarbeitsprogramm eingeschaltet. Erfassung und Zuweisung von Arbeitskräften sowie die Festlegung der Arbeitsbedingungen gehörten zu seinem Geschäftsbereich als Beauftragter für den Vierjahresplan; von Anfang an hatten sich einige Amtsstellen des Vierjahresplans mit solchen Arbeiten befaßt. Ich bitte den Gerichtshof, insoweit von unserem Dokument 1862-PS amtlich Kenntnis zu nehmen. Es ist die Verordnung zur Durchführung des Vierjahresplans vom 18. Oktober 1936, abgedruckt im Reichsgesetzblatt 1936, Teil I, Seite 887. Mit Erlaubnis des Gerichtshofs werde ich dieselbe nicht verlesen.

Bald nach dem Fall Polens begann Göring mit der Versklavung einer großen Anzahl von Polen. Am 25. Januar 1940 berichtete der Angeklagte Frank, Generalgouverneur von Polen, Göring über seine Anweisungen, betreffend:

»Bereitstellung und Transport von mindestens 1 Million Land- und Industriearbeitern und -arbeiterinnen ins Reich – davon etwa 750000 landwirtschaftliche Arbeitskräfte, von denen mindestens 50 % Frauen sein müssen -zur Sicherstellung der landwirtschaftlichen Erzeugung im Reich und als Ersatz für im Reich fehlende Industriearbeiter.«

Dieses Zitat ist aus unserem Dokument 1375-PS, US-172, entnommen.

Daß die Befehle für die Bereitstellung dieser ungeheuren Anzahl von Arbeitern von dem Angeklagten Göring stammten, geht klar aus den Erklärungen hervor, die im Tagebuch des Angeklagten Frank unter dem 10. Mai 1940 erscheinen; es ist bereits als Beweismaterial eingeführt worden.

Der Angeklagte Göring ist auch für die scharfe Behandlung verantwortlich, die den Arbeitern bei ihrem Eintreffen in Deutschland zuteil wurde. Am 8. März 1940 erließ er als Beauftragter für den Vierjahresplan und als Vorsitzender des Ministerrats für die Reichsverteidigung eine Weisung mit dem Betreff: »Behandlung Zivilarbeiter und -arbeiterinnen polnischen Volkstums im Reich.« Zum Beweis hierfür verweise ich auf unser Dokument R-148. Mit Erlaubnis des Gerichtshofs werde ich es jetzt nicht vorlegen, da es später von der Sowjetischen Anklagebehörde eingeführt werden wird.

Am 29. Januar 1942 sandte die Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz im Amt Vierjahresplan ein von Dr. Mansfeld, dem Hauptabteilungsleiter für Arbeitseinsatz im Amt Vierjahresplan, unterzeichnetes Rundschreiben an verschiedene Militär- und Zivilbehörden in den besetzten Gebieten. Dort wird gefordert, »alle... Maßnahmen... zu treffen«, um die Arbeiter zu zwingen, nach Deutschland zu gehen. Ich werde aus diesem Beweisstück nichts verlesen, möchte aber dieses Dokument 1183-PS, US-585, vorlegen. Es ist ein Rundschreiben des Beauftragten für den Vierjahresplan vom 29. Januar 1942.

Wie schon früher dargelegt, gab Hitler am 21. März 1942 einen Erlaß heraus, durch den er den Angeklagten Sauckel zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ernannte; er wies ihn an, seine Aufgaben im Rahmen des Vierjahresplans durchzuführen, und unterstellte ihn Göring als Chef des Vierjahresplans unmittelbar.

Am 27. März 1942 erließ Göring seine wichtige Ermächtigungsanordnung zur Durchführung des Führererlasses vom 21. März 1942. Der Gerichtshof hat von diesem Erlaß, unserem Dokument 1666-PS, bereits amtlich Kenntnis genommen.

Da der Angeklagte Sauckel dem Vierjahresplan unterstellt war, bleibt die volle Verantwortung für die enormen Kriegsverbrechen, die von Sauckel als Generalbevollmächtigtem für den Arbeitseinsatz begangen wurden, an dem Angeklagten Göring haften. Mit diesen Verbrechen haben wir uns bei unserem Beweisvortrag über die Zwangsarbeit und die ungesetzliche Verwendung von Kriegsgefangenen befaßt.

Bei diesen Darlegungen wurde auch bewiesen, daß die Nazi-Verschwörer Kriegsgefangene unter gefährlichen Bedingungen und bei der Erzeugung und dem Transport von Waffen und Munition arbeiten ließen. Dies geschah unter Verletzung der Kriegsgesetze und der Artikel 31 und 32 der Genfer Konvention über Kriegsgefangene vom 27. Juli 1929. Der Angeklagte Göring war an all diesen Verbrechen beteiligt.

