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[Pause von 10 Minuten.]

VORSITZENDER: Ich habe eine Erklärung an die Verteidigung zu richten. Angesichts der Anträge, die heute Vormittag an den Gerichtshof gerichtet wurden, habe ich im Namen des Gerichtshofs sofort angeordnet, daß bezüglich der von den Verteidigern erhobenen Beschwerden über die Verzögerung in der Zustellung der stenographischen Verhandlungsberichte eine Untersuchung durchgeführt wird. Die Verzögerung wird sofort behoben werden. Die Untersuchung hat ergeben, daß die Verhandlungsberichte bis zum 20. Dezember einschließlich noch heute Nachmittag fertiggestellt werden können. Die Verhandlungsberichte über die Sitzungen, die nach der Wiederaufnahme des Prozesses stattgefunden haben, bis 8. Januar einschließlich, werden morgen Abend verteilt werden. Von nun an werden die deutschen Verhandlungsberichte an die Verteidiger regelmäßig innerhalb achtundvierzig Stunden nach Beendigung der Sitzung verteilt werden.

MR. BRUDNO: Hoher Gerichtshof! Als der Gerichtshof sich vertagte, verlas ich gerade ein Zitat von Rosenberg, in dem er seine Ansichten über das Christentum aussprach.

An Stelle des traditionellen Christentums versuchte Rosenberg, einen neu-heidnischen Mythus des Blutes einzuführen. Auf Seite 114 im »Mythus des 20. Jahrhunderts« schreibt er, wie folgt:

»Heute erwacht aber ein neuer Glaube: der Mythus des Blutes, der Glaube, mit dem Blut auch das göttliche Wesen der Menschen überhaupt zu verteidigen. Der mit hellstem Wissen verkörperte Glaube, daß das nordische Blut jenes Mysterium darstellt, welches die alten Sakramente ersetzt und überwunden hat.«

Rosenbergs Ansichten über Religion wurden als die einzige Weltanschauung angesehen, die sich mit dem Nationalsozialismus vereinbaren ließ. Im Jahre 1940 schrieb der Angeklagte Bormann in einem Brief an Rosenberg, es ist Dokument 098-PS, das bereits als US-350 vorgelegt wurde, folgendes:

»Nicht durch einen Kompromiß zwischen Nationalsozialismus und christlicher Lehre werden die Kirchen überwunden, sondern nur durch eine neue Weltanschauung, deren Kommen Sie ja selbst in Ihren Werken angekündigt haben.«

Rosenberg hat aktiv am Programm der Beseitigung des kirchlichen Einflusses mitgearbeitet. Der Angeklagte Bormann hat über dieses Thema häufig an Rosenberg geschrieben, ihm dabei Informationen über die gegen die Kirchen geplanten Aktionen gegeben und notfalls verlangt, daß diese Aktionen vom Amt Rosenberg durchgeführt werden. Ich beziehe mich auf Dokumente, die im Zusammenhang mit der Anklage gegen das Korps der Politischen Leiter der NSDAP vorgelegt wurden, wie z.B.: 070-PS, US-349, über die Abschaffung von Gottesdiensten in Schulen; Dokument 072-PS, US-357, über die Beschlagnahme kirchlichen Eigentums; Dokument 064-PS, US-359, über die Unzulänglichkeit der an Soldaten verteilten antireligiösen Literatur; Dokument 089-PS, US-360, über die Beschränkung der Veröffentlichung protestantischer Zeitschriften, und Dokument 122-PS, US- 362, über die Schließung theologischer Fakultäten.

Rosenberg stürzte sich mit besonderem Eifer auf die sogenannte Judenfrage. Am 28. März 1941, anläßlich der Eröffnung des »Instituts zur Erforschung der Judenfrage«, stellte er Grundsätze für dessen Arbeit auf und gab die Richtung an, in der diese Forschung sich bewegen sollte.

Ich möchte aus Dokument 2889-PS zitieren, das ich als US-595 vorlege. Es ist ein Auszug aus dem »Völkischen Beobachter« vom 29. März 1941, und zwar eine Erklärung, die Rosenberg anläßlich der Eröffnung des Instituts abgab:

»Für Deutschland ist die Judenfrage erst dann gelöst, wenn der letzte Jude den großdeutschen Raum verlassen hat. Da nunmehr Deutschland mit seinem Blut und seinem Volkstum diese Judendiktatur für immer für Europa gebrochen und dafür gesorgt hat, daß Europa als Ganzes wieder frei wird von dem jüdischen Parasitismus, da dürfen wir, glaube ich, auch für alle Europäer sagen: Für Europa ist die Judenfrage erst dann gelöst, wenn der letzte Jude den europäischen Kontinent verlassen hat.«

Wir haben bereits gesehen, daß Rosenberg keine Gelegenheit vorbeigehen ließ, um seine antisemitischen Grundsätze in die Praxis umzusetzen. Der Gerichtshof wird sich daran erinnern, daß Rosenberg im Dokument 001-PS, das im Zusammenhang mit der Judenverfolgung als US-282 vorgelegt wurde, vorschlug, als Vergeltungsmaßnahme für Angriffe auf das Leben von Wehrmachtangehörigen an Stelle von hundert Franzosen hundert jüdische Bankiers, Rechtsanwälte usw. hinzurichten. Dieser Vorschlag hatte den offen zugegebenen Zweck, antisemitische Gefühle wachzurufen.

Dokument 1752-PS, das heute Vormittag von Sir David Maxwell-Fyfe als GB-159 vorgelegt wurde, zeigt, daß Rosenberg im Juni 1944 einen antisemitischen Kongreß einberufen hat; dieser Kongreß ist jedoch wegen militärischer Ereignisse nicht abgehalten worden.

Auf dem Gebiet der auswärtigen Politik hat Rosenberg außer seiner Forderung nach Lebensraum auch die Beseitigung des Vertrags von Versailles verlangt und jeden Gedanken einer Revision dieses Vertrags verworfen. In der von Rosenberg im Jahre 1922 verfaßten Schrift »Wesen, Grundsätze und Ziele der NSDAP« hat er seine Meinung hinsichtlich des Versailler Vertrags offen ausgesprochen. Auszüge aus diesem Buch sind im Dokument 2433-PS übersetzt; ich lege das Buch als US-596 vor. Er erklärte darin folgendes:

»Die Nationalsozialisten verwerfen die beliebte Phrase von der ›Revision des Versailler Friedens‹, denn eine solche Revision würde vielleicht die eine oder andere zahlenmäßige Verminderung der sogenannten ›Verpflichtungen‹ bringen, das gesamte deutsche Volk aber würde nach wie vor der Sklave der anderen Völker bleiben.«

Dann bringt er den zweiten Programmpunkt der Partei:

»Wir fordern die Gleichberechtigung des deutschen Volkes gegenüber den anderen Nationen, Aufhebung der Friedensverträge von Versailles und St. Germain.«

Rosenbergs Gedanke war es, den Nationalsozialismus in der ganzen Welt zu verbreiten, und, wie später bewiesen werden wird, war er aktiv daran beteiligt, andere Länder mit seinen Glaubenssätzen zu infizieren. In der Schrift »Wesen, Grundsätze und Ziele der NSDAP« erklärt er:

»Aber der Nationalsozialismus glaubt noch, daß seine Grundsätze und seine Weltanschauung – wenn auch mit individueller, verschiedenen völkischen Bedingungen angepaßter Kampfweise – weit über Deutschlands Grenzen hinaus richtunggebend sein werden für die unausbleiblichen Machtkämpfe in den anderen Ländern Europas und Amerikas. Auch in ihnen muß sich eine Scheidung der Geister vollziehen und der völkische Kampf gegen den überall gleichartigen leih-kapitalistischen und marxistischen Internationalismus aufgenommen werden. Der Nationalsozialismus glaubt, daß es einmal nach Beendigung des großen Weltkampfes, nach dem Untergang des gegenwärtigen Zeitalters, eine Epoche geben wird, da das Hakenkreuz als arisches Erneuerungssymbol eingewebt sein wird in all den verschiedenen Fahnen der germanischen Völker.«

Diese Erklärung wurde im Jahre 1922 abgegeben. Man ersieht daraus, daß der Angeklagte Rosenberg den Grundidealen, auf denen sieh der Nationalsozialismus aufbaute, maßgeblichen Ausdruck verliehen hat, den Grundideen also, durch deren Verwirklichung die Verschwörung in die Tat umgesetzt wurde.

