[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]
Nachmittagssitzung.
M. GERTHOFFER: Ich hatte heute vormittag die Ehre, Hoher Gerichtshof, darzulegen, wie die Besatzungsbehörden sich eines großen Teiles der Zahlungsmittel in Norwegen bemächtigten. Wir werden nun auf Grund der ersten uns zuteil gewordenen Aufschlüsse sehen, welchen Gebrauch die Besatzungsmacht von diesen Geldmitteln gemacht hat.
Die Deutschen haben, wie auch in den anderen besetzten Ländern, erhebliches Privateigentum in Besitz genommen, und zwar unter dem Vorwand, daß dieses Eigentum Juden, Freimaurern oder Pfadfinder-Organisationen gehörte.
Eine genaue Festsetzung des Wertes dieser Plünderungen konnte bisher noch nicht erfolgen. Wir können den Wert daher auch nur schätzungsweise angeben.
Nach dem Bericht der Norwegischen Regierung beschlagnahmten die Deutschen im Jahre 1941 alle Radiogeräte, die Privatpersonen gehörten. Der Wert dieser Geräte ist auf etwa 120 Millionen Kronen zu schätzen.
Die Deutschen belegten norwegische Gemeinden unter den verschiedensten Vorwänden, wie Bombardierungen der Alliierten und Sabotageakte, mit schweren Geldstrafen.
In dem Bericht, der als RF-121 vorgelegt ist, gibt die Norwegische Regierung zwei oder drei Beispiele für eine solche kollektive Geldstrafe:
Am 4. März 1941 mußte die Bevölkerung der kleinen Ortschaft Ostvagoy nach einem Luftangriff 100.000 Kronen bezahlen. Diese Ortschaften mußten auch für den Unterhalt deutscher Familien und der Familien sogenannter »Quislinge« aufkommen.
Nach einem englischen Luftangriff auf Oslo am 25. September 1942 mußten einhundert Einwohner dreieinhalb Millionen Kronen bezahlen.
Im Januar 1941 wurden den Städten Trondheim, Stavanger und Vest-Opland 60.000, 50.000 und 100.000 Kronen auferlegt.
Im September 1941 mußte die Stadtverwaltung von Stavanger zwei Millionen Kronen für einen angeblichen Sabotageakt an Telegraphenleitungen zahlen.
Im August 1941 mußte die Stadt Rogaland 500.000 Kronen und die Stadt Alesund 100.000 Kronen zahlen.
Man kann also grundsätzlich feststellen, daß die Deutschen während der Besetzung Norwegens nicht nur alle finanziellen Hilfsquellen erschöpft haben, und zwar mit Mitteln, die ungefähr die gleichen waren, wie sie auch in den übrigen besetzten Ländern angewandt wurden, sondern daß Norwegen auch in beträchtlichem Umfang verschuldet wurde.
Es ist noch nicht möglich gewesen, eine genaue Aufstellung über all das zu geben, was sich die Deutschen verschafft haben, sei es durch Requirierungen mit oder ohne Schadenersatz, sei es durch Käufe, die scheinbar in gegenseitigem Einverständnis fiktiv mit den Zahlungsmitteln abgewickelt wurden, die von Norwegen erpreßt worden waren.
In dem Bericht, den ich als RF-121 vorgelegt habe, hat die Norwegische Regierung die dem Lande zugefügten Schäden in einer Tabelle zusammengestellt, die ich dem Gerichtshof in kurzer Zusammenfassung vortragen darf.
Die Norwegische Regierung schätzt die Schäden, die Industrie und Handel erlitten haben, auf etwa 440 Millionen Kronen, von denen Deutschland nur sieben Millionen abgewickelt hat, und dies auch nur fiktiv.
Die Handelsschiffe haben einen Wert von 1.733 Millionen Kronen, von denen Deutschland nichts bezahlt hat.
