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[Das Gericht vertagt sich bis

21. Januar 1946, 10.00 Uhr.]

Neununddreißigster Tag.

Montag, 21. Januar 1946.

Vormittagssitzung.

M. GERTHOFFER: Hoher Gerichtshof! Herr Vorsitzender, meine Herren Richter!

Am Schluß der letzten Sitzung hatte ich die Ehre, mit den Ausführungen der französischen Anklagevertretung über die wirtschaftliche Ausplünderung zu beginnen.

Im ersten Kapitel hatte ich in kurzer Zusammenfassung erwähnt, wie die Deutschen sich in den besetzten Gebieten der Zahlungsmittel dadurch bemächtigten, daß sie unter dem Vorwand des Unterhalts ihrer Besatzungstruppen Kriegsbeiträge erhoben und sogenannte Clearingvereinbarungen erzwangen, die fast ausschließlich ihrem Vorteil dienten.

Im zweiten Kapitel unter dem Titel »Unterjochung der Produktion der besetzten Gebiete« hatte ich die Ehre auszuführen, wie nach dem Einmarsch die Fabriken unter militärische Bewachung gestellt wurden, wie deutsche Techniker anfingen, die besten Maschinen fortzunehmen und ins Reich zu verschicken, wie die arbeitende und mittellos gewordene Bevölkerung sich um die Fabriken scharte und Unterstützungen verlangte, und wie endlich die Deutschen die Wiederaufnahme der Arbeit anordneten und sich dabei das Recht vorbehielten, vorläufige Administratoren für die Leitung der Werke zu ernennen.

Gleichzeitig übten die Deutschen einen Druck auf die Behörden der besetzten Gebiete sowie auf die dortigen Industriestellen aus, um die Wiederinbetriebnahme der Fabriken durchzusetzen. In Einzelfällen setzten sie selbst provisorische deutsche Verwaltungsbeamte ein, indem sie zu verstehen gaben, daß die Fabriken zur Herstellung von Bedarfsartikeln für die Bevölkerung der besetzten Länder eingesetzt werden sollten.

Im ganzen gesehen, haben die Industriellen die Arbeit zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit und zur Aufrechterhaltung ihrer Produktionsmöglichkeiten langsam wieder aufgenommen, wobei sie sich bemühten, sich auf Erzeugnisse für die Zivilbevölkerung zu beschränken. Unter Anwendung verschiedenster Druckmittel setzten die Deutschen zunächst die Herstellung von Verteidigungswaffen und später auch von Angriffswaffen durch. Sie belegten verschiedene Betriebe mit Beschlag, schlossen andere, die sie nicht für notwendig erachteten, behielten sich selbst die Rohstoffverteilung vor und setzten in die Fabriken Kontrolleure ein.

Die deutsche Besitzergreifung dehnte sich immer weiter aus, übrigens in Übereinstimmung mit den geheimen Richtlinien des Angeklagten Göring vom 2. August 1940. Wir können dies weiterhin einem Dokument entnehmen, das von der Armee der Vereinigten Staaten aufgefunden wurde und das die Nummer EC-137 trägt. Ich unterbreite es dem Gerichtshof als RF-105 und verlese aus ihm die wesentlichste Seite:

»Ein Ziel der deutschen Wirtschaftspolitik ist die Vergrößerung des deutschen Einflusses bei ausländischen Unternehmungen. Ob und wieweit der Friedensvertrag die Abtretung von Anteilen usw. bringen wird, ist noch nicht zu übersehen. Notwendig ist aber schon jetzt, daß jede Gelegenheit ausgenutzt wird, noch während des Krieges der deutschen Wirtschaft Eingang in die interessanten Objekte der Wirtschaft der besetzten Länder zu ermöglichen und Verschiebungen zu verhindern, die die Erreichung des obengenannten Zieles erschweren können....«

Ich unterbreche an dieser Stelle das Zitat. Wenn man ein derartiges Dokument zur Kenntnis genommen hat, dann kann wohl über die Absichten der deutschen Führung kein Zweifel mehr bestehen. Der Beweis für die Durchführung eines derartigen Planes ergibt sich aus einem Dokument, das zur Verlesung gelangen wird, sobald der Sonderfall Frankreich im Laufe des Vortrags behandelt werden wird. Der Gerichtshof wird alsdann von der Denkschrift eines gewissen Michel Kenntnis erhalten, der Chef des Verwaltungsstabes für Wirtschaftsfragen beim deutschen Militärbefehlshaber in Frankreich war. Aus dieser Schrift ergibt sich der Umfang der Diktatur des Reiches über die besetzten Gebiete in wirtschaftlicher Hinsicht.

Die Kontrolle über die Unternehmen in den besetzten Gebieten wurde durch dort befindliche Zivil- und Militärbeamte gesichert und später auch durch entsprechende deutsche Unternehmen, sogenannte »Paten-Firmen«, ausgeübt.

Um ein Beispiel für diese wirtschaftliche Beherrschung anzuführen, lege ich hiermit die Anweisungen vor, die einer bedeutenden französischen Firma erteilt wurden. Es handelt sich um die Firma Thomson- Houston. Ich unterbreite dem Gerichtshof als RF-106 das an diese Gesellschaft gerichtete Schreiben. Es ist vom 8. Oktober 1943 aus Paris dauert:

»Soc. Procédés Thomson-Houston, Paris (8), 173 Bd. Haußmann. Für die pünktliche, sorgfältige und rationelle Ausführung der Ihnen erteilten deutschen Aufträge sind Sie sowohl dem Auftraggeber als auch meiner für die Gesamtauftragvergebung zuständigen Dienststelle in Frankreich voll verantwortlich.

