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OBERST PHILLIMORE: Herr Vorsitzender! Ich möchte nunmehr dem Gerichtshof zwei Fälle unterbreiten, in denen dieser Befehl vom 17. September 1942 offenbar befolgt wurde. Der erste Fall steht als nächstes Dokument D-645 im Dokumentenbuch. Ich lege dieses Dokument als Beweisstück GB-203 vor. Es ist ein Bericht über die Versenkung eines Fischdampfers namens »Noreen Mary«, der am 5. Juli 1944 durch das U-Boot U 247 versenkt wurde. Die erste Seite dieses Schriftstücks enthält einen Auszug aus dem U-Boot-Logbuch. Der Zeitangabe 19.43 in dem Dokument folgt dann die Beschreibung des Abfeuerns von zwei Torpedos, die fehl gingen. Die Eintragung für 20.55 Uhr im Logbuch lautet sodann:

»Aufgetaucht. Fischdampfer: (Es folgt die Peilung von 3 Schiffen) Griffen, das nächstliegendste an. Nach 3 Minuten stoppt es ab.«

Es heißt dann weiter, daß ein Schuß abgefeuert wurde, als der Fischdampfer still lag; dann kommt die Schlußeintragung:

»Versenkt durch Flakbeschuß in die Breitseite. Sank achtern ab.«

Der Gerichtshof wird bemerken, daß im Logbuch nichts über die Behandlung der torpedierten oder schiffbrüchigen Seeleute erwähnt ist.

VORSITZENDER: Wieso lautet das Datum 5. Juli 1943?

OBERST PHILLIMORE: Das ist ein Schreibfehler. Ich hätte darauf aufmerksam machen sollen. Die nächste Seite des Dokuments enthält eine Bemerkung des U-Bootkommandanten über den Vorgang. Die letzte Zeile lautet:

»Erkannter Erfolg: Fischdampfer ›Noreen Mary‹ durch Flakbeschuß versenkt.«

Dann folgt eine eidesstattliche Erklärung von James MacAlister, der Matrose an Bord der »Noreen Mary« zur Zeit ihrer Versenkung war.

Ich verlese den letzten Absatz der ersten Seite dieser eidesstattlichen Erklärung. Er beschäftigte sich vorher damit, daß er den Lauf der Torpedos, die den Dampfer nicht trafen, beobachtet hatte. Der letzte Absatz lautet:

»Um 21.10 Uhr, als wir noch mit dem Fischfang beschäftigt waren, tauchte das U-Boot an Steuerbord in einer Entfernung von ungefähr 50 Yards nordöstlich auf und eröffnete ohne Warnung sofort Maschinengewehrfeuer auf das Schiff. Wir befanden uns 18 Meilen westlich von Kap Wrath, auf annähernd nordwestlichem Kurs und hatten eine Stundengeschwindigkeit von drei Knoten. Das Wetter war schön und sonnig, es war klar und die Sicht war gut; das Meer war ruhig, es herrschte leichter Wind.«

Herr Vorsitzender, dann folgt im nächsten Absatz ein Bericht über die Beschießung; ich möchte nunmehr den zweiten Absatz auf Seite 2 lesen.

VORSITZENDER: Warum lesen Sie nicht auch den ersten?

OBERST PHILLIMORE: Wenn Sie es wünschen, Herr Vorsitzender:

»Als das Unterseeboot auftauchte, sah ich Leute aus dem Turm klettern. Unser Kapitän dachte zuerst, es wäre ein britisches U-Boot, aber nach Eröffnung des Feuers ließ er das Schleppnetz los und ging auf volle Fahrt, die bei 10 Knoten lag. Das U-Boot verfolgte uns, feuerte aus seinem Maschinengewehr und tötete mit der ersten Salve zwei oder drei Leute, darunter den Kapitän, der sich auf Deck befand und keine Zeit gehabt hatte, in Deckung zu gehen. Das U-Boot verwendete dann ein schweres Geschütz vom Kommandoturm aus; das erste Geschoß brachte den Kessel zum Platzen, alles war in Dampf gehüllt, und unser Schiff stoppte.

Inzwischen hatte die Mannschaft Deckung genommen, aber trotzdem wurden alle bis auf vier Mann getötet. Das U-Boot begann dann, um den Bug herum zur Backbord-Seite zu fahren, wobei es mit beiden Geschützen unentwegt feuerte. Wir bekamen während der ganzen Zeit langsam Schlagseite nach Backbord, wurden aber nicht in Brand gesetzt.

Der Maat und ich versuchten, das Rettungsboot achtern loszumachen, aber während des Versuchs wurde der Maat getötet, und ich gab deshalb den Versuch auf. Ich ging daraufhin in Deckung nach unten in die Kombüse, die unter dem Wasserspiegel lag. Das Schiff erhielt immer mehr Schlagseite nach Backbord, bis es schließlich um 22.10 kenterte und sank; die einzigen vier Mann, die an Bord noch am Leben waren, wurden ins Wasser geworfen. Ich weiß nicht, wo die anderen 3 Mann während der Zeit Deckung genommen hatten, da ich sie nicht hörte oder sah, als bis sie im Wasser waren.

