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[Pause von 10 Minuten.]

LEUTNANT ATHERTON: Hoher Gerichtshof! Vor der Pause hatte ich mich damit beschäftigt, die Tätigkeit des Angeklagten Seyß-Inquart und seine Stellung als Stellvertreter des Generalgouverneurs von Polen in den Jahren 1939 bis 1940 darzustellen.

Dem Gerichtshof sind bereits Beweise über die Greueltaten vorgelegt worden, die von denjenigen Verwaltungsbehörden begangen wurden, bei deren Einsetzung Seyß-Inquart mitgewirkt hatte. Die Anklagevertreter der Sowjetunion werden dem Gerichtshof weitere Beweise über diese Greueltaten vorlegen. Da wir im Augenblick nur zeigen, welche Bedeutung die von dem Angeklagten geleistete Arbeit für die Förderung der Pläne der Nazis im Generalgouvernement Polen hatte, genügt es, einige wenige Worte aus dem Tagebuch des Angeklagten Frank zu zitieren.

Gelegentlich eines anscheinend für Seyß-Inquart nach seiner Ernennung zum Reichskommissar für die Niederlande gegebenen Abschiedsessens sagte Frank; und ich verlese nun aus Dokument 3465-PS, US-614, Seiten 510 und 511 des zweiten Bandes des Tagebuchs aus dem Jahre 1940:

»Ich freue mich ganz besonders, Herr Reichskommissar und Reichsminister, in dieser Stunde des Abschiedes die Versicherung abgeben zu können, daß die Monate der Zusammenarbeit mit Ihnen zu den wertvollsten Erinnerungen meines Lebens gehören, daß Ihre Arbeitslei stung im Generalgouvernement für alle Zukunft in die Aufbauarbeit des werdenden Weltreiches der deutschen Nation eingeschrieben sein wird.«

Ich überspringe nun einige Sätze, Hoher Gerichtshof, und fahre dort fort, wo Frank sagt:

»Im Aufbau des Generalgouvernements wird für alle Zukunft Ihr Name als der eines Gestalters dieser Organisation und dieses Staatswesens einen Ehrenplatz einnehmen.... spreche ich Ihnen, Herr Reichsminister, unseren Dank für die Mitarbeit, für Ihre schöpferische Tatkraft aus.«

Ich verlese nun die letzten zwei oder drei Sätze:

»Die Zeit, während der uns diese Gemeinschaftsarbeit hier im Osten verband, ist ernst. Sie ist aber auch gleichzeitig der Ausgangspunkt für die grandioseste Machtentfaltung des Deutschen Reiches. Ihre Vollendung wird überhaupt die Entfaltung der größten Energiegeballtheit darstellen, die es jemals in der Weltgeschichte gab. In dieses Werk sind Sie nun voll wirksam vom Führer an markantester Stelle eingereiht.«

Auf diese Ansprache erwiderte der Angeklagte Seyß-Inquart mit folgenden Worten, ich verlese von der zweiten Seite der Übersetzung:

»Ich habe hier sehr viel gelernt, manches, was ich früher noch gar nicht so recht begriffen habe, und zwar auf Grund der initiativen, entschlossenen Führung, wie ich sie von meinem Freund Dr. Frank gesehen habe.«

Ich lasse den nächsten Satz weg und setze fort:

»Ich gehe nun nach dem Westen, und ich will ganz offen sein: Mit dem Herzen bin ich hier; denn ich bin meiner ganzen Einstellung nach auf den Osten eingerichtet. Im Osten haben wir eine nationalsozialistische Mission, drüben im Westen haben wir eine Funktion, das ist vielleicht ein Unterschied.«

Hoher Gerichtshof! Ich behaupte, daß die eben verlesenen Sätze deutlich genug die bewußte Mitwirkung des Angeklagten Seyß-Inquart bei der polnischen Phase der Verschwörung zeigen. Ausgestattet mit der Erfahrung, die er in Polen unter dem Angeklagten Frank gewonnen hatte, war der Angeklagte Seyß-Inquart nun bereit, seine letzte und ehrgeizigste Aufgabe, nämlich die Versklavung der Niederlande, zu übernehmen. Die skrupellose Art, in der er diese Aufgabe durchführte, zeigt seine Stellung im Gemeinsamen Plan beziehungsweise der Verschwörung der Nazis.

Ich bitte den Gerichtshof zunächst, einen Erlaß Hitlers vom 18. Mai 1940 amtlich zur Kenntnis zu nehmen, den wir im Reichsgesetzblatt 1940, Teil I, Seite 778, finden. Die Übersetzung befindet sich im Dokumentenbuch unter Dokument 1376-PS. Der erste Paragraph dieses Erlasses sieht folgende Bestimmung vor:

»Der Reichskommissar ist Wahrer der Reichsinteressen und übt im zivilen Bereich die oberste Regierungsgewalt aus. Er untersteht mir unmittelbar und erhält von mir Richtlinien und Weisungen.«

Paragraph 3 bestimmt:

»Zur Durchführung seiner Anordnungen kann sich der Reichskommissar deutscher Polizeiorgane bedienen. Die deutschen Polizeiorgane stehen dem deutschen Wehrmachtbefehlshaber in den Niederlanden zur Verfügung, soweit es die militärischen Bedürfnisse erfordern und die Aufgaben des Reichskommissars es zulassen.«

In Paragraph 5 des Erlasses wird bestimmt, daß der Reichskommissar durch Verordnung Recht setzen könne, und daß diese Verordnungen im »Verordnungsblatt für die besetzten Niederländischen Gebiete« verkündet werden sollten, eine Veröffentlichung, die ich späterhin kurz als »Verordnungsblatt« bezeichnen werde.

Am 29. Mai 1940 erließ der Angeklagte in Ausübung dieser Befugnisse eine Verordnung, die die Ausübung der Regierungsbefugnisse in den Niederlanden behandelt. Diese Verordnung befindet sich als Dokument 3588-PS im Dokumentenbuch. Ich bitte den Gerichtshof, hiervon amtlich Kenntnis zu nehmen.

Das Dokument 3588-PS enthält zwei Erlasse, von denen ich zunächst den ersten bespreche. In Paragraph 1 dieses Erlasses erklärt der Angeklagte bescheiden, daß er, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgabe nötig sei, »alle Befugnisse ausübe, die nach der Verfassungsurkunde und den Gesetzen bisher dem König und der Regierung zustanden«.

Dies ist ein direktes Zitat aus dem Verordnungsblatt.

Paragraph 5 des Erlasses bestimmt, daß die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit der niederländischen Polizei obliegt, soweit sich der Reichskommissar zur Durchführung seiner Anordnungen nicht deutscher SS- und Polizeikräfte bedient.

Er bestimmt weiter, daß die Erforschung und Bekämpfung aller reichs- und deutschfeindlichen Bestrebungen Sache der deutschen Polizei sei.

Am 3. Juni 1940 wurde ein weiterer Erlaß über den organisatorischen Aufbau der Dienststellen des Reichskommissariats verkündet. Dieser Erlaß befindet sich im Verordnungsblatt für 1940, Stück 1 auf Seite 11 und ist die zweite Verordnung unter Dokument 3588-PS. Der Erlaß setzt Generalkommissare vom Amt des Reichskommissars an die Spitze von vier aufgezählten Abteilungen, von denen eine, der »Höhere SS- und Polizeiführer«, der Chef der Abteilung für das Sicherheitswesen sein sollte. In Paragraph 5 war es vorgesehen, daß »Der Höhere SS- und Polizeiführer die in den besetzten niederländischen Gebieten eingesetzten Verbände der Waffen-SS und die deutschen Polizeiverbände und -organe« befehligte und »die Aufsicht über die niederländische Reichs- und Gemeindepolizei« führte und »ihr die notwendigen Weisungen« erteilte.

Artikel 11 sieht vor, daß...

VORSITZENDER: Leutnant Atherton, glauben Sie nicht, daß wir annehmen können, daß der Angeklagte Seyß-Inquart, der zur Verwaltung der besetzten Gebiete der Niederlande eingesetzt wurde, alle diese Machtbefugnisse innehatte, und daß Sie nun dazu übergehen können, darzustellen, was er kraft dieser Machtbefugnisse tat?

LEUTNANT ATHERTON: Jawohl, Herr Vorsitzender, ich werde das tun. Ich wollte dem Gerichtshof nur wegen des besonderen Aufbaus der deutschen Polizei die Bedeutung der Tatsache vor Augen führen, daß der Angeklagte das Recht hatte, der Polizei Befehle zu erteilen, und daß er weiterhin auch von diesem Recht häufig Gebrauch machte. Wenn diese Tatsache, von der ich glaube, daß sie aus den beiden Erlassen hervorgeht, zur Genüge bewiesen ist, dann werde ich zur nächsten Sache übergehen.