Rosenbergs Bedeutung für den Verschwörungsplan hat im Jahre 1934 durch seine Ernennung zum Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung und Schulung der NSDAP offizielle Anerkennung gefunden. Seine Tätigkeit in dieser Eigenschaft war umfangreich und mannigfaltig.

Ich lege nun das »Nationalsozialistische Jahrbuch 1938« als US-597 vor. Auf Seite 180 dieses Buches, das unser Dokument 3531-PS ist, werden die Aufgaben des Amtes Rosenberg als Beauftragter des Führers wie folgt beschrieben:

»Das Aufgabengebiet des Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Schulung und Erziehung der Bewegung, ihrer Organisationen einschließlich des Werkes Kraft durch Freude erstreckt sich auf die einheitliche Ausrichtung der gesamten Schulungsarbeit der Partei und der angeschlossenen Verbände. Die von Reichsleiter Rosenberg aufgebaute Dienststelle hat die Aufgabe, das weltanschauliche Schulungsmaterial bereitzustellen, die Lehrplanung durchzuführen und für die Heranbildung der für die Schulungs- und Erziehungsarbeit geeigneten Lehrkräfte Sorge zu tragen.«

Als Beauftragter des Führers überwachte damit Rosenberg die gesamte weltanschauliche Schulung und Erziehung innerhalb der Partei.

Rosenberg war der persönlichen Überzeugung, daß die Zukunft des Nationalsozialismus von der Erfüllung seiner neuen Aufgabe als weltanschaulicher Beauftragter abhinge. Ich lege Dokument 3532-PS als US-598 vor. Es ist ein Auszug aus einem Artikel Rosenbergs, der im »Schulungsbrief«, Ausgabe März 1934, erschienen ist. Auf Seite 9 dieser Veröffentlichung erklärt Rosenberg:

»Der Dienst für diese Weltanschauung steht nunmehr im Brennpunkt unserer ganzen Erziehungsarbeit, und von dem Ergebnis dieses Wirkens wird es abhängen, ob der Nationalsozialismus mit unserem kämpferischen Geschlecht einmal ins Grab steigt, oder ob er wirklich, so wie wir glauben, den Beginn eines neuen Zeitalters darstellt.«

In seiner Eigenschaft als Beauftragter des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Schulung half Rosenberg an der Vorbereitung der Lehrpläne für die Adolf-Hitler-Schulen mit. Ich darf daran erinnern, daß diese Schulen die geeigneten Kandidaten aus der Hitlerjugend aussuchten und sie für die Führung innerhalb der Partei schulten. Es waren die Elite- Schulen des Nationalsozialismus.

Das nächste Dokument, betitelt »Dokumente der Deutschen Politik«, ist schon als Beweismaterial vorgelegt worden, und zwar als US-365. Übersetzungen von Auszügen aus dem Dokument sind in 3529-PS auf Seite 389 zu finden; darin ist folgendes zu lesen:

»Diese Adolf-Hitler-Schulen bilden, wie Reichsorganisationsleiter Dr. Ley am 23. November 1937 auf der Or densburg Sonthofen ausführte, als erste Stufe des Ausleseprinzips ein wichtiges Glied im Erziehungssystem des nationalsozialistischen Führernachwuchses...

... Der Lehrplan ist von Reichsleiter Rosenberg in Gemeinschaft mit dem Reichsorganisationsleiter und dem Reichsjugendführer festgelegt worden.«

Rosenberg übte weiter Einfluß auf die Erziehung der Parteimitglieder aus, und zwar durch die Gründung von Gemeinschaftsschulen für alle Gliederungen der Partei. Dokument 3528-PS ist eine Übersetzung von Seite 297 des Buches »Das Dritte Reich«, Ausgabe von 1934, das ich als US-599 vorlege. Es lautet wie folgt:

»Wir stimmen dem Ersuchen des Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Erziehung und Schulung der NSDAP, Parteigenossen Alfred Rosenberg, bei, zweimal im Jahre Gemeinschaftsschulen aller Gliederungen der NSDAP einzurichten, um durch diese gemeinsame Arbeit die weltanschauliche und staatspolitische Einheit der NSDAP und die Unerschütterlichkeit des nationalsozialistischen Wollens zu dokumentieren.«

Dieses Programm wurde sowohl vom Angeklagten Schirach, als auch von Himmler, Ley und anderen gebilligt.

VORSITZENDER: Enthält Ihr Vortrag hierüber nicht eine Häufung von ziemlich gleichartigem Beweismaterial? Ist es nicht möglich, das Beweismaterial gegen Rosenberg in kürzerer Zusammenfassung zu bringen?

MR. BRUDNO: Ich werde es versuchen, Herr Vorsitzender. Immerhin; die Anklageschrift führt zwar aus, daß die angeklagten Verschwörer weltanschauliche Erziehung als Mittel zur Machtergreifung und Machtbefestigung benutzten, und es liegt auch erhebliches Beweismaterial dafür vor, aber hinsichtlich der Stellung Rosenbergs scheint nur wenig Material vorzuliegen; ich bringe dieses Beweismaterial also vor, um zu beweisen, daß er in diesem Zusammenhang eine führende Rolle gespielt hat. Trotzdem werde ich mich bemühen, diese Dokumente soweit wie möglich zusammenzufassen.

VORSITZENDER: Ja, ich habe ungefähr zwanzig Dokumente notiert, die Sie erwähnt haben, und die sich alle mit Rosenbergs weltanschaulichen Theorien beschäftigen.

MR. BRUDNO: Ja, Herr Vorsitzender, ich habe nur versucht, den Umfang seiner Tätigkeit aufzuzeigen.

VORSITZENDER: Ja.

MR. BRUDNO: Der Hohe Gerichtshof wird sich daran erinnern, daß Rosenberg in seiner Eigenschaft als Beauftragter des Führers das Institut für die Erforschung der Judenfrage in Frankfurt gegründet hat. Dieses Institut, das allgemein als »Hohe Schule« bekannt war, wurde schon im Zusammenhang mit der Plünderung von Kunstschätzen erwähnt. In seine Bibliothek flossen die Bücher, Dokumente und Manuskripte, die aus fast allen Ländern des besetzten Europas gestohlen wurden. Weiteres Beweismaterial über diesen Punkt wird vom französischen Anklagevertreter vorgebracht werden.

Der Hohe Gerichtshof wird sich auch daran erinnern, daß, wie der Verhandlungsbericht auf Seite 95 bis 107 zeigt, Rosenberg in seiner Stellung als weltanschaulicher Beauftragter die phantastischen Kunstplünderungsaktionen des Einsatzstabes Rosenberg leitete, eine Tätigkeit, die sich buchstäblich auf jedes von Deutschen besetzte Land erstreckte. Ich werde nicht versuchen, das Ausmaß dieser Plünderungen zusammenfassend zu behandeln, und verweise den Gerichtshof lediglich auf Dokument 1015 (b)-PS, das schon als US-385, sowie auf Dokument L-188, das als US-386 vorgelegt wurde. Dokument 1015 (b)-PS gibt Einzelheiten über den Raub von 21000 Kunstgegenständen, Dokument L-188 über die Plünderung der Einrichtungen von über 71000 jüdischen Wohnungen im Westen. Auch dieses Thema wird vom französischen Anklagevertreter weiter behandelt werden.