Am 7. November 1941 fand eine Besprechung über den Einsatz von Sowjetrussen einschließlich der Kriegsgefangenen statt; aus einem von Körner, dem damaligen Staatssekretär des Angeklagten Göring als Beauftragten für den Vierjahresplan, unterzeichneten Vermerk geht hervor, daß Göring bestimmte rücksichtslose Weisungen über den Einsatz von Sowjetrussen, und zwar sowohl der Kriegsgefangenen als auch der freien Bürger als Arbeiter gegeben hatte. Ich beziehe mich auf unser Dokument 1193-PS, welches ich mit Genehmigung des Gerichtshofs jetzt nicht vorlegen möchte, da die Sowjetische Anklagebehörde dies später tun wird.

Aus einer geheimen Kommandosache, die Aufzeichnungen über Görings Ausführungen in derselben Konferenz vom 7. November 1941, über die bereits Beweismaterial vorliegt, enthält, ergeben sich folgende Tatsachen:

1. Daß von insgesamt 5 Millionen Kriegsgefangenen 2 Millionen in der Kriegsindustrie eingesetzt waren;

2. daß es vorteilhafter wäre, Kriegsgefangene zu verwenden, als ungeeignete ausländische Arbeiter;

3. daß Polen, Holländer usw. nötigenfalls als Kriegsgefangene eingezogen und als solche beschäftigt werden sollten, falls keine Arbeitsleistung im freien Arbeitsvertrag erzielt werden könnte.

Das ergibt sich aus unserem Dokument 1206-PS, das bereits als Beweisstück US-215 eingereicht wurde.

In einem Geheimschreiben des Reichsarbeitsministers an die Präsidenten der Landesarbeitsämter, das schon vorgelegt ist, findet sich die Aufzeichnung, daß auf persönlichen Befehl des Reichsmarschalls, des Angeklagten Göring, 100000 französische Kriegsgefangene, die noch nicht in der Rüstungsindustrie beschäftigt waren, der Luftrüstungsindustrie zugeteilt werden sollten, und daß hierdurch entstehende Lücken in der Versorgung mit Arbeitskräften durch sowjetische Kriegsgefangene ausgefüllt werden sollen.

Unter Beweis wurde auch bereits das organisierte, systematische Programm der Nazi-Verschwörer für die kulturelle Ausplünderung jedes einzelnen Landes in Europa gestellt. Die ununterbrochene Verbindung des Angeklagten Göring mit diesen Umtrieben wurde bereits im einzelnen dargelegt.

Im Oktober 1939 verlangte der Angeklagte Göring von Dr. Mühlmann, daß er sofort Schritte zur »Sicherung« aller polnischen Kunstschätze unternehme. In seiner bereits vorgelegten eidesstattlichen Erklärung bekundet Dr. Mühlmann, daß er der Sonderbeauftragte des Generalgouverneurs von Polen, des Angeklagten Frank, für die Sicherstellung der Kunstschätze im Generalgouvernement vom Oktober 1939 bis September 1943 war, und daß der Angeklagte Göring in seiner Funktion als Vorsitzender des Reichsverteidigungsrats ihm diesen Auftrag erteilt hatte.

Mühlmann bestätigt auch, daß es die offizielle Politik des Angeklagten Frank war, alle wichtigen Kunstwerke, die Eigentum von polnischen öffentlichen Einrichtungen, privaten Sammlungen und der Kirche waren, in Verwahrung zu nehmen, und daß diese Kunstwerke tatsächlich konfisziert wurden.

Es geht auch aus einem am 16. Juli 1943 von Dr. Mühlmann erstatteten Tätigkeitsbericht hervor, daß einunddreißig wertvolle Zeichnungen des Künstlers Albrecht Dürer aus einer polnischen Sammlung entwendet und dem Angeklagten Göring persönlich übergeben wurden, der sie in das Hauptquartier des Führers brachte.

Die Rolle, die Göring beim Raube von Kunstschätzen durch den Einsatzstab Rosenberg spielte, wurde schon aufgezeigt. Wir beziehen uns auf Unser Dokument 141-PS, US-368; es ist ein schon vorgelegter Befehl vom 5. November 1940, in dem Göring den Chef der Militärverwaltung Paris und den Einsatzstab Rosenberg anwies, über die in den Louvre gebrachten Kunstgegenstände in folgender Reihenfolge zu verfahren:

»1. Diejenigen Kunstgegenstände, über deren weitere Verwendung sich der Führer das Bestimmungsrecht vorbehalten wird,

2. diejenigen Kunstgegenstände, die zur Vervollständigung der Sammlungen des Reichsmarschalls dienen,

3. diejenigen Kunstgegenstände und Bibliotheksbestände, deren Verwendung beim Aufbau der Hohen Schule und im Aufgabenbereich des Reichsleiters Rosenberg angebracht erscheinen,