VORSITZENDER: Ich glaube, der Gerichtshof hat keinen Zweifel darüber, daß ein Reichsbeamter, der alle Vollmachten zur Verwaltung eines besetzten Gebiets besitzt, sich auch der Polizeikräfte bedienen konnte.

LEUTNANT ATHERTON: Gewiß, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Es handelt sich wirklich um eine Angelegenheit, die wir bis zum Beweis des Gegenteils als erwiesen anzunehmen gewillt sind.

LEUTNANT ATHERTON: Ich bin der gleichen Ansicht, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Wir möchten gern, daß Sie sich nun mit der Aufgabe beschäftigen, dem Gerichtshof vorzutragen, ob der Angeklagte auf Grund seiner Befugnisse Handlungen beging, die Verbrechen darstellen.

LEUTNANT ATHERTON: Jawohl, Herr Vorsitzender. Es ist nicht unsere Absicht, im Augenblick auf die Einzelheiten der in Holland begangenen Verbrechen an Personen und Eigentum einzugehen, für die der Angeklagte Seyß-Inquart verantwortlich ist. Die Beweise über das Barbarentum der Nazis in diesem Land werden von der französischen Anklagevertretung vorgebracht werden. Wir wollen nur einige Beispiele zeigen und einen allgemeinen Begriff geben über den Umfang der Tätigkeit dieses Angeklagten und seine Verantwortlichkeit für seinen Anteil bei der Ausführung des Gemeinsamen Planes beziehungsweise der Verschwörung der Nazis. Hierfür haben wir Beweise zu erbringen.

Zunächst ist viel Beweismaterial dafür vorhanden, daß der Angeklagte für ausgedehnte Plünderungen verantwortlich ist. Zur Illustration des Umstands, daß er in dieser Hinsicht bis in die geringsten Einzelheiten Anteil hatte, biete ich als Beweis Dokument 176-PS, US-707, an.

Dieses Dokument enthält einen Bericht über die Tätigkeit der »Arbeitsgruppe Niederlande«, die zum Einsatzstab Rosenberg gehörte, für den dem Gerichtshof bereits Beweise vorgelegt worden sind. Ich zitiere von der ersten Seite dieses Berichts den ersten Satz:

»Die Arbeitsgruppe Niederlande des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg begann die Arbeiten in Verbindung mit dem zuständigen Referenten des Herrn Reichskommissars in den ersten Tagen des September 1940.«

Der Bericht zählt dann im einzelnen die Freimaurerlogen und ähnlichen Organisationen gehörigen und in erheblichem Umfang beschlagnahmten Vermögenswerte auf. Ich verlese nun, ich glaube, es ist von Seite 3 des Berichts, ziemlich unten auf der Seite, das Folgende:

»Eine sehr wertvolle Bibliothek, die vor allem unschätzbare Werke über den Sanskrit enthält, wurde bei der Auflösung der Theosophischen Vereinigung in Amsterdam übernommen, und in 96 Kisten verpackt.

Ferner wurden kleinere Bibliotheken der Spiritisten, der Esperanto-Bewegung, der Bellamy-Bewegung, der Internationalen Bibelforscher und anderer kleiner internationaler Organisationen in 7 Kisten, das Schrifttum einiger kleiner jüdischer Organisationen in 4 Kisten und eine Bücherei der Anthroposophischen Vereinigung in Amsterdam in 3 Kisten verpackt.

Es kann ohne weiteres gesagt werden, daß die bisher von der Arbeitsgruppe sichergestellten, verpackten und zum großen Teil bereits nach Deutschland abtransportierten Büchereibestände einen außerordentlichen wissenschaftlichen Wert verkörpern und einen sehr wichtigen Teil der Bibliothek der Hohen Schule darstellen werden. Der Materialwert dieser Büchereien ist... nur ungefähr zu schätzen. Er beläuft sich aber sicher auf 30-40 Millionen Reichsmark.«

Ich zitiere nun ganz vom Ende dieses Berichts:

»Bei der Durchführung der vorliegenden Arbeitsvorhaben ist die Arbeitsgruppe strikt an das Tempo gebunden, das von Seiten des Reichskommissars bei der Behandlung der Judenfrage und der internationalen Organisationen vorgeschrieben wird.«

Eine der Aufgaben des Angeklagten Seyß-Inquart als Reichskommissar bestand in der Überwachung der Ausführung des Programms der Verschwörer zur Verschleppung holländischer Staatsangehöriger nach Deutschland zur Sklavenarbeit. Der Gerichtshof wird sich daran erinnern, daß Herr Dodd in der Verhandlungsniederschrift, Band III, Seite 533, Stellen aus dem Protokoll über ein Verhör mit dem Angeklagten Sauckel vom 5. Oktober 1945 zu Beweiszwecken verlesen hat, aus dem hervorgeht, daß man zu einem Einverständnis über die von Holland beizutragende Quote an Zwangsarbeitern gekommen sei, und daß man sodann diese Zahlen dem Reichskommissar Seyß-Inquart weiter gegeben habe, der für die Erfüllung der Quoten zu sorgen hatte. Nachdem Seyß-Inquart die Quote bekanntgegeben war, war es seine Pflicht, sie mit Hilfe des Beauftragten Sauckel zu erfüllen. Der Gerichtshof wird sich ferner daran erinnern, daß Herr Dodd, nachdem er die Mitwirkung Seyß-Inquarts an der auf diese Weise durchgeführten Aufbringung der Zwangsarbeiter und seine Verantwortung hiefür dargetan hatte, Stellen aus dem Dokument 1726-PS, US-195, zwecks Aufnahme in die Verhandlungsniederschrift Band III, Seite 485, verlesen hat. Die Urkunde ist ein Beweis für die Anzahl der zu verschiedenen Zeiten ins Reich deportierten holländischen Staatsangehörigen. Da all dies bereits ins Protokoll aufgenommen ist, werde ich darauf nicht noch einmal zurückkommen.

In Holland war Seyß-Inquart, ebenso wie in Österreich und auch sonst überall, unbarmherzig in der Behandlung der holländischen Staatsangehörigen jüdischen Glaubens. Zur Beleuchtung seines Vorgehens biete ich Dokument 3430-PS, US-708, an, das Auszüge aus einem Buch des Angeklagten »Vier Jahre in den Niederlanden, Gesammelte Reden« enthält. In einer in Amsterdam am 13. März 1941 gehaltenen Rede erklärte Seyß-Inquart, ich zitiere nun von Seite 57 des Originalbuchs; in der Übersetzung ist es der letzte Auszug; Seyß-Inquart sagte:

»Die Juden sind für uns nicht Niederländer. Sie sind jene Feinde, mit denen wir weder zu einem Waffenstillstand noch zu einem Frieden kommen können. Dies gilt hier, wenn Sie wollen, für die Zeit der Besetzung. Erwarten Sie von mir keine Verordnung, die dies festsetzt, außer Regelungen polizeilicher Natur. Wir werden die Juden schlagen, wo wir sie treffen, und wer mit ihnen geht, hat die Folgen zu tragen. Der Führer hat erklärt, daß die Juden in Europa ihre Rolle ausgespielt haben, und daher haben sie ihre Rolle ausgespielt.«

Wie er in dieser Rede versprochen hatte, ging der Angeklagte Seyß-Inquart daran, eine Anzahl von Gesetzen zu erlassen, die zuerst drohten, die Juden in den Niederlanden ihres Vermögens und ihrer Rechte zu berauben, sie alsdann immer mehr degradierten, und die schließlich zu ihrer Deportation nach Polen führten. Alle diese von Seyß-Inquart unterschriebenen Gesetze sind in unserem Schriftsatz auf Seite 65 zusammengefaßt, und ich bitte den Gerichtshof, sie amtlich zur Kenntnis zu nehmen. Zur Erklärung füge ich folgendes hinzu: Die erste Urkunde, die ich besprechen will, ist Dokument 3333-PS im Urkundenbuch. Es handelt sich um eine Verordnung vom 26. Oktober 1940, die die Registrierung von Geschäften verlangt, die solchen Personen gehören, die nach der Begriffsbestimmung dieser Verordnung Juden sind, sowie von Teilhaberschaften und Vereinigungen, an denen Juden wesentliche Anteile haben. Diese Art von Gesetzen war, wie der Gerichtshof bereits gesehen hat, das unvermeidliche Vorspiel zu Massenbeschlagnahmen des jüdischen Vermögens unter der Nazi-Verwaltung. In einer Verordnung vom 11. Februar 1941, die sich im Verordnungsblatt, Stück 6, auf Seite 99 befindet, Dokument 3325-PS, wurde die Immatrikulation jüdischer Studenten an holländischen Universitäten und Hochschulen eingeschränkt. Das mag vielleicht nicht wichtig scheinen, es ist jedoch ein Teil des Programms, diesen Menschen ihre Rechte zu entziehen und sie zu degradieren. Dokument 3325-PS enthält eine Verordnung vom 22. Oktober 1941, die im Verordnungsblatt, Stück 44, auf Seite 841 veröffentlicht ist. Sie untersagte den Juden die Ausübung irgendeiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit ohne Genehmigung der Verwaltungsbehörden und ermächtigte diese Behörden, die Beendigung von Arbeitsverträgen auszusprechen, die Juden betrafen.

