[Pause von 10 Minuten.]
M. GERTHOFFER: Im Kapitel 3, das der wirtschaftlichen Ausplünderung Hollands gewidmet ist, werden wir die Frage der Ankäufe auf scheinbar legaler Basis auf diejenigen Angaben beschränken, die uns seitens der Holländischen Regierung zugänglich gemacht worden sind.
1. Industrielle Produktion:
Aus einem Bericht des Vertreters der Holländischen Regierung, den ich als RF-129 einführe, geht hervor, daß die Deutschen den größten Teil der industriellen Kapazität Hollands zu ihren Gunsten ausnutzten und die erheblichen Vorräte, die sich in den Fabriken befanden, in gleicher Weise für sich in Anspruch nahmen. Der Wert dieser Bestände betrug mindestens 800 Millionen Gulden. Außerdem verschleppten die Besatzungsbehörden zahlreiche Maschinen, die in einigen Fällen noch nicht einmal durch Scheinzahlungen beglichen wurden. Eine genaue Bilanz dieser Plünderungen, die manchmal sämtliche Maschinen eines Industrieunternehmens umfaßten, konnte noch nicht aufgestellt werden.
Als Beispiel kann angeführt werden, daß in Verfolg eines Requirierungsbefehls des Reichskommissars vom 4. März 1943 alle Maschinen und technischen Einrichtungen unter Einschluß der Zeichnungen und Pläne sowie sämtlicher Hallen und Zubehörteile der Hochöfen einer großen Fabrik ohne jedwede Entschädigung fortgeschafft und in die Nähe von Braunschweig für die »Hermann-Göring-Werke« verbracht wurden. Dies ergibt sich aus einem Dokument, das ich als RF-130 vorlege.
Die Deutschen haben in allen besetzten Gebieten eine Zahl von Ämtern geschaffen, die den besonderen Auftrag hatten, Maschinen fortzuschaffen. Sie haben ihnen den Namen »Maschinenausgleichsamt« gegeben. Diese Ämter, die den Rüstungsinspektionen unterstanden, erhielten die Anforderungen für Produktionsmittel von der deutschen Industrie und mußten sie durch Beschlagnahmen in den besetzten Gebieten erfüllen.
Auf der anderen Seite wurden technische Stäbe mit der Aufgabe betraut, Maschinen ausfindig zu machen, sie abzumontieren und nach Deutschland zu verfrachten. Die Organisation dieser offiziellen Plünderungsstäbe geht aus deutschen Urkunden hervor, die dem Gerichtshof in Verbindung mit dem besonderen Fall Belgien vorgelegt werden sollen.
Aus einem an den Militärbefehlshaber gerichteten Bericht vom 1. März 1944 geht hervor, daß das Maschinenausgleichsamt vom Haag nur einen kleinen Teil der Forderungen erfüllen konnte. So betrugen am 1. Januar 1944 diese Forderungen 677 Millionen Reichsmark, und da im Monat Januar für 61 Millionen Reichsmark Maschinen geliefert wurden gegenüber den 87 Millionen neuen Forderungen, so belief sich der Stand der Maschinenanforderungen Ende Januar 1944 auf 703 Millionen Reichsmark.
Dies geht aus einem Dokument hervor, das ich als RF-131 vorlege.
Vor ihrem Rückzug aus den Niederlanden haben die Deutschen erhebliche Zerstörungen aus angeblich strategischen Gründen, tatsächlich aber aus Zerstörungswut vorgenommen. Ehe sie zur Zerstörung der Fabriken schritten, entnahmen sie ihnen vorher diejenigen Maschinen, die sie abmontieren konnten, und verschleppten sie, wie auch die Rohstoffe, nach Deutschland. So wurden sie insbesondere tätig in den Phillips-Werken in Eindhoven, Hilversum und Bussum, in den Petroleumlagern von Amsterdam und Bjoern und in den Rüstungsfabriken von Breda, Tilbourg, Berg-op-Zoom und Dordrecht.
Diese Tatsachen ergeben sich aus einem Bericht des Feldwirtschaftsoffiziers beim Wehrmachtbefehlshaber in den Niederlanden vom 9. Oktober 1944, den ich als RF-132 vorlege.
Dieser Bericht gibt uns einige Aufschlüsse über die Organisierung der deutschen Plünderungen, insbesondere über die Entnahme von Maschinen.
Ich verlese einige Auszüge:
»Als erstes und wichtiges wehrwirtschaftliches Objekt in den Niederlanden wurden die Phillips-Werke in Eindhoven in Angriff genommen.«
Etwas weiter unten schreibt der Verfasser:
»... gelang es doch, vor Einbruch des Gegners... dieses bedeutende Werk des Kontinents auf dem Gebiet der Radio-Röhren- und Glühlampenfabrikation und der Nachrichtenmittel-Erzeugung nachhaltig zu zerstören, nachdem vorher, durch Einsatz des Fwi.Kdo. 7, die wertvollsten Metalle und Spezialmaschinen abtransportiert waren.
Schon am 7. 9. konnte ein Kommando in Eindhoven bei den Phillips-Werken wichtigste NE-Metalle, wie Wolfram, Mangan, Kupfer und hochwertige Apparate mit Lkw ins Reich befördern. Auch weiter beteiligte sich das Fwi.Kdo. 7 am Abtransport der Fertig- und Halbfertigfabrikate sowie der Maschinen bei Phillips. Infolge der Besetzung in Eindhoven durch den Gegner fand dieser Abtransport sein Ende. Es erfolgte dann die Räumung der Phillips-Filialen in Hilversum und Bussum. Hier gelang der restlose Abtransport aller Vorräte an NE-Metallen, Fertig- und Halbfertigfabrikaten, Maschinen und Fabrikationsunterlagen.