Die Wichtigkeit von Rosenbergs Tätigkeit als offizieller Schöpfer und Exponent der Weltanschauung der Nazi-Partei wurde auch keineswegs unterschätzt. In Dokument 3559-PS, das ich als US-600 vorlegen möchte – übrigens ist es die Rosenberg-Biographie von Hart mit dem Titel »Alfred Rosenberg, der Mann und sein Werk« –, wird also festgestellt, daß Rosenberg im Jahre 1937 den Deutschen Nationalpreis gewonnen hat. Die Stiftung dieses Preises war, wie sich der Gerichtshof erinnern wird, die gereizte Antwort der Nazis auf die Verleihung des Nobel-Preises an den in einem deutschen Konzentrationslager inhaftierten Karl von Ossietzki. Die den Preis an Rosenberg begleitende Auszeichnung lautet:

»Alfred Rosenberg hat in seinen Werken in hervorragendstem Maße die Weltanschauung des Nationalsozialismus wissenschaftlich und intuitiv begründen und festigen geholfen.... Die nationalsozialistische Bewegung und darüber hinaus das ganze deutsche Volk wird es mit tiefer Genugtuung begrüßen, daß der Führer in Alfred Rosenberg einen seiner ältesten und treuesten Mitkämpfer durch Verleihung des deutschen Nationalpreises auszeichnete.«

Rosenbergs Buch »Der Mythus des 20. Jahrhunderts«, die Grundlage aller seiner weltanschaulichen Propaganda, das zur Entwicklung des Nationalsozialismus beigetragen hat, wird in der Veröffentlichung »Bücherkunde« vom November 1942 hervorgehoben. Es ist unser Dokument 3554-PS, US-601; auf der ersten Seite ist eine Besprechung des »Mythus des 20. Jahrhunderts«...

VORSITZENDER: Herr Brudno, Sie haben uns bereits mehrere Male auf den »Mythus des 20. Jahrhunderts« hingewiesen.

MR. BRUDNO: Ja, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Wir wollen wirklich davon nichts mehr hören.

MR. BRUDNO: Ich möchte nur zeigen, daß dieses Buch als eine der Grundsäulen der Bewegung betrachtet wurde, und ich möchte auch zeigen, daß es eine Auflage von über einer Million hatte.

VORSITZENDER: Nun, ich glaube, es geht aus dem bereits vorgelegten Beweismaterial absolut klar hervor, daß Rosenberg weltanschauliche Lehren der Nazi-Partei verkündete, und ich glaube nicht, daß es notwendig ist, auf weitere Einzelheiten einzugehen.

MR. BRUDNO: Gut; wenn der Gerichtshof der Überzeugung ist, daß genügend Material vorliegt, um zu beweisen, daß Rosenbergs Ideen die Grundlage für die Weltanschauung der nationalsozialistischen Bewegung bildeten, kann ich zum nächsten Punkt übergehen.

VORSITZENDER: Sie haben bereits die Tatsache betont, daß er zu diesem Zweck zum Beauftragten des Führers ernannt wurde, nicht wahr?

MR. BRUDNO: Ja, Herr Vorsitzender. Ich werde nun zum nächsten Punkt übergehen. Ich möchte jedoch noch auf das Dokument 789-PS verweisen, das bereits als US-23 vorgelegt wurde. Dieses Dokument ist die Niederschrift einer Besprechung zwischen Hitler und seinen Oberbefehlshabern, bei der Hitler erklärte:

»Der Aufbau der Wehrmacht war nur möglich im Zusammenhang mit der weltanschaulichen Erziehung des deutschen Volkes durch die Partei.«

Wir sind der Ansicht, daß der von Rosenberg durch die Formulierung und Verbreitung der nationalsozialistischen Weltanschauung geleistete Beitrag grundlegend für die Verschwörung war. Als Apostel des neuen Heidentums, als Vertreter der Forderung nach Lebensraum, als Verherrlicher des Mythus der Überlegenheit der nordischen Rasse und als einer der ältesten und tatkräftigsten Verfechter des Antisemitismus aus den Reihen der Nazis, hat er erheblich zu der Einigung des deutschen Volkes unter dem Hakenkreuz beigetragen. Er war die treibende Kraft der nationalsozialistischen Bewegung, und er war es, der ihre neuen Gedanken schuf. Seine Lehren waren dafür verantwortlich, daß die Moral sich aufzulösen begann, und daß der nordische Traum sich in den Köpfen des deutschen Volkes festsetzte; dadurch wurde das deutsche Volk zum bequemen Werkzeug in den Händen der Verschwörer und zum willigen Gehilfen bei der Fortführung ihrer verbrecherischen Pläne.

Ich komme nun auf den zweiten Abschnitt der verbrecherischen Tätigkeit Rosenbergs zu sprechen, nämlich auf seinen aktiven Beitrag zu den Vorbereitungen für die Angriffskriege mit Hilfe der internationalen Tätigkeit des APA, des Außenpolitischen Amtes der NSDAP.

Wie bereits vorher in meinem Zitat aus dem »Deutschen Führerlexikon«, US-593, ausgeführt, wurde Rosenberg Reichsleiter und erhielt somit den höchsten Rang im Korps der Politischen Leiter; im April 1933 wurde er Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP. Das »Organisationsbuch der Partei«, unser Dokument 2319-PS, US-602, erklärt, es gehöre zu den Aufgaben des APA, die ausländische öffentliche Meinung dahingehend zu beeinflussen, daß fremde Nationen davon überzeugt werden sollten, daß Deutschland Frieden wünschte. Die weitreichende Tätigkeit des APA geht aus Seite 14 der Übersetzung dieses Dokuments hervor, und ist wie folgt beschrieben:

»1. Das APA gliedert sich in drei Amtsleitungen:

A. Amt für Länderreferate mit den Hauptstellen: a) England und Ferner Osten, b) Naher Osten, c) Südosten, d) Norden, e) Alter Orient, f) Kontrolle, Personalfragen usw.

B. Amt für den deutschen Akademischen Austausch dienst...

C. Amt für Außenhandel.

2. Außerdem gehören zum APA eine Hauptstelle für Pressewesen und ein Schulungshaus.«

Die Pressetätigkeit des APA war darauf angelegt, die öffentliche Meinung der Welt derart zu beeinflussen, daß die wahren Ziele der Verschwörer verschleiert und damit die Vorbereitung des Angriffskriegs erleichtert würden. Diese Arbeit wurde in ausgesprochen großzügigem Maßstab durchgeführt. Ich lege Dokument 003-PS, US-603, betitelt »Kurzer Tätigkeitsbericht des Außenpolitischen Amtes der NSDAP« als Beweis vor. Der letzte Absatz auf Seite 5 der Übersetzung beschreibt die Pressearbeit wie folgt:

»Die Presseabteilung des APA umfaßt Persönlichkeiten, die gemeinsam alle in Frage kommenden Sprachen beherrschen, täglich etwa 300 Zeitungen prüfen und täglich die Zusammenfassung wesentlichster Stellungnahmen der gesamten Weltpresse an den Führer, den Stellvertreter des Führers und an alle überhaupt in Betracht kommenden Stellen vermitteln.... Die Presse-Abteilung führt ferner ein genaues Archiv über die Geltung der wichtigsten Weltblätter und ein genaues Archiv über die wichtigsten Journalisten der ganzen Welt. Manche Pannen bei Unterredungen in Deutschland wären unterblieben, wenn man dieses Archiv des APA gefragt hätte.... Ferner hat die Pressestelle eine große Anzahl einwandfreier ausländischer Journalisten den verschiedenen amtlichen Vertretern Deutschlands zugeführt und mit mir eine Anzahl Interviews vermittelt.«

Und weiter:

»Dann hat mich Hearst persönlich gebeten, öfters über die deutsche Außenpolitik in seinen Zeitungen zu schreiben. In diesem Jahr sind 5 Aufsätze eingehender Art in sämtlichen Hearstzeitungen der ganzen Welt von mir erschienen. Da diese Aufsätze, wie Hearst mir persönlich mitteilen läßt, wirklich begründete Argumente aufweisen, hat er mich auch weiter gebeten, für seine Zeitungen zu schreiben.«

Auf diese Weise benützte Rosenberg sein Außenpolitisches Amt dazu, um die öffentliche Meinung der Welt im Sinne des Nationalsozialismus zu beeinflussen.

Es ist interessant, festzustellen, daß Rosenberg auf Seite 4 dieses Dokuments erklärt, daß der rumänische Antisemitenführer Cuza seinen Ratschlägen folgte, da er, wie Rosenberg sich ausdrückt, »in mir einen unbeugsamen Judengegner kenne«. Über diese Angelegenheit werden wir bald mehr hören.

Art und Umfang der Betätigung des APA gehen voll und ganz aus einem einzigen Dokument hervor. Es ist das Hauptbeweisstück, auf das ich in diesem Stadium des Verfahrens gegen Rosenberg Bezug nehmen möchte. Es trägt die Nummer 007-PS und hat den Titel »Kurzer Tätigkeitsbericht des Außenpolitischen Amtes der NSDAP von 1933-1943«. Es ist von Rosenberg unterzeichnet. Teile der Anlage 1 dieses Berichts wurden bereits als britisches Beweisstück GB-84 ins Protokoll verlesen. Der Hauptteil des Berichts und Anlage 2 wurden bisher noch nicht erwähnt. Wie ersichtlich, enthält das Dokument eine Aufzählung der vielseitigen Betätigung im Ausland. Diese Betätigung reichte von der Förderung der wirtschaftlichen Durchdringung bis zur Entfachung des Antisemitismus; von kultureller und politischer Beeinflussung bis zur Anstiftung von Hochverrat. Diese Tätigkeit wurde in der ganzen Welt ausgeübt und erstreckte sich auf weit auseinanderliegende Gebiete, wie den Mittleren Osten und Brasilien.

Viele Erfolge des APA waren der geschickten Ausnützung persönlicher Beziehungen zu verdanken. Aus der Mitte des ersten Absatzes auf Seite 2 der Übersetzung, der sich auf die Betätigung in Ungarn bezieht, erfahren wir folgendes:

»Der erste fremde Staatsbesuch nach der Machtübernahme erfolgte durch die Vermittlung des Außenpolitischen Amtes. Der in früheren Jahren selbst antisemitische und rassenpolitische Tendenzen verfolgende, auf den ungarischen Ministerpräsidentenstuhl gelangte Julius Gömbös, mit dem das Amt eine persönliche Verbindung hatte,...«

Das APA war bestrebt, die Kriegswirtschaft durch Umlagerung des Nahrungsmittelbezugs auf die Balkanländer zu stärken, wie im Absatz 3 der Übersetzung ausgeführt wird:

»Aus wehrwirtschaftlichen Gründen vertrat das Amt den Gedanken einer... Umlagerung des Rohstoffbezuges aus Übersee nach den verkehrstechnisch zu Lande erreichbaren Gebieten,...«

Dann weist er darauf hin, daß auf Grund der Tätigkeit dieses Amtes der Nahrungsmittelbezug mit Erfolg auf die Balkanländer verlegt wurde, besonders Obst- und Gemüse-Importe.

Die Arbeit in Belgien, Holland und Luxemburg beschränkte sich, dem Bericht zufolge, auf die »reine Beobachtung der gegebenen Verhältnisse«, ein Ausdruck, der vielseitige Deutung zuläßt, und »auf die Anknüpfung von Beziehungen, besonders wirtschaftlicher Art.«

In Iran erreichte das APA, neben der Förderung kultureller Beziehungen, eine weitgehende wirtschaftliche Durchdringung. Ich zitiere aus der Mitte des dritten Absatzes auf Seite 3:

»Die vom Amt mit Hilfe von Wirtschaftskreisen zur wirtschaftlichen Durchdringung Irans auf ganz neuen Wegen entwickelte Initiative, die natürlich auch in Deutschland bei den zuständigen staatlichen Stellen zuerst auf völlige Ablehnung und auf Widerstand stießen, der erst überwunden werden mußte, druckte sich in einer außerordentlich günstigen Weise in den gegenseitigen Handelsbeziehungen aus. Im Laufe von wenigem Jahren verfünffachte sich das Handelsvolumen mit Iran, und im Jahre 1939 hatte der iranische Warenumsatz mit Deutschland die erste Stelle erreicht.«

Im letzten Absatz auf Seite 3...

VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte, Herr Brudno! Würden Sie dem Gerichtshof bitte erklären, in welchem Zusammenhang der von Ihnen soeben verlesene Absatz mit der gegen Rosenberg in diesem Prozeß erhobenen Anklage steht?

MR. BRUDNO: Hoher Gerichtshof! Nach unserer Ansicht war die wirtschaftliche Durchdringung derjenigen Länder, deren Einbeziehung in die Einflußsphäre der Achse den Verschwörern strategisch wichtig schien, eines der Mittel der Verschwörung. Die Betätigung Rosenbergs auf dem Gebiet des Außenhandels trug unserer Ansicht nach wesentlich zum Fortschritt der in der Anklageschrift geltend gemachten Verschwörung bei.

VORSITZENDER: Wollen Sie damit sagen, daß der Versuch, den Handel mit dem Ausland zu fördern, ein Verbrechen ist?

MR. BRUDNO: Hoher Gerichtshof, die Äußerung weltanschaulicher Ansichten oder die Förderung des Außenhandels sind an sich keine Verbrechen, das ist auch meine Ansicht.

VORSITZENDER: Hier handelt es sich nicht um weltanschauliche Betrachtungen. Es ist einfach eine Handelsfrage.

MR. BRUDNO: Weiter unten erwähnt er die kulturelle Betätigung, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Ich sprach nur, um keine Zeit zu verlieren, von dem speziellen Absatz, den Sie gerade zitiert haben.

MR. BRUDNO: Ich verstehe, Herr Vorsitzender. Wir wollen lediglich zeigen, daß die Deutschen die Waffe des Außenhandels als einen wesentlichen Bestandteil des Verschwörer-Programms einsetzten.

VORSITZENDER: Wie ich bereits früher gesagt habe, ist es weder für mich noch für irgendein Mitglied dieses Gerichtshofs möglich, den Vortrag der Anklagevertretung an deren Stelle zu übernehmen. Wir können sie nur darauf aufmerksam machen, wenn sie unserer Meinung nach Unerheblichkeiten und Häufungen vorbringt, und sie bitten, die Ausführungen kürzer zu fassen. Das Kürzen ist dann ihre Sache.