Ich schwamm herum, bis ich den geborstenen Bug unseres Rettungsbootes fand, der kieloben dahintrieb. Es gelang mir, auf ihn heraufzuklettern. Auch jetzt tauchte das Boot nicht, sondern fuhr direkt auf mich zu und feuerte eine kurze Maschinengewehrsalve unmittelbar aus nur 60 bis 70 Yards Entfernung auf mich ab. Da ihre Absicht ganz offensichtlich war, sprang ich ins Wasser und blieb dort, bis das U-Boot zu schießen aufhörte und tauchte. Darauf kletterte ich wieder auf den Kiel des Bootes. Das U-Boot hatte eine volle Stunde lang gefeuert.«

Herr Vorsitzender! Die eidesstattliche Erklärung fährt dann fort, die Versuche des Zeugen und anderer, sich zu retten und einander zu helfen, zu beschreiben, bis sie schließlich von einem anderen Fischdampfer aufgenommen wurden.

Der letzte Absatz auf dieser Seite lautet:

»An Bord der ›Lady Madeleine‹ wurden währenddessen meine Wunden und die des zweiten Maschinisten verbunden. Ich hörte später, daß der zweite Maschinist 48 Schrapnellwunden hatte, außerdem war ein 21/2 Zoll langer Stahldraht in seinen Körper gedrungen.«

Nach einem Satz, den ich nicht wiedergebe, folgt der letzte Satz:

»Ich hatte 14 Schrapnellwunden.«

Die letzten zwei Absätze der eidesstattlichen Erklärung lauten:

»Dies ist mein viertes Kriegserlebnis, nachdem ich vorher auf den Walfischfängern ›Sylvester‹ (auf eine Mine gelaufen) und ›New Seville‹ (torpediert) und auf dem Fischdampfer ›Ocean Tide‹, der strandete, gefahren war. Die Verluste auf Grund dieses Angriffs durch das U-Boot waren sechs Tote..., zwei Vermißte... und zwei Verwundete...«

Herr Vorsitzender! Das nächste Dokument, D-647, lege ich als Beweisstück GB-204 vor. Es ist ein Auszug aus einer Erklärung des zweiten Offiziers des Schiffes »Antonico«; das Schiff wurde am 28. September 1942 an der Küste von Französisch-Guyana torpediert, in Brand gesetzt und sank. Der Gerichtshof wird bemerken, daß die Versenkung ungefähr elf Tage nach Ausgabe des Befehls erfolgte. Ich möchte von den Worten »Der Zeuge sah die Toten«, kurz nach der Mitte der ersten Seite, lesen.

Ein Bericht über den Angriff auf das Schiff, das zu diesem Zeitpunkt schon in Flammen stand, ist vorangegangen:

»... Der Zeuge sah die Toten an Deck des ›Antonico‹, als er und seine Mannschaft versuchten, ihr Rettungsboot auszusetzen; der Angriff war heftig und dauerte beinahe 20 Minuten; Zeuge versuchte, als er bereits im Rettungsboot war, von der Seite des ›Antonico‹ wegzukommen, um zu verhindern, von dem ›Antonico‹ herabgezogen zu werden, und auch, weil das Schiff das Ziel des Angreifers war; die Nacht war finster; es war daher schwer, das U-Boot zu sehen, das Feuer an Bord des ›Antonico‹ beleuchtete aber die Stelle, an der er unterging, und gab so dem Feind die Möglichkeit, die zwei Rettungsboote zu sehen, die versuchten, von dem Schiff wegzukommen; der Feind beschoß die wehrlosen Seemänner im Rettungsboot Nummer 2, in dem sich der Zeuge befand, rücksichtslos mit Maschinengewehrfeuer. Er tötete den zweiten Lotsen, Arnaldo de Andrade de Lima, und verwundete drei Mitglieder der Mannschaft; der Zeuge gab seiner Mannschaft den Befehl, über Bord zu springen, um sich vor den Kugeln zu schützen; dadurch waren sie geschützt und hinter dem Rettungsboot, das bereits voll Wasser war, außer Sicht; das Rettungsboot wurde sogar dann noch weiter beschossen. Zu diesem Zeitpunkt waren der Zeuge und seine Kameraden ungefähr 20 Meter von dem U-Boot entfernt...«

Herr Vorsitzender! Das Logbuch des U-Bootes liegt in diesem Falle nicht vor. Angesichts des Befehls über Eintragungen in das Logbuch, nach dem nichts Belastendes eingetragen werden sollte, werden sie sich vorstellen, daß das Logbuch auch in diesem Falle nicht mehr genützt hätte als in dem zuvor beschriebenen Zwischenfall.

Das nächste Dokument, D-646 (a), lege ich als Beweisstück GR-205 vor. Es ist ein abgehörter Bericht von der Sendung eines deutschen Kriegsmarine-Berichterstatters über den Langwellen-Propagandasender von Friesland. Diese Sendung vom 11. März 1943 war in englischer Sprache erfolgt und lautete:

»Santa Lucia in Westindien war ein romantisches Plätzchen. Heutzutage aber ist es gefährlich, diese Wasser zu befahren – gefährlich für die Briten und Amerikaner und alle Farbigen, die ihnen hörig sind. Kürzlich sichtete ein U-Boot, welches in diesen Wassern operierte, einen feindlichen Segelkutter. Ein Hagel von Leuchtspurkugeln schlug in die Segel, und die meisten der Negerbesatzung sprangen ins Wasser. Da man erkannte, daß es sich hier möglicherweise um eine Falle handelte, kam das U-Boot vorsichtig bis auf 20 Yards heran; dann wurden Handgranaten in die Takelage geworfen. Die übrigen Neger sprangen sodann ins Wasser. Der Segelkutter sank. Es blieben nur Wrackstücke, Rettungsboote voll Menschen und schwimmende Seeleute übrig. In der Entfernung wetzten die Haifische erwartungsvoll ihre Zähne. Das war das Schicksal derer, die für Britannien und Amerika zur See fuhren.«