Gleichzeitig wurden zu den jeweiligen Außenstellenleitern des Beauftragten des Reichsministers für Rüstungs- und Kriegsproduktion in den Ndl., die für jede Provinz eingeteilt sind, Abtransportkommandos abgestellt. Diese Kommandos haben im Einvernehmen mit den erwähnten Außenstellenleitern und den zuständigen zivilen Dienststellen Abtransporte wichtiger Rohstoffe und Erzeugnisse sowie Maschinen durchgeführt. Durch restlosen, anerkennenswerten Einsatz der Offiziere, Beamten, Sdf. und Mannschaften ist es gelungen, während des Monats September ganz erhebliche Bestände an NE-Metallen, wertvollen Rohstoffen und Fabrikaten ins Reich abzubefördern bzw. geeignetes Material der Truppe zuzuführen. Einsatz und Steuerung dieser Aktionen im westlichen und südlichen Raum der Ndl. oblag federführend dem FwiONdl.«
Der Verfasser schließt sodann mit folgenden Worten:
»Für die Räumungsaufgaben und Vorbereitungen der ARLZ-Maßnahmen im Befehlsbereich des AOK 15 und gleichzeitig als Verbindungsmann zum O.Qu./Stab des AOK 15 wurde vom Fwi.Kdo. 7 ein Trupp unter Füh rung des Hptm. Rieder abgestellt. Auch hier konnte, in enger Zusammenarbeit mit den zivilen Dienststellen und der Abteilung IVa des AOK 15, wertvolle Arbeit beim Abtransport von Rohstoffen und Mangelgütern sowie Maschinen geleistet werden. Diese Aktionen liefen erst am Ende des Berichtsmonats an.«
Die Requisition von Rohstoffen.
Neben dieser Verschleppung von Maschinen gibt uns die Holländische Regierung nähere Einzelheiten über die Vorräte an Rohstoffen und Fertigfabrikaten. Außer den Beständen, die sich in den Fabriken befanden, haben sich die Deutschen riesige Mengen von Rohstoffen und Fertigwaren verschafft, deren Minimalwert nicht unter einer Milliarde Gulden liegt.
In diese Schätzung sind die durch den Krieg hervorgerufenen Zerstörungen nicht einbegriffen, die sich auf etwa 300 Millionen Gulden belaufen.
3. Landwirtschaft:
Die Deutschen haben landwirtschaftliche Erzeugnisse und Vieh requiriert und auf diesem Sektor in großem Umfang Masseneinkäufe getätigt. Diese Erhebungen hierüber belaufen sich auf mindestens 300 Millionen Gulden, wobei eine genaue Bewertung noch nicht vorgenommen werden konnte.
Um eine Größenordnung zu geben, wollen wir mitteilen, daß die Deutschen sich Ende 1943 folgender Dinge bemächtigten;
600000 Schweine, 275000 Kühe und 30000 Tonnen Konservenfleisch, was aus einer Erklärung des Vertreters der Holländischen Regierung hervorgeht, die ich dem Gerichtshof als RF-133 vorlege.
Zusätzlich möchte ich noch bemerken, obgleich diese Frage von meinem Kollegen, der die gegen Einzelpersonen begangenen Kriegsverbrechen behandeln wird, wieder aufgegriffen werden wird, daß am 12. April 1944 offensichtlich ohne jeden strategischen Grund 20 Hektar bebautes Land in Weeringemer überflutet wurden.
4. Transportwesen und Verkehr:
Die Deutschen haben auf dem Gebiet des Transportwesens und des Verkehrs ungeheure Materialmengen fortgeführt. Es ist noch nicht möglich, ein genaues Inventar aufzustellen. Die Auskünfte, die die Holländische Regierung gegeben hat, erlauben jedoch, sich eine Vorstellung über die ungeheure Größenordnung dieser Plünderungen zu machen.
Ich unterbreite dem Gerichtshof als RE-134 den Bericht des Vertreters der Holländischen Regierung über Transport- und Verkehrswesen und gebe im folgenden eine Zusammenfassung:
a) Eisenbahnen: Bei einem Gesamtbestand von 890 Lokomotiven wurden 490 weggenommen. Bei einem Gesamtbestand von 30000 Waggons wurden 28950, bei einem Gesamtbestand von 1750 Personenwaggons wurden 1466, bei einem Gesamtbestand von 300 elektrischen Zügen wurden 215 und bei einem Gesamtbestand von 37 elektrischen Dieselzügen wurden 36 fortgeführt.
Im allgemeinen war das wenige Material, das die Deutschen zurückgelassen haben, entweder durch den Gebrauch oder durch Kriegsschäden oder durch Sabotage erheblich beschädigt.
Außer dem rollenden Material haben die Deutschen große Mengen von Schienen, Signalen, Kranen, Drehbrücken und Werkstattwagen in das Reich verbracht.
b) Straßenbahnen: Das Straßenbahnmaterial aus den Städten Den Haag und Rotterdam wurde fortgenommen und in deutsche Städte verbracht. So sind zum Beispiel 50 Triebwagen und 42 Anhänger nach Bremen und Hamburg überführt worden.
Eine erhebliche Anzahl von Schienen, Kabeln und anderen Zubehörteilen sind ebenfalls fortgenommen und nach Deutschland verbracht worden, ebenso auch die Autobusse der Straßenbahngesellschaften.
c) Die Deutschen haben die Mehrzahl aller Automobile, Motorräder und ungefähr eine Million Fahrräder entführt und der Bevölkerung nur solche Maschinen zurückgelassen, die nicht mehr in Ordnung waren.
d) Schiffahrt: Die Deutschen bemächtigten sich eines großen Teils der Motorpinassen und Binnenschiffahrtsboote, ebenso wie auch eines erheblichen Teiles der Handelsflotte von insgesamt etwa eineinhalb Millionen Tonnen.
e) Das Postwesen: Die Deutschen haben eine Unzahl von Telephonapparaten und Telegraphen, Leitkabeln und Zubehörteilen entführt, deren Zahl nicht genau geschätzt werden kann. 600000 Radioapparate sind beschlagnahmt worden.
Ich gehe nunmehr zum nächsten Kapitel über.
Kapitel 4: Plünderungen verschiedener Art:
Zwangsarbeit für die Besatzungsmacht.
Nach den Auskünften der Holländischen Regierung, die ich als RF-136 vorlege, wurde eine große Zahl holländischer Arbeiter teils in Holland, teils in Deutschland zur Arbeit gezwungen. Es gab ungefähr 550000 nach Deutschland Verschleppte, was eine erhebliche Zahl von Arbeitsstunden bedeutet, die der holländischen Eigenproduktion verloren gingen.