MR. BRUDNO: Hoher Gerichtshof, Rosenberg fuhr auf Seite 3 der Übersetzung fort:

»Die heutige neutrale Stellung Afghanistans ist zu einem nicht geringen Teil auf die Tätigkeit des Amtes zurückzuführen.«

In Zusammenhang mit Arabien sagt er:

»Auch die arabische Frage wurde in die Bearbeitung des Amtes einbezogen. Trotz der politischen Bevormundung des Irak durch England stellte das Amt eine Reihe von Verbindungen zu einer Reihe führender Persönlichkeiten der arabischen Welt her, die starken Bindungen an Deutschland die Wege ebneten, wobei auch der wachsende Einfluß des Reiches im Iran und in Afghanistan seine Rückwirkungen auf Arabien nicht verfehlte.«

Rosenberg beschließt seinen Bericht mit der Erklärung, daß er mit Ausbruch des Krieges seine Aufgabe als abgeschlossen betrachte und sagt:

»Die Auswertung der vielen persönlichen Beziehungen in vielen Ländern kann in anderer Form wieder aufgenommen werden.«

Ich wende mich nun der Anlage 2 des Berichts zu, die auf Seite 9 der Übersetzung zu finden ist. Diese Anlage befaßt sich mit der Tätigkeit in Rumänien. Die Intrigen des APA sind hier gerissener und seine Einmischung in die inneren Angelegenheiten einer fremden Nation noch augenfälliger. Nach Beschreibung des Versagens einer – um einen Ausdruck Rosenbergs zu verwenden – »in ihrem Urgrund gesunden antisemitischen Strömung«, ein Versagen, das auf dynastische Streitigkeiten und Parteikämpfe zurückzuführen sei, spricht Rosenberg über den Einfluß des APA auf die Einigung der in Streit befindlichen Elemente.

Ich zitiere von der neunten Zeile der Übersetzung an:

»Hier fehlte der führende Kopf einer politischen Persönlichkeit. Nach vielerlei tastenden Versuchen glaubte das Amt, eine solche im ehemaligen Minister und Dichter Octavian Goga gefunden zu haben. Es fiel nicht schwer, den von instinktiven Eingebungen erfüllten Dichter zu überzeugen, daß die Erhaltung eines Großrumäniens, dessen Schaffung zwar gegen Wien erfolgen mußte, nur mit Berlin möglich war, und in ihm den Wunsch zu wecken, rechtzeitig das Schicksal Rumäniens mit der Zukunft des nationalsozialistischen Deutschen Reiches zu verbinden. Durch dauernde Beeinflussung gelang es dem Amt, sowohl Octavian Goga als auch Professor Cuza zu veranlassen, die von ihnen geführten Parteien auf antisemitischer Grundlage miteinander zu verschmelzen, um den Kampf für die Erneuerung Rumäniens nach innen und seinen Anschluß an Deutschland nach außen mit vereinten Kräften aufzunehmen. Beide bisher verschiedene Namen tragende Parteien verschmolzen durch die Initiative des Amtes in der Nationalsozialistischen Partei unter Führung Gogas und unter einer Ehrenpräsidentschaft Cuzas.«

Rosenbergs Mann, Goga, wurde von zwei Splitterparteien unterstützt, die sich der antisemitischen Strömung nicht angeschlossen hatten, und Rosenberg erklärte:

»Mit beiden Richtungen unterhielt das Amt durch Mittelsmänner laufend Beziehungen.«

Goga, der Mann, den Rosenberg unterstützte, wurde im Dezember 1937 vom König zum Ministerpräsidenten ernannt. Der verderbliche Einfluß der Rosenbergschen Weltanschauung hatte einen großen Triumph davongetragen, denn er erklärt:

»Damit war eine zweite Regierung auf völkischer und antisemitischer Grundlage in Europa in Erscheinung getreten, in einem Lande, in dem ein solches Ereignis für völlig ausgeschlossen gehalten wurde.«

Ich will mich mit den Einzelheiten des politischen Durcheinanders, das in Rumänien während dieser Periode herrschte, nicht ausführlich befassen.

VORSITZENDER: Herr Brudno! Ich glaube, der Gerichtshof ist darüber genügend unterrichtet, daß Rosenberg – ich meine vorbehaltlich dessen, was Rosenberg oder sein Verteidiger dazu zu sagen haben werden –, daß Rosenberg versuchte, seine Ideologien im Ausland zu verbreiten. Hierüber brauchen wir keine weiteren detaillierten Beweise. Wir sind uns auch darüber einig, daß wir über die Tätigkeit des APA genug gehört haben.

MR. BRUDNO: Sicherlich, Hoher Gerichtshof! Wenn der Gerichtshof zufriedengestellt ist, können wir weitergehen.

VORSITZENDER: Vorbehaltlich, wie ich bereits sagte, aller Beweise, die von Rosenberg vorgebracht werden.

MR. BRUDNO: Gewiß. Ich will nur abschließend feststellen, daß die Tätigkeit des APA, wie aus dem Dokument 007-PS hervorgeht, in erster Linie dafür verantwortlich war, daß Rumänien der Achse beitrat. Es war ein lebenswichtiges Glied in der Kette der deutschen militärischen Strategie.

Ich möchte weiter die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf das Beweismaterial über die Tätigkeit des APA in Norwegen lenken, das bereits vorgelegt wurde, eine Betätigung, die zum Verrat Quislings und Hagelins führte, für den die beiden inzwischen verurteilt worden sind.

Ich komme nunmehr zur Endphase des Tatbestands gegen den Angeklagten Rosenberg. Wir haben gesehen, wie er den Aufstieg der Nazis zur Macht gefördert und die psychologische Vorbereitung des deutschen Volkes für die Führung von Angriffskriegen geleitet hat. Ich möchte nun den Beweis für seine Verantwortlichkeit bei der Planung und Ausführung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erbringen, die in den ausgedehnten Gebieten des besetzten Ostens begangen wurden, Gebieten, die von Rosenberg mehr als drei Jahre lang verwaltet worden sind. Diese Gebiete schließen die Baltischen Staaten, Weißruthenien, die Ukraine und den östlichen Teil Polens ein.

Ich habe nicht die Absicht, hier zu versuchen, noch einmal die Geschichte der Massenmorde, der Ausplünderung und der Brutalität zu erzählen. Wir glauben, daß dies bereits genügend bewiesen wurde, und weiteres Beweismaterial zu diesem Punkt wird von der Anklagevertretung der Sowjetunion und der Französischen Republik vorgelegt werden.

Wir mochten vorwegnehmen, daß Rosenberg sagen wird, manche dieser Verbrechen seien entgegen seinen Wünschen begangen worden; und tatsächlich ist einiges Beweismaterial dafür vorhanden, daß er gelegentlich protestierte, nicht aus humanitären Erwägungen, sondern aus Gründen politischer Zweckmäßigkeit.

Wir nehmen ferner an, daß Rosenberg versuchen wird, die Schuld für diese Verbrechen auf andere Dienststellen und auf andere Angeklagte abzuschieben. Das Beweismaterial wird jedoch zeigen, daß er selbst es war, der die harte Politik formuliert hat, in deren Verfolgung diese Verbrechen begangen worden sind, daß die Verbrechen größtenteils von Personen und Dienststellen unter seiner Jurisdiktion und Aufsicht begangen wurden, und daß andere Dienststellen, die an der Begehung dieser Verbrechen beteiligt waren, von Rosenberg aufgefordert worden waren, an der Verwaltung des Ostens mitzuarbeiten, obgleich die brutalen Methoden, die dort an der Tagesordnung waren, allgemein bekannt waren, und schließlich, daß sein Ministerium diese Tätigkeit trotz der angewandten verbrecherischen Methoden voll unterstützt hat. Rosenberg spielte bereits am 20. April 1941 eine aktive Rolle in den Angelegenheiten des Ostens, also zwei Monate vor dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion. An diesem Tage wurde er von Hitler zum Beauftragten für die zentrale Bearbeitung der Fragen des osteuropäischen Raumes ernannt.

