HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Dem Vorsitzenden wird eine andere Abschrift überreicht.]

Ich habe nun eine weitere Abschrift des Dokuments, das Sie gerade verlesen haben. Die beiden Abschriften, die uns gegeben wurden, scheinen nicht übereinzustimmen.

M. GERTHOFFER: Das Dokument war vielleicht unklar numeriert. Es gibt zwei Dokumente unter RF-126. Man hätte sie als RF-126 (I) und RF-126 (II) bezeichnen sollen.

Im ersten Dokument RF-126 bestätigt der Vertreter der Holländischen Regierung die Richtigkeit der Übersetzung der ersten Abschrift und im zweiten Dokument RF-126 bestätigt derselbe Vertreter der Holländischen Regierung das Vorhandensein der Antwort aus dem Führerhauptquartier.

VORSITZENDER: Das erste Dokument ist das, welches Sie gerade verlesen haben. Das zweite Dokument fängt mit den Worten an:

»Ihre Anfrage vom...«. Sprechen Sie von diesem?

M. GERTHOFFER: Es ist das zweite Dokument.

VORSITZENDER: Könnten wir das Original dieses Dokuments sehen? Es sind zwei verschiedene Dokumente, die beide mit denselben Worten beginnen.

M. GERTHOFFER: Beide Dokumente wurden von der Holländischen Regierung vorgelegt. Der Vertreter der Holländischen Regierung, der sie überreicht hat, bestätigt, daß diese Dokumente in Holland unter den deutschen Akten aufgefunden wurden.

Die Holländische Regierung war gezwungen, erhebliche Zahlungen für deutsche Rechnung zu leisten. Aus dem Bericht, der als RF-123 eingereicht wurde, geht folgendes hervor:

1. Die Deutschen verlangten, daß eine Summe von 3.000 Millionen Gulden, die auf dem Konto der Niederländischen Bank lag, für die Bedürfnisse der Besatzungstruppen außerhalb Hollands benutzt werden könne und daß eine Summe von 76.800.000 Gulden aus demselben Grunde in Gold eingezahlt werden sollte. Insgesamt mußte Holland also unter diesem Vorwand für den Unterhalt der Besatzungstruppen in anderen Ländern 376.800.000 Gulden zahlen.

2. Ab Juni 1941 wurde Holland gezwungen, als monatlichen Beitrag für die Kosten des Krieges gegen Rußland eine Summe von 37.500.000 Gulden zu zahlen, und zwar teilweise in Gold; insgesamt hat Deutschland unter diesem Titel eine Summe von 1.696.000 Gulden gefordert.

3. Die Niederländische Bank wurde gezwungen, die Rückzahlung der Reichskreditkassenscheine in Höhe von 133.600.000 Gulden zu übernehmen.

4. Die Kosten für die deutsche Zivilverwaltung in Holland wurden zu Lasten dieses Landes geschrieben und belaufen sich auf 173.800.000 Gulden.

5. Das Niederländische Schatzamt wurde darüber hinaus gezwungen, für Rechnung des Reiches 414.500.000 Gulden zur Deckung verschiedener Ausgaben zu zahlen. Dazu gehören: Löhne für die nach Deutschland deportierten Arbeiter, Kosten, die durch die Räumung verschiedener Gebiete und Kosten, die durch die Abtragung verschiedener Befestigungsbauten entstanden waren, angebliche Kosten für die Bewachung von Eisenbahnlinien, Gelder, die dem Reichskommissar für verschiedene Industrieunternehmungen zur Verfügung gestellt waren, welche für deutsche Zwecke arbeiteten.

6. Die Deutschen setzten sich im Juli 1940 in den Besitz von 816 Goldbarren, die der holländischen Nationalbank gehörten, und die sich auf einem bei Rotterdam versenkten holländischen Schiffswrack befanden und einen Gesamtwert von 21.100.000 Gulden darstellten.

7. Der holländische Staat wurde gezwungen, jährliche Ausgaben in Höhe von 1.713.000.000 Gulden zu decken, um die Finanzierung der von der Besatzungsmacht in Holland neu eingerichteten Verwaltungsdienststellen zu sichern.

Auf diese Weise hat Holland 8.565.000.000 Gulden verloren. Insgesamt beläuft sich die Gesamtsumme der effektiv an Deutschland geleisteten Beträge, einschließlich des von dem auf der Maas gestrandeten Schiffes fortgenommenen Goldes, auf 11.380.800.000 Gulden. Wenn man diese Kosten noch zu den Besatzungskosten und zu dem Clearing hinzuzählt, dann beläuft sich die Gesamtsumme der Holland auferlegten finanziellen Belastungen auf 22.224.800.000 Gulden.

Diese Tatsachen hatten für die holländische Wirtschaft ernste Folgen. Tatsächlich war der Goldstand, der am 1. April 1940 auf 1.236.000.000 Gulden zu beziffern war, am 1. April 1945 auf 932.000.000 Gulden gefallen.

Der Notenumlauf hingegen war von 1.127.000.000 Gulden am 1. April 1940 auf 5.468.000.000 Gulden am 1. April 1945 gestiegen.

Als die Deutschen die Niederlande besetzten, war schon ein großer Teil des Goldbestandes der Niederländischen Bank in das Ausland verbracht worden; jedoch bemächtigten sich die Deutschen unter den verschiedensten Vorwänden des ganzen Goldes, das sich in den Kassen der Bank befand. Ich möchte daran erinnern, daß sie sich als Besatzungskosten 75.000.000 Gulden in Gold geben ließen, und daß sie als Zwangsbeitrag Hollands für den Russenfeldzug etwa 144.000.000 Goldgulden forderten.