Plünderungen der königlichen Paläste:
Das Mobiliar, die Privatarchive, die Rennställe, Wagen sowie die Keller der königlichen Paläste wurden von Deutschen beraubt. So wurde insbesondere der Palast von Nordeinde völlig ausgeplündert, und zwar einschließlich des Mobiliars, vor allem der Möbel, Tischwäsche, des Silbers, der Bilder, Teppiche, Kunstgegenstände und Haushaltsartikel. Ähnliche Gegenstände wurden aus dem Palast Het Loo gestohlen und fanden in einem Genesungsheim für deutsche Generale Verwendung.
Die Archive des königlichen Hauses wurden in gleicher Weise bestohlen. Dies ergibt sich aus einem Bericht des holländischen Regierungsvertreters, den ich dem Gerichtshof als RF-136 unterbreite.
Plünderung der Stadt Arnhem:
Außer den vielen Fällen von Einzelplünderungen, von denen im gegenwärtigen Vortrag nicht gesprochen wird, haben systematisch durchgeführte Plünderungen ganzer Städte stattgefunden. So wurde die Stadt Arnhem im Oktober und November des Jahres 1944 Gegenstand einer derartigen Plünderung.
Die Deutschen hatten Grubenarbeiter aus Essen kommen lassen, die unter militärischer Leitung in Spezialmannschaften aufgeteilt waren und alle zum Transport geeigneten Möbel und andere Dinge verschiedenster Art fortnahmen und nach Deutschland auf den Weg brachten. Diese Tatsache geht aus einem Bericht des holländischen Regierungsvertreters hervor, den ich als RF-137 vorlege.
Die Folgen der wirtschaftlichen Ausplünderung in den Niederlanden sind beträchtlich. Ich darf daran erinnern, daß die ungeheure Verringerung des Nationalvermögens auf Jahre hinaus eine verminderte Produktion für die Bedürfnisse des Landes zur Folge haben wird. Die ernsteste Folge aber liegt in dem öffentlichen Gesundheitswesen, weil sie nämlich nicht wieder ausgeglichen werden kann.
Die übermäßige, während mehrerer Jahre durchgeführte Rationierung der Lebensmittel, der Kleidung und des Heizmaterials, die von der Besatzungsmacht angeordnet wurde, um das Ausmaß ihrer Plünderungen zu steigern, haben eine Schwächung der Bevölkerung zur Folge gehabt.
Die durchschnittlich von den Einwohnern verbrauchte Kalorienzahl betrug seinerzeit 2800 bis 3000 Kalorien, ging dann nach und nach auf 1800 zurück, um sodann im April 1945 sogar auf nur 400 Kalorien zu fallen.
Mit Ausgang des Sommers 1944 wurde die Ernährungslage immer schwieriger. Der Reichskommissar Seyß-Inquart verbot die Lebensmitteltransporte zwischen den nordöstlichen und westlichen Teilen des Landes. Diese Maßnahme, die durch keine militärischen Notwendigkeiten bedingt war, scheint einem Gefühl des Hasses der Bevölkerung gegenüber entsprungen und auf die Absicht gegründet zu sein, die Bevölkerung zu berauben, einzuschüchtern, zu schwächen und zu terrorisieren.
Erst im Monat März 1945 wurde diese unmenschliche Maßnahme aufgehoben, aber es war bereits zu spät; die Hungersnot war allgemein geworden. In den Städten Amsterdam, Rotterdam, Den Haag, Leyden, Delft und Gouda stieg die Sterblichkeitsziffer erheblich an, und zwar ging sie von 198 Prozent auf 260 Prozent hinauf. Krankheiten, die in dieser Gegend fast verschwunden waren, tauchten wieder auf.
Eine derartige Lage wird für die Zukunft der Bevölkerung Folgen haben, die niemals wieder gutzumachen sind.
Die soeben geschilderten Tatsachen ergeben sich aus zwei Berichten, die ich als RF-139 und RF-140 vorlege.
Dadurch, daß die Deutschen derartige Rationierungsmaßnahmen anordneten, um sich unter Mißachtung des Völkerrechts der für den Lebensunterhalt der Holländer notwendigen Erzeugnisse zu sichern, haben sie eines ihrer größten Verbrechen begangen.
Ich beende hiermit meine Darlegungen über Holland. Mein Kollege, Herr Delpech, wird nunmehr den Fall Belgien vortragen.
M. HENRY DELPECH, HILFSANKLÄGER FÜR DIE FRANZÖSISCHE REPUBLIK: Herr Vorsitzender, meine Herren Richter!
Ich beehre mich, dem Gerichtshof eine Darstellung der wirtschaftlichen Ausplünderung Belgiens vorzutragen.
Schon seit Anfang 1940 hatten die nationalsozialistischen Führer die Absicht gehabt, in Belgien, Holland und Nord-Frankreich einzufallen. Sie wußten, daß sie dort die Rohstoffe, Einrichtungen und Unternehmen finden würden, die ihnen die Erhöhung ihres Kriegspotentials erlaubten.
Sofort nach der Besetzung Belgiens hat sich die deutsche Militärverwaltung bemüht, den höchsten Nutzen aus dem Lande zu ziehen. Zu diesem Zweck haben die deutschen Machthaber eine Reihe von Maßnahmen getroffen, um alle vorhandenen Reichtümer zu blockieren und sich aller Zahlungsmittel zu bemächtigen. Die in der Zeit von 1936 bis 1938 gebildeten bedeutenden Warenbestände wurden umfassenden Requirierungen unterworfen. Maschinen und Einrichtungen vieler Unternehmen wurden fortgeschafft und nach Deutschland verschleppt, Maßnahmen, die zur Schließung zahlreicher Fabriken sowie zur zwangsweisen Konzentrierung auf verschiedenen Gebieten führten. Unter Berücksichtigung des hochgezüchteten industriellen Charakters des Landes haben die Besatzungsbehörden der belgischen Industrie unter den verschiedensten Androhungen schwere Tribute auferlegt.
Aber selbst die Landwirtschaft wurde nicht verschont.