4. diejenigen Kunstgegenstände, die geeignet sind, deutschen Museen zugeleitet zu werden,...«

In Anbetracht des besonderen Vorrangs, der dem Angeklagten durch den vorerwähnten Befehl für die Vervollständigung seiner eigenen Sammlung gewährt wurde, ist die Entdeckung nicht überraschend, daß Göring dem Einsatzstab Rosenberg bei seinem Vorgehen auch weiterhin behilflich war. Es wurde festgestellt, daß Göring am 1. Mai 1941 einen mit seiner Unterschrift versehenen Befehl an alle Dienststellen von Partei, Staat und Wehrmacht erließ, in dem er verlangte, dem Stabsführer des Reichsleiters Rosenberg jede nur denkbare Unterstützung und Hilfe angedeihen zu lassen.

Im Mai 1942 konnte sich der Angeklagte Göring mit der Hilfeleistung brüsten, die er der Arbeit des Einsatzstabs Rosenberg hatte zuteil werden lassen. Aus unserem Dokument 1015(i)-PS, das in das Sitzungsprotokoll Band IV, Seite 101, verlesen wurde, geht hervor, daß er in einem Schreiben an den Angeklagten Rosenberg erklärte, er werde persönlich die Arbeit des Einsatzstabs unterstützen, wo immer er könne, und daß ein großer Teil der erfaßten Kulturgüter mit darauf zurückzuführen sei, daß er dem Einsatzstab hierbei behilflich sein konnte.

Daher scheint die Verantwortlichkeit des Angeklagten Göring für den Plan des Raubes von Kunstschätzen, der praktisch durch den Einsatzstab Rosenberg ausgeführt wurde, klar erwiesen.

Einzelheiten über die Durchführung der Germanisierung und der Ausplünderungsmethoden in den von deutschen Truppen besetzten Gebieten des Westens und Ostens werden von der Französischen und Sowjetischen Delegation dargelegt werden. Die Verantwortlichkeit des Angeklagten Göring in seiner Eigenschaft als Beauftragter für den Vierjahresplan und als Vorsitzender des Ministerrats für die Reichsverteidigung sowie in anderen Eigenschaften wird im Laufe des weiteren Beweisverfahrens dargetan werden.

Die Pläne der Nazi-Verschwörer bezüglich Polens wurden bereits im bisherigen Beweisverfahren aufgezeigt. Die Nazis planten die Einverleibung der vier westlichen Provinzen Polens in das Deutsche Reich. In den übrigen von ihnen besetzten Teilen errichteten sie das Generalgouvernement. Es wurde gezeigt, daß die Nazis planten, die sogenannten eingegliederten Gebiete rücksichtslos zu germanisieren, und zwar durch Verschleppung der polnischen Intelligenz, der Juden und deutschfeindlicher Elemente in das Generalgouvernement zur schließlichen Ausrottung durch Beschlagnahme polnischen Eigentums, durch die Verschickung der so ihres Eigentums Beraubten als Arbeiter nach Deutschland und durch die Hereinnahme deutscher Siedler. Es wurde besonders geplant, die Bevölkerung und die materiellen Hilfsquellen im Gebiet des Generalgouvernements durch die Wegnahme alles dessen, was zur Stärkung der Nazi-Kriegsmaschine notwendig war, auszubeuten und so dieses Gebiet auszusaugen und es zu einem Vasallenstaat herabzuwürdigen.

Der Angeklagte Göring unterzeichnete am 8. Oktober 1939 zusammen mit Hitler und Lammers und den Angeklagten Frick und Heß einen Erlaß, durch den bestimmte Teile von Polen in das Reich eingegliedert wurden.

Auf Grund des vorgenannten Erlasses zeichnete Göring am 30. Oktober 1939 als Beauftragter für den Vierjahresplan eine Verordnung über die Einführung des Vierjahresplans in den Ostgebieten.

In seinen Richtlinien vom 19. Oktober 1939, Dokument EC-410, US-298, erklärte Göring, daß die Aufgabenstellung für die wirtschaftliche Behandlung der einzelnen Verwaltungsbezirke verschieden sei, je nachdem, ob es sich um ein Land handelt, welches dem Deutschen Reich politisch eingegliedert wird, oder um das Generalgouvernement, das voraussichtlich nicht zum Reichsgebiet geschlagen werden wird. Er fuhr fort:

»Während in den erstgenannten Bezirken der Auf- und Ausbau der Wirtschaft, die Erhaltung ihrer Produktionskraft und ihrer Vorräte und die möglichst rasche und vollständige Eingliederung in die gesamtdeutsche Wirtschaft zu betreiben ist, müssen aus den Gebieten des Generalgouvernements alle für die deutsche Kriegswirtschaft brauchbaren Rohstoffe, Altstoffe, Maschinen usw. herausgenommen werden. Betriebe, die nicht für die notdürftige Aufrechterhaltung des nackten Lebens der Bewohnerschaft unbedingt notwendig sind, müssen nach Deutschland überführt werden, soweit nicht die Übertragung unverhältnismäßig viel Zeit erfordert, und deshalb ihre Beschäftigung mit deutschen Aufträgen an Ort und Stelle zweckmäßiger ist.«

Aus diesen Dokumenten ist die Mitschuld des Angeklagten Göring an den Plänen zur rücksichtslosen Ausbeutung Polens klar ersichtlich. Man kann aber auch feststellen, daß er seine Hand auch bei den übrigen Nazi-Plänen für Polen im Spiele hatte. Der Angeklagte Göring zeichnete zum Beispiel gemeinsam mit Hitler und dem Angeklagten Keitel den geheimen Erlaß vom 7. Oktober 1939, der Himmler mit der Aufgabe der Durchführung des Germanisierungs-Programms betraute. Dieser geheime Erlaß wurde in das Sitzungsprotokoll Band 3, Seite 650/651, verlesen.

Aus schon überreichten, persönlichen Erklärungen Himmlers, des Angeklagten Frank und anderer haben wir gesehen, was gerade diese Ernennung an menschlichen Leiden und Entwürdigungen im Gefolge hatte.

Ebenso war es der Angeklagte Göring, der kraft seiner Befugnisse als Beauftragter für den Vierjahresplan am 17. September 1940 eine Verordnung erließ, die sich mit Beschlagnahmungen in den eingegliederten Ostgebieten befaßte. Diese Verordnung befaßte sich mit dem »Vermögen von Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates innerhalb des Gebiets des Großdeutschen Reiches, einschließlich der eingegliederten Ostgebiete«. Ich bitte den Gerichtshof, von unserem Dokument 1665-PS, der »Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates«, abgedruckt im Reichsgesetzblatt 1940, Teil I, Seite 1270, amtlich Kenntnis zu nehmen.

Ich zitiere aus diesem Dokument:

Paragraph 1:

»(1) Vermögen von Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates unterliegt innerhalb des Gebiets des Großdeutschen Reiches, einschließlich der eingegliederten Ostgebiete, der Beschlagnahme, kommissarischen Verwaltung und Einziehung nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.«

Ich gehe nun zu Paragraph 2 über:

»(1) Die Beschlagnahme ist auszusprechen bei Vermögen

a) von Juden,

b) von Personen, die geflüchtet oder nicht nur vorübergehend abwesend sind.

(2) Die Beschlagnahme kann ausgesprochen werden,

a) wenn das Vermögen zum öffentlichen Wohl, insbesondere im Interesse der Reichsverteidigung oder der Festigung des deutschen Volkstums benötigt wird, oder

b) wenn die Eigentümer oder sonstigen Berechtigten nach dem 1. Oktober 1918 in das ehemalige Gebiet des Deutschen Reiches eingewandert sind.«

Nun verlese ich den ersten, Absatz des Paragraph 9:

»(1) Beschlagnahmtes Vermögen kann durch die zuständige Stelle... zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen werden, wenn es das öffentliche Wohl, insbesondere die Reichsverteidigung oder die Festigung deutschen Volkstums erfordert.«

Die Vereinigten Staaten haben auch Beweismaterial vorgelegt, das zeigt, in welchem Ausmaße das Gebiet und die Hilfsquellen der Sowjetunion ausgeplündert und sowjetische Bürger einer barbarischen Behandlung unterworfen wurden. Das war das Ergebnis von Plänen, die die Nazis lange, bevor sie ihren Angriffskrieg auf die Sowjetunion begannen, geschmiedet und sorgfältig ausgearbeitet hatten. Die Nazis planten, die industrielle Leistungsfähigkeit der von ihren Truppen besetzten nördlichen Gebiete zu zerstören; die Nahrungsmittelerzeugung in den Gebieten des Südens und Süd-Ostens, die normaler Weise einen Überschuß an Nahrungsmitteln hervorbrachten, sollte so gelenkt werden, daß die Bevölkerung der nördlichen Gebiete unausbleiblich dem Hungertode preisgegeben wurde, weil der Überschuß an derartigen Nahrungsmitteln in das Deutsche Reich abgeleitet wurde. Es wurde auch gezeigt, daß die Nazis planten, Galizien und sämtliche Baltischen Länder Deutschland einzuverleiben, sowie die Krim, ein nördlich der Krim gelegenes Gebiet, das Wolgagebiet, und das Gebiet um Baku in deutsche Kolonien umzuwandeln.