Der Befehl Hitlers, kraft dessen er diese Ernennung erhielt, ist bereits vollständig als Dokument 865-PS, US-143, in das Verhandlungsprotokoll verlesen worden.

Die ersten Vorbereitungen Rosenbergs für die Erfüllung dieser Aufgabe zeigen, bis zu welchem Grad er an der Förderung der militärischen Angriffspläne mitarbeitete. Sie zeigen auch, daß er zu Beginn seine Aufgabe darin sah, die Unterstützung einer Vielzahl von Reichsbehörden zu erbitten und sie zur Zusammenarbeit einzuladen.

Kurz nach seiner Ernennung durch Hitler führte Rosenberg eine Reihe von Besprechungen mit Vertretern verschiedener Reichsbehörden, Besprechungen, die in dem bereits vorgelegten Dokument 1039-PS, US-146, zusammengefaßt sind. Dieses Dokument bewies die Zusammenarbeit der folgenden Dienststellen, sowie die Tatsache, daß diese Zusammenarbeit von Rosenberg beabsichtigt und gefördert worden war. Es handelt sich um folgende Dienststellen: OKW, OKH, OKM, das Reichswirtschaftsministerium, das Amt des Generalbevollmächtigten für den Vierjahresplan, Reichsinnenministerium, die Reichsjugendführung, Deutsche Arbeitsfront, Reichsarbeitsministerium, SS, SA und einige andere.

Es sollte vermerkt werden, daß diese Anordnungen von Rosenberg in seiner Eigenschaft als Kommissar für Ostfragen getroffen wurden, noch vor dem Angriff auf die Sowjetunion, noch ehe er zum Reichsminister für die besetzten Ostgebiete ernannt worden war, ja sogar noch bevor es irgendwelche von Deutschland zu verwaltende Ostgebiete überhaupt gab.

Ich möchte nun kurz auf Rosenbergs grundlegende Haltung hinsichtlich seiner neuen Aufgaben hinweisen und auf die Anweisungen, deren Befolgung, wie er wußte, von ihm erwartet wurde.

Der Gerichtshof wird sich erinnern, daß Rosenberg am 29. April 1941 in Dokument 1024-PS, das bereits als Beweisstück US-278 eingeführt wurde, sagte:

»Eine allgemeine Behandlung erfordert die Judenfrage, deren zeitweilige Übergangslösung festgelegt werden muß (Arbeitszwang der Juden, eine Ghettosierung usw.).«

Am 8. Mai 1941 bereitete er Instruktionen für alle Reichskommissare in den besetzten Ostgebieten vor. Diese Instruktionen befinden sich im Dokument 1030-PS, das bereits als Beweisstück US-144 vorgelegt worden ist. Der letzte Absatz, auf den die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs noch nicht gelenkt wurde, lautet wie folgt:

»Kulturpolitisch kann das Deutsche Reich in vielen Gebieten nationale Kulturen und Wissenschaften fördern und ausrichten. In manchen Gebieten wird eine Aus- und Umsiedlung verschiedener Völkerschaften vorgenommen werden müssen.«

In Dokument 1029-PS, US-145, verfügt Rosenberg, daß das Ostland durch die Eindeutschung rassisch möglicher Elemente, durch Kolonisierung germanischer Völker und durch Aussiedlung nicht erwünschter Elemente in einen Teil des Großdeutschen Reichs verwandelt werde.

In einer Rede vom 20. Juni 1941 erklärte Rosenberg, wie sich der Gerichtshof erinnern wird, daß die deutsche Volksernährung an der Spitze der deutschen Forderungen im Osten stehe, daß keine Verpflichtung bestehe, das russische Volk mit zu ernähren; daß dies eine harte Notwendigkeit sei, die außerhalb jeden Gefühls stehe; daß eine umfangreiche Evakuierung notwendig sein würde und schließlich, daß dem Russentum sehr schwere Jahre bevorstünden. Diese Rede, Hoher Gerichtshof, befindet sich im Protokoll als Dokument 1058-PS, US-147.

Am 4. Juli 1941, noch vor Rosenbergs Ernennung zum Reichsminister für die besetzten Ostgebiete, nahm ein Vertreter von Rosenbergs Büro an einer Besprechung über Verwendung und Arbeitseinsatz der russischen Kriegsgefangenen teil. Dokument 1199-PS ist ein Bericht über diese Besprechung, und ich lege als Beweisstück US-604 vor. Das Dokument berichtet, daß unter anderen die Vertreter folgender Dienststellen teilnahmen: Beauftragter für den Vierjahresplan, Reichsarbeitsministerium, Reichsernährungsministerium und Dienststelle Rosenberg. Der erste Satz lautet wie folgt:

»Nach einleitenden Worten von Obstlt. Dr. Krull wurde von Abt. Kriegsgef. (Obstlt. Breyer) dargelegt, daß an sich ein Verbot des Führers bestände, russische Kriegsgefangene im Reich zum Arbeitseinsatz zu bringen; es sei aber damit zu rechnen, daß dieses Verbot mindestens gelockert würde.«

Der letzte Absatz berichtet wie folgt:

»Der Besprechungsleiter faßte das Ergebnis dahingehend zusammen, daß von allen beteiligten Dienststellen die Forderung, die Kriegsgefangenen auch zum Arbeitseinsatz im Reich heranzuziehen, unbedingt vertreten und unterstützt wird.«

Am 16. Juli 1941, einen Tag vor der Ernennung Rosenbergs zum Minister für die besetzten Ostgebiete, wohnte er einer Besprechung im Hauptquartier des Führers bei, deren Niederschrift bereits als Dokument L-221, US-317, vorgelegt worden ist. Damals erklärte Hitler, die Krim müsse von allen Fremden geräumt und deutsch besiedelt werden.

Er erklärte weiter, daß die Ziele Deutschlands im Osten dreifacher Art wären: erstens, ihn zu beherrschen, zweitens, ihn zu verwalten und drittens, ihn auszubeuten.

Damit stand der wesentliche Charakter der Verwaltung, die für den besetzten Osten vorgesehen war, bereits fest, bevor Rosenberg sein Amt als Minister antrat. Er kannte diese Pläne und stimmte mit ihnen überein: Verfolgung der Juden, Sklavenarbeit der Kriegsgefangenen, Germanisierung und Ausbeutung; all dies waren politische Grundsätze, mit denen Rosenberg, als er sein Amt antrat, vertraut war.

Am 17. Juli 1941 wurde Rosenberg zum Reichsminister für die besetzten Ostgebiete ernannt. Der Erlaß, durch den er ernannt wurde, ist Dokument 1997-PS und liegt bereits als Beweisstück US-319 vor.

Ich möchte nun den Organisationsaufbau und die Kette der Verantwortlichkeiten im Ministerium für die besetzten Ostgebiete untersuchen.

Der Organisationsaufbau im Osten war, wie wir zeigen werden, von der Art, daß Rosenberg keineswegs nur die Rolle eines Strohmannes spielte. Er war die oberste Instanz und besaß die volle Aufsichtsgewalt. Dokument 1056-PS ist eine vervielfältigte Abhandlung mit dem Titel: »Die Organisation der Verwaltung in den besetzten Ostgebieten«. Sie ist undatiert und unsigniert; man kann jedoch weiteren Aufschluß durch Heranziehung von Dokument EC-347, Görings »Grüner Mappe«, erlangen, die bereits als Beweisstück US-320 vorgelegt worden ist.