Die Schäden in den Hafen- und Marineanlagen beziffern sich auf 74 Millionen Kronen, auf die Deutschland fiktiv nur eine Million bezahlt hat.
Die Zerstörungen bei den Eisenbahnen, Kanälen, Lufthäfen und ihren Einrichtungen stellen einen Schaden von 947 Millionen Kronen dar, wovon Deutschland fiktiv nur 490 Millionen Kronen abgetragen hat.
Straßen und Brücken: 199 Millionen Kronen, wovon nur 67 Millionen Kronen beglichen wurden.
Die Plünderungen in der Landwirtschaft erreichten 242 Millionen Kronen, wovon nur 46 Millionen Kronen bezahlt wurden.
Die Gegenstände persönlichen Eigentums stellen eine Summe von 239 Millionen Kronen dar, wofür nichts bezahlt wurde.
Die verschiedenen Requirierungen, die in den soeben angeführten Kategorien nicht enthalten sind, belaufen sich auf die Summe von 1.566 Millionen Kronen, von denen die Besatzungsbehörden fiktiv 1.154 Millionen Kronen beglichen haben.
Die Norwegische Regierung schätzt, daß die Arbeitsjahre, die für die Kriegsanstrengungen Deutschlands geleistet wurden, eine Summe von 226 Millionen Kronen darstellen. Sie schätzt weiterhin, daß die Arbeitsjahre, die infolge der Zwangsdeportationen nach Deutschland und infolge der auf deutschen Befehl durchgeführten Zwangsarbeit der Volkswirtschaft verlorengegangen sind, die Summe von 3.122 Millionen Kronen darstellen.
Die an deutsche Stellen erzwungenen Zahlungen betragen 11.054 Millionen Kronen, von denen Deutschland, wohlverstanden, nichts bezahlt hat.
Insgesamt schätzt Norwegen den erlittenen Schaden auf 21 Milliarden Kronen, das heißt auf 4 Milliarden 700 Millionen Dollar.
Norwegen hat unter der deutschen Besetzung besonders schwer zu leiden gehabt. Wenn auch seine Hilfsquellen tatsächlich sehr bedeutend sind und in Holz und Erzen, wie Nickel, Wolfram, Molybdän, Zinn, Kupfer und Aluminium bestehen, so muß es doch die allerwichtigsten Konsumgüter für die Ernährung seiner Bevölkerung einführen.
Da die Deutschen eine vollständige Kontrolle über den Seehandel ausübten, so konnten ohne ihre Zustimmung keine Waren nach Norwegen eingeführt werden. Sie konnten daher durch dieses Druckmittel ihre Forderungen viel leichter durchsetzen, als sie es später auch in Frankreich mit der Demarkationslinie zwischen den beiden Zonen tun wollten. Die Rationen, wie sie von der Besatzungsmacht festgelegt wurden, waren für die norwegische Bevölkerung unzureichend. Die jahrelang fortdauernde Unterernährung hatte die schlimmsten Folgen. Die Krankheitsfälle wurden zahlreicher, die Sterblichkeit stieg an. Die Zukunft der Bevölkerung ist wegen der körperlichen Schwächung der Jugend in Frage gestellt.
Dies, Hoher Gerichtshof, sind die Feststellungen, die ich in Bezug auf Norwegen vorzubringen hatte. Mit Erlaubnis des Gerichtshofs gehe ich nun auf den Teil über, der Holland gewidmet ist.
Die wirtschaftliche Ausplünderung der Niederlande:
Als die Deutschen unter Verletzung aller Grundsätze des Völkerrechts in Holland einfielen, kamen sie in ein Land, das überreich an den verschiedensten Schätzen war, ein Land, dessen Einwohner die am besten genährten ganz Europas waren, ein Land, das im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl eines der reichsten der Welt war. Die holländische Goldreserve überstieg den Betrag des Notenumlaufs. Als die Alliierten vier Jahre später das Land befreiten, fanden sie eine fast verhungerte Bevölkerung vor und sahen sich einem Lande gegenüber, das, abgesehen von den Zerstörungen durch militärische Operationen, infolge der Plünderungen durch die Besatzungsmacht fast völlig ruiniert war.