Dem Studium dieser Maßnahmen ist der dritte Teil des französischen Vortrags über die Wirtschaft gewidmet. Die Ausführungen gliedern sich in vier Kapitel:
In unserem ersten Kapitel werden wir die Beschlagnahme der Zahlungsmittel behandeln. Das zweite Kapitel wird den heimlichen Aufkäufen und der Darstellung des schwarzen Marktes gewidmet sein. Das dritte Kapitel wird über die Ankäufe berichten, die sich auf scheinbar legaler Basis abwickelten, und das vierte Kapitel wird den Dienstleistungen vorbehalten sein. In einem fünften Kapitel endlich werden dem Gerichtshof die Ankäufe belgischer Beteiligungen an ausländischen Unternehmen vorgetragen werden, um zum Schluß den deutschen Eingriff in das öffentliche Gesundheitswesen darzustellen.
Schließlich sollen noch einige Bemerkungen über das Benehmen der Deutschen nach der Annexion des Großherzogtums Luxemburg vorgebracht werden.
Kapitel 1: Beschlagnahme von Zahlungsmitteln seitens der Deutschen.
Das einfachste Mittel, um sich des Landes vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus zu versichern, bestand darin, daß man sich in den Besitz des größten Teiles der Zahlungsmittel setzte und die Ausfuhr von Geld und Werten aller Art verbot.
Die Verordnung vom 17. Juni 1940 untersagte die Ausfuhr von Geld oder Werten aller Art. Diese Verordnung wurde im Verordnungsblatt für die besetzten Gebiete Belgiens, Luxemburgs und Nordfrankreichs veröffentlicht, das für die Folge in diesen Ausführungen mit der gewöhnlichen Abkürzung »VOBEL« bezeichnet werden wird.
Die Verordnung, die im VOBEL, Nummer 3, veröffentlicht ist, wird dem Gerichtshof als RF-99 vorgelegt. In der gleichen Ausgabe des VOBEL ist eine Bekanntmachung vom 9. Mai 1940 erschienen, die die Ausgabe von Reichskreditkassenscheinen zur Versorgung der Besatzungstruppen mit Zahlungsmitteln regelte.
Die Deutschen hatten somit die Möglichkeit, alles, was sie begehrten, ohne Gegenleistung zu kaufen, und zwar in einem Lande, das an Erzeugnissen aller Art Überfluß besaß, ohne daß die Einwohner die Möglichkeit gehabt hätten, ihre Güter den Eindringlingen vorzuenthalten.
Darüber hinaus wandten die Deutschen drei weitere Verfahren an, um den größten Teil der Zahlungsmittel mit wucherischen Methoden aufzukaufen. Diese drei Verfahren bestanden in der Schaffung einer Emissionsbank, in der Einführung einer Kriegssteuer unter dem Vorwand des Unterhalts der Besatzungstruppen und schließlich in der Einrichtung eines Clearing-Verfahrens, das zu ihrem ausschließlichen Vorteil diente. Diese Maßnahmen werden den Gegenstand dreier Abschnitte bilden, die nunmehr entwickelt werden sollen.
1. Schaffung einer Emissionsbank.
Unmittelbar nach ihrem Einzug in Belgien errichteten die Deutschen ein Bankaufsichtsamt, das zu gleicher Zeit mit der Kontrolle über die Belgische Nationalbank betraut wurde. Dies geschah durch eine Verordnung vom 14. Juni 1940, VOBEL, Nummer 2, die dem Gerichtshof als RF-141 vorgelegt wird.
Zu dieser Zeit befand sich das Direktorium der Belgischen Nationalbank außerhalb der besetzten Gebiete. Andererseits reichten die vorhandenen Banknoten nicht aus, um einen normalen Umlauf sicherzustellen, da zahlreiche Belgier vor der Invasion unter Mitnahme großer Papiergeldbeträge geflohen waren. Dies sind zumindest die von den Deutschen vorgebrachten Gründe, um die Errichtung einer Emissionsbank durch Verordnung vom 27. Juni 1940 zu rechtfertigen. Die Verordnung ist in den Nummern 4 und 5 des VOBEL veröffentlicht, die dem Gericht als RF-142 vorgelegt werden.
Auf Grund dieser letztgenannten Verordnung vom 27. Juni 1940 erhielt die neue Emissionsbank mit einem Kapital von 150 Millionen belgischen Francs, von denen 20 Prozent in barem Geld eingezahlt wurden, das Monopol der Ausgabe von belgischem Papiergeld. Tatsächlich sah sich die Belgische Nationalbank ihres Emissionsrechts entkleidet. Die Deckung der Emissionsbank bestand nicht in Gold, sondern erstens in Forderungen, die aus Diskontierungen und Darlehen herrührten, die die Bank in Übereinstimmung mit Artikel 8 ihrer neuen Statuten eingegangen war; zweitens bestand die Deckung aus Forderungen an die Belgische Nationalbank sowie aus Münzgeld, das auf Rechnung des Staatsschatzes in Umlauf war; endlich bestand das dritte Element der Deckung aus Devisen und ausländischen Franken und im besonderen aus deutschem Geld, einschließlich der Reichskreditkassenscheine, den Guthaben bei der Reichsbank, der Deutschen Verrechnungskasse und bei der Reichskreditkasse.
Der deutsche Kommissar, der auf Grund der Verordnung vom 26. Juni 1940 eingesetzt war, wurde auch Kontrolleur der Emissionsbank, und zwar durch die Bekanntmachung vom 26. Juni 1940, die im VOBEL, Nummer 3, Seite 88 erschienen ist und dem Gerichtshof als RF-143 vorgelegt wird.
Nach der am 10. Juli 1940 erfolgten Rückkehr der Direktoren der Belgischen Nationalbank kam eine Verbindung zwischen der Nationalbank und der neuen Emissionsbank dadurch zustande, daß der Direktor der Belgischen Nationalbank an die Spitze der neuen Emissionsbank berufen wurde.
Die Emissionsbank gab sofort ungeheure Mengen von Papiergeld heraus. Am 8. Mai 1940 belief sich der Notenumlauf auf 29.800.000.000 belgische Francs. Am 29. Dezember 1943 erreichte er 83.200.000.000 und am 31. April 1944 100.200.000.000 belgische Francs, was eine Erhöhung von 236 Prozent bedeutet.