Um Ihnen die Erfüllung Ihrer Verpflichtungen zu erleichtern, ist von mir die Firma Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft, Berlin NW 40, Friedrich Karl-Ufer 2-4, als Patenfirma bestellt worden. Ich lege größten Wert darauf, daß Sie mit der genannten Firma in enger fachli cher Kameradschaft zusammenarbeiten.

Aufgabe der obengenannten Patenfirma ist es,

1. bei der Aufstellung des Belegungsplanes Ihres Werkes mitzuwirken,

2. Sie fachlich zu beraten und mit Ihnen einen engen Erfahrungsaustausch zu pflegen,

3. Ihnen erforderlichenfalls bei Verhandlungen mit deutschen Dienststellen als Mittler zu dienen,

4. mich über alle Vorgänge zu unterrichten, die die ordnungsmäßige Erfüllung Ihrer Verpflichtungen behindern.

Zur Durchführung dieser Aufgaben ist die Patenfirma berechtigt, einen Firmenbeauftragten und, wenn erforderlich, Fertigungsingenieure anderer deutscher Firmen, die bedeutende Aufträge in Ihrem Werk liegen haben, bei Ihnen abzustellen.

Um der Patenfirma die Erfüllung ihrer Aufgaben zu ermöglichen, erwarte ich, daß Sie die Firma bzw. deren Beauftragten über alle Vorgänge unterrichten, die mit den deutschen Aufträgen und ihrer Erledigung zusammenhängen. Hierin gehört u. a.

1. Einsicht in Ihre Korrespondenz mit Vor- und Zulieferanten,

2. Einblick in Ihre Betriebsbelegung und Fabrikation,

3. Beteiligung an Ihren Besprechungen und vorherige Unterrichtung über Ihren Schriftwechsel mit deutschen Dienststellen.

Sie sind verpflichtet, der Patenfirma bzw. deren Firmenbeauftragten von allen Aufträgen, die Sie erhalten, umgehend Kenntnis zu geben.«

Hier endet das Zitat aus diesem Dokument. Fast alle bedeutenden Unternehmen in den besetzten Ländern wurden auf diese Art der Kontrolle deutscher Firmen unterworfen. Dies geschah in der zweifachen Absicht, um einmal die deutschen Kriegsanstrengungen zu fördern und zum andern, um durch schrittweise Eingliederung, selbst im Falle eines Verhandlungsfriedens, zu einer wirtschaftlichen Vorrangstellung in Europa zu gelangen.

Auf landwirtschaftlichem Gebiet wandten die Deutschen entsprechende Druckmittel an. Sie beschlagnahmten die landwirtschaftlichen Erzeugnisse in großen Mengen und ließen für die Bevölkerung nur solche Mengen zurück, die zur Sicherung ihres Lebensunterhalts völlig unzureichend waren.

Ich wende mich nun dem dritten Kapitel zu, das den Einzeleinkäufen deutscher Militär- und Zivilpersonen in den besetzten Gebieten gewidmet ist.

Obschon es sich in unseren augenblicklichen Darlegungen nicht um einzelne Plünderungen handelt, die in den besetzten Ländern vorgenommen worden sind, so ist es jedoch wichtig, die Einzeleinkäufe zu erwähnen, die methodisch von der deutschen Führung zum Nutzen ihrer Volksgenossen organisiert worden sind.

Zu Beginn der Besetzung tätigten die Soldaten und Zivilpersonen ihre Einkäufe mit Hilfe von Gutscheinen zweifelhafter Gültigkeit, die ihnen von ihren Vorgesetzten ausgehändigt worden waren. Bald waren die Deutschen jedoch im Besitz genügender Geldmittel, die es ihnen erlaubten, große Mengen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und andere Artikel jeder Art, insbesondere Textilwaren, Schuhe, Pelze und Lederwaren ohne Marken oder auf Grund besonderer Bezugscheine einzukaufen.

Auf diese Weise waren zum Beispiel manche Schuhgeschäfte gezwungen, jede Woche gegen deutsche Sonderbezugscheine 300 Paar Straßenschuhe zu verkaufen, und zwar Herren-, Damen- und Kinderschuhe.

Diese Tatsache ergibt sich aus einem wichtigen Bericht der französischen Wirtschaftskontrolle, auf den ich mich im Verlauf meiner Ausführungen mehrfach beziehen werde, und den ich dem Gerichtshof als RF-107 unterbreite.

Die Einzeleinkäufe, die eine Form der wirtschaftlichen Ausplünderung darstellen, wurden, wie ich noch einmal wiederholen möchte, von den Deutschen nicht nur gutgeheißen, sondern sind von der deutschen Führung sogar organisiert worden.

In der Tat kehrten die Deutschen mit so zahlreichem Gepäck in ihr Land zurück, daß ein Versanddienst für Pakete geschaffen wurde, der für solche Deutsche bestimmt war, die sich in den besetzten Ländern aufhielten. Die auf diese Weise versandten Artikel wurden in ein besonderes Papier verpackt und mit Zetteln versehen, die dazu bestimmt waren, sie von dem deutschen Einfuhrzoll zu befreien.