Hoher Gerichtshof, die nächste Seite des Dokuments glaube ich nicht verlesen zu sollen. Es ist ein Auszug aus dem Logbuch des U-Bootes, das wahrscheinlich dieses Schiff versenkt hat. Es war ein Schiff mit Namen »C. S. Flight«.

Ich habe dies verlesen, weil es meiner Meinung nach zeigt, wie der Feind von Anfang an beabsichtigte, Schiffsbesatzungen zu terrorisieren. Es ist ein Teil des Befehls über Rettungsschiffe und Vernichtung von Seeleuten.

Wenn ich mich angesichts des Kreuzverhörs so ausdrücken darf, erhebt die Anklagevertretung keine Klage, daß Rettungsschiffe angegriffen wurden; sie haben kein Recht auf Schutz. Der Schwerpunkt des Befehls aber lag darin, daß vor allem diese Schiffe angegriffen werden sollten, und daß sich dieser Befehl beinahe mit dem vom 17. September 1942 deckt. In Anbetracht des Schiffbauprogramms der Alliierten war es höchst notwendig geworden, die Bemannung von Schiffen zu verhindern.

Hoher Gerichtshof, ich gehe nun zu dem Zeitraum über, in dem der Angeklagte der Nachfolger des Angeklagten Raeder geworden war. Das nächste Dokument ist 2098-PS, auf das schon verwiesen wurde, das aber, wie ich glaube, noch nicht vorgelegt wurde. Ich reiche es nun formell als Beweisstück GB-206 ein. Ich will es nicht verlesen. Es geht daraus nur hervor, daß der Angeklagte Raeder einem Reichsminister im Rang gleichstehen sollte; ich bitte den Gerichtshof, daraus den Schluß zu ziehen, daß der Angeklagte Dönitz als Nachfolger Raeders wahrscheinlich auch dieses Recht übernommen hatte.

VORSITZENDER: Das bezieht sich auf die Zeit von 1938 an?

OBERST PHILLIMORE: Von 1938 an.

Das nächste Dokument, D-648, lege ich als Beweisstück GB-207 vor. Es handelt sich hier um eine eidesstattliche Erklärung eines Beamten, richtiger ausgedrückt, es ist ein offizieller, von einem Beamten der britischen Admiralität beglaubigter Bericht. Die Beglaubigung befindet sich auf der letzten Seite; die Aufzeichnung selbst gibt die Anzahl, die Daten von Besprechungen und die Namen der Anwesenden bei diesen zwischen dem Angeklagten Dönitz oder seinem Stellvertreter und Hitler von der Zeit an, in der er Raeders Nachfolger wurde, bis zum Schluß wieder. Die Beglaubigung lautet:

»... Aus ihnen« – das heißt, aus den erbeuteten Dokumenten – »habe ich die vorstehende Liste der Anlässe, aus denen Admiral Dönitz an Besprechungen in Hitlers Hauptquartier teilnahm, zusammengestellt. Die Namen anderer höherer Beamter, die bei diesen Besprechungen teilnahmen, sind hinzugesetzt, soweit sie sich aus den erbeuteten Dokumenten entnehmen ließen.

Ich bestätige, daß die Aufstellung ein wahrheitsgetreuer Auszug aus allen von mir geprüften Dokumenten ist, die sich im Besitz der Britischen Admiralität in London befinden.«

Ich werde diese Liste nicht verlesen. Ich möchte den Gerichtshof nur darauf aufmerksam machen, daß entweder Admiral Dönitz oder sein Stellvertreter, Konteradmiral Voß, bei jeder dieser Besprechungen anwesend war; unter denen, die ständig zugegen waren, befanden sich die Angeklagten Speer, Keitel, Jodl, Ribbentrop und Göring sowie Himmler oder seine Vertreter (lieutenants), Fegelein oder Kaltenbrunner.

Ich bitte den Gerichtshof, aus dem Dokument die Folgerung zu ziehen, daß der Angeklagte von dem Augenblick an, in dem er Raeders Nachfolger wurde, einer der Führer des Reiches war, und daß er ohne Zweifel von allen Entscheidungen, allen richtunggebenden politischen Entscheidungen, Kenntnis erhielt.

Ich gehe nun zum nächsten Dokument, C-178, über, das bereits als Beweisstück US-544 eingereicht würde. Es ist eine interne Aufzeichnung der Seekriegsleitung, die von der Abteilung, die sich mit internationalem Recht befaßte, an eine andere Abteilung gerichtet war; sie behandelt den Befehl vom 18. Oktober 1942 über die Erschießung von Kommandos, der, wie ich glaube, dem Gerichtshof bereits bekannt ist.