Die unehrlichen Absichten Deutschlands gehen aus einem Geheimbericht Seyß-Inquarts über seine Verwaltungstätigkeit während der Zeit vom 29. Mai bis 19. Juni 1940 hervor, einem Bericht, der von der Armee der Vereinigten Staaten aufgefunden und als Beweisstück 997-PS festgehalten wurde. Ich überreiche diesen Bericht als RF-122.
Ich verlese aus ihm die wichtigsten Auszüge:
»Es war klar, daß mit der Besetzung der Niederlande eine große Anzahl von wirtschaftlichen, aber auch polizeilichen Maßnahmen getroffen werden mußte, deren erstere den Zweck hatten, den Verbrauch der Bevölkerung herabzusetzen, um einerseits Vorräte für das Reich zu gewinnen, andererseits unter einem auch eine gleich mäßige Verteilung der verbliebenen Vorräte sicherzustellen. Im Hinblick auf die gestellte Aufgabe mußte getrachtet werden, daß alle diese Maßnahmen die Unterschrift von Niederländern tragen. Es wurde daher den Generalsekretären im Wege einer Ermächtigung durch den Reichskommissar die Möglichkeit gegeben, im Verordnungswege alle notwendigen Maßnahmen zu treffen.
Tatsächlich sind bis heute nahezu schon alle Anordnungen über die Erfassung und Verteilung der Vorräte auf die Bevölkerung und Verordnungen über die Beschränkungen in der öffentlichen Meinungsbildung ergangen, aber auch Vereinbarungen über den Abtransport außerordentlich großer Vorräte in das Reich getroffen worden, die alle die Unterschriften der niederländischen Generalsekretäre oder der zuständigen Wirtschaftsführer tragen, so daß alle diese Maßnahmen durchaus den Charakter der Freiwilligkeit haben. Hierbei soll erwähnt werden, daß den Generalsekretären in der ersten Unterredung bedeutet wurde, es werde von ihnen eine loyale Mitarbeit erwartet, sie hätten aber dafür das Recht, wenn eine ihnen unvertretbar scheinende Sache angeordnet werde, zurückzutreten. Bisher hat von diesem Recht kein Generalsekretär einen Gebrauch gemacht, so daß man mit Recht folgern kann, daß sie alle an sie gestellten Ansprüche freiwillig erfüllt haben.
Durchgeführt sind nahezu die vollkommene Erfassung und Verteilung der Lebensmittel, der Spinnstoffe, zumindest sind alle bezüglichen Anordnungen ergangen und in Durchführung.
Eine Reihe von Anweisungen, die sich mit der Neuorientierung der Landwirtschaft befassen, sind ergangen und in Durchführung, im wesentlichen handelt es sich darum, daß die vorhandenen Futtermittel so verwendet werden, daß ein möglichst großer Rindviehbestand, etwa 80 %, zu Lasten des überdimensionalen Hühner- und Schweinebestandes in die nächste Wirtschaftsperiode überführt wird. Regelungen und Beschränkungen wurden im Transportwesen eingeführt und hier die Grundsätze der Benzinbewirtschaftung des Reiches durchgeführt.
Erflossen sind Beschränkungen über das Kündigungsrecht auf dem Arbeitsgebiet sowie der Wohnungsmiete, um die liberalkapitalistischen Gewohnheiten der niederländischen Unternehmer zu zügeln und Unruhen zu ersparen. In gleicher Weise wurden auch unter gewissen Umständen die Fristen für Schuldrückzahlungen erstreckt....