Um ein letztes Beispiel zu geben, gehe ich nun auf Dokument 3336-PS über. Es ist dies eine Verordnung vom 21. Mai 1942, die im Verordnungsblatt, Stück 13, auf Seite 289 veröffentlicht wurde. Diese Verordnung verpflichtete alle Juden, schriftliche Anmeldungen über ihnen zustehende Forderungen jeder Art einzureichen, und zwar bei einer Bank, die unter dem Namen Lippmann-Rosenthal und Co. bekannt, in Wirklichkeit aber ein Organ des Reiches in Amsterdam war. Diese Verordnung gab der genannten Bank das Recht, über diese Forderungen zu verfügen, und bestimmte, daß Zahlungen an die Bank den Schuldner von seiner Verbindlichkeit befreiten. Diese Art von Nazi-Verordnung war nur ein Vorspiel zur schließlichen Deportation nach dem Osten und gab den Nazis die Möglichkeit, die Versicherungen einzukassieren.

Beweise über den Erfolg, den die Bemühungen des Angeklagten, alle Juden in den Niederlanden zu vernichten, hatten, sind bereits in das Protokoll verlesen worden. Der Gerichtshof wird feststellen, daß Major Walsh, indem er wieder auf den Bericht der Niederländischen Regierung, US-195, Bezug nahm, im Protokoll, Band III, Seite 630, gezeigt hat, daß von 140000 holländischen Juden 117000 deportiert wurden und zwar über 115000 hiervon, also mehr als achtzig Prozent, nach Polen. Durch die Beweisführung ist dargetan worden, welches wahrscheinlich das Schicksal der meisten dieser Menschen war. Ich werde mich deshalb nicht weiter damit aufhalten.

Zum Schluß möchte ich noch ein paar Worte über die Verantwortlichkeit des Angeklagten für den systematischen Terror sagen, der von den Nazis gegen die Bevölkerung in den besetzten Gebieten während der Dauer der Besetzung ausgeübt wurde. Ich verweise hierzu wieder auf die gesammelten Reden, 3430-PS. In einer Rede vom 29. Januar 1943 ließ der Angeklagte kaum einen Zweifel über seine Einstellung. Ich zitiere das Folgende:

»Es ist ebenso klar, daß wir mehr denn je jeden Widerstand, der sich gegen diesen Existenzkampf richtet, unterdrücken müssen. Vor einiger Zeit haben die Vertreter der Kirchen an den Herrn Wehrmachtbefehlshaber und an mich ein Schreiben gerichtet, in dem sie ihre Vorstellungen gegen die Vollstreckung jener Todesurteile vorbringen, von denen inzwischen eine Verlautbarung des Herrn Wehrmachtbefehlshabers Kunde gegeben hat. Hiezu kann ich nur folgendes sagen: In einem Augenblick, in dem unsere Männer und Söhne mit eiserner Entschlossenheit ihrem Schicksal im Osten entgegensehen und unerschütterlich und unerschüttert den höchsten Einsatz leisten, ist es unerträglich, Konspirationen zu dulden, die es sich zum Ziele setzen, den Rücken dieser Ostfront unsicher zu machen. Wer dies wagt, muß vernichtet werden. Hart sein und noch härter werden gegen uns selbst und gegen unsere Gegner, das ist das Gebot eines unerbittlichen Ablaufes notwendiger Ereignisse und für uns eine vielleicht menschlich schwere, aber doch heilige Pflicht. Wir bleiben menschlich, indem wir unsere Gegner nicht quälen, wir müssen hart bleiben, indem wir sie vernichten.«

Ich biete keine Beweise dafür an, daß der Angeklagte diese Verbrechen begangen hat, da dies Sache der Anklagevertretung der Französischen Republik sein wird. Ich behaupte jedoch, daß die Stellung des Angeklagten Seyß-Inquart als Reichskommissar, die Kontrolle, die er, wie die Beweise gezeigt haben, besonders über die SS und die Polizei ausgeübt hat, sowie die Einstellung dieses Mannes selbst ein klares Bild dafür geben, daß er Urheber und Teilnehmer an den zu beweisenden Verbrechen war, und daß sie weiterhin ein Zeichen für seine Teilnahme an dem Gemeinsamen Plan sind.

Seyß-Inquart unterstützte die Nazi-Partei schon seit dem Jahre 1931. Er hat die Regierung, der er Treue schuldete, und in der er ein hohes Amt bekleidete, verraten. In voller Kenntnis der letzten Ziele der Verschwörer machte er alle Anstrengungen, Österreich dem Reiche einzuverleiben, seine Schätze und seine Arbeitskraft, ebenso wie auch seine strategische Lage der Nazi-Kriegsmaschine zur Verfügung zu stellen. Er führte diese Aufgaben mit so rücksichtsloser Durchschlagskraft aus, daß er späterhin auf wichtige Schlüsselstellungen bei der Versklavung der Polen und Niederländer berufen wurde; Stellungen, die er so sehr zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten versah, daß er schließlich einer der bedeutendsten und meistgehaßten Führer in diesem Gemeinsamen Plan wurde. Als solcher ist er gemäß der Bestimmungen des Artikels VI des Statuts verantwortlich für alle Handlungen, die in Ausführung dieses Planes begangen wurden. Als solcher ist er der Verbrechen schuldig, die in Punkt 1 und 2 der Anklageschrift geltend gemacht worden sind.

Ich möchte nunmehr dem Gerichtshof Dr. Robert M. W. Kempner vorstellen, der die Anklage gegen den Angeklagten Frick vortragen wird.

DR. ROBERT M. W. KEMPNER, HILFSANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Hoher Gerichtshof! Dem Gerichtshof und allen Verteidigern sind der Anklageschriftsatz und die Urkunden, die den Fall des Angeklagten Frick behandeln, übergeben worden. Der von meinem Kollegen, Karl Lachmann, angefertigte Anklageschriftsatz enthält eingehendes Beweismaterial gegen den Angeklagten Wilhelm Frick und zwar in Form von Urkunden und Erlassen. Englische Übersetzungen des Beweismaterials, auf das in dem Anklageschriftsatz Bezug genommen wird, sind in dem von meinem Kollegen, Leutnant Felton, zusammengestellten Urkundenbuch enthalten, das als »LL« bezeichnet worden ist.

Der große Beitrag des Angeklagten Frick zu der Nazi-Verschwörung lag auf dem Gebiete der Regierungsverwaltung. Er war der Kopf der Verwaltung, der den für den Nazismus geeigneten Staatsapparat ersann und die Staatsmaschine auf den Angriffskrieg hin einrichtete.

Im Verlaufe seiner aktiven Teilnahme an der Naziverschwörung von 1923 bis 1945 hatte der Angeklagte Frick eine Reihe bedeutender Stellungen inne. Das Dokument 2978-PS, das bereits früher als Beweisstück US-8 vorgelegt worden ist, verzeichnet diese Stellungen im einzelnen. Das Original wurde vom Angeklagten Frick am 14. November 1945 unterzeichnet. Ich zähle diese Ämter nicht nochmals auf, da sie dem Gerichtshof bekannt sind. Fricks frühere aktive Tätigkeit für die Nazi-Verschwörer bestand in seiner Teilnahme an der Förderung ihres Aufstiegs zur Macht. Frick, der seinerzeit Polizeibeamter in der Bayerischen Verwaltung war, verriet seine eigene Bayerische Regierung, als er am Münchener Bürgerbräuputsch am 8. November 1923 teilnahm. Frick wurde angeklagt und gemeinsam mit Hitler wegen Beteiligung am Hochverrat verurteilt. Seine Teilnahme an diesem Putsch wird in einem Prozeßbericht beschrieben, der in München im Jahre 1924 unter dem Titel »Der Hitler-Prozeß vor dem Volksgericht in München« veröffentlicht wurde.

Ich bitte den Gerichtshof, diesen Prozeßbericht amtlich zur Kenntnis zu nehmen. Hitlers Anerkennung für Fricks Unterstützung geht aus der Tatsache hervor, daß er Frick durch die Erwähnung seines Namens in dem Buch »Mein Kampf« ehrte. Nur noch zwei andere Angeklagte in diesem Prozeß sind der gleichen Ehre teilhaftig geworden, nämlich Heß und Streicher. Ich bitte den Gerichtshof, die rühmliche Erwähnung des Angeklagten Frick in dem Buch »Mein Kampf«, Seite 403 der deutschen Ausgabe von 1933, amtlich zur Kenntnis zu nehmen.