Der Kernpunkt dieses Dokuments besteht darin, daß einige Stellen gewisse Zweifel über die Auslegung des Befehls erhoben hatten; im letzten Satz der Aufzeichnung wird vorgeschlagen:

»Für den Marinebereich bleibt zu prüfen, ob der Vorgang nicht dazu zu benutzen ist, um nach Vortrag bei dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarine sicherzustellen, daß über die Behandlung der Angehörigen von Kommandotrupps bei allen daran interessierten Stellen volle Klarheit besteht.«

Ob dieser Vortrag stattfand oder nicht, weiß ich nicht. Das Dokument ist ungefähr elf Tage, nachdem der Angeklagte der Nachfolger Raeders geworden war, abgefaßt.

Das nächste Dokument im Dokumentenbuch, D-649, das ich als Beweisstück GB-208 überreiche, zeigt jedoch beispielhaft, wie die Marine im Juli 1943 dem SD norwegische und britische Marine-Mannschaften zur Erschießung übergab, die nach Ansicht der Marine unter die Bestimmungen dieses Befehls fielen. Es ist die eidesstattliche Erklärung eines englischen Rechtsanwalts, der als beisitzender Richter an dem Verfahren gegen die SD-Mitglieder teilnahm, die den Befehl ausgeführt hatten.

Der erste Absatz besagt, daß der Zeuge beisitzender Richter in dem Verfahren gegen zehn SD-Mitglieder war, das von einem Militärgericht im Gerichtsgebäude in Oslo, Norwegen, durchgeführt wurde; der Prozeß begann am Donnerstag, den 29. November 1945 und endete am Dienstag, den 4. Dezember 1945.

Der nächste Absatz befaßt sich mit der Zusammensetzung des Gerichts und den Namen des Staatsanwalts und der Verteidigung.

Der dritte Absatz lautet:

»Den Angeklagten war die Begehung eines Kriegsverbrechens zur Last gelegt, weil sie in Ulven, Norwegen, ungefähr im Juli 1943 unter Verletzung der Gesetze und Gebräuche des Krieges teilgenommen hatten an der Tötung von...«

Nun folgen die Namen von sechs Angehörigen der norwegischen Marine, darunter eines Offiziers und eines leitenden Telegraphisten der Königlichen Marine, die alle Kriegsgefangene waren.

Ich möchte jetzt Absatz 4 verlesen:

»Dem Gerichtshof wurde Beweismaterial vorgelegt, das von der Verteidigung nicht bestritten wurde; danach hatte sich das Motor-Torpedoboot Nummer 345 von Lerwick auf den Shetland Inseln aus auf eine Feindfahrt begeben, um Torpedoangriffe auf deutsche Schiffe vor der norwegischen Küste auszuführen und dort Minen zu legen. Die in der Anklage genannten Personen waren die gesamte Besatzung des Torpedobootes.«

Absatz 5:

»Die Verteidigung bestritt nicht, daß alle Mitglieder der Besatzung bei der Gefangennahme Uniform trugen; eine Menge Personen, darunter mehrere Deutsche, bekundeten weiterhin, daß sie auch während der ganzen Zeit nach ihrer Gefangennahme Uniform trugen.«

Absatz 6:

»Am 27. Juli 1943 erreichte das Torpedoboot die Insel Aspo vor der norwegischen Küste, nördlich von Bergen. Am nächsten Tag wurde die gesamte Besatzung gefangengenommen und auf ein deutsches Kriegsschiff gebracht, welches unter dem Kommando von Admiral von Schrader, dem Admiral der Westküste, stand. Die Besatzung wurde nach Bergenhus überführt, wo sie um 11 Uhr nachts am 28. Juli eintraf. Dort wurde sie von Lt. H. P. K. W. Fanger, einem Marine-Reserveleutnant, auf Befehl von Korvettenkapitän Egon Drascher verhört; beide gehörten der deutschen Marine-Abwehr an. Das Verhör fand auf Befehl des Stabes des Admirals der Westküste statt. Leutnant Fanger teilte dem leitenden Offizier der Abwehrabteilung Bergen mit, daß seiner Ansicht nach alle Mitglieder der Besatzung das Recht auf Behandlung als Kriegsgefangene besäßen; dieser Offizier wiederum berichtete schriftlich und mündlich an den Seekommandanten von Bergen und schriftlich an den Admiral der Westküste.«

Absatz 7:

»Das Verhör der Marine-Abwehrabteilung war früh morgens am 29. Juli beendet; fast unmittelbar darauf wurden alle Mitglieder der Besatzung auf direkten Befehl des Seekommandanten von Bergen dem Obersturmbannführer des SD, Hans Wilhelm Blomberg, dem damaligen Kommandeur der Sicherheitspolizei in Bergen übergeben. Das erfolgte nach einer Besprechung zwischen Blomberg und Admiral von Schrader, bei der eine Abschrift des Führerbefehls vom 18. Oktober 1942 Blomberg vorgelegt wurde. Dieser Befehl befaßte sich mit solchen Personen, die vom Schütze des Genfer Abkommens ausgenommen und nicht als Kriegsgefangene behandelt, sondern bei ihrer Gefangennahme dem SD übergeben werden sollten. Admiral von Schrader sagte Blomberg, daß die Besatzung des Torpedobootes gemäß dem Führerbefehl dem SD zu überstellen wäre.«

Absatz 9:

»Der SD führte dann ein eigenes Verhör durch...«

VORSITZENDER: Können Sie den Rest zusammenfassen?