Die Emissionsbank arbeitete nicht ohne gewisse Schwierigkeiten, sei es mit der Militärregierung, sei es mit ihrem eigenen Personal oder mit der Belgischen Nationalbank. Neben ihren Aufgaben als Emissionsbank oblag ihr im wesentlichen das Postscheckwesen und die Abwicklung des Devisenwesens sowie der Geschäftsverkehr mit den deutschen Stellen, vor allem auch hinsichtlich der Besatzungskosten und des Clearing.
Die Belgische Nationalbank ging ihres Rechtes zur Ausgabe von Notengeld vorläufig verlustig und nahm ihre traditionellen Geschäfte für Rechnung von Privatkunden und des Staates wieder auf, insbesondere die Börsengeschäfte.
Diese Tatsachen, Hoher Gerichtshof, werden durch den Schlußbericht der deutschen Militärverwaltung in Belgien bestätigt, und zwar, dessen neunten Teil, der den Fragen des Geldes und der Finanzen gewidmet ist. Der Schlußbericht der deutschen Militärverwaltung in Belgien ist durch die Armee der Vereinigten Staaten aufgefunden worden. Es handelt sich um ein Dokument, auf das wir uns noch oft beziehen werden. Es trägt die Bezeichnung ECH-5 und wird dem Gerichtshof als RF-144 vorgelegt.
Der uns hier interessierende neunte Teil wurde von drei Abteilungsleitern der Verwaltung in Brüssel verfaßt: Wetter, Hofrichter und Jost.
Trotz der Schaffung der Emissionsbank blieben die Reichskreditkassenscheine in Belgien weiterhin bis zum August 1942 in Umlauf, und die Belgische Nationalbank mußte diese Noten im September 1944 einlösen. Dadurch erwuchs der belgischen Wirtschaft ein Schaden von 3.567.000.000 belgischen Franken. Diese Zahl ist dem von Wetter verfaßten Bericht, Seite 112, entnommen. Der entsprechende Auszug aus diesem Bericht wurde als RF-145 eingereicht.
Außerdem hatte die Emissionsbank nach Auskünften der Belgischen Regierung bei der Befreiung des belgischen Gebietes in ihrer Kasse eine Gesamtsumme von 664 Millionen in auf Reichsmark lautenden Reichskreditkassenscheinen und besaß darüber hinaus ein Verrechnungskonto in Höhe von 12.000.000 Reichsmark bei der Reichskreditkasse, was insgesamt einen Verlust von 656.000.000 belgischen Francs bedeutete.
Diese Zahl ergibt sich aus einem Bericht der belgischen Regierung, der als RF-146 zu den Gerichtsakten gegeben wurde.
Wir kommen nun zu den Besatzungskosten:
Artikel 49 des Haager Abkommens bestimmt, daß, falls die Besatzungsmacht irgendwelche Kontributionen in Geld auferlegt, diese nur für die Bedürfnisse der Besatzungsarmee der Gebietsverwaltung dienen dürfen. Die Besatzungsmacht kann somit Kontributionen für den Unterhalt ihres Heeres einfordern, jedoch nicht über das unbedingt notwendige Maß hinaus. Andererseits sind unter dem Begriff »Bedürfnisse des Besatzungsheeres« nicht die Kosten für Bewaffnung und Ausrüstung zu verstehen, sondern lediglich die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und normale Besoldung, so daß in jedem Fall Luxusausgaben ausgeschlossen sind.
Im übrigen ermächtigt Artikel 52 die Besatzungsmacht zur Vornahme von Requisitionen für die Bedürfnisse ihres Heeres, und zwar derart, daß diese Requisitionen in Natural- oder Dienstleistungen bestehen können. Dabei wird jeweils vorausgesetzt, daß die Requisitionen mit den Hilfsquellen des Landes in Einklang stehen und die Bevölkerung nicht zwingen, an Kriegshandlungen teilzunehmen, die gegen ihr eigenes Vaterland gerichtet sind. Der gleiche Artikel 52 bestimmt darüber hinaus, daß die Naturalleistungen so weit wie möglich gegen bar bezahlt werden sollen.
Infolgedessen verlangten die Deutschen bis zum August 1941 eine monatliche Zahlung von einer Milliarde. Von diesem Augenblick an wurde die Zahlung auf anderthalb Milliarden pro Monat erhöht. Am 20. August 1944 beliefen sich die unter diesem Titel geleisteten Zahlungen auf 67 Milliarden belgische Franken. Diese Zahl wird von der Verteidigung nicht bestritten werden können, da in dem oben angeführten Bericht, Seite 103 ff, Herr Wetter im Juni 1944 schreibt, daß die für das Besatzungsheer gezahlte Summe sich auf 64.181.000.000 belg. Franken beliefe. Die diesbezügliche Stelle aus dem Bericht wird dem Gerichtshof als RF-147 vorgelegt.
Diese Summe von 64 Milliarden stand außerhalb der Bedürfnisse der Besatzungarmee. Dies geht aus dem oben angeführten Bericht von Wetter hervor, einer Stelle, die ich als RF-148 vorlege. Auf Seite 245 dieses Berichts wird erwähnt, daß der Oberbefehlshaber in Belgien am 17. Januar 1941 beim Oberkommando des Heeres angefragt hatte, ob die Entschädigung nur die eigentlichen Besatzungskosten decken sollte. Diese Ansicht wurde vom Oberkommando des Heeres zurückgewiesen, das mit Entscheid vom 29. Oktober 1941 ausführte, daß die Besatzungskosten nicht nur für die Bedürfnisse der Besatzungstruppen, sondern auch für diejenigen der Operationstruppen verwandt werden sollten.