Die Verordnung über die Anmeldung und Kontrolle des feindlichen Vermögens sowie über die Einziehung des Vermögens von Personen, die sich reichs- und deutschfeindlich benehmen, sind in diesem Fall im Namen des Reichskommissars ergangen. Auf Grund dieser Verordnung ist bereits ein Verwalter für das königliche Vermögen eingesetzt worden.
Die Rohstoffvorräte wurden erfaßt und unter Zustimmung des Generalfeldmarschalls nach dem Plan verteilt, daß den Niederländern für die Aufrechterhaltung ihrer Wirtschaft Rohstoffe für ein halbes Jahr verbleiben, wobei sie die gleichen Zuteilungsquoten erhalten, wie dies im Reich der Fall ist. Derselbe Grundsatz der gleichen Behandlung wird bei der Versorgung mit Lebensmitteln usw. angewendet. Es konnten namhafte Rohstoffvorräte dem Reich sichergestellt werden, so z.B. 70000 Tonnen Industriefette, das soll ungefähr die Hälfte der dem Reich fehlenden Menge sein. Eine Devisengesetzgebung nach dem Reichsmuster wurde eingeführt.
Schließlich wurde erreicht, daß der Niederländische Staat jene Mittel, und zwar in auskömmlicher Weise, zur Verfügung stellt, die das Reich einschließlich der deutschen Verwaltung in den Niederlanden benötigt, so daß diese Ausgabeposten den Reichshaushalt in keiner Weise belasten.
So sind Beträge in Gulden flüssig gemacht zur Einlösung der Reichskreditkassenscheine im Ausmaß von etwa 36 Millionen, ferner in der Höhe von 100 Millionen für die Zwecke des Besatzungsheeres, insbesondere Ausbau der Flugplätze; ferner 50 Millionen für die Aufbringung der in das Reich abzutransportierenden Rohstoffe, soweit sie nicht Beute sind; ferner für den unbeschränkten Transfer, um die Überweisung der Ersparnisse der in das Reich gebrachten niederländischen Arbeiter an ihre Familien usw. sicherzustellen. Schließlich wurde der Kurs der Reichskreditkassenscheine, der anfangs vom OKH im Verhältnis zu 1 Gulden = 1,50 RM festgesetzt wurde, wieder auf das richtige Verhältnis 1 fl = 1,33 RM herabgesetzt.
Vor allem aber war es möglich, eine von Generalkommissar Fischböck vorgeschlagene Maßregel, die die Zustimmung des Generalfeldmarschalls gefunden hat, beim Präsidenten der Niederländischen Bank, Trip, durchzusetzen, nämlich die unbeschränkte gegenseitige Annahmeverpflichtung für die beiderseitigen Valuten, d.h., die Niederländische Bank ist verpflichtet, jeden Markbetrag, den ihr die Reichsbank anbietet, zu übernehmen und hierfür Gulden zum Kurse von 1,33, d.i. eine Reichsmark gleich 75 Cent, zur Verfügung zu stellen. Eine Kontrolle hierüber hat lediglich die Reichsbank, nicht aber die Niederländische Bank, der nur die einzelnen Geschäftsfälle mitgeteilt werden. Diese Regelung geht weit über alle bezüglichen Regelungen hinaus, die bisher mit den Nachbarvolkswirtschaften einschließlich der des Protektorats getroffen wurden, und stellt eigentlich den ersten Schritt zu einer Währungsunion dar. Mit Rücksicht auf diese Bedeutung des Abkommens, die schon an die Unabhängigkeit des niederländischen Staates herankommt, ist es von besonderem Ausschlag, daß der in der westlerischen Bank- und Finanzwelt außerordentlich bekannte Bankpräsident Trip diesen Vertrag wieder freiwillig im obigen Sinne unterschrieben hat.«
Soweit das Zitat aus dem Bericht Seyß-Inquarts.
Wie der Gerichtshof aus der folgenden Darstellung erkennen wird, versuchten die Deutschen, sich insbesondere in Holland mit allen Anstrengungen der Zahlungsmittel zu bemächtigen. Dieser Raub wird Gegenstand eines ersten Kapitels sein.
