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[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

MR. DODD: Ich möchte den Gerichtshof nun ersuchen, von den vom Militärgerichtshof in Dachau, Deutschland, am 13. Dezember 1945 ausgesprochenen Schulderkenntnissen von Amts wegen Kenntnis zu nehmen. Diese Schulderkenntnisse sind datiert vom 12. und die Strafaussprüche vom 13. Ich habe hier eine beglaubigte Abschrift der Schulderkenntnisse und der Strafaussprüche, Dokument 3590-PS, das ich als US-664 vorlegen möchte.

VORSITZENDER: Haben die Angeklagten Abschriften davon erhalten?

MR. DODD: Jawohl, sie sind in das Informationszimmer der Verteidigung geschickt worden.

VORSITZENDER: Sehr gut.

MR. DODD: Noch eine andere Frage möchte ich heute Vormittag kurz vor Gericht vorbringen. Es handelt sich um eine Sache, die erst zur Sprache kam, nachdem ich den Gerichtssaal verlassen hatte, um wieder nach den Vereinigten Staaten zurückzufahren.

Am 13. Dezember legten wir als Beweis das Dokument 3421-PS, US-252 und 254, vor. Dies waren, wie sich der Gerichtshof erinnern wird, Stücke von Menschenhaut, die von Leichnamen stammten und konserviert waren, und ferner der konservierte Kopf eines menschlichen Wesens. Laut Protokoll sprach am 14. Dezember der Verteidiger des Angeklagten Kaltenbrunner vor Gericht und beschwerte sich darüber, daß die vorgelegte eidesstattliche Erklärung eines gewissen Pfaffenberger nicht erwähnte, daß der Lagerkommandant von Buchenwald, ein gewisser Koch, zusammen mit seiner Frau zum Tode verurteilt worden sei, und zwar eben wegen dieser Greueltaten, also wegen Gerbung von Menschenhaut und Konservierung des Kopfes. Im Laufe dieser Erklärungen, brachte der Verteidiger des Angeklagten Bormann, wie aus dem Protokoll ersichtlich, vor dem Gerichtshof noch vor, der Anklagevertretung sei höchst wahrscheinlich bekannt gewesen, daß die deutschen Behörden gegen diesen Lagerkommandanten Koch Einwendungen erhoben hätten, und sie habe tatsächlich gewußt, daß er eben gerade wegen dieser Dinge zur Verantwortung gezogen und verurteilt worden sei. Darin lag immerhin eine Andeutung, daß die Anklagevertretung davon gewußt, dieses Wissen aber dem Gerichtshof verschwiegen habe. Ich möchte nun dazu erklären, daß wir überhaupt von diesem Koch zu der Zeit, als wir dieses Beweismittel vorbrachten, nichts wußten; wir wußten von ihm überhaupt nichts, außer, daß er Lagerkommandant gewesen war, wie aus der eidesstattlichen Erklärung hervorgeht. Auf Grund dieses Einwands wurde von uns jedoch eine Unterredung eingeleitet; diese ergab, daß er tatsächlich im Jahre 1944 von einem SS-Gerichtshof verurteilt wurde; aber nicht wegen Gerbens von Menschenhaut oder Konservierung eines Menschenkopfes, sondern wegen Geldunterschlagung, wie uns der Richter, der ihn abgeurteilt hat, mitteilte, also wegen gewöhnlicher Veruntreuung, und weil er jemanden ermordet hatte, mit dem er persönliche Differenzen hatte. Der Richter, ein gewisser Dr. Morgen, berichtet uns tatsächlich, er habe die tätowierte Menschenhaut und den Menschenkopf im Büro des Kommandanten Koch gesehen, ebenso einen Lampenschirm aus Menschenhaut. Aber in dem seinerzeitigen Strafverfahren wurde wegen dieser Dinge keine Anklage gegen ihn erhoben.

Ich möchte dem Gerichtshof gegenüber auch erwähnen, daß die Zeugenaussage des Dr. Blaha unserer Meinung nach weiteres Licht auf die Frage wirft, ob diese Beweisstücke Nummer 252 und 254 vereinzelte Fälle einer derartigen grauenhaften Betätigung darstellen oder nicht. Es ist uns nicht gelungen; den Mann, der diese eidesstattliche Erklärung abgegeben hat, aufzufinden. Wir haben uns bemüht, konnten ihn aber bis jetzt noch nicht ausfindig machen.

VORSITZENDER: Wen ausfindig machen?

MR. DODD: Den Aussteller Pfaffenberger, dessen eidesstattliche Erklärung als Beweis vorgelegt wurde.

VORSITZENDER: Sehr gut, Herr Dodd.

DR. KURT KAUFFMANN, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN KALTENBRUNNER: Die eben abgegebene Erklärung ist zweifellos bedeutungsvoll. Aber es wäre doch von großer Bedeutung, wenn wir die Unterlagen hätten, die damals zur Verurteilung des Lagerkommandanten und seiner Ehefrau geführt haben. Denn Kaltenbrunner erklärte mir, daß in der gesamten SS bekannt gewesen sei, der Lagerführer Koch und seine Ehefrau seien auch, ich betone das Wort »auch«, wegen dieser Dinge zur Verantwortung gezogen worden, und es sei in der gesamten SS bekannt gewesen, daß die Höhe der ausgesprochenen Strafe mitbedingt gewesen sei durch diese Feststellungen eines unmenschlichen Verhaltens.

VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte. Da Sie der Verteidiger waren, der behauptet hat, daß der Lagerkommandant Koch wegen unmenschlichen Verhaltens zum Tode verurteilt worden sei, sind Sie wohl derjenige, der das Urteil vorzulegen hat.

DR. KAUFFMANN: Ich habe das Urteil nie in Händen gehabt, ich habe mich nur auf Informationen verlassen, die mir Kaltenbrunner persönlich und mündlich erteilt hat.

VORSITZENDER: Aber Sie waren es, der die Behauptung aufgestellt hat. Es ist gleichgültig, woher Sie die Informationen dazu erhalten haben. Sie haben die Behauptung aufgestellt, deshalb haben Sie die Urkunde vorzulegen.

DR. KAUFFMANN: Ja.

OBERST H. J. PHILLIMORE, HILFSANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Hoher Gerichtshof! Schriftsatz und Dokumentenbücher sind vorgelegt. Die Urkunden im Dokumentenbuch sind in der Reihenfolge geordnet, in der ich mich auf sie beziehen werde, und die entsprechenden Bezugnahmen im Schriftsatz erfolgen in der gleichen Reihenfolge. Auf der ersten Seite des Schriftsatzes befindet sich der Auszug aus Anhang A der Anklageschrift, der sich mit der verbrecherischen Tätigkeit dieses Angeklagten befaßt.

VORSITZENDER: Befassen Sie sich zuerst mit Raeder oder mit Dönitz?

OBERST PHILLIMORE: Mit Dönitz. Mein geschätzter Kollege, Herr Elwyn Jones, wird die Sache Raeder sogleich danach behandeln. Ich lese auf Seite 1 des Schriftsatzes...

VORSITZENDER: Die Verhandlung wird für zehn Minuten ausgesetzt.