Überdies heißt es auf Seite 11 des deutschen Originaltextes des gleichen Berichts, wobei ich dem Gerichtshof den zweiten Absatz eines Teiles verlesen werde, das sich im Dokumentenbuch als RF-149 befindet:
»Da das Ansteigen der Wehrmachtsausgaben voraussehen ließ, daß mit diesem Betrag nicht auszukommen sein werde, drängte die MV auf eine Bereinigung der Besatzungskosten durch Herausnahme der besatzungsfremden Ausgaben. Es handelte sich hierbei um erhebliche Aufwendungen der militärischen Dienststellen in Belgien zum Ankauf von Gütern aller Art, insbesondere Pferden, Kraftfahrzeugen und Ausrüstungsgegenständen, die für andere Gebiete bestimmt waren, und die diese unter Inanspruchnahme der Besatzungskosten gemacht hatten und laufend noch machten. Durch Entscheidung des Beauftragten für den Vierjahresplan vom 11. Juni 1941 wurde die Finanzierung der besatzungsfremden Ausgaben über das Clearing angeordnet. Zur Durchführung dieser Entscheidung ließ sich der Intendant beim Mil.-Bef. ab Juni 1941 die besatzungsfremden Ausgaben, die zunächst aus Besatzungskosten bezahlt worden waren, monatlich zwecks Rückerstattung im Clearing melden. Auf Grund dieser Unterlagen konnten erhebliche Beträge wieder hereingebracht und dem Besatzungskonto zugeführt werden.«
Bevor ich diesen Punkt beende, der dem Kriegstribut gewidmet ist, diesem Besatzungskostentribut, scheint es mir am Platze zu sein, darauf hinzuweisen, daß die Deutschen schon durch Verordnung vom 17. Dezember 1940, die als RF-150 vorgelegt wird, verlangt hatten, daß die Kosten für die Unterkunft ihrer Truppen zu Lasten Belgiens gehen sollten. Aus diesem Grunde hat Belgien Ausgaben von insgesamt 5.900.000.000 Francs bestreiten müssen, die zur Deckung der Kosten für Unterkunft der Truppen, für die Einrichtung, Ausstattung und das Mobiliar gedient haben.
Auf Seite 104 seines Berichts, einem Fragment, das bereits als RF-147 vorgelegt ist, gibt Wetter an, daß sich Ende Juni 1944 die belgischen Zahlungen für den Unterhalt der Truppe auf 5.423.000.000 belgische Franken belaufen haben.
Wir kommen somit zum dritten Teil der deutschen Beschlagnahmemaßnahmen, dem Clearing.
Die Ausgabe von Reichskreditkassenscheinen und der Kriegstribut, die »Besatzungskosten«, genügten dem Reiche immer noch nicht. Seine Machthaber führten ein Clearing-System ein, das ihnen gestattete, sich unrechtmäßig Zahlungsmittel im Betrage von 62.200.000.000 belgischen Franken anzueignen.
Sofort nach ihrem Einmarsch in Belgien haben die Deutschen durch die Verordnungen vom 10. Juli, 2. August und 5. Dezember 1940, die als RF-151, RF-152 und RF-153 in das Dokumentenbuch aufgenommen wurden, angeordnet, daß erstens sämtliche Zahlungen von in Belgien ansässigen Schuldnern an in Deutschland wohnhafte Gläubiger auf ein Belga- Konto »Deutsche Verrechnungskasse, Berlin«, das bei der Belgischen Nationalbank in Brüssel eröffnet wurde, eingezahlt werden sollten, und zwar entgegen der Devisenverbotsverordnung vom 17. Juni 1940, auf die ich bereits im Zusammenhang mit der Blockierung der belgischen Zahlungsmittel hingewiesen habe.
Durch Verfügung vom 4. August 1940 wurde darüber hinaus vorgeschrieben, daß die Durchführung und Rechnungsführung des Clearing von nun an nicht mehr der Belgischen Nationalbank, sondern der Emissionsbank in Brüssel obliegen sollte, die, wie ich zu bemerken bereits die Ehre hatte, von der Besatzungsmacht geschaffen worden war und unter ihrer vollständigen Kontrolle stand.
Die Deutschen zwangen zweitens die Schuldner, die im Reich ansässig waren, ihre belgischen Gläubiger ebenfalls über das offene Konto bei der Emissionsbank in Brüssel zu bezahlen, und zwar zum Kurs von 100 Belgas für 40 Mark, das heißt eine Mark für 12.50 belgische Franken.
Diese Maßnahmen wurden übrigens auf die von Deutschland besetzten Gebiete ausgedehnt, um die deutschen Operationen in diesen Gebieten zu erleichtern, ja, sie wurden sogar auf gewisse neutrale Staaten durch verschiedene ähnliche Verfügungen ausgedehnt, die in der Sammlung der Verordnungen veröffentlicht wurden.
Die Aufgabe der Emissionsbank in Brüssel bestand also einerseits darin, Zahlungen von in Belgien ansässigen Personen oder Dienststellen an ausländische Gläubiger zu erhalten und andererseits Zahlungen an diejenigen belgischen Personen oder Stellen zu leisten, die an das Ausland Forderungen hatten.
Mit andern Worten, wenn immer ein Exporteur Waren an einen Importeur eines anderen zum Clearing-System gehörenden Landes lieferte, so wurde diese Rechnung von der Emissionsbank geregelt, die dann in ihren Büchern als Gegenleistung eine entsprechende Forderung an die »Deutsche Verrechnungskasse« buchte. Im Falle eines Imports fand eine umgekehrte Operation statt.
Tatsächlich aber funktionierte dieses System unter der deutschen Führung zum Schaden der belgischen Gesamtheit, da Belgien im Augenblick der Befreiung Clearinggläubiger in Höhe von 62665 Millionen Franken war.
Die Belgische Nationalbank war gezwungen worden, der Emissionsbank Vorschüsse zu leisten, um das Konto der deutschen Verrechnungskasse auszugleichen.
Zahlreiche über das Clearing abgewickelte Operationen trugen keinen geschäftlichen Charakter, sondern waren ganz einfach reine militärische und politische Ausgaben.
Nach den Auskünften der Belgischen Regierung können die Clearing-Operationen folgendermaßen zusammengefaßt werden, wobei ich mich auf die wesentlichen Feststellungen des bereits zitierten Berichts der Belgischen Regierung berufe, der als RF-146 vorgelegt worden ist.
Auf die Gesamtheit der Kontenbewegungen abgestellt, bezogen sich 93 Prozent auf die deutsch-belgischen Ausgleichszahlungen, und zwar für die Waren 93 Prozent und für die Dienstleistungen 91 Prozent.