In der Zeit nach dem Putsch nahm Frick an der Nazi-Verschwörung weiterhin Anteil. Ich möchte nur kurz auf Urkunde 2513-PS verweisen, einen Auszug von den Seiten 36 bis 38 eines Berichts über »Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei als staats- und republikfeindliche hochverräterische Verbindung«. Dieser Bericht ist bereits als Urkunde 2513-PS, US-235, vorgelegt worden. Es ist ein amtlicher Bericht über die verbrecherische Betätigung von Hitler, Frick und anderen Nazis, der von dem Preußischen Innenministerium im Jahre 1930 verfaßt wurde. Der Bericht stellt fest, daß Frick damals als der einflußreichste Vertreter der Nazi-Partei nach Hitler angesehen werden konnte. In der Urkunde wird weiterhin berichtet, daß Frick auf dem Nürnberger Parteitag von 1927 erklärt habe, daß der Reichstag von der Nazi-Partei zunächst unterhöhlt und dann abgeschafft werden würde, und daß seine Abschaffung die Bahn für eine völkische Diktatur freimachen werde. Die Urkunde berichtet ferner, daß Frick in einer Rede in Pyritz im Jahre 1929 erklärte, daß dieser Schicksalskampf zunächst mit dem Stimmzettel geführt werde, dies aber nicht von Dauer sei, denn die Geschichte habe gelehrt, daß im Kampf Blut fließen und Eisen gebrochen werden müsse.

Schon seit 1927 war Frick bemüht, den Nazis zur Macht zu verhelfen. Die bedeutende Rolle, die er hierbei spielte, fand ihren Ausdruck, als er am 23. Januar 1930 zum Innen- und Unterrichtsminister im Lande Thüringen ernannt wurde.

VORSITZENDER: Sind Sie von diesem Dokument auf ein anderes übergegangen? Ich dachte Sie wollen aus Dokument 2513 verlesen?

DR. KEMPNER: Nein, dies ist bereits eine Einleitung zum nächsten Dokument.

VORSITZENDER: Gut, Dr. Kempner.

DR. KEMPNER: Ich wollte eben auf die Tatsache verweisen, daß zu der Zeit, als Frick Innenminister im Lande Thüringen war, Adolf Hitler unerwünschter Ausländer und nicht deutscher Staatsbürger war. In seiner Eigenschaft als Minister von Thüringen begann der Angeklagte Frick seine Machenschaften, um dem unerwünschten Ausländer Adolf Hitler die deutsche Staatsangehörigkeit zu verschaffen, ein wesentlicher Schritt zur Verwirklichung der Nazi-Verschwörung.

Dieses Fehlen der deutschen Staatsangehörigkeit war der Sache der Nazi-Partei höchst nachteilig, da Hitler als Ausländer nicht für das Amt des deutschen Reichspräsidenten kandidieren konnte.

Dieses Problem löste der Angeklagte Frick durch ein Verwaltungsmanöver. Wir führen nunmehr die Urkunde 3564-PS als Beweisstück US-709 ein. Diese Urkunde ist eine eidesstattliche Erklärung von Otto Meißner vom 27. Dezember 1945. Meißner war früher Staatssekretär und Chef der Präsidial-Kanzlei Hitler. Die letzten beiden Sätze dieser eidesstattlichen Erklärung lauten wie folgt:

»Frick hat auch durchgesetzt, zusammen mit dem Braunschweiger Minister Klagges, daß Hitler 1932 deutscher Staatsbürger dadurch wurde, daß er zum Regierungsrat von Braunschweig ernannt wurde. Dies geschah, um Hitler die Kandidatur zum Reichspräsidentenamt zu ermöglichen.«

Als Hitler am 30. Januar 1933 zur Macht kam, wurde Frick durch den bedeutenden Posten eines Reichsministers des Innern in dem neuen System gebührend belohnt. In dieser Eigenschaft wurde er verantwortlich für die Einführung der totalitären Kontrolle über Deutschland, die eine unbedingte Voraussetzung für die Vorbereitung des Angriffskriegs war. Frick übernahm die Verantwortung für die Verwirklichung eines großen Teils des Programms der Nazi- Verschwörer, und zwar sowohl durch die Verwaltung als auch durch die Gesetzgebung.

Ich muß ganz kurz die Bedeutung des Innenministeriums im nationalsozialistischen Staate erklären, um zu zeigen, welchen Beitrag zur Verschwörung der Angeklagte Frick geleistet hat. Zum Beweis für Fricks ausgedehnte Befugnisse als Innenminister lege ich Dokument 3475-PS als US-710 vor. Es handelt sich hierbei um einen Auszug aus dem amtlichen deutschen Taschenbuch für Verwaltungsbeamte vom Jahre 1943. Ich bitte den Gerichtshof, die Befugnisse Fricks, wie sie in dieser Urkunde dargelegt sind, amtlich zur Kenntnis zu nehmen. Die Namen der Männer, die nach dieser Urkunde unter Fricks Aufsicht arbeiteten, wobei ich die Tatsache, daß sie unter Fricks Aufsicht arbeiteten, besonders hervorheben möchte, sind symbolisch. Sie sind auf Seite 1 der englischen Übersetzung angeführt. Wir finden hier unter den Untergebenen von Frick: »Reichsgesundheitsführer Dr. Conti, Reichsführer-SS und Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler, Reichsarbeitsführer Hierl«. Diese Urkunde zeigt Frick als obersten Chef dreier wichtiger Säulen des Nazi-Staates: des Nazi-Gesundheitswesens, des Nazi-Polizeiwesens und des Nazi-Arbeitsdienstes.

Wie vielseitig Fricks Wirken als Reichsminister des Innern war, kann aus folgendem Verzeichnis seiner Funktionen entnommen werden, die auf den nachfolgenden Seiten des Taschenbuchs aufgezählt sind. Er hatte die letzte Entscheidung über Verfassungsfragen, entwarf Gesetze, hatte die Befehlsgewalt über die Reichsverwaltung und die zivile Reichsverteidigung und war höchste Instanz in allen Fragen der Rasse und der Staatsangehörigkeit. Das Taschenbuch führt auch die Abteilungen an, die für Verwaltungsfragen in den besetzten und angegliederten Gebieten zuständig waren, für die Neuordnung im Südosten, für das Protektorat Böhmen und Mähren und für die Neuordnung im Osten. Der Reichsinnenminister hätte auch Entscheidungsgewalt auf dem Gebiete des Beamtentums, einschließlich der Ernennung, Gehälter, Beförderung und Entlassung von Beamten.

Der Angeklagte Frick benutzte seine weitreichenden Befugnisse als Reichsminister des Innern zur Förderung der Sache der Nazi-Verschwörer. Um dieses Ziel zu erreichen, entwarf und unterzeichnete er die Gesetze und Verordnungen, welche die Unabhängigkeit der Regierungen der Länder und Gemeinden abschafften und alle politischen Parteien in Deutschland mit Ausnahme der Nazi-Partei verboten.

In den Jahren 1933 und 1934, den beiden ersten Jahren der Nazi-Herrschaft, unterzeichnete Frick ungefähr 235 Gesetze und Verordnungen, die alle im Reichsgesetzblatt veröffentlicht sind. Ich möchte kurz auf einige der wichtigsten Gesetze und Verordnungen hinweisen, wie zum Beispiel auf das Gesetz vom 14. Juli 1933, auf Grund dessen alle politischen Parteien mit Ausnahme der Nazi-Partei verboten wurden, Reichsgesetzblatt 1933, Teil I, Seite 479, 1388(a)- PS; weiter das Gesetz vom 1. Dezember 1933 zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat, Reichsgesetzblatt 1933, Teil I, Seite 1016, 1395-PS; das Gesetz vom 30. Januar 1934, das die Staatshoheit der Länder auf das Reich übertrug, Reichsgesetzblatt 1934, Teil I, Seite 75, 3068-PS; die deutsche Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935, die Fricks Innenministerium zur letzten Instanz für die Ernennung und Entlassung aller Bürgermeister der Gemeinden im ganzen Deutschen Reich machte, Reichsgesetzblatt 1935, Teil I, Seite 49, 2008-PS, und schließlich das Nazi-Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, das bestimmte, daß alle Staatsbeamten zuverlässig im Sinne der Prinzipien der Nazis sein und auch die nationalsozialistischen Rassenvoraussetzungen erfüllen müßten, Reichsgesetzblatt 1933, Teil I, Seite 175, 1397-PS.