Sodann werden wir auf die Verwendung eingehen, die der Besatzungsträger von diesen Zahlungsmitteln gemacht hat. In einem zweiten Kapitel werden wir uns mit dem schwarzen Markt befassen. In Kapitel 3 werden wir die verschiedenen Erwerbungen näher betrachten, die lediglich dem äußeren Schein nach rechtmäßig durchgeführt wurden. Ein viertes Kapitel wird verschiedenartigen Räubereien gewidmet sein. Schließlich werden wir die wesentlichsten Schlußfolgerungen aus dieser wirtschaftlichen Ausplünderung in Holland ziehen.
Kapitel 1: Beschlagnahme der Zahlungsmittel durch deutsche Maßnahmen.
1. Entschädigung für die Besatzungskosten:
Ich habe schon die Ehre gehabt, meine Herren Richter, Ihnen vorzutragen, unter welchen Bedingungen und innerhalb welcher Grenzen die Besatzungsmacht nach dem Haager Abkommen die Möglichkeit hat, geldliche Kontributionen für den Unterhalt ihrer Besatzungstruppen zu erheben.
Ich darf mich darauf beschränken, dem Gerichtshof in Erinnerung zu rufen, daß diese den besetzten Ländern auferlegten Kosten nur die Kosten für Unterbringung, Verpflegung und gegebenenfalls für die Besoldung der zur Besetzung der betreffenden Gebiete unbedingt notwendigen Truppenteile umfassen dürfen.
Die Deutschen haben diese Grundsätze wissentlich mißachtet, indem sie den Niederlanden die Zahlung einer Entschädigung für den Unterhalt der Truppe in einem Umfang auferlegten, der in keinem Verhältnis zu den Bedürfnissen dieser Truppe stand.
Auf Grund der von der Holländischen Regierung erteilten Informationen, die in drei Berichten enthalten sind, dem Trip-Bericht, dem Hirschfeld-Bericht und dem Bericht des Finanzministers, die ich alle als Beweisstück RF-123 einreiche, sind folgende Summen unter dem Vorwand einer Entschädigung für den Unterhalt der Besatzungstruppen gefordert worden:
1940, 7 Monate, 477 Millionen Gulden,
1941 1 Milliarde 124 Millionen Gulden,
1942 1 Milliarde 181 Millionen Gulden,
1943 1 Milliarde 328 Millionen Gulden,
1944 1 Milliarde 757 Millionen Gulden,
1945, nur 4 Monate, 489 Millionen Gulden,
insgesamt also:
6 Milliarden 356 Millionen Gulden.
Eine derartig bedeutsame Summe stellt einen erheblichen Kriegstribut dar, der unter dem Vorwand des Unterhalts der Besatzungsarmee erhoben wurde.
Deutschland hat auf diese betrügerische Art die Bestimmungen des Haager Abkommens umgangen, um sich in den Besitz einer bedeutenden Summe von Zahlungsmitteln zu setzen.
2. Clearing.
Im Jahre 1931 erklärte Deutschland, das damals vor großen wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten stand, ein allgemeines Moratorium seiner schwebenden Verpflichtungen.
Um jedoch seine ausländischen Handelsgeschäfte weiterführen zu können, hatte Deutschland mit fast allen anderen Ländern, namentlich mit Holland, Abkommen geschlossen, welche die Bezahlung über »Clearing«, das heißt auf Kompensationsgrundlage ermöglichten.
Vor dem Krieg wies das holländische Clearing einen Überschuß zugunsten Deutschlands für erfolgte deutsche Warenlieferungen aus. Aber bereits nach den ersten Monaten der Besatzung zeigte sich ein bedeutender Überschuß der Ausfuhr nach Deutschland, wohingegen die aus Deutschland stammenden Einfuhren erheblich abnahmen.