Wenn man die entsprechenden Teile näher betrachtet, die die Waren, die Dienstleistungen oder das Kapital betreffen, so erhält man per Saldo Übersichten, die eine beredte Sprache sprechen. Das gesamte belgische Clearing mit dem Ausland erreichte am 2. September 1944 die Summe von 61.636.000.000 belgischen Franken, von denen 57.298.000.000 auf den deutsch-belgischen Geschäftsverkehr und nur 4 Milliarden auf Frankreich, 1 Milliarde auf Holland und 929 Millionen auf die übrigen Länder entfielen.
Besonders in dem Sektor »Waren und Dienstleistungen« offenbarte sich das fehlende Gleichgewicht, ein Umstand, der vor allem auf die von Deutschland für seine eigene Rechnung durchgeführten Requisitionen von Waren und Dienstleistungen zurückzuführen ist. Man weiß, daß die angeblichen deutschen Ausfuhren sich hauptsächlich auf Metalle, Metallerzeugnisse, Maschinen und auf Erzeugnisse der Textilindustrie erstreckten, die zu ungefähr neun Zehntel vom Reich mit Beschlag belegt wurden, das sich durch diesen Umstand erheblicher Ausplünderungen schuldig gemacht hat.
Was den Transfer von Kapitalien anbetrifft, so hat dieser in der ersten Zeit der Besatzung eine besondere Ausdehnung erfahren. Es handelte sich um die zwangsweise Realisierung belgischer ausländischer Beteiligungen, ebenso wie um die Zwangsabtretung blockierter belgischer Guthaben in Deutschland an deutsche Gruppen, wobei kein effektiver Ausgleich als Gegenleistung zugestanden wurde.
Die unter dem Titel »Dienstleistungen« vorgenommenen Transferierungen bezogen sich im wesentlichen auf Lohnzahlungen für belgische Arbeiter im Ausland.
Das Guthaben für die Dienstleistungen ergibt sich per 2. September 1944 aus der folgenden Übersicht in Millionen belgischer Franken:
Gesamtclearing auf Konto Dienstleistungen: 20.116.000.000, das heißt, zur Bezahlung der Arbeitskräfte 73 Prozent der Gesamtsumme; für Deutschland allein 18.227.000.000, das heißt, 72 Prozent der Gesamtsumme; für Frankreich ergeben sich nur 1.600.000.000 belgische Franken, das heißt, nur ein ganz kleiner Teil.
Nicht zufrieden mit dem Einsatz der Arbeitskräfte zur Zwangsarbeit in Deutschland oder in den besetzten Gebieten, wurde Belgien von den Deutschen darüber hinaus gezwungen, auch die finanzielle Belastung dieses Einsatzes zu tragen, und zwar dadurch, daß sie entweder die über Clearing überwiesenen Ersparnisse liquidierten oder die beim Reichsbankdirektorium in Berlin vorhandenen belgischen Banknoten verwendeten, um die Arbeiter in nationaler Währung bezahlen zu können.
VORSITZENDER: Halten Sie es für notwendig, sich den Einzelheiten dieser Clearing-Operation nochmals zu widmen? In jedem einzelnen Fall der verschiedenen bereits behandelten Länder waren die Clearing- Operationen jeweils die gleichen. Es ist deshalb vielleicht nicht nötig, dasselbe noch einmal für Belgien zu wiederholen?
M. DELPECH: Sehr wohl, Herr Vorsitzender. Auf jeden Fall haben die Deutschen diese Tatsache anerkannt, und die Zahlen, die ich eben angegeben habe, unterstützen die Schlußfolgerungen meines Vortrags.
Bevor ich das Kapitel über die Beschlagnahme der Zahlungsmittel durch die Deutschen beende, darf ich dem Gerichtshof mitteilen, daß die Deutschen durch Verordnung vom 22. Juli 1940 den Wert des belgischen Franken auf 8 Reichspfennige festgesetzt hatten, das heißt, 12 Franken 50 Cts. einer Mark gleichsetzten. In seinem bereits früher zitierten Bericht schreibt Wetter über diesen Punkt auf Seite 37 und 38 das Folgende, wobei ich den Gerichtshof um die Erlaubnis bitte, diese Stelle verlesen zu dürfen, die im Dokumentenbuch als RF-158 bezeichnet ist:
»Die de facto Aufrechterhaltung der Vorkriegswährung hatte darüber hinaus auch eine erhebliche politische Bedeutung, weil weite Kreise der Bevölkerung eine starke Abwertung oder eine wiederholte Änderung der Kursrelation als Ausbeutungsmanöver empfunden haben würden.«
Man muß in Bezug auf diese Anschauung folgendes festhalten: Die Besatzungsbehörden hatten es nicht nötig, in Belgien zur Unterstützung ihrer wirtschaftlichen Ausplünderung zu bestimmen, daß der belgische Franken einen geringeren Wert haben sollte, da sie im Gegensatz zu der Entwicklung in Frankreich im Augenblick ihres Einmarsches in Belgien neue Noten herausgegeben hatten, über die sie die Kontrolle ausübten.
Schließlich darf ich noch in Erinnerung bringen, daß sich Deutschland von der Vichy-Regierung 221730 Kilogramm Gold aushändigen ließ, das 1939 einen Wert von 9.500.000.000 Francs hatte; da aber Frankreich dieses Gold an die Belgische Nationalbank zurückerstattet hatte, wird diese Frage bei der Darlegung über die wirtschaftliche Ausplünderung Frankreichs behandelt werden.
Um, Hoher Gerichtshof, die von der Besatzungsarmee beschlagnahmten Zahlungsmittel zusammenzufassen, darf ich einige Zahlen anführen:
Reichskreditkassenscheine 3.567.000.000,
verschiedene Banknoten und Konten der
Reichskreditkasse 656.000.000,
Kriegsentschädigung unter dem Vorwand
der Besatzungskosten 67.000.000.000,
denen noch hinzugefügt werden muß:
Der Kredit-Saldo im Clearing von
62.665.000.000,
so daß sich insgesamt ergeben: 133.888.000.000 belg. Franken.
Die Deutschen haben also mindestens mehr als 130 Milliarden belgische Franken beschlagnahmt, deren sie sich bedient haben, um ihre scheinbar gesetzmäßigen Ankäufe zu tätigen, ihre Requirierungen zu bezahlen, und ihre heimlichen Ankäufe auf dem schwarzen Markt zu machen. Diese angeblichen Käufe und Requirierungen werden den Gegenstand des nachfolgenden Kapitels bilden:
Kapitel 2: Schleichhandel, schwarzer Markt:
Wie in anderen besetzten Ländern auch, haben die Deutschen in Belgien seit Oktober 1941 den schwarzen Markt organisiert.