Um sich eine Vorstellung von dem Ausmaß dieser Einzeleinkäufe zu machen, beziehe ich mich auf die Aussage eines gewissen Murdel, des früheren Direktors der Reichskreditkasse, der augenblicklich in Paris interniert ist und am 29. Oktober 1945 durch einen Untersuchungsrichter der Cour de Justice de la Seine vernommen wurde. Murdel hat über die Einzeleinkäufe das Folgende ausgesagt und ich lege dies zum Beweis als RF-108 vor.

Der Untersuchungsrichter stellte Murdel die folgende Frage:

»Welcher Art waren die Bedürfnisse der Besatzungsarmee? Und welche Einkäufe tätigten Sie für ihre Rechnung?«

Murdel antwortete:

»Ich kann den ersten Teil Ihrer Frage nicht beantworten. Ich versuchte bereits während der Besatzungszeit, mich über diesen Punkt zu unterrichten. Man hielt mir jedoch entgegen, daß es sich hierbei um militärische Geheimnisse handelt, über welche ich nicht unterrichtet zu sein brauche. Ich kann lediglich aussagen, daß der Wehrsold eines gewöhnlichen Soldaten RM 50.- bis RM 60.- betrug, der Unteroffizier erhielt 50 % mehr und ein Offizier natürlich bedeutend mehr. Ich weiß nicht, wie groß die Zahl der Besatzungstruppen war, da der Mannschaftsbestand sich stetig änderte.«

Dann einige Zeilen weiter unten fügt Murdel hinzu:

»Weiterhin hatte jeder beurlaubte Soldat bei seiner Rückkehr von Deutschland das Recht, einen Mark-Betrag mitzubringen (RM 50.-). Dasselbe traf zu auf jeden deutschen Soldaten, der zum erstenmal nach Frankreich kam. Wir nahmen die Umwechslung von Mark in französische Valuta vor. Ich schätze, daß ungefähr 5 Milliarden Francs auf diese Weise monatlich von uns gewechselt wurden.«

Ich unterbreche das Zitat. Man kann demzufolge die von den Deutschen in Frankreich für Einzelausgaben verbrauchte Summe mit mindestens ungefähr 250 Milliarden Francs angeben, von denen der größte Teil dem Einkauf von Erzeugnissen und Waren diente, die zum Schaden der französischen Bevölkerung nach Deutschland geschickt wurden.

Um sich über die Bedeutung dieser Ausgaben klar zu werden, möchte ich hinzufügen, daß dieser Betrag von 5 Milliarden monatlich oder 60 Milliarden jährlich die Budgeteinnahmen des Französischen Staates von 1938 übersteigt, da diese sich auf nur 54 Milliarden für das Jahr beliefen.

Nach Beschreibung dieser Einzeleinkäufe komme ich zu einem vierten Kapitel, das der Organisation des schwarzen Marktes durch die Deutschen in den besetzten Ländern gewidmet ist. Die Bevölkerung der besetzten Gebiete war bei Produkten aller Art einer strengen Rationierung unterworfen. Es verblieben ihr nur solche Mengen, die für ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse völlig unzureichend waren.

Dieses System machte es möglich, daß ein großer Teil der Vorräte und der Produktion frei wurden, dessen sich die Deutschen nunmehr bemächtigten, und zwar durch Maßnahmen, die den Anschein der Rechtmäßigkeit hatten: Requisitionen, Ankäufe durch amtliche Dienststellen, Einzeleinkäufe, Einkäufe gegen deutsche Vorzugsscheine, wobei wir bereits gesehen haben, daß diese Einzeleinkäufe in Frankreich allein einen Durchschnitt von fünf Milliarden Franken pro Monat ausmachten.

Aber eine derartige Regelung hatte zur Folge, daß die Ware verschwand und mit der Absicht versteckt wurde, sie den Deutschen zu entziehen. Dieser Umstand ließ in den besetzten Ländern das entstehen, was man als »schwarzen Markt« bezeichnete, und worunter man heimliche Ankäufe unter Verletzung der Verteilungsvorschriften verstand.

Die Deutschen selbst sollten nicht lange zögern, sich in immer steigendem Umfang an den Käufen auf dem schwarzen Markt zu beteiligen, wobei sie sich immer häufiger der Vermittlung von Agenten und Unteragenten bedienten, die aus den zweifelhaften Schichten des Volkes stammten und beauftragt waren, die Objekte ausfindig zu machen.

Diese Agenten erfreuten sich wegen der von ihnen begangenen Verstöße gegen die Verteilungsvorschriften einer vollständigen Straffreiheit, lebten jedoch ständig unter dem Druck, daß sie durch ihre deutschen Auftraggeber angezeigt werden konnten, wenn sie ihre Tätigkeit verlangsamten oder einstellten. Oft übten diese Agenten auch in gleicher Weise Funktionen bei der Gestapo aus und wurden durch ihre von dem schwarzen Markt stammenden Provisionen entlohnt.

Die verschiedenen deutschen Stellen in den besetzten Ländern gewöhnten sich daran, immer erheblichere Einkäufe auf dem schwarzen Markt zu tätigen. Dies endete damit, daß sie sich gegenseitig die Ware abjagten, was in erster Linie zur Folge hatte, daß die Preise stetig stiegen und die Gefahr einer Inflation heraufbeschworen wurde. Obgleich die Deutschen auch weiterhin versuchten, aus diesen heimlichen Ankäufen Gewinn zu ziehen, legten sie besonderes Gewicht darauf, daß das von ihnen gebrauchte Geld einen höchstmöglichen Wert behielt.