Am 29. April 1941, etwa zwei Monate vor dem Angriff auf die Sowjetunion, hatte Hitler den Angeklagten Göring mit der Gesamtleitung der wirtschaftlichen Verwaltung in den Operationsgebieten und den Gebieten unter politischer Verwaltung betraut. Göring hatte einen Wirtschaftsstab und Hilfsämter eingerichtet, um diese Aufgabe durchzuführen.

Der Aufbau dieser von Göring geschaffenen Organisation und die Aufgaben ihrer verschiedenen Abteilungen ergeben sich klarer aus den Richtlinien »für die Führung der Wirtschaft in den neubesetzten Ostgebieten«, die von Göring als Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches im Juni 1941 herausgegeben wurden. Diese Erlasse sind in der wichtigen »Grünen Mappe«, die eigenartiger Weise von der Wehrmacht gedruckt wurde, enthalten. In diesen Richtlinien ist ausdrücklich festgelegt:

»Die Weisungen des Reichsmarschalls erstrecken sich auf alle Gebiete der Wirtschaft, einschließlich Ernährung und Landwirtschaft. Sie sind durch die nachgeordneten Wirtschaftsdienststellen... durchzuführen.«

Ein »Wirtschaftsstab Ost« wurde mit der Durchführung der von höherer Stelle übermittelten Anordnungen betraut. Eine Unterabteilung dieses Stabes, die Abteilung Landwirtschaft, hatte folgende Aufgaben zu verrichten:

»Ernährung und Landwirtschaft, Bewirtschaftung aller landwirtschaftlichen Erzeugnisse, Bereitstellung der Truppenverpflegung im Einvernehmen mit den zustän digen Dienststellen des Heeres.«

Auszüge aus der »Grünen Mappe« wurden bereits als Beweisstück US-315 zugelassen; ich möchte jedoch jetzt noch einige weitere Auszüge vorlegen, um die eben erwähnten Tatsachen zu bekräftigen, werde aber nichts verlesen. Ich überreiche Dokument 1743-PS, US-587. Es handelt sich um eine andere Ausgabe der »Grünen Mappe«, und ich möchte sie vorlegen, um dem Gerichtshof zu zeigen, daß diese Richtlinien erstmalig im Juni 1941 veröffentlicht wurden. Das Dokument EC-472, US-315, war eine überarbeitete Auflage, die im Juli 1941 erschien; mit anderen Worten, der wirtschaftliche Plan für die Invasion war bereits fix und fertig, als die Wehrmacht am 22. Juni 1941 tatsächlich in Sowjetrußland einmarschierte.

Wie sich aus den eben erwähnten Richtlinien ergibt, war es eine von dem Angeklagten Göring gegründete Unterabteilung der Wirtschaftsorganisation, die Landwirtschaftsabteilung des Wirtschaftsstabs Ost, die am 23. Mai 1941 politische Richtlinien für die Ausbeutung der sowjetischen Landwirtschaft herausgab. Man wird sich erinnern, daß diese Richtlinien die Liquidierung der gesamten Industrie in den nahrungsmittelarmen Gebieten, mit gewissen Ausnahmen, vorsahen; sie liefen ferner auf die Abzweigung von Nahrungsmitteln aus nahrungsmittelreichen Gebieten für den deutschen Bedarf hinaus, obwohl daraufhin Millionen Menschen unausbleiblich Hungers sterben würden. Diese Richtlinien wurden bereits in das Sitzungsprotokoll Band 3, Seite 11, verlesen.

Vom Angeklagten Bormann aufbewahrte Aufzeichnungen Über eine Besprechung im Hauptquartier Hitlers am 16. Juli 1941 wurden ebenfalls teilweise verlesen. Hitler erklärte in dieser Besprechung, daß die Nazis niemals daran dächten, die damals von den deutschen Truppen besetzten Länder zu verlassen; zwar müsse die Welt insoweit getäuscht werden, aber

»Alle notwendigen Maßnahmen – Erschießen, Aussiedeln etc. – tun wir trotzdem und können wir trotzdem tun«.

Dieses Zitat stammt aus unserem Dokument L-221, US-317. Dann besprach Hitler die Umwandlung der Krim und anderer Teile der Sowjetunion in deutsche Kolonien. Der Angeklagte Göring war anwesend und nahm an dieser Besprechung teil.