Ein Geheimbericht über den schwarzen Markt unter dem Titel »Abschluß-Bericht der Überwachungsstelle beim Militärbefehlshaber in Belgien und Nordfrankreich über die legalisierte Ausschöpfung des schwarzen Marktes in Belgien und Nordfrankreich«, der für die Zeitspanne vom 13. März 1942 bis 31. Mai 1943 abgefaßt wurde, wird im Dokumentenbuch als RF-159 angeführt.
Die Deutschen gaben für diese Organisierung des schwarzen Marktes drei Gründe an:
1. Die Konkurrenz zwischen den verschiedenen deutschen Käufern auf dem schwarzen Markt einzudämmen.
2. Die belgischen Hilfsquellen bestmöglichst für die deutsche Kriegswirtschaft auszuschöpfen.
3. Den Druck auf das allgemeine Preisniveau zu verhindern und dadurch allen Inflationsgefahren zu begegnen, die letzten Endes das deutsche Geld selbst gefährden würden.
Der Bericht läßt auf den Seiten 3ff erkennen, daß ein echter Verwaltungsapparat zur Durchführung dieser Politik errichtet wurde.
Die Buchführung wurde von der Wehrmachtsverrechnungskasse durchgeführt, die alle diese Operationen in ihren Büchern zusammenfaßte.
Die Lenkung der Aufkäufe wurde durch eine Zentralstelle sichergestellt, deren Name im Laufe der Jahre verschiedentlich geändert wurde und der eine Reihe von nachgeordneten Stellen unterstanden, insbesondere eine ganze Reihe von Einkaufsstellen.
Diese Zentralstelle wurde in Ausführung einer Verordnung des Militärbefehlshabers in Belgien vom 20. Februar 1942 geschaffen. Sie wurde am 13. März 1942 ins Leben gerufen und erhielt seit ihrer Gründung ihre besonderen Anweisungen von dem Beauftragten des Reichsmarschalls, des Angeklagten Göring. Dieser Beauftragte war Oberstleutnant Veltjens, von dem heute Morgen die Rede war.
Diese Stelle wurde nun ins Leben gerufen, um die Aktionen der Legalisierung und Lenkung des schwarzen Marktes miteinander zu verbinden, so wie sie im Verfolg der Besprechungen zwischen dem Generalintendanten und dem Wehrmachtbefehlshaber in Belgien einerseits und dem Kommandeur der Rüstungsinspektion andererseits beschlossen und vorgesehen war. Nach diesem Übereinkommen, das noch durch eine Erklärung des Reichswirtschaftsministers vom 16. Februar 1942 unterstützt wurde, bestand das Ziel darin, den schwarzen Markt auch weiterhin nach einheitlichen Gesichtspunkten in legaler Form auszuschöpfen, und zwar unter einem leitenden Grundsatz, der zur Sicherung des Reichsbedarfs den notwendigen Vorsichtsmaßregeln Rechnung trug. Diese Stelle hatte ihren Sitz in Brüssel; die Einkäufe selbst wurden von gewissen Spezialorganisationen getätigt, deren Liste sich auf Seite 5 des vorerwähnten Berichts befindet.
Diese Stellen erhielten ihre Weisungen von der »Rohstoffhandelsgesellschaft«, von der bereits zu Anfang unseres Berichts über die wirtschaftliche Ausplünderung Westeuropas die Rede war.
Die »ROGES« spielte eine bedeutende Rolle bei der Organisation des schwarzen Marktes; ihre Aufgabe war tatsächlich eine vierfache:
1. Die von der Zentralstelle in Brüssel genehmigten Richtlinien für den Einkauf wurden von der ROGES an die Einkaufsorganisationen je nach deren Besonderheit weitergeleitet.
2. Die Lieferungen der für das Reich angekauften Waren erfolgten an die ROGES, die für die Verteilung in Deutschland sorgte.
3. Die ROGES übernahm die Finanzierung dieser Maßnahmen.
4. Schließlich war sie beauftragt, den Preisunterschied der zwischen dem Ankaufspreis, der in der Regel als Schwarzhandelspreis sehr hoch war, und dem endgültigen Verkaufspreis auf dem inneren deutschen Markt zu bezahlen. Der Unterschied wurde durch einen Ausgleichsfonds gedeckt, der über das Konto »Besatzungskosten« gespeist wurde und an den das Reichsfinanzministerium über das Rüstungsministerium Kredite zur Verfügung der ROGES gewährte.
Der vorerwähnte Bericht gibt eine Reihe von Einzelheiten über die Arbeitsweise der Zentralstelle selbst. Es ist interessant zu bemerken, daß die Zentralstelle in Brüssel durch eine Verordnung des Wehrmachtbefehlshabers in Belgien vom 3. November 1942 angewiesen wurde, eine Zweigstelle in Lille für den Bereich Nordfrankreich ins Leben zu rufen. Gleichzeitig wurde die Brüsseler Stelle ermächtigt, ihrer Filiale in Lille Weisungen zu erteilen. Im Dokumentenbuch erscheint als RF-160 ein Schlußbericht der Liller Stelle. Dieser Bericht, der am 20. Mai 1943 gefertigt worden ist, enthält eine Reihe interessanter Einzelheiten über die Tätigkeit dieser Organisation.
VORSITZENDER: Es ist jetzt 5 Uhr. Ich glaube, Herr Delpech, es dürfte der Wunsch des Gerichtshofs sein, falls es Ihnen möglich ist, solche Teile dieses Dokuments auszulassen, die sich auf dieselben Grundsätze beziehen, die uns mit Bezug auf andere Länder bereits unterbreitet worden sind. Falls Sie dies tun könnten, so glaube ich, daß Sie dem Gerichtshof damit einen Gefallen täten. Sollten jedoch in der Behandlung Belgiens wichtige Unterschiede bestehen, dann können Sie uns natürlich auf diese besonders aufmerksam machen.
M. DELPECH: Gewiß, Herr Vorsitzender.