Teil II, Punkt A des Dokuments EC-347, hat die Überschrift »Auszug aus den Arbeitsrichtlinien des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete und für die Zivilverwaltung«, und in Klammern: »Braune Mappe, Teil I, Seite 25 bis 30«.

Die zwei folgenden Absätze decken sich mit den zwei Absätzen auf Seite 9 oben der Übersetzung des Dokuments 1056-PS. Demnach ist 1056-PS eine Vervielfältigung von Teil I der »Braunen Mappe«, die in der »Grünen Mappe« erwähnt und vom Reichsminister für die besetzten Ostgebiete herausgegeben wurde.

Ich lege nunmehr Dokument 1056-PS als Beweisstück US-605 vor. Ich lege es vor, um aus den vom Ministerium Rosenberg erlassenen Verfügungen den Umfang des Machtbereichs von Rosenberg zu beweisen, daß er nämlich die oberste Zivilbehörde in den Ostgebieten darstellte. Das Dokument zeigt, daß ein kontinuierlicher Dienstweg von Rosenberg bis zu den regionalen Verwaltungsbeamten lief, ein Dienstweg, der sich sogar bis zu den lokalen Gefängnisdirektoren erstreckte. Das Dokument zeigt auch die Verbindung zwischen Rosenbergs Ministerium und anderen deutschen Dienststellen, eine Verbindung, die auf Grund seiner Anweisungen und der Befehle Hitlers zwischen voller Kontrolle durch Rosenberg und voller Zusammenarbeit variierte.

Schließlich ist aus dem Dokument ersichtlich, daß die verschiedenen Unterabteilungen des Ministeriums die Weisung hatten, periodische Lageberichte über die ihnen unterstehenden Gebiete zu erstatten, so daß Rosenberg die zahlreichen, unsagbar brutalen Berichte, die ihm zugingen, und die bereits in das Sitzungsprotokoll verlesen worden sind, auf Grund seiner eigenen Befehle erhielt.

Der erste Absatz dieses bezeichnenden Dokuments lautet wie folgt:

»Dem Reichsminister für die besetzten Ostgebiete sind die neuerdings besetzten Ostgebiete unterstellt. Auf Weisung des Führers richtet er dort bei Aufhebung der Militärverwaltung eine Zivilverwaltung ein. Er leitet und beaufsichtigt die gesamte Verwaltung dieses Raumes und vertritt die Souveränität des Reiches in den besetzten Ostgebieten.«

Oben auf Seite 2 der Übersetzung heißt es:

»Zum Reichsministerium tritt ein Beauftragter des Reichsführers SS und Chefs der deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern.«

Unter III, auf Seite 2 der Übersetzung, ist die Verantwortung der Reichskommissare wie folgt definiert:

»In den Reichskommissariaten sind unter der Oberleitung des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete Reichskommissare für die gesamte Zivilverwaltung verantwortlich.

Der Reichskommissar leitet und beaufsichtigt als Ho heitsträger des Reiches in seinem Amtsbezirk die gesamte Verwaltung nach den Weisungen des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete. Im Rahmen dieser Weisungen handelt er in eigener Verantwortlichkeit.«

Dann folgt eine Darstellung des Dienstweges; nachgeordnete Dienststellen: Generalkommissare, Hauptkommissare, Gebietskommissare usw.

Im vorletzten Absatz auf Seite 3 der Übersetzung heißt es:

»Der Höhere SS- und Polizeiführer untersteht unmittelbar dem Reichskommissar. Der Stabsleiter hat jedoch auch ihm gegenüber das allgemeine Informationsrecht....

Auf engste Zusammenarbeit zwischen ihm, dem Stabsleiter, und den übrigen Hauptabteilungsleitern der Dienststelle des Reichskommissars, insbesondere mit demjenigen für Politik, ist größter Wert zu legen.«

Ich wende mich nun von diesem Dokument einen Augenblick ab und bitte den Gerichtshof, die von Rosenberg unterzeichnete Verordnung vom 17. Juli 1941, die im Verordnungsblatt des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete, 1942, Nummer 2, Seite 7 und 8, gefunden werden kann, amtlich zur Kenntnis zu nehmen.

Diese Verordnung sieht die Schaffung von Standgerichten zur Aburteilung von Verbrechen, die von Nichtdeutschen im Osten begangen wurden, vor. Den Standgerichten steht ein Polizeioffizier oder ein SS-Führer vor, der die Befugnis hat, auf Todesstrafe oder Einziehung des Vermögens zu erkennen, ohne daß gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt werden kann.

Der Generalkommissar hatte das Recht, ein Urteil abzuändern.

Auf diese Weise waren die Entscheidungen der SS und dieser Standgerichte der Autorität eines Vertreters des Ministeriums Rosenberg unterworfen. Auf Seite 4 der Übersetzung des Dokuments 1056-PS ist die Stellung des Generalkommissars beschrieben. Es heißt dort:

»Der Generalkommissar bildet die Verwaltungsbehörde mittlerer Instanz.«

Drei Absätze weiter unten heißt es:

»Der dem Generalkommissar zugeteilte SS- und Polizeiführer untersteht ihm unmittelbar, jedoch besitzt der Stabsleiter ihm gegenüber das allgemeine Informationsrecht.«

Das Dokument beschreibt sodann die Funktionen der verschiedenen Unterabteilungen des Ministeriums und schließt mit den Gebietskommissaren, die den lokalen Verwaltungsbezirken vorstehen. Auch diesen waren Polizeieinheiten zugeteilt, die ihnen direkt unterstanden.

VORSITZENDER: Gut, Herr Brudno! All dies hätten Sie in einem Satz erklären können, ohne uns auf alle diese Stellen in dem Dokument zu verweisen. Ich meine: Rosenberg war Minister für die Ostgebiete. Ihm unterstanden Reichskommissare und SS-Einheiten, denen die gesamte Verwaltung, ich meine die Zivilverwaltung der Ostgebiete, unterstand. Wenn Sie das gesagt hätten, so hätte das sicherlich genügt.

MR. BRUDNO: Sehr wohl, Herr Vorsitzender.

Ich werde von diesem Punkt ab weitergehen und lediglich betonen, daß die wirtschaftliche Ausbeutung des Gebiets in engster Zusammenarbeit mit dem Beauftragten für den Vierjahresplan durchgeführt wurde, wie aus Absatz 2 auf Seite 7 der Übersetzung ersichtlich. Es heißt dort, daß die Wirtschaftsinspektorate des Beauftragten für den Vierjahresplan im wesentlichen nach Einrichtung der Zivilverwaltung in die Dienststellen der Zivilverwaltung eingegliedert werden sollten.

Ich möchte die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auch auf den ersten Absatz auf Seite 6 lenken, der lautet: Die verschiedenen Kommissare sind,

»abgesehen von den militärischen Dienststellen, die einzigen Reichsbehörden in den besetzten Ostgebieten. Andere Reichsbehörden dürfen neben ihnen nicht errichtet werden. Sie bearbeiten alle Fragen der Verwaltung des Raumes, der ihren Hoheitsbefugnissen unterstellt ist, und alle Angelegenheiten, die sich auf die Organisation und Tätigkeit der Verwaltung einschl. der Polizei auf die Überwachung der landeseigenen Dienst stellen und Organisationen und auf die Bevölkerung beziehen.«

Ich wende mich nun kurz dem zweiten Abschnitt des Dokuments zu, welcher mit den Worten »Arbeitsrichtlinien für die Zivilverwaltung« überschrieben ist. Die ersten zwei Abschnitte auf Seite 9 sind bereits als Teil des Dokuments EC-347, US-320, in das Protokoll verlesen worden. Ich mache den Gerichtshof besonders auf die Erklärung aufmerksam, daß

»die Bestimmungen der Haager Land-Kriegsordnung, die sich mit der Verwaltung eines durch eine fremde Kriegsmacht besetzten Landes befassen, nicht gelten.«

Ich zitiere weiterhin vom letzten Abschnitt auf Seite 9:

»Die Bearbeitung von Sabotagefällen ist Angelegenheit des Höheren SS- und Polizeiführers, des SS- und Polizeiführers bzw. der Polizeiführer der unteren Instanz. Soweit jedoch Kollektivmaßnahmen gegen die Bevölkerung eines bestimmten Gebietes angebracht erscheinen, hat die Entscheidung hierüber, auf Vorschlag des Polizeiführers, der zuständige Kommissar zu fällen....