Ein Gebiet aus Fricks vielseitiger Tätigkeit verdient jedoch besonders erwähnt zu werden. Es ist dies die Unterdrückung der Opposition durch Polizeiterror, dem der Mantel des Gesetzes umgehängt wurde. Dies geht aus dem Buch: »Dr. Wilhelm Frick und sein Ministerium« hervor, unser Dokument 3119-PS, US-711. Es ist von Fricks Staatssekretär und Mitverschwörer, Hans Pfundtner, geschrieben, anscheinend um Fricks ewig bleibenden Beitrag an der Schaffung des tausendjährigen Reiches der Nazis festzuhalten. Es stellt fest, wobei ich kurz von Seite 4, Absatz 4 der englischen Übersetzung zitiere:

»Während der Marxismus in Preußen von der harten Faust des Preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring niedergeschlagen wurde und eine riesige Propagandawelle die Reichstagswahl zum 5. März 1933 einleitete, bereitete Dr. Frick die restlose Machtübernahme in allen Ländern des Reiches vor. Mit einem Schlag waren alle politischen Gegensätze verschwunden, mit einem Schlag war die Mainlinie beseitigt! Im Deutschen Reich herrschte von diesem Zeitpunkt ab nur noch ein Wille und eine Führung.«

Wie geschah dies? Am 28. Februar 1933, dem Tag nach dem Reichstagsbrand, wurden die bürgerlichen Freiheitsrechte in Deutschland abgeschafft. Die diesbezügliche Verordnung erschien im Reichsgesetzblatt 1933, Teil I, Seite 83; die englische Übersetzung befindet sich im Dokumentenbuch als 1390-PS. Ich erwähne diese Verordnung in diesem Augenblick, weil sie die Unterschrift des Reichsministers des Innern, Frick, trägt. Und nun etwas Wichtiges: Die Verordnung, die am Morgen nach dem Reichstagsbrand veröffentlicht wurde, stellt eingangs fest, daß die Aufhebung der bürgerlichen Freiheitsrechte als eine Maßnahme zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte angeordnet wurde. Zur Zeit der Veröffentlichung dieser Verordnung erließ die Nazi-Regierung eine Bekanntmachung des Inhalts, daß durch eine gründliche Untersuchung erwiesen sei, daß die Kommunisten das Reichstagsgebäude in Brand gesetzt hätten. Ich beabsichtige nicht, auf die strittige Frage einzugehen, wer den Reichstag in Brand gesetzt habe, aber ich möchte Beweise dafür anbieten, daß die amtliche Nazi-Erklärung, die Kommunisten seien für den Brand verantwortlich, ohne irgendeine Untersuchung ausgegeben wurde, und daß die Einführung zum Gesetz, das Fricks Unterschrift trägt, eine leere Ausrede ist.

Ich biete als Beweis einen ganz kurzen Auszug aus einem Verhör des Angeklagten Göring vom 13. Oktober 1945 an, Dokument 3593-PS, US-712, und möchte folgende kurze Stelle verlesen, die auf Seite 4 beginnt:

»Meine Frage an Göring: Wie konnten Sie Ihrem Pressevertreter eine Stunde nach dem Beginn des Reichstagsbrandes ohne Untersuchung mitteilen, daß die Kommunisten es getan haben?

Görings Antwort: Hat der Pressevertreter gesagt, daß ich dies getan habe?

Meine Antwort: Ja, er sagte, Sie hätten es gesagt.

Görings Antwort: Es ist möglich; als ich zum Reichstag kam, waren der Führer und seine Herren dort. Ich war nicht ganz sicher damals, aber er war der Meinung, daß die Kommunisten das Feuer gelegt hatten.

Meine Frage: Aber Sie waren im gewissen Sinne der höchste Vollzugsbeamte. Daluege war Ihnen unterstellt. Wenn man jetzt zurückblickt, ohne die Aufregung von damals, war es nicht verfrüht ohne jede Untersuchung zu sagen, daß die Kommunisten das Feuer gelegt haben?

Görings Antwort: Ja, das ist möglich, aber der Führer wollte es so.

Meine Frage: Warum wollte der Führer sogleich eine Erklärung herausbringen, daß die Kommunisten das Feuer gelegt hätten?

Görings Antwort: Er war davon überzeugt.

Meine Frage: Ist es richtig, wenn ich sage, daß er davon überzeugt war, ohne daß er irgendwelche Beweise oder Unterlagen zu diesem Zeitpunkt hatte?

Görings Antwort: Ja, das ist richtig, aber Sie müssen berücksichtigen, daß zur damaligen Zeit die Tätigkeit der Kommunisten außergewöhnlich stark war, und daß unsere Regierung als solche noch nicht sehr gesichert war.«

VORSITZENDER: Dr. Kempner, was hat dies mit Frick zu tun?

DR. KEMPNER: Er unterzeichnete, wie ich bereits vorher erwähnte, die Verordnung, die die bürgerlichen Freiheitsrechte abschaffte, am Morgen nach dem Reichstagsbrand mit der Begründung, daß eine Gefahr von seiten der Kommunisten drohe. Andererseits war diese kommunistische Gefahr nur eine leere Ausrede und war einer der Umstände, die schließlich zum zweiten Weltkrieg geführt haben.

Der Angeklagte Frick schaffte nicht nur die bürgerlichen Freiheitsrechte innerhalb Deutschlands ab, sondern wurde auch der Organisator des gewaltigen Polizeinetzes im Nazi-Reich.

Nebenbei mochte ich bemerken, daß es vor dieser Zeit kein einheitliches Reichspolizeisystem gab; die verschiedenen deutschen Staaten hatten ihre eigenen Polizeikräfte.

Ich bitte den Gerichtshof, den von Frick unterzeichneten Erlaß vom 17. Juni 1936 amtlich zur Kenntnis zu nehmen, der im Reichsgesetzblatt 1936, Teil I, Seite 487, erschienen ist. Die englische Übersetzung dieses Erlasses befindet sich im Dokumentenbuch unter Dokument 2073-PS. Abschnitt 1 dieses Erlasses lautet wie folgt:

»Zur einheitlichen Zusammenfassung der polizeilichen Aufgaben im Reich wird ein Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern eingesetzt, dem zugleich die Leitung und Bearbeitung aller Polizeiangelegenheiten... übertragen wird.«

Aus Abschnitt 2 ersehen wir, daß es der Angeklagte Frick und Hitler waren, die das Gesetz unterzeichneten, durch das Himmler zum Chef der Deutschen Polizei ernannt wurde.

Absatz 2 des Abschnitts 2 des Gesetzes bestimmt, daß »Himmler« – ich zitiere wörtlich – »dem Reichs- und Preußischen Minister des Innern persönlich und unmittelbar unterstellt« ist. Und dieser Minister war Frick.

Das amtliche Schema des deutschen Polizeisystems, Dokument 1852-PS, das bereits als Beweisstück US-449 vorgelegt worden ist, zeigt deutlich die Stellung des Reichsinnenministers Frick als des obersten Befehlshabers des gesamten deutschen Polizeiwesens, einschließlich des berüchtigten RSHA, dessen Leiter der Angeklagte Kaltenbrunner im Januar 1943 unter Frick wurde.

Der Angeklagte Frick gebrauchte seine Befugnisse über das neu zentralisierte Polizeisystem zur Förderung der Nazi-Verschwörung. Ich bitte den Gerichtshof, Fricks Erlaß vom 20. September 1936, erschienen im Ministerialblatt des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Innern 1936, Seite 1343, Dokument 2245-PS, amtlich zur Kenntnis zu nehmen.

Mit diesem Erlaß behielt sich Frick das Recht vor, Inspekteure der Sicherheitspolizei zu ernennen, unterstellte dieselben seinen Bezirksstatthaltern, den Oberpräsidenten, und wies die Inspekteure an, mit der Partei und der Wehrmacht eng zusammenzuarbeiten.

Ein weiteres Beispiel seiner Betätigung im Bereich des Polizeisystems gibt seine Verordnung vom 18. März 1938, die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich betreffend, in der Frick den Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei, Himmler, ermächtigte, Sicherheitsmaßnahmen in Österreich außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen zu treffen. Diese Verordnung ist im Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, Seite 262, erschienen und befindet sich im Dokumentenbuch unter Dokument 1437-PS.

Ich will hier nicht die Beweise betreffend die verbrecherische Betätigung der Deutschen Polizei wiederholen, über die der Angeklagte Frick oberste Befehlsgewalt hatte. Ich möchte den Gerichtshof nur auf die bisherigen Vorlagen über die Konzentrationslager und die Gestapo, zwei polizeiliche Einrichtungen, verweisen, die unter Fricks Befehl standen. Ich möchte nachweisen, daß nicht nur der Himmler untergeordnete Beamtenapparat, sondern auch Fricks Ministerium diese Institutionen genau kannte. Ich lege deshalb zum Beweis hierfür Dokument 1643-PS als Beweisstück US-713 vor.

Diese Urkunde gibt eine Übersicht über den Briefwechsel zwischen dem Reichsinnenministerium und seinen Felddienststellen in der Zeit vom November 1942 bis August 1943 wegen der Rechtslage bei Beschlagnahme von Eigentum durch die SS für die Vergrößerung des Konzentrationslagers in Auschwitz. Am Schluß der ersten und am Anfang der zweiten Seite der englischen Übersetzung erscheint eine Zusammenfassung des Protokolls einer am 17. und 18. Dezember 1942 stattgehabten Besprechung, die diese Beschlagnahme zum Gegenstand hatte. Dieses Protokoll zeigt, daß eine weitere Besprechung über diesen Gegenstand zwischen den Vertretern des Reichsinnenministeriums und des Reichsführers-SS für den 21. Dezember 1942 in Aussicht genommen war. Auf Seite 2 erscheint auch der inhaltliche Auszug aus einem Schnellbrief vom 22. Januar 1943, der von Dr. Hoffmann, dem Vertreter des Reichsinnenministers, stammt und an den Oberpräsidenten in Kattowitz gerichtet ist.