Um einer solchen Entwicklung auszuweichen, beschlossen die Machthaber des Reiches im Juni 1942, die Einkäufe auf dem schwarzen Markt methodisch zu organisieren.

Deshalb erteilte der Angeklagte Göring, der Beauftragte für den Vierjahresplan, am 13. Juni 1942 dem Oberst Veltjens den Auftrag, den Aufbau des schwarzen Marktes in den besetzten Ländern zu zentralisieren. Diese Tatsache ergibt sich, Hoher Gerichtshof, aus drei von der Armee der Vereinigten Staaten entdeckten Dokumenten, die ich vorlege.

Sie enthalten die Ernennung von Oberst Veltjens, die von dem Angeklagten Göring persönlich unterzeichnet ist. Ich möchte die Zeit des Gerichtshofs nicht dadurch beanspruchen, daß ich diese Dokumente vollständig verlese. Ich glaube nicht, daß sie bestritten werden können. Sollte dies dennoch im Verlauf der Verhandlung geschehen, so behalte ich mir die Möglichkeit vor, sie vollständig zu verlesen, es sei denn, daß der Gerichtshof jetzt eine volle Verlesung wünscht.

VORSITZENDER: Ich muß leider auf unsere Prozeßregeln verweisen, nach denen alle Dokumente, von denen wir nicht amtlich Kenntnis nehmen können, verlesen werden müssen, wenn sie in das Beweisverfahren eingeführt sein sollen. Sie brauchen aber nur diejenigen Teile zu verlesen, die Sie in das Beweisverfahren eingeführt zu wissen wünschen. Nicht nötig sind die Formalien, sondern nur die wesentlichen Teile, die Sie für Ihren Beweis brauchen.

M. GERTHOFFER: Ich verlese nunmehr den Brief vom 13. Juni 1942, der von dem Angeklagten Göring unterzeichnet ist, und den ich als RF-109 vorlege:

»Durch das Nebeneinander der Wareneinkäufe der Wehrmachtteile und anderer Organisationen auf dem sogenannten schwarzen Markt haben sich in einigen besetzten Gebieten Zustände entwickelt, die die ordnungsmäßige Ausnutzung dieser Länder für die deutsche Kriegswirtschaft stören, dem deutschen Ansehen abträglich sind und überdies die unbedingt notwendige Disziplin in der militärischen und zivilen Verwaltung gefährden. Dieser Übelstand kann nicht länger geduldet werden. Ich beauftrage Sie daher, diese Warengeschäfte im Einvernehmen mit den interessierten Stellen, insbesondere mit den Verwaltungschefs der besetzten Gebiete, in geordnete Bahn zu lenken. Grundsätzlich sind Warengeschäfte in den besetzten Gebieten, die außerhalb des Rahmens der normalen Bewirtschaftung oder unter Abweichung von den Preisvorschriften abgewickelt werden sollen, auf Sonderfälle zu beschränken, die nur mit Ihrer vorherigen Genehmigung durchzuführen sind. Ich billige Ihren Vorschlag, für die Abnahme der Waren reichseigene Gesellschaften, in erster Linie die ROGES, einzusetzen.

Ich bitte Sie, mir baldmöglichst einen konkreten Arbeitsplan für die Aufnahme Ihrer Tätigkeit in Holland, Belgien, Frankreich und Serbien – in Serbien ist die Aufgabe Generalkonsul Neuhausen zu übertragen – vorzulegen, in dem auch die Erfassung von Hafeneinrichtungen und von Maschinen und Geräten stillzulegender Firmen in den besetzten Gebieten einzubeziehen ist. Über das Ergebnis Ihrer Tätigkeit bitte ich, mir durch die Hand meines Vertreters monatlich, erstmalig zum 1. Juli 1942, zu berichten.

Über die Verteilung der gekauften Waren wird erfor derlichenfalls die Zentrale Planung entscheiden. gez. Göring.«

Späterhin, am 4. September 1942, gab der Angeklagte Göring Weisungen heraus, nach denen alle brauchbaren Waren vollständig aufzukaufen seien, selbst wenn sich durch diese Maßnahme inflationistische Zeichen in den besetzten Ländern zeigen sollten. Diese Tatsache ist aus einem von Wiehl gezeichneten Bericht ersichtlich, der sich mit der Verwendung des aus den Besatzungskosten gebildeten Fonds befaßt. Ich lege dem Gerichtshof diesen Bericht als RF-110 vor.

Kurze Zeit darauf, am 4. Oktober 1942, hielt der Angeklagte Göring aus Anlaß des Erntedankfestes eine Rede, die in der Zeitschrift »Das Archiv« vom Oktober 1942, Nummer 103, Seite 645, veröffentlicht ist. In dieser Rede erklärte der Angeklagte Göring zwischen den Zeilen, daß seiner Meinung nach die Einkäufe auf dem schwarzen Markt in den besetzten Gebieten zum Nutzen der deutschen Bevölkerung fortzusetzen seien. Ich lege die Kopie dieses Artikels als RF-111 vor und verlese daraus die nachfolgende Stelle:

»Ich habe mir nun die Lage in den besetzten Gebieten ganz besonders scharf angesehen. Ich habe gesehen, wie die Leute in Holland, in Belgien, in Frankreich, in Norwegen und Polen und überall, wo wir sonst saßen, lebten. Dabei habe ich erkannt, daß zwar offensichtlich in der Propaganda hier sehr häufig von der schwierigen Ernährungslage gesprochen wurde, aber tatsächlich war es bei weitem nicht so. Zwar sind dort auch überall Marken eingeführt – auch in Frankreich. Aber das, was sie sich für die Karten holten, war nur zusätzlich; normalerweise lebten sie von Schiebungen.