Schließlich geht aus einer Aufzeichnung vom 16. September 1941, Beweisstück US-318, hervor, daß Göring eine Besprechung mit deutschen militärischen Funktionären leitete, die sich mit der gründlicheren Ausbeutung der besetzten Gebiete für die deutsche Ernährungswirtschaft befaßte. Bei Besprechung dieses Themas erklärte der Angeklagte Göring:

»Grundsätzlich sollen in den besetzten Gebieten nur diejenigen in der entsprechenden Ernährung gesichert werden, die für uns arbeiten. Selbst wenn man die sämtlichen übrigen Einwohner ernähren wollte, so könnte man es im neubesetzten Ostgebiet nicht. Daher ist es falsch, hierfür Lebensmittel abzuzweigen, wenn der Truppe diese entzogen werden und dadurch erhöhter Nachschub aus der Heimat erforderlich wird.«

Aus den erwähnten Dokumenten geht unseres Erachtens die Beteiligung des Angeklagten Göring an den Nazi-Plänen, Kriegsverbrechen in den besetzten Gebieten im großen zu begehen, klar hervor.

Ich komme nunmehr zu Görings Plänen und seiner Teilnahme an Unmenschlichkeiten, die er vor und während des Krieges an der Zivilbevölkerung beging. Es wurde schon gezeigt, daß Göring, kurz nachdem er 1933 Ministerpräsident von Preußen wurde, die Gestapo in Preußen schuf; sie wurde zum Vorbild eines Terrorinstruments und dehnte sich auf das übrige Deutschland aus. Unter seiner Leitung wurden im Frühjahr 1933 Konzentrationslager in Preußen eingerichtet, und diese Lager wurden unter die Aufsicht der Gestapo gestellt, deren Chef er war.

Wieweit Göring und die anderen Nazi-Verschwörer diese Einrichtungen als Stellen für die Begehung ihrer Verbrechen verwendeten, geht aus dem vorgelegten Beweismaterial hervor. 1936 wurde Himmler der Chef der deutschen Polizei. Danach wurde es Göring möglich, seine Hauptaufmerksamkeit der Schaffung der deutschen Luftwaffe und der wirtschaftlichen Vorbereitung der Nation auf den Angriffskrieg zuzuwenden. Er beschäftigte sich jedoch weiterhin mit diesen von ihm geschaffenen Einrichtungen. Ein Beispiel dafür ist in unserem Dokument 1584(I)-PS zu finden, das bereits als Beweisstück US-221 eingeführt wurde. Es ist ein Fernschreiben, das Göring an Himmler sandte, und in dem er ihn bat, ihm eine möglichst große Anzahl von Konzentrationslagerinsassen zur Verfügung zu stellen, da die Lage in der Luftkriegsführung die Verlegung der Industrie unter die Erde notwendig mache.

In seiner Antwort ließ Himmler Göring durch Fernschreiben wissen, daß nach einer Übersicht über den Einsatz von Häftlingen in der Luftfahrtindustrie 36000 Mann für Zwecke der Luftwaffe arbeiteten und die Erhöhung auf insgesamt 90000 Häftlinge vorgesehen sei.

Wir haben Beweismaterial über medizinische Versuche an Menschen im Konzentrationslager Dachau und die Rolle, die der Feldmarschall Milch hierbei spielte, vorgelegt. Milch war Staatssekretär und Vertreter des Angeklagten Göring als Luftfahrtminister, für dessen Taten der letztere die volle Verantwortung tragen muß. Das geht ganz eindeutig aus Briefen hervor, die Milch an General Wolff am 20. Mai 1942 und an Himmler im August 1942 geschrieben hatte. Beide Briefe, unser Dokument 343-PS, wurden in das Sitzungsprotokoll Band 4, Seite 229, verlesen.

Schließlich komme ich zu Görings Planung und Teilnahme an der Ausschaltung aller Angehörigen der jüdischen Rasse aus dem Wirtschaftsleben Deutschlands und an der geplanten Ausrottung aller Juden aus dem europäischen Kontinent.

Im Jahre 1935 hielt der Angeklagte Göring als Reichstagspräsident eine Rede, in der er den Reichstag aufforderte, die berüchtigten Nürnberger Rassengesetze zu verabschieden. Ich lege als Beweis unser Dokument 3458-PS, US-588, vor; es ist ein Auszug aus Rühle »Das Dritte Reich«, Seite 257. Göring erklärte:

»Gott hat die Rassen geschaffen. Er wollte nichts Gleiches, und wir weisen es deshalb weit von uns, wenn man versucht, diese Rassenreinheit umzufälschen in eine Gleichheit. Wir haben erlebt, was es heißt, wenn ein Volk nach den artfremden und naturwidrigen Gesetzen einer Gleichheit leben muß. Denn diese Gleichheit gibt es nicht. Wir haben uns nie zu ihr bekannt, und deshalb müssen wir sie auch in unseren Gesetzen grundsätzlich ablehnen und müssen uns bekennen zu jener Reinheit der Rasse, die von der Vorsehung und der Natur bestimmt gewesen ist.«

Um seine offizielle Einstellung, wie sie aus einer Rede in Wien am 26. März 1938 hervorgeht, noch weiter aufzuzeigen, lege ich unser Dokument 3460-PS als Beweisstück US-437 vor; ich beginne mit Seite 348. Göring sagte:

»So muß ich hier ein ernstes Wort an die Stadt Wien richten. Die Stadt Wien kann sich heute nicht mehr mit gutem Recht eine deutsche Stadt nennen. So viele Juden leben in dieser Stadt. Wo 300000 Juden leben, kann man nicht mehr von einer deutschen Stadt sprechen.