Der Auszug beginnt wie folgt, und ich zitiere:

Das Gebiet des Konzentrationslagers Auschwitz soll in einen eigenen Gutsbezirk umgewandelt werden, was einen selbständigen Verwaltungsbezirk bedeutet.‹

Die Tatsache, daß der Angeklagte Frick persönliches Interesse an einem Konzentrationslager nahm, geht aus der Zeugenaussage des Dr. Blaha hervor, auf die ich den Gerichtshof verweisen möchte. In dieser hat der Zeuge angegeben, daß Frick das Lager Dachau im Jahre 1943 besucht hat.

Ein weiterer Punkt der Mitwirkung des Angeklagten Frick an der Nazi-Verschwörung besteht in seiner Förderung der Rassenverfolgung und Rassenpolitik, einschließlich der Ausrottung der Juden.

Neben vielen anderen Aufgaben erstreckte sich Fricks weitausgedehntes Verwaltungsregime auf die Inkraftsetzung und Handhabung der Rassengesetzgebung.

Ich verweise wieder auf Dokument 3475-PS, das ›Taschenbuch für deutsche Verwaltungsbeamte‹, das bereits vorgelegt wurde. Auf den Seiten 2 und 4 ist ersichtlich, daß Frick in Gesetzgebung und Verwaltung der Hüter und Schützer der deutschen Rasse war.

Um Wiederholungen zu vermeiden, will ich die verschiedenen judenfeindlichen Gesetze, die von Fricks Ministerium entworfen wurden, nicht verlesen. Bei seiner Darstellung der Judenverfolgungen hat Major Walsh vor den Weihnachtsferien eine Reihe von Gesetzen angeführt, die von Frick unterzeichnet waren, einschließlich der berüchtigten Nürnberger Gesetze und der Gesetze, die die Juden ihres Vermögens und ihrer Staatsbürgerrechte beraubten und sie mit dem gelben Judenstern brandmarkten.

Aber die Betätigung des Ministeriums von Frick beschränkte sich nicht auf die Begehung dieser als Gesetze getarnten Verbrechen. Die örtlichen Polizeidienststellen, die Frick unterstellt waren, wirkten bei der Vorbereitung solcher Terrorakte mit, wie zum Beispiel dem Pogrom vom 9. November 1938.

Ich beziehe mich auf eine- Reihe von Heydrichs Verordnungen und Berichten über die Organisation dieser Pogrome oder, wie sie von Heydrich genannt wurden, »spontanen Erhebungen« und verweise auf die Dokumente 3051-PS und 3058-PS, die bereits als Beweisstücke US-240 und US-508 vorliegen.

Drei Tage nach diesem Pogrom vom 9. November 1938 nahmen Frick, sein Staatssekretär Stuckart und seine Untergebenen Heydrich und Daluege an einer Besprechung über die Judenfrage unter dem Vorsitz des Angeklagten Göring teil. Auf dieser Sitzung wurden die verschiedenen Maßnahmen erörtert, die die einzelnen Regierungsstellen gegen die Juden einleiten sollten. Ein stenographischer Bericht über diese Sitzung, Dokument 1816-PS, liegt als Beweisstück US- 261 bereits bei den Akten. Ich möchte nur kurz auf die letzten Zeilen der Seite 23 der englischen Übersetzung verweisen, wo Göring abschließend bemerkt:

»Ebenfalls muß das Innenministerium mit seiner Polizei überlegen, welche Maßnahmen nun ins Auge zu fassen sind.«

Diese Bemerkung zeigt, daß Göring es als Fricks Aufgabe betrachtete, dem von Fricks eigenen Untergebenen organisierten Pogrom geeignete Verwaltungsmaßnahmen folgen zu lassen.

In der bisherigen Darstellung haben wir gezeigt, daß der Angeklagte Frick als Mitglied der Verschwörung die Staatsmaschine auf den Nationalsozialismus ausgerichtet hat. Wir wollen jetzt daran gehen, nachzuweisen, daß Frick die Vorbereitung des Nazi-Staates für den Krieg tatkräftig unterstützt hat.

Wir wollen damit beginnen, nachzuweisen, daß Frick die offenkundigen Verletzungen der Nichtangriffspakte von seiten Deutschlands billigte. Dies geht klar hervor aus der eidesstattlichen Erklärung des Botschafters Messersmith, Dokument 2385-PS, das als Beweisstück US-68 bereits vorgelegt wurde. Ich will nur einen Satz aus dieser eidesstattlichen Erklärung verlesen, und zwar auf Seite 4, Zeile 10. Hier heißt es:

»Hochgestellte Nazis, mit denen ich amtlichen Verkehr zu unterhalten hatte, besonders Männer wie Göring, Goebbels, Ley, Frick, Frank, Darré und andere, verlachten wiederholt meine Auffassung, daß Verträge einen bindenden Charakter hätten und erklärten mir wiederholt ganz offen, daß Deutschland seine internationalen Verpflichtungen nur solange beobachten würde, als es Deutschlands Interessen entspreche.«

Im Mai 1935 wurde Frick durch seine Ernennung zum Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung einer der »Großen Drei«, die die Vorbereitung Deutschlands für den Krieg leiteten. Die beiden anderen Mitglieder des Triumvirats waren der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht und der Generalbevollmächtigte für die Wirtschaft, damals der Angeklagte Schacht. Frack hat zugegeben, daß er diese Stellung eines Generalbevollmächtigten seit dem 21. Mai 1935 innehatte, dem Datum des ursprünglichen geheimen Reichsverteidigungsgesetzes. Ich verweise hier auf seine Aussage über die von ihm bekleideten Ämter, Dokument 2978-PS, US-8.

Seine Aufgaben als Generalbevollmächtigter sind in dem Reichsverteidigungsgesetz vom 4. September 1938 umschrieben, das zur Geheimen Kommandosache erklärt war und in unserem Dokumentenbuch als Dokument 2194-PS, US-36, erscheint. Auf Grund von Paragraph 3 dieses Gesetzes vom 4. September 1938 wurden ungeheure Vollmachten in den Händen Fricks als des Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung vereinigt. Zusätzlich zu den Dienststellen, die er als Innenminister unter sich hatte, wurden ihm durch das Reichsverteidigungsgesetz zum Zwecke seiner Durchführung noch folgende Behörden unterstellt: Der Reichsminister der Justiz, der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, der Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten und die Reichsstelle für Raumordnung.

In einer am 7. März 1940 in der Universität von Freiburg gehaltenen Rede gab Frick zu, welch bedeutende Rolle er als Mitglied des Triumvirats bei den Vorbereitungen zum Kriege spielte.

Auszüge dieser Rede erscheinen im Urkundenbuch unter Dokument 2608-PS, und ich lege dies als US- 714 vor. Ich halte es für angebracht, wenn der Gerichtshof mir gestatten würde, zwei kurze Absätze zu verlesen, und ich beginne auf Seite 1 der englischen Übersetzung:

»Die Organisation der zivilen Verteidigung paßt sich hiernach organisch in das Gesamtgefüge der nationalsozialistischen Staats- und Verwaltungsverfassung ein; sie ist kein Ausnahmezustand, sondern ein notwendiger und sinnvoller Bestandteil der nationalsozialistischen Ordnung. Demnach hat sich auch die Umstellung unserer Verwaltung und unserer Wirtschaft auf den Krieg – ohne die so gefährlichen Änderungen der Gesamtkonstruktion mit höchster Schnelligkeit und fast ohne jede Reibung vollzogen.