Seit Juni 1940 forderten die Deutschen von den Holländern die Anmeldung fremder Devisen, von Gold und Edelmetallen, Wertpapieren und ausländischen Guthaben, wie sich im übrigen aus der Verordnung vom 24. Juni 1940 ergibt, die ich bereits als RF-95 eingereicht habe.
Im übrigen konnten die Holländer nach der gleichen Verordnung gezwungen werden, ihre Werte an die Niederländische Nationalbank zu verkaufen.
Da Deutschland im Clearing keinen Warenausgleich leisten konnte, forderte Reichskommissar Seyß- Inquart von der Niederländischen Bank Guldenvorschüsse zur Sicherung des Gleichgewichts. Andererseits wurde bestimmt, daß das Clearing sowohl für Warenlieferungen als auch für die Tilgung irgendwelcher anderen Schulden verwandt werden könnte.
Auf diese Weise konnten die Deutschen in Holland Waren und bewegliche Werttitel ohne Gegenleistung kaufen. Die Reichsmark-Guthaben der holländischen Verkäufer waren bei der Niederländischen Bank blockiert, die ihrerseits gezwungen war, einen Vorschuß in entsprechender Höhe in das Clearing einzuzahlen.
Um eine Begrenzung der Belastung des holländischen Clearingkontos zu versuchen und eine sich auf diesem Wege vollziehende Abwanderung von Gulden oder beweglichen Werten nach Deutschland zu verhindern, belegte der holländische Generalsekretär der Finanzen am 8. Oktober 1940 die im Clearing blockierten Markbeträge mit einer hohen Steuer.
Jedoch überstieg am 31. März 1941 der Kreditsaldo Hollands bereits 400 Millionen Gulden, die in Wahrheit vom holländischen Staate vorgeschossen waren. In diesem Augenblick meldete die Besatzungsmacht ihre Forderungen an:
1. Eine Summe von 300 Millionen Gulden solle auf den Saldo von 400 Millionen vorweggenommen und der deutschen Seite unter dem Titel »Militärische Besatzungskosten ›außerhalb‹ der Niederlande« eingezahlt werden. Dies geschah also ohne Berücksichtigung der effektiven Zahlungen für die Besatzungskosten dieses Landes.
2. Auf Grund einer Entscheidung des Reichskommissars vom 31. März 1941, die im Verordnungsblatt Nummer 14 angeführt ist, das ich dem Gerichtshof als RF-124 einreiche, sollten die Zahlungsoperationen nicht mehr über das Clearing vollzogen werden, sondern sich von Bank zu Bank abwickeln, was für die holländischen Banken eine unmittelbare Verschuldung gegenüber den deutschen Banken nach sich zog, und zwar zum Zwangskurse von 100 Reichsmark für 75,36 Gulden.
3. Durch eine Verordnung vom gleichen Tage, dem 31. März 1941, die ich als RF-125 dem Gerichtshof einreiche, wurde die Steuer auf die blockierten Markbeträge, die am 8. Oktober 1940 von den holländischen Behörden geschaffen worden war, abgeschafft.
In dieser für das holländische Schatzamt besonders gefährlichen Lage legte Herr Trip sein Amt als Generalsekretär der Finanzen und Präsident der Niederländischen Bank nieder.
Der Reichskommissar ersetzte ihn durch Rost van Tonningen, einen notorischen Kollaborateur, der sich willig allen Forderungen der Besatzungsmacht fügte.
Da die Privatbanken die Reichsmark-Guthaben zu diesem im Verhältnis zur wahren Parität niedrigen Kurse von 100 Reichsmark gleich 75,36 Gulden nicht behalten wollten, überwiesen sie ihre Forderungen der Niederländischen Bank. Die Forderungen der Notenbank gegenüber Deutschland stiegen infolge dieser Operationen in erheblichem Umfang: Während der offenstehende Saldo sich am 1. April 1941 auf 235 Millionen Gulden belief, stieg er bis 1. Mai 1945 auf 4 Milliarden 448 Millionen Gulden.