Aus dieser Erkenntnis entstand bei mir ein felsenfester Entschluß, ein Grundsatz, an dem unverrückbar festgehalten wird: zuerst und vor allem in der Stillung des Hungers und in der Ernährung kommt das deutsche Volk. Ich bin sehr dafür, daß in den von uns in Obhut genommenen und eroberten Gebieten die Bevölkerung nicht Hunger leidet. Wenn aber durch Maßnahmen des Gegners Schwierigkeiten in der Ernährung auftreten, dann sollen es alle wissen: wenn gehungert wird, in Deutschland auf keinen Fall.«

Hier hört das Zitat auf.

Die Armee der Vereinigten Staaten hat einen am 15. Januar 1943 verfertigten Geheimbericht des Obersten Veltjens aufgefunden, in dem er dem Angeklagten Göring über seine Tätigkeit während der letzten sechs Monate Rechenschaft gibt. Es handelt sich um Dokument 1765-PS, das ich nunmehr dem Gerichtshof als RF-112 vorlege. Es ist mir nicht möglich, den gesamten Bericht zu verlesen. Ich werde mich damit begnügen, einige Stellen zu verlesen.

Im ersten Teile seines Berichts erklärt Oberst Veltjens die Ursachen für die Entstehung des schwarzen Marktes folgendermaßen:

»1) Die Verknappung der Ware infolge Bewirtschaftung und Kontingentierung....

2) Die Unmöglichkeit, den Preisstop restlos durchzusetzen....

3) Die Unmöglichkeit einer Preisüberwachung nach deutschem Muster infolge Personalmangels bei den deutschen Überwachungsorganen.

4) Das Fehlen einer wirksamen Unterstützung der Bekämpfungsmaßnahmen durch die eigenstaatlichen Verwaltungsbehörden, vor allem in Frankreich.

5) Die lahme Strafjustiz der eigenstaatlichen Strafbehörden.

6) Die mangelnde Disziplin der Zivilbevölkerung.«

Dann im selben Teil unter 6 erklärt Veltjens:

»... Die Betätigung deutscher Stellen auf dem schwarzen Markt nahm allmählich einen Umfang an, der zu immer untragbareren Zuständen führte; es war an der Tagesordnung, daß die Schwarzhändler ihre Waren gleichzeitig mehreren Stellen anboten und diejenige Stelle die Ware erhielt, die den höchsten Preis anlegte, so daß sich die einzelnen deutschen Formationen nicht nur gegenseitig die Waren abjagten, sondern auch noch die Preise hochtrieben.«

Im Verlauf seines Berichts erklärt Veltjens, daß er die Leitung über die unter dem Vierjahresplan gegründete Dienststelle übernommen habe, und sagt dabei folgendes:

»Schließlich wurde im Juni 1942 im Einvernehmen mit sämtlichen Zentralbehörden der Bevollmächtigte für Sonderaufgaben (B.f.S) beauftragt, die Erfassung und zentrale Steuerung der schwarzen Märkte in die Hand zu nehmen. Hiermit war erstmalig die Voraussetzung zu einer wirksamen Inangriffnahme des Problems des schwarzen Marktes und damit zu seiner Bekämpfung gegeben.«

Im zweiten Teile seines Berichts setzt Veltjens die Vorteile der Organisation auseinander, an deren Spitze er gestellt war. Er schreibt wörtlich:

»Es ist mir erklärt worden, daß die weitere Betätigung auf dem schwarzen Markt in dem bisherigen Umfang auf die Dauer für den Reichshaushalt nicht mehr tragbar sei. Demgegenüber ist jedoch darauf hinzuweisen, daß der größte Teil der durchgeführten Käufe – nämlich die in Frankreich erfolgten – aus Besatzungskosten finanziert werden. Von RM 1.107.792.819.- Gesamteinkäufen sind RM 929.100.000.- aus französischen Besatzungskosten finanziert worden, so daß eine Belastung des Reichshaushalts in dieser Höhe nicht entstand.«

Nachdem er auf diese Weise die Nachteile des schwarzen Marktes geschildert hatte, schließt Veltjens wie folgt:

»Zusammengefaßt muß gesagt werden, daß angesichts der Versorgungslage des Reiches nach wie vor auf die Abschöpfung des schwarzen Marktes nicht verzichtet werden kann, solange es noch verheimlichte Bestände an kriegswichtigen Waren gibt. Diesem höheren Interesse gegenüber müssen alle anderen Gesichtspunkte zurücktreten.«

Im dritten Teile des gleichen Berichts wendet sich Veltjens der technischen Organisation seiner Dienststelle zu. Ich verlese einige interessante Seiten:

»Die allgemeine Steuerung und Beaufsichtigung der Ankaufstätigkeit ist die Aufgabe der zu diesem Zweck neuerrichteten Überwachungsstellen, und zwar:

a) der Überwachungsstelle Frankreich mit dem Sitz in Paris,

b) der Überwachungsstelle in Belgien und Nordfrankreich mit dem Sitz in Brüssel,

c) der Überwachungsstelle in Belgien und Nordfrankreich, Außenstelle Lille mit dem Sitz in Lille,

d) der Überwachungsstelle Niederlande mit dem Sitz im Haag,

e) der Überwachungsstelle Serbien mit dem Sitz in Belgrad.«

Dann teilt Veltjens mit, daß der Einkauf selbst durch eine gewisse Zahl von Einkaufsorganisationen vor sich geht, und zwar für Frankreich 11, für Belgien 6, für Holland 6 und für Serbien 3.