Die planmäßige Ausrichtung auf einen möglichen Krieg wurde schon im Frieden vollzogen. Zu diesem Zweck hat der Führer einen Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung und einen Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft eingesetzt.«

Viele der Beiträge Fricks zur Vorbereitung des Deutschen Staates auf den Krieg, sind im einzelnen in dem Buch: »Dr. Wilhelm Frick und sein Ministerium« aufgeführt, Urkunde 3119-PS, das bereits als Beweismaterial eingeführt wurde. Ich gestatte mir, zwei kurze Sätze von Seite 3, oben, der englischen Übersetzung zu verlesen:

»Daneben muß noch die führende Mitarbeit des Reichsinnenministers auf dem wichtigen Gebiet der ›Wehrgesetzgebung‹ und damit am Aufbau unserer Wehrmacht besonders hervorgehoben werden. Ist doch der Reichs innenminister der ›zivile‹ Landesverteidigungsminister, der als solcher nicht nur das Wehrgesetz vom 21. Mai 1935 neben dem Reichswehrminister mitgezeichnet, sondern als oberster Chef der allgemeinen und inneren Verwaltung sowie der Polizei vom Führer und Reichskanzler auch wichtige Befugnisse im Ersatzwesen und in der Wehrüberwachung übertragen erhalten hat.«

Ich habe bereits erwähnt, daß Frick als Reichsinnenminister für die Politik der Verwaltung in den besetzten und angegliederten Gebieten verantwortlich war. Es war sein Ministerium, das die deutsche Neuordnung im ganzen weiten Gebiet Europas, das von der Deutschen Wehrmacht besetzt war, eingeführt hat, und der Angeklagte Frick übte die Befehlsgewalt über das Ministerium aus. Ich bitte den Gerichtshof, die drei Gesetze amtlich zur Kenntnis zu nehmen, die Fricks Unterschrift tragen, und die das deutsche Recht in Österreich, im Sudetenland und im Generalgouvernement Polen einführen: Erlaß vom 13. März 1938, Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, Seite 237, Abschnitt 8 des Dokuments 2307-PS; Erlaß vom 1. Oktober 1938, Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, Seite 1331, Abschnitt 8 des Dokuments 3073-PS; Erlaß vom 12. Oktober 1939, Reichsgesetzblatt 1939, Teil I, Seite 2077, Abschnitt 8 (1) des Dokuments 3079-PS.

Fricks Ministerium traf auch bereits vor der Invasion die Auswahl und Zuweisung von Hunderten von Besatzungsbeamten für das Sowjetgebiet. Diese Tatsache ergibt sich aus einem Bericht des Angeklagten Rosenberg über die Vorbereitungen für die Verwaltung der besetzten Ostgebiete vom April 1941. Ich erlaube mir, mich auf Seite 2, Absatz 2 der Urkunde 1039-PS zu beziehen, die als Beweisstück US-146 bereits vorgelegt wurde.

Eine besondere Art von Fricks Beitrag zur Planung und Vorbereitung eines Angriffskriegs verdient besonders hervorgehoben zu werden. Es ist dies die systematische Tötung solcher Personen, die für die deutsche Kriegsmaschine als nutzlos angesehen wurden, wie zum Beispiel Geisteskranke, Krüppel, Greise und ausländische Arbeiter, die nicht mehr arbeitsfähig waren. Diese Tötungen wurden in Pflegeanstalten, Spitälern und Heimen durchgeführt. Der Gerichtshof wird sich erinnern, daß der Angeklagte Frick in seiner Eigenschaft als Reichsminister des Innern Befehlsgewalt über alle öffentlichen Anstalten für Gesundheitspflege hatte. Ich möchte hierzu wieder kurz auf das Taschenbuch für Verwaltungsbeamte, Urkunde 3475-PS, verweisen, und zwar auf die Seiten 3, 4 und 7 der auszugsweisen englischen Übersetzung. Dort finden sich die folgenden Sachgebiete als in Fricks Ressort fallend: Gesundheitswesen, Volkspflege, Erb- und Rassenpflege, Reichsbeauftragter für die Heil- und Pflegeanstalten.

Zum Beweis dafür, daß die in diesen Anstalten sich ereignenden Todesfälle in Fricks Ressort fielen, überreiche ich hiermit Dokument 621-PS, US-715. Es ist dies ein Brief des Chefs der Reichskanzlei, Lammers, an den Reichsjustizminister vom 2. Oktober 1940, in dem Lammers letzteren davon in Kenntnis setzt, daß er das Material über den Tod von Insassen von Heil- und Pflegeanstalten dem Reichsinnenminister zum weiteren Befinden übermittelt habe. Tatsächlich hat der Angeklagte Frick nicht nur Befehlsgewalt über diese Institute gehabt, sondern er war auch einer der Urheber eines geheimen Gesetzes, das diese Morde organisierte.

Ich lege nun Urkunde 1556-PS, US-716, vor. Es ist dies ein amtlicher Bericht der tschechischen Kommission für Kriegsverbrechen vom Dezember 1941 unter dem Titel: »Eingehende Darstellung der Ermordung kranker und alter Leute in Deutschland«.

Ich möchte kurze Auszüge aus diesem Bericht verlesen. Die Absätze 1, 2 und 3 lauten wie folgt:

»1) Die Ermordungen können auf ein geheimes Gesetz zurückgeführt werden, das im Sommer 1940 erlassen wurde.

2) Außer dem Reichsärzteführer Dr. L. Conti, dem Reichsführer-SS Himmler, dem Reichsinnenminister Dr. Frick und anderen haben noch die folgenden an der Einführung dieses geheimen Gesetzes teilgenommen...«,

weitere Namen sind angeführt.

»3) Wie ich bereits festgestellt habe, handelte es sich bei sorgfältiger Berechnung um mindestens 200000 in der Hauptsache geistig Minderwertige, Idioten, neben neurologischen Fällen und gesundheitlich ungeeigneten Menschen – dies waren nicht nur unheilbare Fälle – und um mindestens 75000 alte Leute.«

Das schlagendste Beispiel für die fortgesetzten Tötungen in diesen Anstalten, die unter Fricks Befehlsgewalt standen und auf Grund einer Verordnung durchgeführt wurden, deren Mitverfasser Frick war, stellt der berüchtigte Hadamar-Fall dar.

Hoher Gerichtshof! Darf ich bitten, mir noch zehn Minuten Zeit zu geben, um meine Darlegungen heute zu Ende zu bringen, da die Anklagevertreter sich dahin geeinigt haben, morgen mit der Beweisführung seitens der Französischen Delegation zu beginnen, und es bleiben mir gerade noch zehn Minuten.

VORSITZENDER: Gut.

DR. KEMPNER: Danke, Herr Vorsitzender. Ich will nun den Fall Hadamar besprechen.

Ich lege Dokument 615-PS, US-717, als Beweis vor.

MR. BIDDLE: Welches war der letzte Bericht, über den Sie gesprochen haben? Von wem stammt der Bericht?

DR. KEMPNER: Es handelt sich um den Bericht der tschechoslowakischen Kommission für Kriegsverbrechen.

Nachdem ich zunächst den allgemeinen Plan gezeigt habe, an dessen Entwurf Frick auch beteiligt war, möchte ich nunmehr zeigen, daß das Ministerium von Frick die Dinge, die sich unter seiner Organisation und Führung ereigneten, wohl kannte. Ich verlese daher einen Brief zum Beweis der Tatsache, daß er von diesen Tötungen wußte, und daß diese Tötungen sogar öffentlich bekanntgeworden waren. Zu diesem Zweck lege ich Dokument 615-PS, US-717, vor. Es handelt sich hierbei um einen Brief des Bischofs von Limburg an den Reichsjustizminister vom 13. August 1941. Abschriften wurden dem Reichsminister des Innern, das heißt Frick, und dem Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten übersandt. Ich verlese:

»Etwa 8 km von Limburg entfernt ist in dem Städtchen Hadamar, auf einer Anhöhe unmittelbar über dem Städtchen, eine Anstalt, die früher zu verschiedenen Zwecken, zuletzt als Heil- und Pflegeanstalt gedient hat, umgebaut bzw. eingerichtet worden als eine Stätte, in der nach allgemeiner Überzeugung obengenannte Euthanasie seit Monaten – etwa seit Februar 1941 – planmäßig vollzogen wird. Über den Regierungsbezirk Wiesbaden hinaus wird die Tatsache bekannt, weil Sterbeurkunden von einem Standesamt Hadamar-Mönchberg in die betreffenden Heimatgemeinden gesandt werden...«

Ich zitiere weiter:

»Öfter in der Woche kommen Autobusse mit einer größeren Anzahl solcher Opfer in Hadamar an. Schulkinder der Umgegend kennen diese Wagen und reden: ›Da kommt wieder die Mordkiste‹. Nach Ankunft solcher Wagen beobachten dann die Hadamarer Bürger den aus dem Schlot aufsteigenden Rauch und sind von dem ständigen Gedanken an die armen Opfer erschüttert, zumal wenn sie je nach der Windrichtung durch die widerlichen Gerüche belästigt werden.

Die Wirkung der hier getätigten Grundsätze: Kinder, einander beschimpfend, tun Äußerungen: ›Du bist nicht recht gescheit, du kommst nach Hadamar in den Backofen‹; solche, die nicht heiraten wollen oder keine Gelegenheit finden: ›Heiraten? Niemals! Kinder in die Welt setzen, die dann in den Rex-Apparat kommen!‹ Alte Leute hört man sagen: ›Nur ja nicht in ein staatliches Krankenhaus! Nach den Schwachsinnigen kommen die Alten als unnütze Esser an die Reihe.‹...

... Es ist der Bevölkerung unfaßlich, daß planmäßig Handlungen vollzogen werden, die nach Paragraph 211 StGB mit dem Tode zu bestrafen sind...