OBERST PHILLIMORE: Wenn Sie es wünschen, Herr Vorsitzender. Absatz 9 beschreibt das Verhör durch Beamte des SD; diese Beamten vertraten den gleichen Standpunkt wie die Marine-Abwehroffiziere, daß die Mannschaft berechtigt wäre, als Kriegsgefangene behandelt zu werden; trotzdem wurden sie abgeführt und durch ein aus Mitgliedern des SD bestehendes Vollstreckungskommando erschossen.

Es wird dann beschrieben, wie die Leichen fortgeschafft wurden.

Der letzte Absatz ist vielleicht in Verbindung mit dem Fall gegen den Angeklagten Keitel von Bedeutung.

VORSITZENDER: Ja, lesen Sie ihn vor.

OBERST PHILLIMORE: Absatz 11:

»Aus dem Beweisverfahren ergab sich, daß im März oder April 1945 ein Befehl aus dem Führerhauptquartier mit der Unterschrift von Keitel an die deutschen Behörden in Norwegen ergangen war. Der wesentliche Inhalt dieses Befehls war, daß Besatzungen von Kommandounternehmen, die in deutsche Gefangenschaft gerieten, von diesem Tage ab wie gewöhnliche Kriegsgefangene behandelt werden sollten. Dieser Befehl bezog sich im besonderen auf den obenerwähnten Führerbefehl.«

Den Mitgliedern des Gerichtshofs wird natürlich das Datum auffallen; es war die Zeit gekommen, sich umzustellen.

Das nächste Dokument ist C-158, das ich als Beweisstück GB-209 vorlege. Es besteht aus zwei Auszügen von Niederschriften über Besprechungen vom 19. und 20. Februar 1945 zwischen dem Angeklagten Dönitz und Hitler.

Ich möchte den ersten und letzten Satz des ersten Absatzes aus dem ersten Auszug verlesen:

»Der Führer erwägt, ob das Deutsche Reich nicht aus der Genfer Konvention austreten solle.«

Gemeint ist natürlich die Konvention von 1929 über Kriegsgefangene.

Und dann der letzte Satz:

»Der Führer beauftragt den Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, das Für und Wider dieses Schrittes zu erwägen und baldmöglichst darüber vorzutragen.«

Im zweiten Auszug gibt sodann der Angeklagte Dönitz seine Meinung in Gegenwart des Angeklagten Jodl und des Vertreters des Angeklagten Ribbentrop kund. Es sind die zwei letzten Sätze, auf die ich hinweisen möchte:

»... die Nachteile« – das heißt, die Nachteile einer Kündigung der Konvention-»seien im Gegenteil größer als die Vorteile. Auch allgemein scheine dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarine diese Maßnahme keine Vorteile zu bringen. Es sei besser, die für notwendig gehaltenen Maßnahmen ohne Ankündigung zu treffen und nach außen hin auf alle Fälle das Gesicht zu wahren.«

Dieses Dokument ist von nicht geringer Bedeutung, wenn man bedenkt, daß wir diesem Übereinkommen die Rückkehr von über 165000 britischen und 65000 bis 70000 amerikanischen Kriegsgefangenen am Ende des Krieges verdanken. Die Befürwortung des Bruches dieser Konvention, insbesondere ohne es zu erklären, darf man nicht leicht nehmen.

Die nächste Urkunde ist C-171, die ich als Beweisstück GB-210 vorlege. Es ist ein Auszug aus dem Protokoll einer anderen Besprechung des Angeklagten Dönitz mit Hitler am 1. Juli 1944. Der Auszug ist vom Angeklagten unterschrieben:

»Der Führer äußert im Zusammenhang mit dem Generalstreik in Kopenhagen, daß Terror nur mit Gegenterror bekämpft werden könne. Durch Kriegsgerichtsverfahren werden nur Märtyrer geschaffen. Die Geschichte beweist, daß die ganze Welt von diesen spricht, während von den vielen Tausenden, die bei gleichen Gelegenheiten ohne Kriegsgerichtsverfahren ums Leben gekommen sind, nicht die Rede ist.«

Das nächste Dokument ist C-195; ich überreiche es als Beweisstück GB-211. Es ist eine von dem Angeklagten unterschriebene Denkschrift, datiert Ende 1944. Ein eigentliches Datum befindet sich nicht auf dem Dokument, aber es ist von Ende 1944, ich glaube vom Dezember 1944. Auf der Verteilerliste auf der dritten Seite sind Hitler, Keitel, Jodl, Speer und das Oberkommando der Luftwaffe mitaufgeführt.

Ich möchte den zweiten Absatz verlesen. Er gibt einen Überblick über die deutschen Schiffsverluste:

»Des weiteren beantrage ich Verstärkung der Werftbelegschaften durch KZ-Häftlinge und als Sondermaßnahme zur Behebung des derzeitigen Mangels an Kupferschmieden, vor allem im U-Bootsbau, Abzweigung von Kupferschmieden aus dem reduzierten Lokomotivbau zum Schiffbau.«

Sodann befaßt er sich mit Sabotage und die letzten zwei Absätze auf der gleichen Seite lauten:

»Da sich an anderer Stelle Sühnemaßnahmen gegen ganze Belegschaften, bei denen Sabotage vorkam, bewährt haben und z.B. in Frankreich die Werftsabotage völlig unterdrückt wurde, kommen möglicherweise ähnliche Maßnahmen auch in den nordischen Ländern in Betracht.«

VORSITZENDER: Müssen Sie noch mehr verlesen?