Wien muß wieder eine deutsche Stadt werden, weil sie in der Ostmark Deutschlands wichtige deutsche Aufgaben hat.

Diese Aufgaben liegen sowohl auf dem Gebiete der Kultur wie auch auf dem Gebiete der Wirtschaft. Weder auf dem einen noch auf dem anderen können wir auf die Dauer den Juden gebrauchen.

Aber das darf nicht durch falsche Eingriffe oder dumme Maßnahmen versucht werden, sondern muß ganz systematisch mit aller Überlegung geschehen. Als Beauftragter für den Vierjahresplan beauftrage ich den Reichsstatthalter in Österreich zusammen mit dem Bevollmächtigten des Reiches, in aller Ruhe die notwendigen Maßnahmen zur sachgemäßen Umleitung der jüdischen Wirtschaft zu treffen, d.h. zur Arisierung des Geschäfts- und Wirtschaftslebens, und diesen Prozeß nach unseren Gesetzen rechtlich, aber unerbittlich durchzuführen.«

Im Rahmen der wirtschaftlichen Vorbereitung für den Angriffskrieg begannen die Nazi-Verschwörer sodann, die vollständige Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben als Vorbereitung für ihre Ausrottung durchzuführen.

Als Beauftragter für den Vierjahresplan hatte der Angeklagte Göring die aktive Leitung dieses Teiles der Verfolgung.

Der erste Schritt in diesem Feldzug war eine Verordnung vom 26. April 1938, in der die Anmeldung alles jüdischen Vermögens angeordnet wurde. Sowohl Göring als auch der Angeklagte Frick unterzeichneten dieses Gesetz. Es ist bereits als Beweismittel vorgelegt worden. Nein, ich bitte den Hohen Gerichtshof um Entschuldigung. Ich möchte den Gerichtshof bitten, von dieser Verordnung amtlich Kenntnis zu nehmen. Sie ist unser Dokument 1406-PS und erschien im Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, Seite 414.

Auf Grund der auf diese Weise erhaltenen Information waren die Nazi-Verschwörer in der Lage, den nächsten Schritt zu unternehmen. Die Ermordung vom Raths, eines deutschen Legationssekretärs in Paris am 9. November 1938 war der Vorwand für umfangreiche »spontane« Ausschreitungen, die zu Plünderungen und zum Niederbrennen von jüdischen Synagogen, Heimen und Geschäften führten. Dies alles war von den Nazi-Verschwörern sorgfältig organisiert und überwacht. Der Angeklagte Göring war über die ergriffenen Maßnahmen voll im Bilde. Die Befehle vom 10. November 1938, die Heydrich durch Fernschreiben erteilte, wurden schon früher vorgelegt und in das Sitzungsprotokoll Band 3, Seite 558, verlesen. Ein Brief, den Heydrich am folgenden Tage an Göring schrieb, wurde ebenfalls bereits verlesen. Es ist unser Dokument 3058-PS, US-508. In diesem Brief gibt Heydrich einen Überblick über die sogenannten »spontanen« Ausschreitungen, die stattgefunden hatten. Er meldete am Tage nach den Unruhen, daß er nach den bis jetzt eingegangenen amtlichen Meldungen der Polizeistellen feststellen könne, daß 815 Geschäfte zerstört und 171 Wohnhäuser in Brand gesteckt oder zerstört wurden. Das alles gebe, soweit es sich nicht um Brandlegungen handle, nur einen Teil der wirklich vorliegenden Zerstörungen wieder. Er sagte weiter:

»Wegen der Dringlichkeit der Berichterstattung mußten sich die bisher eingegangenen Meldungen lediglich auf allgemeinere Angaben wie ›zahlreiche‹ oder ›die meisten Geschäfte zerstört‹ beschränken. Die angegebenen Ziffern«, so sagt Heydrich, »dürften daher um ein Vielfaches überstiegen werden.

An Synagogen wurden 191 in Brand gesteckt, weitere 76 vollständig demoliert. Ferner wurden 11 Gemeindehäuser, Friedhofskapellen und dergleichen in Brand gesetzt....

Festgenommen wurden rund 20000 Juden...

An Todesfällen wurden 36 gemeldet, die Schwerverletzten wurden ebenfalls mit 36 beziffert.«

Sofort nach diesen sogenannten »spontanen« Ausschreitungen vom 9. November nahm Göring als Vorsitzender bei einer Besprechung im Reichsluftfahrtministerium, die sich mit der jüdischen Frage befaßte, teil. Der Angeklagte Funk und andere Verschwörer waren ebenfalls anwesend.

