[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]
VORSITZENDER: Wie heißen Sie?
ZEUGE PETER JOSEF HEISIG: Ich heiße Peter Josef Heisig.
VORSITZENDER: Sprechen Sie mir den Eid nach: Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und dem Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen werde, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.
[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]
OBERST PHILLIMORE: Sind Sie deutscher Oberleutnant zur See?
HEISIG: Ich bin Oberleutnant zur See in der deutschen Marine.
OBERST PHILLIMORE: Wurden Sie am 27. Dezember 1944 gefangengenommen, und werden Sie jetzt als Kriegsgefangener gefangengehalten?
HEISIG: Jawohl.
OBERST PHILLIMORE: Haben Sie am 27. November 1945 eine eidesstattliche Erklärung abgegeben?
HEISIG: Jawohl.
[Dem Zeugen wird das Dokument D-566 vorgelegt.]
OBERST PHILLIMORE: Und ist dies Ihre Unterschrift?
Herr Vorsitzender, es ist das Dokument D-566.
HEISIG: Das ist das Dokument, das ich abgegeben habe.
OBERST PHILLIMORE: Ich lege es dem Gerichtshof als Beweisstück GB-201 vor.
[Zum Zeugen gewendet]:
Bitte, rufen Sie den Herbst des Jahres 1942 in Ihre Erinnerung zurück! Welchen Rang bekleideten Sie damals?
HEISIG: Ich war Oberfähnrich zur See bei der 2. Unterseeboots-Lehrdivision.
OBERST PHILLIMORE: Haben Sie dort an einem Lehrgang teilgenommen?
HEISIG: Ich nahm an dem dortigen Ausbildungskursus für Unterseeboots-Wachoffiziere teil.
OBERST PHILLIMORE: Erinnern Sie sich an den letzten Tag dieses Kursus?
HEISIG: Am letzten Tage dieses Kursus hielt Großadmiral Dönitz, der damals noch Befehlshaber der Unterseeboote war, eine Besichtigung der 2. Unterseeboots-Lehrdivision.
OBERST PHILLIMORE: Was ereignete sich am Ende seiner Besichtigung?
HEISIG: Am Ende seines Besuchs hielt er, also nicht am Ende seines Besuchs, sondern während seines Besuchs, hielt Großadmiral Dönitz eine Ansprache an die Offiziere der 2. Unterseeboots-Lehrdivision.
OBERST PHILLIMORE: Können Sie sich an das Datum dieses Besuchs erinnern?
HEISIG: Ich weiß nur noch das ungefähre Datum. Es muß Ende September oder Anfang Oktober 1942 gewesen sein.
OBERST PHILLIMORE: Wollen Sie nun dem Gerichtshof, bitte langsam sprechen, einen Bericht darüber geben, was Admiral Dönitz in seiner Rede ausführte?
HEISIG: Großadmiral Dönitz führte in seiner Rede aus:
Die Erfolge der Unterseeboote seien zurückgegangen. Schuld daran sei die Stärke der feindlichen Luftüberwachung. Es seien neue Flakwaffen entwickelt worden, die es den Unterseebooten ermöglichen werden, in Zukunft sich der Flieger zu erwehren, Hitler hätte ihm persönlich versichert, daß Unterseeboote, bevorzugt vor allen Waffengattungen, mit diesen Flakkanonen ausgerüstet würden. Es wäre deshalb zu erwarten, daß die alten Erfolge in wenigen Monaten wieder erreicht würden. Großadmiral Dönitz ging dann auf sein gutes Einvernehmen mit Hitler ein und sprach dann über das deutsche Rüstungsprogramm.