»Damit ist« – schreibt Veltjens – »die gesamte Aufkaufstätigkeit der zentralen Überwachung des B.f.S unterstellt.«

Dann fährt Veltjens weiter unten fort:

»Die Finanzierung der Aufkäufe und der Abtransport der Waren erfolgt durch die reichseigene ROGES m. b. H.; die Waren werden dann im Reich von der ROGES entsprechend den Weisungen der Zentralen Planung bzw. der von der Zentralen Planung beauftragten Ressorts je nach Dringlichkeit auf die einzelnen Bedarfsträ ger verteilt.«

Im vierten Teile seines Berichts gibt Veltjens Rechenschaft über den Umfang der bis zum 30. November 1942 durchgeführten Geschäfte, das heißt ungefähr während einer Zeit von fünf Monaten, da seine Organisationen ihre Tätigkeit erst am 1. Juli 1942 aufgenommen hatten. Folgende Zahlen werden von Veltjens angegeben:

»Umfang der bisherigen Käufe per 30. 11. 1942:

a) Seit Beginn der Aktion (d.h. seit dem Einsetzen der zentral gesteuerten Aufkäufe durch die Militärbefehlshaber bzw. dem Reichskommissar unter zentraler Verteilung der Waren im Reich).

Bisher ist seit Beginn der Aktion für insgesamt RM 1.107.792.818.64 gekauft worden; davon

in Frankreich für RM 929.100.000 –

in Belgien für RM 103.881.929 –

in den Niederlanden für RM 73.685.162.64

in Serbien für RM 1.125.727 –«

Veltjens fügt hinzu:

»Die Bezahlung erfolgt in Frankreich aus Besatzungskosten, in den übrigen Ländern über Clearing.«

Alsdann gibt Veltjens eine Aufstellung der Waren, die während der Zeit von fünf Monaten erworben wurden. Ich werde mich darauf beschränken, dem Gerichtshof eine Zusammenfassung zu geben;

1. Metalle: 66202 tons im Werte von RM 273.078.287. –

2. Textilien im Gesamtwert von RM 439.040.000. –

3. Leder, Häute und Felle im Gesamtwert von RM 120.754.000. –

Veltjens fügt hinzu:

»Ferner wurden gekauft industrielle Öle und Fette.... Speiseöle und Fette, Wolle, Haushaltartikel, Marketenderwaren,... Weine und Spirituosen, Pioniergerät, Sanitätsbedarf, Säcke.«

Des weiteren gibt Veltjens in seinem Bericht eine Statistik über die Preissteigerung während dieser fünf Monate und stellt grundsätzlich fest, daß der schwarze Markt ausschließlich zum Nutzen Deutschlands betrieben werden dürfe und aufs strengste unterdrückt werden müsse, falls er von der Bevölkerung der besetzten Länder besucht werden sollte. In dieser Hinsicht schreibt er wörtlich:

»1. Ausbau der Preisüberwachung. Da eine personelle Verstärkung der deutschen Überwachungsorgane nicht oder nur in begrenztem Umfange möglich sein dürfte, müssen die eigenstaatlichen Verwaltungsbehörden zu einer größeren Aktivität auf diesem Gebiet verpflichtet werden.

2. Die Einführung schwerer Strafen für Vergehen gegen die Bewirtschaftungsmaßnahmen nach deutschem Vorbild, weil nur dann die auf ihrer individualistischen und liberalistischen Einstellung beruhende mangelnde Disziplin der Zivilbevölkerung behoben werden kann. Eine Überwachung der Spruchpraxis der eigenstaatlichen Strafbehörden erscheint empfeh lenswert.

3. Die Ankündigung von Belohnungen für die Anzeige von Vergehen gegen die Bewirtschaftungsmaßnahmen in Höhe eines nicht zu geringfügigen Prozentsatzes des Wertes der auf Grund der Anzeige beschlagnahmten Gegenstände.