OBERST PHILLIMORE: Nein, Herr Vorsitzender. Der letzte Satz des Dokuments auf der nächsten Seite ist Punkt 2 der Zusammenfassung: »Als zusätzliche Arbeitskräfte werden 12000 KZ-Häftlinge in den Werften eingesetzt. (SD einverstanden)«. Das ist der SD.

Hoher Gerichtshof! Dieser Mann war einer der Führer Deutschlands und meines Erachtens genügt schon dieses eine Dokument zu seiner Verurteilung. Es geschah nicht ohne Grund, daß bei diesen Besprechungen Himmler und seine Vertreter (lieutenants), Fegelein und Kaltenbrunner, zugegen waren. Sie waren natürlich nicht dabei, um über Unterseeboote oder den Einsatz von Kriegsschiffen zu sprechen. Es ist meiner Ansicht nach aus diesem Dokument klar ersichtlich, daß dieser Angeklagte über Konzentrationslager und Zwangsarbeitslager genau Bescheid wußte; als einer der Führer Deutschlands muß er auch die volle Last dieser Verantwortung tragen.

Hoher Gerichtshof! Ich komme nun zum letzten Dokument, D-650, das ich als Beweisstück GB-212 vorlege. Es enthält Befehle, die der Angeklagte im April erlassen hatte. Dieses Dokument zeigt meines Erachtens des Angeklagten fanatische Anhänglichkeit an das nazistische Glaubensbekenntnis und seine Bereitwilligkeit, selbst zu diesem Zeitpunkt noch einen hoffnungslosen Krieg auf Kosten von Menschenleben und in der Gewißheit größerer Verwüstungen und größeren Elends für Männer, Frauen und Kinder seines Landes fortzusetzen. Ich lese den letzten Absatz auf der zweiten Seite:

»Ich verlange daher von den Kommandanten und Kommandeuren der Kriegsmarine:... ›daß sie klar und eindeutig den Weg der soldatischen Pflicht gehen, was auch kommen mag. Ich verlange von ihnen, daß sie rücksichtslos alle Anzeichen und Ansätze austreten, die in der Truppe die Durchführung dieses Weges gefährden.‹«

Dann nimmt er auf irgendeinen Befehl Bezug.

»Ich verlange von den Befehlshabern, daß sie gegen jeden Kommandeur ebenso rücksichtslos vorgehen, der seine soldatische Pflicht nicht erfüllt. Glaubt ein Kommandeur die seelische Kraft nicht zu besitzen, seine Führerstellungen in diesem Sinne zu versehen, so hat er es sofort zu melden. Er wird dann in diesem Schicksalskampf als Soldat in einer Stellung verwendet werden, wo er durch irgendwelche Führungsaufgaben nicht belastet ist.«

Und dann der letzte Absatz auf dieser Seite. In einem weiteren Befehl vom 19. April zeigt er beispielhaft den Typ des Unteroffiziers auf, der befördert zu werden verdient:

»Ein Beispiel: In einem Gefangenenlager des Hilfskreuzers ›Cormoran‹ in Australien hat ein Oberfeldwebel als Lagerältester die unter der Lagerbesatzung sich bemerkbar machenden Kommunisten planvoll und von der Bewachung unauffällig umlegen lassen. Dieser Unteroffizier ist für seinen Entschluß und seine Durchführung meiner vollen Anerkennung sicher. Ich werde ihn nach seiner Rückkehr mit allen Mitteln fördern, da er bewiesen hat, daß er zum Führer geeignet ist.«

Hoher Gerichtshof! Es kommt natürlich nicht darauf an, ob die Tatsachen wahr sind oder nicht, sondern auf den Sinn der von ihm erlassenen Befehle. Zusammenfassend möchte ich sagen: Der Angeklagte war nicht bloß ein Seemann, der die Rolle eines den Befehlen seiner Regierung treu gehorchenden Truppenoffiziers spielte; er war vielmehr ein fanatischer Nazi, der sein Äußerstes tat, um die Marine und das deutsche Volk mit der nazistischen Glaubenslehre zu durchdringen. Es war kein Zufall, daß er zum Nachfolger Hitlers erwählt wurde, und nicht Göring, Ribbentrop, Goebbels oder Himmler. Er spielte eine bedeutende Rolle bei dem Aufbau der U-Bootflotte, einer der tödlichsten Waffen des Angriffskrieges. Er half bei der Planung und Durchführung der Angriffskriege, und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß ihm wohl bekannt war, daß diese Kriege vorsätzliche Vertragsverletzungen darstellten. Er war bereit, sich zu jeder List herzugeben, von der er glaubte, daß sie nicht entdeckt werden würde. Er brach das Genfer Abkommen oder die Neutralität, wenn er hoffte, die Behauptung aufrechterhalten zu können, daß das Sinken auf das Auflaufen auf eine Mine zurückzuführen sei. Er war bereit, den Befehl zu geben, und er gab ihn auch tatsächlich, hilflose Überlebende von versenkten Schiffen zu ermorden, ein Vorgehen, für das eine Parallele nur in dem seines japanischen Verbündeten zu finden ist.