Die stenographische Niederschrift dieser Besprechung ist ein außergewöhnliches Dokument und ist keine angenehme Lektüre. Es ist unser Dokument 1816-PS, das schon als Beweisstück US-261 vorgelegt wurde. Ich möchte bestimmte Stellen, die bisher noch nicht in das Sitzungsprotokoll verlesen wurden, vortragen. Ich lese vom Anfang der ersten Seite die ersten beiden Absätze auf Seite 1 des deutschen Originaltextes; Göring erklärte:

»Meine Herren, die heutige Sitzung ist von entscheidender Bedeutung. Ich habe einen Brief bekommen, den mir der Stabsleiter des Stellvertreters des Führers, Bormann, im Auftrage des Führers geschrieben hat, wonach die Judenfrage jetzt einheitlich zusammengefaßt werden soll und so oder so zur Erledigung zu bringen ist. Durch telefonischen Anruf bin ich gestern vom Führer noch einmal darauf hingewiesen worden, jetzt die entscheidenden Schritte zentral zusammenzufassen. Da das Problem in der Hauptsache ein umfangreiches wirtschaftliches Problem ist, wird hier der Hebel angesetzt werden müssen. Selbstverständlich ergeben sich daraus auch eine Reihe rechtlicher Maßnahmen, die sowohl in das Gebiet des Justizministers wie des Innenministers fallen, dann die daraus zu folgernden Propagandamaßnahmen, die in das Gebiet des Herrn Propagandaministers fallen, selbstverständlich auch Maßnahmen des Finanz ministers und des Wirtschaftsministers.«

Darauf wurden besondere Maßnahmen zur Arisierung jüdischer Geschäfte besprochen. Ein Vertreter der deutschen Versicherungsgesellschaften wurde hinzugezogen, um bei der Lösung von Schwierigkeiten zu helfen, die daraus entstanden waren, daß die meisten jüdischen Geschäfte und anderes jüdische Eigentum, die bei den Krawallen zerstört wurden, tatsächlich versichert waren, in einigen Fällen schließlich bei ausländischen Versicherungsgesellschaften. Alle Anwesenden waren der Meinung, daß es ungünstig wäre, ein Gesetz zu verabschieden, das es ausländischen Versicherungsgesellschaften praktisch ermöglichte, sich ihren Verpflichtungen zu entziehen. Der Angeklagte Göring schlug dann eine charakteristische Lösung vor; ich wende mich nun Seite 10 zu. Im deutschen Text ist es der dritte vollständige Absatz auf Seite 3/11. Göring sagte:

»Nein. Ich denke gar nicht daran, den Versicherungsgesellschaften das Geld zurückzuerstatten. Die Versicherungen sind ja haftbar. Nein, das Geld gehört dem Staat. Das ist ganz klar. Das wäre ja ein Geschenk für die Versicherungen. Sie haben ja hier ein großartiges Petitum abgegeben. Sie werden erfüllen. Verlassen Sie sich darauf!«

Es ist überflüssig, die ausführliche Diskussion über alle Phasen der Judenverfolgung weiter zu zitieren. Es genügt, darauf hinzuweisen, daß der Angeklagte Göring am selben Tage mit seiner eigenen Unterschrift drei Verordnungen erließ, die die wichtigsten der bei dieser Sitzung gefaßten Entschlüsse verwirklichten. Durch die erste dieser Verordnungen wurde allen deutschen Juden eine Sühneleistung von insgesamt einer Milliarde Reichsmark auferlegt. Ich bitte den Gerichtshof, von dieser Verordnung amtlich Kenntnis zu nehmen. Sie befindet sich in unserem Dokument 1412-PS und ist im Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, Seite 1579, abgedruckt.

Die zweite Verordnung mit dem Titel »Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben« schloß die Juden vom Handel und Handwerk aus. Ich bitte den Gerichtshof, von dieser Verordnung amtlich Kenntnis zu nehmen. Es handelt sich um unser Dokument 2875-PS; die Verordnung erscheint im Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, Seite 1580.

Die dritte Verordnung mit dem Titel »Verordnung zur Wiederherstellung des Straßenbildes bei jüdischen Gewerbebetrieben« erledigte die in der Morgensitzung angeschnittene Frage und sah vor, daß die den Juden für ihre verschiedenen Verluste zustehenden Versicherungsansprüche auf den Staat übergingen. Ich bitte den Gerichtshof, auch diese Verordnung amtlich zur Kenntnis zu nehmen. Sie ist unser Dokument 2694-PS und erscheint im Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, Seite 1581.

VORSITZENDER: Wollen wir hier eine Pause von zehn Minuten einlegen?