4. Ansetzung von Spitzeln und agents provocateurs.

Ferner zur Verhinderung von Schwarzproduktion:

5. Stillegung aller Betriebe, die nicht für die Kriegsfertigung produzieren.

6. Verstärkte Stillegung bzw. Zusammenlegung von Betrieben, deren Kapazität nur unvollkommen ausgenutzt ist.

7. Schärfere Überwachung der Betriebe in der Produktion.

8. Schärfere Prüfung bei der Zuteilung von Rohstoffen für die Auftragsverlagerung.

9. Eine Preispolitik, die den Unternehmen auskömmliche Preise gibt und die ihnen Existenz gewährleistet.«

Bei der Prüfung der von den Behörden in den besetzten Gebieten bezüglich der deutschen Käufe auf dem schwarzen Markt eingebrachten Beschwerden schreibt Veltjens:

»Übrigens haben in der letzten Zeit französische und belgische Regierungs- und Wirtschaftskreise – u. a. auch der französische Regierungschef – für nötig befunden, sich über die organisierte deutsche Aufkaufstätigkeit zu beschweren. Derartigen. Vorstellungen gegenüber wäre – neben verschiedenen anderen Argumen ten – darauf hinzuweisen, daß auch deutscherseits das größte Interesse am Verschwinden des schwarzen Marktes besteht, daß aber die Hauptschuld an seiner Existenz die Regierungsbehörden selbst durch ihre Unfähigkeit in der Preisüberwachung und ihre Schlappheit in der Strafverfolgung haben, wodurch die Undiszipliniertheit ihrer eigenen Bevölkerung geradezu gezüchtet wird.«

Der Gerichtshof wird mir erlauben, den Wert der Argumentation von Veltjens im Vorbeigehen zu unterstreichen, indem ich darauf hinweisen darf, daß die Deutschen die Hauptaufkäufer auf dem schwarzen Markt waren, und daß ihre Agenten sich völliger Straflosigkeit erfreuten.

Hoher Gerichtshof, Veltjens geht alsdann auf die Maschinen in den Betrieben über und schreibt darüber in seinem Bericht folgendes:

»Ein weiterer Auftrag des B.f.S richtet sich auf die Erfassung von Maschinen aus stillgelegten Betrieben. Es steht fest, daß hier große Kapazitäten, insbesondere an Werkzeugmaschinen, die in der Heimat für die Rüstungsproduktion dringend benötigt werden, z. Zt. noch brachliegen. Im Einvernehmen zwischen dem B.f.S, dem Militärbefehlshaber und den Bevollmächtigten für die Maschinenproduktion ist daher in Frankreich bei der Rüstungsinspektion eine Maschinenausgleichstellen errichtet worden. Die Errichtung gleicher Maschinenausgleichstellen in Belgien und in den Niederlanden steht bevor. Eine der Hauptschwierigkeiten auf diesem Gebiet liegt in der Überwindung des Widerstandes so wohl der Inhaber der betreffenden Produktionsstaaten wie auch der eigenstaatlichen Regierungsstellen der besetzten Gebiete. Hier werden die Besatzungsbehörden ihre ganze Tatkraft einsetzen müssen, um diesen Widerstand zu brechen.«

Schließlich, Hoher Gerichtshof, spielt Veltjens in seinem Bericht auf die ROGES-Gesellschaft an, eine besondere Organisation, die den Transport der in den besetzten Ländern gemachten Beute sowie der auf dem schwarzen Markt erworbenen Erzeugnisse nach Deutschland durchzuführen hatte.

Einer der Direktoren dieser Gesellschaft, ein gewisser Ranis, ist am 1. November 1945 verhört worden und hat dabei im wesentlichen erklärt, daß die ROGES-Gesellschaft ihre Tätigkeit im Februar 1941 als Nachfolgerin einer ähnlichen Gesellschaft aufgenommen habe.

Diese Aussage deckt sich mit dem Bericht Veltjens. Ich begnüge mich damit, eine Kopie dieses Verhörs dem Gerichtshof als RF-113 zu unterbreiten.

Der Umfang der deutschen Operationen auf dem schwarzen Markt wird also durch deutsche Dokumente bewiesen, die von der Gegenseite nicht bestritten werden können. Ich gestatte mir, den Gerichtshof darauf hinzuweisen, daß danach diese Operationen sich innerhalb von fünf Monaten in drei Ländern auf die Summe von 1.107.792.818.- Reichsmark beliefen.

Wir werden auf gewisse Einzelheiten zurückkommen, sobald wir die besondere Lage in einzelnen Ländern behandeln werden. Ich muß jedoch die Gründe aufzeigen, aus denen heraus der Angeklagte Göring sich endlich entschlossen hat, die Geschäfte auf dem schwarzen Markt zu unterbinden.

Tatsächlich entschied sich Göring am 15. März 1943 unter dem Vorwand, daß er die Gefahr einer Inflation in den besetzten Gebieten zu vermeiden wünsche, die Einkäufe auf dem schwarzen Markt einzustellen. Wir haben soeben gesehen, daß das Los der Bevölkerung der besetzten Länder dem Angeklagten geringe Sorgen machte, da er entschlossen war, die Einkäufe auf dem schwarzen Markt fortzusetzen, selbst wenn dadurch die Gefahr einer Inflation entstünde.

Der wirkliche Grund war der folgende: Während die deutschen offiziellen Dienststellen ihre Einkäufe zu amtlich genau festgesetzten Preisen tätigten, waren die Schleichhandelsorganisationen zu gleicher Zeit bereit, erheblich höhere Preise zu zahlen. Die Waren fanden also unvermeidlich ihren Weg auf den schwarzen Markt, und zwar zum Schaden des offiziellen Marktes, so daß die Normalproduktion schließlich von der unerlaubten Produktion aufgezehrt wurde.

Endlich sei an dieser Stelle noch hinzugefügt, daß die aus derartigen Machinationen entstandene Korruption in verschiedenen Kreisen der Wehrmacht die deutsche Führung beunruhigte.