Auf die Zwischenfrage eines Offiziers bezüglich eines Zeitungsartikels, nach dem in den Vereinigten Nationen monatlich mehr als eine Million Bruttoregistertonnen Handelsschiffsraum neu gebaut wurden, ging Großadmiral Dönitz ein. Er bezweifelte zuerst die Glaubwürdigkeit dieser Angabe und sagte, ihm liege eine Veröffentlichung des Präsidenten Roosevelt zugrunde. Großadmiral Dönitz sprach dann kurz über die Person des Präsidenten Roosevelt und über das amerikanische Rüstungsprogramm und Rüstungspotential. Er führte weiter aus, eine große Schwierigkeit haben die Alliierten, es sei, ihre Schiffe mit Besatzungen zu versorgen. Den alliierten Seeleuten sei der Weg über den Atlantik gefährlich geworden, weil deutsche Unterseeboote in großer Zahl die alliierten Schiffe versenken. Mancher von den alliierten Seeleuten sei schon mehr als einmal mittorpediert worden, das spricht sich herum und das hält die Seeleute ab, weiter zur See zu fahren. Einige von ihnen versuchen sogar, sich vor der Überquerung des Atlantiks zu drücken, so daß alliierte Behörden gezwungen sind, die Besatzungen eventuell, wenn es sich als notwendig erweisen sollte, mit Gesetzesmitteln an Bord zu halten.
Diese Anzeichen sind für uns sehr günstig. Aus der Tatsache, einmal, daß die Alliierten beträchtlich viel Handelsschiffe neu bauen, zum anderen, daß den Alliierten große Schwierigkeiten im Wege liegen, diese Neubauten mit Personen, also mit Besatzungen auszurüsten, folgerte Admiral Dönitz: die Personallage der Alliierten ist sehr ernst; die Verluste an Personen treffen die Alliierten ganz besonders schwer, einmal weil sie über wenig Reserven verfügen, zum anderen weil sie über...
OBERST PHILLIMORE: Ich möchte Sie nicht unterbrechen, aber sagte er etwas über Rettungsmaßnahmen? Sie sprachen von den alliierten Verlusten und davon, wie schwer sie waren.
HEISIG: Ja, er sprach über Rettungen, aber ich möchte das etwas später ausführen.
Großadmiral Dönitz führte also aus, daß die Verluste die Alliierten sehr schwer treffen, einmal, weil sie keine Reserven haben, zum anderen, weil die Ausbildung neuer Seeleute sehr lange Zeit in Anspruch nimmt. Er findet deshalb unverständlich, wenn jetzt noch Unterseeboote...
VORSITZENDER: Oberst Phillimore, einen Augenblick bitte. Ich glaube nicht, daß wir die ganze Rede des Admirals Dönitz hier hören wollen. Wir wollen nur den wesentlichen Teil davon hören.
OBERST PHILLIMORE [zum Zeugen]: Sie haben die Frage der Verluste behandelt. Wollen Sie nunmehr auf den entscheidenden Teil gegen Ende der Rede kommen und darüber sprechen? Was sagte der Großadmiral dann?
DR. THOMA: Die Aussage des Zeugen berührt mich zwar nicht unmittelbar. Ich habe aber doch Bedenken, daß der Zeuge nicht seine Aussage, wie er sie machte...
Nach deutschem Recht und nach deutscher Strafprozeßordnung, hat der Zeuge alles zu sagen, was er zu einer Sache weiß. Wenn er gefragt wird über eine Rede des Großadmirals Dönitz, dann darf er nicht nur, wenigstens nach deutschem Recht, diejenigen Sachen dem Gericht vorbringen, die nach der Ansicht der Anklagebehörde für den Angeklagten ungünstig sind, und ich glaube, daß dieser Grundsatz auch für dieses Verfahren gelten soll, wenn irgendein Zeuge vernommen wird.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist nicht an das deutsche Recht gebunden. Ich habe bereits gesagt, daß der Gerichtshof von diesem Zeugen nicht die ganze Rede von Admiral Dönitz zu hören wünscht. Es steht jedem Verteidigungsanwalt frei, den Zeugen im Kreuzverhör zu vernehmen. Ihr Einspruch ist daher völlig fehl am Platze.
OBERST PHILLIMORE