Rost van Tonningen, der von den Deutschen eingesetzte Generalsekretär der Finanzen und Präsident der Niederländischen Bank, schrieb dem Reichskommissar am 18. Dezember 1943, daß es in Holland seit März 1943 kein Gold mehr gäbe.

Die Abschrift dieses Briefes ist dem Gerichtshof als RF-127 vorgelegt. Ein Dokument, das von der Armee der Vereinigten Staaten aufgefunden wurde, und das ich als RF-128 einreiche, stellt einen Bericht des Kommissars der Niederländischen Bank vom 12. Juni 1941 dar und führt aus, daß die Goldreserven der Niederländischen Bank sich am 12. Juni 1941 auf 1.021.800.000 Gulden beliefen, von denen sich nur 134.600.000 Gulden in Holland befänden, während der Rest entweder in England oder in Südafrika oder in den Vereinigten Staaten sei. Der gleiche Bericht bestätigt, daß alles Gold aus Holland fortgeschafft worden sei.

Die Deutschen beschlagnahmten nicht nur das Gold der Niederländischen Bank, sondern nahmen auch die Gold- und Devisenbestände fort, die sich im Besitz der Bevölkerung befanden. Die Besatzungsbehörden zwangen die Eigentümer, Gold, das sich in ihrem Besitz befand, bei der Niederländischen Bank zu hinterlegen. Alsdann requirierten sie dieses Gold und übertrugen es der Reichsbank. Ein Betrag von ungefähr 71.300.000 Gulden wurde auf diese Weise dem Publikum als Ausgleich für das beschlagnahmte Gold ausbezahlt.

Auf die gleiche Weise kauften die Deutschen von Privatpersonen auch verschiedene ausländische Wertpapiere im Betrage von 13.224.000 Gulden sowie schwedische Staatspapiere für 4.623.000 Gulden.

Mit Hilfe der bedeutenden finanziellen Mittel, die die Deutschen zur Verfügung hatten, konnten sie in Holland zahlreiche Ankäufe tätigen. Diese Ankäufe, die mit Hilfe der von Holland erpreßten Gelder durchgeführt wurden, können nicht so betrachtet werden, als ob sie auf der Grundlage einer echten Gegenleistung erfolgt wären. Sie sind in Wahrheit lediglich mit Hilfe fiktiver Zahlungen beglichen worden.

Neben den zahlreichen Requisitionen, auf die keinerlei Regelungen erfolgten, tätigten die Deutschen auch heimliche Ankäufe auf dem schwarzen Markt und schlossen Geschäfte ab, die scheinbar in Ordnung waren.

Sie verschafften sich auf diese Weise eine Menge von Waren aller Art und ließen der Bevölkerung nur ein Mindestmaß von Erzeugnissen, die nicht ausreichten, um ihre Lebensbedürfnisse zu sichern.

In Kapitel 2 dieser Ausführung werden wir die heimlichen Ankäufe auf dem schwarzen Markt untersuchen und im dritten Kapitel die Ankäufe behandeln, die auf angeblich legaler Grundlage getätigt wurden.

Kapitel 2: Der schwarze Markt.

Wie in allen anderen besetzten Ländern haben die Deutschen auch in Holland bedeutende Warenmengen auf dem schwarzen Markt wucherisch aufgekauft, obwohl dies in Widerspruch zu der Rationierungs-Gesetzgebung stand, die sie selbst erlassen hatten.

Es ist bis jetzt infolge der Heimlichkeit, mit der diese Maßnahmen durchgeführt worden sind, noch nicht möglich gewesen, auch nur annähernd das Ausmaß der Warenmengen zu bestimmen, die sich die Deutschen auf diesem unehrlichen Wege verschafft haben. Jedoch gibt uns der Geheimbericht des deutschen Obersten Veltjens, den ich heute morgen als RF-112 einzureichen die Ehre hatte, einige Angaben über das Ausmaß dieser deutschen Aufkäufe, und zwar für einen Zeitraum von ungefähr fünf Monaten, das heißt von Juli bis November. Ich verlese einen Abschnitt aus dem Bericht von Oberst Veltjens:

»In den Niederlanden wurden seit Beginn der Aktion – gegen Überweisung im normalen Bankverkehr – gekauft:

NE-Metalle: 6.706.744 Reichsmark

Spinnstoffe: 55.285.568

Wolle: 753.878

Leder, Häute und Felle: 4.723.130

Hölzerne Fässer: 254.982

Möbel: 272.990

Nahrungs- und Genußmittel: 590.859

Chemische und Kosmetische Artikel:

152.191

Diverse Eisen- und Stahlwaren:

3.792.166

Lumpen: 543.416

Motoröl: 52.284

Rohe Diamanten: 25.064

Sonstiges: 531.890

insgesamt: 73.685.162 Reichsmark.«

Diese Einkäufe wurden durch Abrechnung über die Banken ausgeglichen. Eine erhebliche Menge anderer Waren, die bis jetzt noch nicht festgestellt werden konnte, ist durch Käufe erstanden worden, die über solche Gulden abgewickelt worden sind, die aus der sogenannten Entschädigung für die Besatzungskosten herrührten.

VORSITZENDER: Wir werden uns jetzt für zehn Minuten vertagen.