Beamte der Geh. Staatspolizei suchen, wie man hört, das Reden über die Hadamarer Vorgänge mit strengen Drohungen zu unterdrücken. Es mag im Interesse der öffentlichen Ruhe gute Absicht sein. Das Wissen und die Überzeugung und Entrüstung der Bevölkerung werden damit nicht geändert; die Überzeugung wird um die bittere Erkenntnis vermehrt, daß das Reden mit Drohungen verboten wird, die Handlungen selbst aber nicht strafrechtlich verfolgt werden.«

Ich verlese den letzten Absatz, die Nachschrift:

»Abschriften überreiche ich dem Herrn Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten.« Paraphiert von Obigem.

Trotzdem wurden die Tötungen in diesen Anstalten auf Grund des von dem Angeklagten Frick, Himmler und anderen geschaffenen geheimen Gesetzes Jahr für Jahr fortgesetzt.

VORSITZENDER: Wurde dieser Brief jemals beantwortet?

DR. KEMPNER: Eine Antwort wurde nicht gefunden. Ich habe jedoch andere Briefe, ich kann sie derzeit hier nicht vorlegen, die den Vermerk tragen »bitte nicht beantworten«.

VORSITZENDER: Bitte nicht beantworten?

DR. KEMPNER: Es heißt, diese Briefe sollen unbeantwortet bleiben.

Trotzdem wurden die Tötungen in diesen Anstalten auf Grund des von dem Angeklagten Frick, Himmler und anderen geschaffenen geheimen Gesetzes Jahr für Jahr fortgesetzt. Ich biete als Beweis Dokument 3592-PS, US-718 an. Es ist dies eine beglaubigte Abschrift der Anklage, der Verhandlungsergebnisse und des Urteils der Amerikanischen Militärkommission in Wiesbaden gegen Personen, die das Sanatorium von Hadamar betrieben haben, in dem viele Russen und Polen ermordet wurden. In diesem besonderen Verfahren wurden sieben Angeklagte beschuldigt, im Jahre 1944 vierhundert Personen polnischer und russischer Nationalität ermordet zu haben. Drei der Angeklagten wurden zum Tode durch den Strang, die anderen vier zu Zuchthausstrafen verurteilt.

Ich komme nun zur letzten Seite meines Vertrags, dem letzten Fall von Fricks Verantwortlichkeit, die er in seiner Stellung als Reichsprotektor für Böhmen und Mähren in der Zeit vom 20. August 1943 bis zum Ende des Krieges trägt. Ich halte es nicht für notwendig, irgendetwas über die Funktionen des Protektors für Böhmen und Mähren vorzubringen, da der Gerichtshof diese ausgedehnten Machtbefugnisse kennt.

VORSITZENDER: Bevor Sie Dokument 3592-PS beiseite legen, können Sie mir sagen, ob es einwandfrei feststeht, daß es sich in diesem Prozeß um die Tötung von Polen und Russen in Kliniken oder derartigen Anstalten handelt?

DR. KEMPNER: Dies geht absolut einwandfrei aus diesem Dokument, dem Urteil der Militärkommission für Hadamar in Wiesbaden, hervor.

VORSITZENDER: Wollen Sie mir zeigen, wo dies enthalten ist?

DR. KEMPNER: Dokument 3592-PS. Ich verlese:

»Einzelheiten: Alfons Klein, Adolf Wahlmann, Heinrich Ruoff, Karl Willig, Adolf Merkle, Irmgard Huber und Philipp Blum werden angeschuldigt, gemeinsam, in Ausführung eines gemeinschaftlichen Vorsatzes und für und im Interesse des damaligen Deutschen Reiches handelnd, in der Zeit von ungefähr 1. Juli 1944 bis ungefähr 1. April 1945, in Hadamar, Deutschland, vorsätzlich, mit Vorbedacht und rechtswidrig bei der Tötung von mindestens 400 Menschen russischer und polnischer Staatsangehörigkeit, deren genaue Namen und Zahl unbekannt sind, und die zur Zeit dort vom damaligen Deutschen Reich unter der Machtbefugnis einer kriegführenden Partei gefangengehalten wurden, mitgewirkt, Beihilfe geleistet und teilgenommen zu haben.«

VORSITZENDER: Dies zeigt jedoch nicht, daß dies im Machtbereich des Innenministeriums geschah.

DR. KEMPNER: Ich habe mich vorhin auf das Taschenbuch für Verwaltungsbeamte bezogen. Dieses Taschenbuch führt klar aus, daß Pflegeanstalten, Sanatorien und ähnliche Einrichtungen unter der Aufsicht des Innenministeriums stehen.

VORSITZENDER: Ich verstehe das; aber in dem Dokument steht nichts von Sanatorien. Deshalb fragte ich Sie.

DR. KEMPNER: Ja, das Dokument spricht nur von Hadamar. Gemeint ist jedoch damit tatsächlich das Sanatorium von Hadamar. Dies wurde von dem Gerichtsoffizier nicht besonders erwähnt, ich bin jedoch bereit, später ein ausführliches Dokument vorzulegen, aus dem hervorgeht, daß Hadamar eine allgemeine Bezeichnung für die sogenannte Todesmühle von Hadamar ist, und daß dies eine Heilanstalt war.

Ich komme jetzt zum letzten Absatz meiner Vorlage.

VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte, Dr. Kempner, ein Verteidiger will sprechen. Ein Herr steht neben Ihnen.

DR. PANNENBECKER: Ich kann aus dem Dokument 3592-PS, das soeben verlesen worden ist, nicht finden, daß der Angeklagte Frick mit diesem Dokument irgendwie in Zusammenhang stehen kann. Abgesehen davon...

VORSITZENDER: Es ist gewiß nicht nötig, daß Sie aufstehen und wiederholen, was ich soeben gesagt habe.

DR. PANNENBECKER: Ich hatte noch etwas hinzufügen wollen.

VORSITZENDER: Verzeihung.

DR. PANNENBECKER: Ich hatte noch hinzufügen wollen, daß der Angeklagte Frick seit August 1943 nicht mehr Innenminister war und aus diesem Grund das Dokument gegen ihn nicht verwertet werden kann.

VORSITZENDER: Das Dokument gibt auch kein Datum über den Tod dieser Leute an. Solange Dr. Kempner nicht beweist, daß es sich um eine Heilanstalt handelte, und daß außerdem die Ereignisse in eine Zeit fallen, in welcher der Angeklagte Frick Innenminister war, wird der Gerichtshof diese Urkunde nicht als Belastungsbeweis gegen Frick werten.

DR. KEMPNER: Ich habe die Morde von Hadamar aus zwei Gründen vorgebracht: Erstens, weil das Innenministerium, wie ich bereits vorher ausgeführt habe, durch den Brief des Bischofs von Limburg im Jahre 1941, zu einer Zeit also, während welcher Frick Innenminister war, mit dieser Tatsache bekanntgemacht wurde und dieser sie demgemäß auch kannte! Ich habe das Militärurteil deshalb verlesen, um zu zeigen, daß Tötungen noch in den Jahren 1944 bis 1945 weitergingen auf Grund eines Gesetzes, dessen Mitverfasser der Angeklagte Frick war.

Die letzte Phase der Verantwortlichkeit von Frick erwächst aus seiner Stellung als Reichsprotektor für Böhmen und Mähren, also vom 20. August 1943 bis zum Ende des Krieges. Ich brauche nicht zu beweisen, daß er diese Stellung innehatte, ich möchte aber ein Beispiel anführen und biete Dokument 3589-PS, US-720, zum Beweis an. Es handelt sich um eine Ergänzung zu einem amtlichen tschechoslowakischen Bericht über deutsche Verbrechen gegen die Tschechoslowakei. Ich möchte nur folgende kurze Stelle aus diesem Bericht verlesen:

»Während der Amtsführung durch den Angeklagten Wilhelm Frick als Reichsprotektor von Böhmen und Mähren vom August 1943 bis zur Befreiung der Tschechoslowakei im Jahre 1945 wurden viele Tausende tschechoslowakischer Juden von dem Ghetto in Theresienstadt (Tschechoslowakei) in das Konzentrationslager Auschwitz in Polen transportiert und dort in Gaskammern getötet.«

Sie wurden von dem Territorium, über das Frick als Protektor gebot, in die Gaskammern verbracht.

Wir behaupten, somit bewiesen zu haben, daß Frick einer der Hauptverschwörer war, und zwar von 1923 an bis zu dem Zeitpunkt, an dem die verbündeten Armeen den Widerstand der Nazi-Wehrmacht brachen. Fricks Schuld beruht auf seinen eigenen Taten und auf den Taten seiner Mitangeklagten, für die er nach unserem Statut mitverantwortlich ist.

Ich möchte meinen Dank aussprechen für die wertvollen Beiträge, die bei der Vorbereitung dieses Falles von meinem Kollegen, Herrn Karl Lachmann, Leutnant Frederick Felton und Hauptmann Seymour Krieger geleistet wurden.