Nach den von der Holländischen Regierung gegebenen Berichten ist dieses Guthaben durch deutsche Käufe in Holland verursacht worden, und zwar durch Käufe von Waren aller Art, mobilen Wertgegenständen oder Wertpapieren. Es ist weiterhin verursacht worden durch die Regulierung der den niederländischen Unternehmungen aufgezwungenen Dienstleistungen, durch Lohnzahlungen für die nach Deutschland deportierten Arbeiter und zur Amortisation der Schulden der Besatzungsmacht.
Neben diesen beiden Verfahren, Entschädigung für den Unterhalt der Besatzungskosten und Clearing, wußten sich die Deutschen noch dadurch Quellen zu erschließen, daß sie unter Verletzung des Artikels 50 des Haager Abkommens kollektive Geldstrafen auferlegten.
Während der Besatzungszeit belegten die Deutschen die Gemeinden unter allerlei Vorwänden mit erheblichen Geldstrafen, sei es unter dem Gesichtspunkt der Vergeltungsmaßnahmen, sei es, um sie einzuschüchtern. Diese Geldstrafen mußten von den Einwohnern gezahlt werden, mit Ausnahme der deutschen Staatsangehörigen, der Mitglieder der nazifreundlichen Organisationen, NSB, Waffen-SS und NSKK, der Gesellschaft zur Unterstützung der deutsch-holländischen Kulturgemeinde und der Personen, die auf Rechnung der Deutschen arbeiteten.
Nach den bis heute eingetroffenen Berichten machen die allein von zweiundsechzig Ortschaften auf diese Weise beigetriebenen Geldstrafen die Summe von mindestens 20.243.024 Gulden aus. Dies geht aus einer Bestätigung der Holländischen Regierung hervor, die ich dem Gerichtshof als RF-126 vorlege.
Aus dem gleichen Dokument geht hervor, daß in den von den Deutschen im Haag zurückgelassenen Archiven zwei Briefabschriften entdeckt wurden, die sich auf Kollektivgeldstrafen beziehen.
Die erste dieser Abschriften, vom 7. März 1941, besagt, daß die Kollektivgeldstrafen zu Beginn des Jahres 1941: 18 Millionen 500 tausend Gulden betrugen.
Die zweite dieser Abschriften beweist, daß Hitler den Befehl gegeben hatte, diese Summe für die nationalsozialistische Propaganda in Holland zu verwenden.
Ich zitiere:
»Reichskommissar. Den Haag FS 1808, den 8. 3. 1941, 17.20 Uhr.
An den V-Stab Berlin.
Zur sofortigen Vorlage an Reichsleiter M. Bormann.
Durch die einigen holländischen Städten auferlegte Sühneleistung wird in den nächsten Tagen ein Betrag von 18 1/2 Millionen Gulden eingehen. Der Reichskommissar fragt an, ob der Führer für diesen Betrag eine bestimmte Verwendung vorschreibt oder ob diese Summe demselben Zweck zugeführt werden soll, die der Führer seinerzeit im Falle der Beschlagnahme feindlichen Vermögens angeordnet hat. Der Führer verfügte damals, daß diese Summe gemeinnützigen Zwecken unter Beobachtung politischer Gesichtspunkte in den Niederlanden zugeführt werden sollen.
Heil Hitler! gez. Schmidt-Münster, Generalkommissar.«
Es folgt die Uebersetzung der Antwort; Dokument RF-126:
»Obersalzberg, den 10. März 1941, 10 Uhr, FS NR/4 Reichsleiter Bormann...«
VORSITZENDER: Einen Moment bitte! Einige der Abschriften, die Sie dem Gerichtshof unterbreitet haben, scheinen nicht genau zu stimmen. Der Absatz, den Sie gerade verlesen haben, fehlt in manchen Abschriften.