Es gibt nur wenige Länder, in denen Witwen oder Eltern nicht um Männer der Handelsflotten trauern, deren Vernichtung auf die rücksichtslose Brutalität zurückzuführen ist, mit der die deutschen U-Boote auf Befehl dieses Mannes ihr Werk verrichteten.

Hoher Gerichtshof! Mein gelehrter Freund, Major Elwyn Jones, wird sich nun mit dem Angeklagten Raeder befassen.

MAJOR F. ELWYN JONES, HILFSANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Hoher Gerichtshof! Es ist meine Aufgabe, dem Gerichtshof das Beweismaterial gegen den Schöpfer der Nazi-Marine, den Angeklagten Raeder, vorzutragen. Die Beschuldigungen gegen ihn sind im Anhang A der Anklageschrift (Band I, Seite 84) aufgeführt. Der Gerichtshof wird daraus ersehen, daß dem Angeklagten Raeder zur Last gelegt wird: die Förderung der Pläne der Nazis zum Angriffskriege und seine Teilnahme daran; die Ausführung dieser Pläne; die Veranlassung und Lenkung von Nazi-Kriegsverbrechen, insbesondere von Kriegsverbrechen, die aus der Seekriegsführung entstanden, und seine Teilnahme daran.

Zur Einleitung dürfte es dem Gerichtshof genehm sein, in Dokument 2888-PS Einblick zu nehmen, das bereits als Beweisstück US-13 vorgelegt wurde. Es befindet sich auf Seite 96 des Dokumentenbuchs. Es ist ein Dokument, das die Ämter und Stellungen, die der Angeklagte Raeder innehatte, wiedergibt. Der Gerichtshof wird daraus ersehen, daß er im Jahre 1876 geboren wurde und in die deutsche Marine im Jahre 1894 eintrat. Im Jahre 1918 wurde er Kommandeur des Kreuzers »Köln«. Im Jahre 1928 wurde er Admiral, Chef der Marineleitung und Führer der deutschen Marine. Im Jahre 1935 wurde er Oberbefehlshaber der Kriegsmarine. Im Jahre 1936 wurde er an Hitlers 47. Geburtstag zum Generaladmiral ernannt; diesen Titel hatte Hitler eingeführt. Im Jahre 1937 erhielt er die hohe Nazi-Auszeichnung des Goldenen Ehrenzeichens der Partei. Im Jahre 1938 wurde er Mitglied des Geheimen Kabinettrats. Im Jahre 1939 erreichte er als höchsten Rang den eines Großadmirals, einen Rang, der von Hitler geschaffen wurde; Hitler verlieh Raeder dabei den Marschallstab. Im Jahre 1943 wurde er Admiralinspekteur der deutschen Kriegsmarine; das bedeutete, wie der Gerichtshof bald sehen wird, eine Art Rücktritt in den Ruhestand, denn vom Jahre 1943 ab war Dönitz, wie der Gerichtshof bereits gehört hat, der tatsächliche Befehlshaber der deutschen Kriegsmarine.

In diesen ereignisreichen Jahren von 1928 bis 1943, während derer Raeder Befehlshaber der deutschen Kriegsmarine war, spielte er eine bedeutsame Rolle. Ich möchte den Gerichtshof in erster Linie auf Raeders Anteil am Aufbau der deutschen Kriegsmarine als ein Kriegsinstrument, das dem allgemeinen Angriffsplan der Nazis dienen sollte, aufmerksam machen.

Der Gerichtshof hat bereits davon Kenntnis, wie die kleine Flotte, die Deutschland durch den Vertrag von Versailles zugebilligt war, unter Führung Raeders enorm vergrößert wurde. Ich möchte nur an einige Meilensteine auf Raeders Weg zur Seeherrschaft der Nazis erinnern, ein Ziel, das er glücklicherweise nicht erreichen konnte.

Was nun die Geschichte der geheimen Wiederaufrüstung Deutschlands unter Verletzung des Vertrags von Versailles angeht, so verweise ich den Gerichtshof auf Dokument C-156, das bereits als Beweisstück US-41 vorliegt. Es befindet sich auf Seite 26 des Dokumentenbuchs. Dieses Dokument ist, wie sich der Gerichtshof erinnern wird, »Der Kampf der Marine gegen Versailles, 1919 bis 1935«. Das Buch wurde im Jahre 1937 von der deutschen Admiralität geheim gedruckt. Der Gerichtshof wird sich auch erinnern, daß diese Aufzeichnungen zeigen, wie die deutsche Admiralität vor der Machtübernahme der Nazis nicht nur die Regierungen anderer Länder, sondern sogar ihr eigenes Parlament und zeitweilig ihre eigene Regierung betrog. Ihre geheimen Wiederaufrüstungsmaßnahmen reichten vom Versuchsbau von U- und S-Booten bis zur Schaffung geheimer Nachrichten- und Finanzorganisationen. Ich möchte den Gerichtshof nur mit einem Hinweis auf den letzten Absatz auf Seite 33 des Dokumentenbuchs bemühen; er behandelt die Rolle Raeders bei dieser Entwicklung. Es ist ein Auszug aus Seite 75 des Dokuments C-156 und lautet wie folgt:

»Der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Admiral... Raeder, hatte damit beim Auf- und Ausbau der Kriegsmarine eine weitgehende Selbständigkeit erhalten, die nur insofern noch eine Einschränkung erfuhr, als mit Rücksicht auf den Versailler Vertrag die bisherige Tarnung der Rüstungsarbeiten beibehalten werden mußte.«

Als Beispiel, wie Raeder die Wiederaufrüstung tarnte, möchte ich den Gerichtshof an das Dokument C-141, US-47, erinnern, das sich auf Seite 22 des Dokumentenbuchs befindet. In diesem Dokument führt Raeder aus:

»Aus vertragspolitischen Gründen und mit Rücksicht auf die Abrüstungskonferenz muß vermieden werden, daß die 1. Schnellbootshalbflottille, die in wenigen Monaten aus gleichartigen Neubau- (S-Booten) bestehen wird, sich nach außen offen als ein Verband von Torpedoträgern kennzeichnet, da nicht beabsichtigt ist, die Schnellboote auf die Zahl der uns zugestandenen Torpedoträger anzurechnen.«

Das nächste Dokument C-135, GB-213, das sich auf Seite 20 des Dokumentenbuchs befindet, ist von ungewöhnlichem Interesse, weil es bereits im Jahre 1930 die in militärischen Kreisen geläufige Absicht vermuten ließ, Polen letzten Endes anzugreifen. Dieses Dokument ist ein Auszug aus der »Geschichte der Kriegsgliederung und des Mobplanes«. Der deutsche Text dieses Dokuments ist überschrieben »850/38«, was darauf schließen läßt, daß das Dokument im Jahre 1938 geschrieben wurde. Der Auszug lautet wie folgt:

»Da durch den Versailler Vertrag alle Mobilmachungsvorarbeiten verboten waren, beschränkten sich diese nur auf einen sehr kleinen Mitarbeiterkreis und waren zunächst nur theoretischer Natur. Immerhin gab es damals...:

eine A. O. (Aufstellungsordnung), eine A. B. (Aufstellungsbestimmungen), die Vorläufer des heutigen Mob. Planes, sowie:

eine A. G. (Aufstellungsgliederung), eine V. A. B. (Veränderliche Aufstellungsbestimmungen), die für jedes A.Jahr (Deckname für Mob. Jahr) aufgestellt wurden.

Die damaligen A.G.'en waren, wie gesagt, rein theoretisch zu werten, da sie keinerlei positive personelle und materielle Grundlage hatten. Immerhin waren sie ein wertvoller Anhalt für die Aufstellung einer K.G. Endziel.«

Absatz 2:

»Die sich immer mehr zuspitzenden deutsch-polnischen Spannungen zwangen dazu, statt der theoretischen Kriegsvorbereitung eine praktische Vorbereitung eines rein deutschpolnischen Konfliktes zu machen. Unter Zugrundelegung der strategischen Idee einer schnellen Forcierung des polnischen Stützpunktes Gdingen sollte die aktive Flotte um die zur Erreichung des strategischen Zieles unbedingt notwendigen Hilfskräfte verstärkt werden und die notwendigsten Küsten- und Flak- Batterien, insbesondere in Pillau und Swinemünde besetzt werden. So entstand 1930 der V-Plan, (Verstär kungsplan).«

Wenn der Gerichtshof sich nun der nächsten Seite, Absatz 3, zweiter Unterabsatz zuwendet:

»Nunmehr hatte der Reichskanzler Adolf Hitler die ganz klare politische Forderung gestellt, ihm in fünf Jahren, d.h. bis zum 1. April 1938, eine Wehrmacht aufzustellen, die er als politisches Machtinstrument auf die Waagschale legen könne.«

Diese Eintragung ist ein Hinweis darauf, daß die Machtergreifung der Nazis im Jahre 1933 für Raeder das Signal wurde, die Wiederaufrüstung mit größter Beschleunigung zu betreiben. Die Einzelheiten dieser Entwicklung sind bereits von meinem amerikanischen Kollegen, Herrn Alderman, geschildert; ich möchte den Gerichtshof nur besonders auf Dokument C-189, US-44, wiedergegeben auf Seite 66 des Dokumentenbuchs, verweisen. In diesem Dokument sagt Raeder im Juni 1934 zu Hitler, daß die deutsche Flotte gegen England entwickelt werden müsse, und daß daher von 1936 an die großen Schiffe mit starken Geschützen armiert werden müßten, um den britischen Schlachtschiffen der King George-Klasse ebenbürtig zu sein. Im letzten Absatz heißt es dann weiter, daß Hitler vollkommene Geheimhaltung des U-Bootbaus fordert, insbesondere mit Rücksicht auf die Saarabstimmung. Im November 1934 hatte Raeder ein weiteres Gespräch mit Hitler über die Finanzierung der Marineaufrüstung. Bei dieser Gelegenheit erklärte ihm Hitler, daß ihm im Notfall Dr. Ley 120 bis 150 Millionen Mark von der Arbeitsfront für die Marine zur Verfügung stellen werde. Dieser Hinweis befindet sich im Dokument C-190, US-45, auf Seite 67 des Dokumentenbuchs. Der Gerichtshof wird der Ansicht sein, daß dieser vorgeschlagene Betrug an der deutschen Arbeiterschaft eine charakteristische Handlungsweise der Nazis war.

VORSITZENDER: Möchten wir uns jetzt vertagen?

MAYOR ELWYN JONES: Bitte, Euere Lordschaft.