Die Auferlegung von Geld- oder Naturalbußen, wie auch Anordnung der Festnahme von Geiseln und der Erschießung von Bewohnern desjenigen Gebietes, in dem die Sabotageakte begangen sind, kann nur durch den Generalkommissar erfolgen, soweit der Reichskommissar nicht selbst eingreift.«

Ich schließe mit diesem Dokument, indem ich den ersten Satz oben von Seite 13 zitiere:

»Die Aufsicht über sämtliche Gefängnisse obliegt, soweit Reichskommissare nicht anders bestimmen, den Gebietskommissaren.«

Ich möchte nicht die Zeit des Gerichtshofs unnötig in Anspruch nehmen, noch das Protokoll belasten, um einen ausführlichen Bericht der Art und Weise zu geben, nach welcher Rosenberg seine uneingeschränkte Macht und Autorität ausübte. Genügendes Beweismaterial befindet sich in dem Verhandlungsbericht, und weiteres Beweismaterial wird von der sowjetischen Anklagebehörde vorgelegt werden, um den Umfang der gegen die Völker der besetzten Ostgebiete verübten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schildern.

Ich möchte jedoch, lediglich um die Methoden Rosenbergs bei seiner Teilnahme an den verbrecherischen Tätigkeiten innerhalb seines Machtbereichs aufzuzeigen, kurz auf einige wenige Beispiele verweisen.

Ich lenke Ihre Aufmerksamkeit auf Dokument R-135, das bereits als Beweisstück US-289 vorgelegt worden ist. In diesem Dokument berichtet der Strafanstaltsverwalter aus Minsk, daß 516 deutsche und russische Juden getötet wurden, und macht auf die Tatsache aufmerksam, daß wertvolles Gold dadurch verloren ging, weil man es unterlassen hatte, die Goldfüllungen aus den Zähnen der Opfer rechtzeitig auszubrechen.

Diese Vorgänge ereigneten sich im Gefängnis von Minsk, in einem Gefängnis, das, wie sich der Gerichtshof aus Dokument 1056-PS erinnern wird, direkt unter der Aufsicht des Ministeriums für die besetzten Ostgebiete stand.

Als nächstes Beispiel möchte ich Dokument 018-PS vorlegen. Dieses Dokument wurde bereits als US-186 eingeführt.

Ich möchte dem Gerichtshof den ersten Absatz aus Dokument 018-PS vorlesen, der noch nicht in das Verhandlungsprotokoll verlesen worden ist. Das Dokument zeigt, daß Rosenberg am 21. November 1942 wie folgt an Sauckel schrieb:

»Ich danke Ihnen sehr für Ihre Berichte über die Durchführung der Ihnen gestellten großen Aufgabe, und ich bin erfreut zu hören, daß Sie bei der Durchführung Ihres Auftrages allenthalben die nötige Unterstützung gefunden haben, namentlich auch seitens der Zivilbehörden in den besetzten Ostgebieten. Für mich und die mir nachgeordneten Stellen war und ist dieses Zusammenwirken selbstverständlich, zumal wir beide, Sie und ich, hinsichtlich der Lösung der Ostarbeiterfrage von Anfang an die gleichen Grundsätze vertreten haben.«

Noch am 11. Juli 1944 war das Ministerium Rosenberg mit der Fortsetzung des Zwangsarbeitsprogramms aktiv befaßt, trotz des Rückzugs aus dem Osten.

MR. BIDDLE: Nach dieser allgemeinen Erklärung fährt Rosenberg fort, wenigstens hier, gegen die angewandten Methoden Einspruch einzulegen. Das haben Sie nicht erwähnt.

MR. BRUDNO: Ganz richtig, Herr Richter. Diese Einsprüche sind bereits im Verhandlungsbericht enthalten, und ich verweise auf dieses Dokument nur, um zu zeigen, daß Rosenberg die Rekrutierung von Arbeitern aus dem Osten begünstigte, daß seine Zivilverwaltungsbeamten bei der Arbeiterbeschaffung mitwirkten, trotz der angewandten Methoden; Methoden, die Rosenberg bekannt waren, wie er selbst in diesem Brief berichtete.

DR. ALFRED THOMA, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN ROSENBERG: Hohes Gericht, ich muß in diesem Zusammenhang dagegen protestieren, daß der Herr Anklagevertreter diesen Absatz 1, den er eben zitiert hat, nicht weitergelesen hat. Es kommt nämlich dann der Absatz, worin er erklärt, daß eine Übereinstimmung Sauckels mit Rosenberg darüber bestanden hat...

VORSITZENDER: Sie haben wohl überhört, daß das Mitglied des Gerichtshofs für die Vereinigten Staaten den Anklagevertreter für die Vereinigten Staaten gerade auf diesen Punkt aufmerksam gemacht hat, den Sie jetzt vorbringen. Es wies darauf hin, daß der Anklagevertreter in diesem Zusammenhang die anderen Absätze in dieser Urkunde hätte verlesen oder wenigstens erwähnen sollen, nämlich diejenigen, die zeigten, daß Rosenberg gegen die angewandten Methoden Einwände erhoben hat.

DR. THOMA: Hoher Gerichtshof! Ich darf darauf aufmerksam machen, daß der Herr Anklagevertreter aus einem bestimmten Absatz nur die zwei ersten Sätze verlesen hat. Derselbe Absatz endet aber dann damit, daß erklärt wird, »es hat eine Übereinstimmung zwischen Sauckel und mir darin bestanden, daß die Arbeiter in Deutschland gut behandelt werden, und daß zu diesem Zweck Betreuungsorganisationen geschaffen wurden«. So, wie es der Herr Anklagevertreter dargestellt hat, erweckt es den Anschein, als ob die Angeklagten Sauckel und Rosenberg sich nur über den rücksichtslosen Einsatz und die Deportationen der Ostarbeiter verständigt hätten.

VORSITZENDER: Wie der Anklagevertreter der Vereinigten Staaten bereits erwähnte, wurden die anderen Stellen des Dokuments bereits verlesen. Selbstverständlich wird das ganze Dokument als Beweisstück bewertet werden.

Der Gerichtshof versteht vollkommen den von Ihnen gemachten Einwand, daß es nicht fair ist, nur eine Stelle aus einem Dokument zu verlesen, wenn andere Stellen desselben Dokuments zeigen, daß die verlesene Stelle keine vollständige oder richtige Darstellung des Dokuments ist.

MR. BRUDNO: Hoher Gerichtshof! Ich habe nicht den Versuch gemacht, den Gerichtshof irrezuführen. Lediglich aus Zeitrücksichten habe ich den Rest nicht verlesen. Der Rest ist bereits im Verhandlungsbericht enthalten.

VORSITZENDER: Ich verstehe dies. Wir werden nunmehr vertagen.