Der schwarze Markt wurde daher offiziell am 15. März 1943 unterbunden, gewisse Einkaufsbüros jedoch führten heimlich ihre Tätigkeit bis zum Augenblick der Befreiung weiter fort, wenn auch in weitaus geringerem Maße als vor dem 15. März 1943.

Ich verlese eine Stelle aus dem bereits vorgelegten Bericht der Französischen Wirtschaftskontrollkommission, RF-107, der eine Vorstellung von der durch die deutschen Machenschaften geschaffenen Unordnung gibt und der zeigt, aus welchen Gründen die Reichsbehörden die Einkäufe auf dem schwarzen Markt amtlich eingestellt haben; Seite 22 des französischen Textes:

»Es war dies der Zeitpunkt, zu dem der Champagner, der Cognac, und Benediktiner in Mengen von 10000 bis 50000 Flaschen und Gänseleber tonnenweise verhandelt wurden.

Von Anfang an hatte die allgemeine Korruption zahlreiche Offiziere der Wehrmacht erfaßt, die von dem luxuriösen Leben, das sich um sie herum abspielte, überwältigt wurden. Diese Korruption breitete sich derartig in den deutschen militärischen Kreisen aus, daß sich jeder, vom einfachen Kantinenwirt bis zum höheren Offizier, mit den schlimmsten Händlern einließ und auf allen Märkten Bestellungen laufen hatte. Bei einem heimlichen Geschäft über den Ankauf von Wolle sah sich die Bedienung einmal einem General der Luftwaffe gegenüber.«

Um sie sammelte sich in Kürze alles, was Frankreich an Faulenzern, Glücksrittern und anderen lichtscheuen Gesellen besaß, ihnen folgten in großer Zahl die gewöhnlichen Händler, Mäkler, arbeitslosen Vertreter, im allgemeinen Mittelsmänner oder bedeutungslose Komparsen.

Man wird verstehen, daß in einem solchen Milieu einander nicht kennender und nicht greifbarer Personen die ohne Rechnung und gegen Barzahlung abgewickelten Geschäfte des schwarzen Marktes, die nur in den deutschen Dienststellen schriftlich erfaßt wurden, heute nur schwer enthüllt und abgeschätzt werden können:

»Geboren in den Strömungen des Jahres 1941, dauerte die wirtschaftliche Tätigkeit der Pariser Einkaufsbüros beinahe 20 Monate an. Nachdem sie jedoch gegen Ende des Jahres 1942 ihren Höhepunkt erreicht hatte, sollte ihr im März 1943 ein plötzliches Ende als Opfer ihrer eigenen Auswüchse beschieden sein.

Tatsächlich waren die Produktionspreise während der gesamten Besatzungszeit durch die französischen Dienststellen auf das äußerste beschränkt. Noch mehr widersetzten sich die deutschen Wirtschaftsstellen systematisch einer Preiserhöhung, weil sie vor allem darauf bedacht waren, sich eine weitreichende Kaufkraft ihrer französischen Kapitalien zu erhalten.

Während aber die Bezahlung der dem Feind dienenden vertraglichen Lieferungen nur zu einem Preis erfolgte, der gegenüber dem gesetzlichen Preis kaum ver bessert war, nahmen die geheimen Einkaufsorganisationen zur gleichen Zeit Kurse für die gleichen Erzeugnisse an, die um ein Mehrfaches höher waren.

Daher wurde die Flucht der Waren auf den deutschen schwarzen Markt immer umfangreicher, während die geheime Nebenproduktion sich im gleichen Maße vervielfältigte. Die Unordnung erreichte bald einen solchen Grad, daß in gewissen Industriezweigen die vertraglichen Lieferungen trotz der bedrohlichen Proteste der deutschen Dienststellen nur mit erheblichen Verzögerungen erfüllt werden konnten.

Das völlig ohnmächtige französische Ministerium für industrielle Produktion sah sich gezwungen, den deutschen Behörden mitzuteilen, daß die nationale Produktion bald nicht mehr in der Lage sein würde, ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Diese heillose Lage sowie die Notwendigkeit, der unglaublichen Korruption, die sich infolge des schwarzen Marktes innerhalb der Wehrmachtskreise entwickelt hatte, ein Ende zu bereiten, zwang die Deutsche Regierung dazu, wenn auch nicht die Unterdrückung des gesamten schwarzen Marktes im allgemeinen, so doch wenigstens die Schließung der Pariser Einkaufsbüros ins Auge zu fassen.

Diese Maßnahme wurde am 13. März 1943 auf Grund eines Abkommens zwischen Bichelonne und General Michel angeordnet.

Jedoch, und dies ist von großer Bedeutung, verfehlten die deutschen wirtschaftlichen Dienststellen nicht, als Kompensation eine erhebliche Erhöhung der verein barten Quoten zu fordern. Dies bedeutete allein unter dem Kehrl-Plan eine Erhöhung der Textilerzeugnisse um 6000 Tonnen.

Nur wenige verstanden es, in bescheidenem Umfang ihre Tätigkeit bis zur Befreiung aufrecht zu erhalten, indem sie sich bemühten, auf Provisionsgrundlage Einkäufe über die ROGES, d'Humieres, Union Economique usw. zu tätigen, ebenso wie einige militärische Dienststellen ›Zubehör für Unterkunftszwecke‹ über die Dienststellen der Luftwaffe und der Kriegsmarine ankauften.«

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich jetzt für zehn Minuten vertagen.