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[Pause von 10 Minuten.]

M. DUBOST: Wir sind beim Falle Koch stehengeblieben und der Zeuge hatte dem Gerichtshof berichtet, daß Koch nicht wegen der Verbrechen, die er an den ihm anvertrauten Häftlingen begangen hatte, hingerichtet worden ist, sondern wegen der zahlreichen Unterschleife, die er sich während seiner Dienstzeit hatte zuschulden kommen lassen. Habe ich die Ausführungen des Zeugen richtig verstanden?

DUPONT: Ich habe betont, daß man Koch wegen Unterschlagungen angeklagt hat; ich vermag keine Einzelheiten über die Gesamtheit der Beschuldigungen anzugeben. Ich kann nicht bestätigen, daß er ausschließlich wegen Unterschlagungen in der Verwaltung angeklagt wurde, ich weiß nur, daß er deswegen angeklagt war. Mehr weiß ich darüber nicht.

M. DUBOST: Haben Sie nichts mehr hinzuzufügen?

DUPONT: Ich kann sagen, daß wir diese Angaben von Dr. Owen haben, der gleichzeitig mit ihm verhaftet, dann aber freigelassen wurde, und in der letzten Zeit, das heißt in den ersten Monaten des Jahres 1945 wieder nach Buchenwald zurückkam.

M. DUBOST: Was für ein Staatsangehöriger war dieser Arzt?

DUPONT: Er war Deutscher und gehörte der SS an. Er war in Haft. Er und Koch waren zu gleicher Zeit verhaftet worden. Dr. Owen wurde wieder freigelassen und kehrte im gleichen Rang und mit den gleichen Funktionen Anfang 1945 nach Buchenwald zurück. Er hat gern mit den Häftlingen gesprochen, und die Angaben, die ich mache, stammen von ihm.

M. DUBOST: Ich habe keine weiteren Fragen an den Zeugen zu stellen, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Wünschen die Verteidiger noch Fragen zu stellen?

DR. MERKEL: Herr Zeuge, Sie haben vorhin gesagt, daß die Behandlungsmethoden in Buchenwald deshalb nicht etwas dem Lager Buchenwald Eigentümliches seien, sondern daß diese Methoden auf einen einheitlichen Befehl zurückgeführt werden müssen. Sie haben das damit begründet, daß Sie sagten, Sie hätten das in allen anderen Lagern auch gesehen. Wie soll ich diesen Ausdruck »in allen anderen Lagern auch gesehen« auffassen?

DUPONT: Ich spreche von Konzentrationslagern, genau gesagt, von einer gewissen Anzahl unter ihnen: Mauthausen, Dachau, Sachsenhausen; Kommandos wie Dora, Laura, S 3, Wansleben, Ebensee, um nur einige zu nennen.

DR. MERKEL: Waren Sie persönlich in diesen Lagern?

DUPONT: Ich persönlich war in Buchenwald. Die genauen Aussagen über die anderen Lager stammen von meinen Freunden, die in diesen Lagern gewesen sind. Außerdem ist die Zahl der Toten unter meinen Bekannten Beweis genug dafür, daß man die Liquidierungen in allen Lagern auf die gleiche Weise vornahm.

RA. BABEL: Ich hätte gern Auskunft darüber, welchem Block Sie angehört haben. Vielleicht geben Sie dem Gerichtshof Auskunft darüber wie – Sie haben das vorhin schon angedeutet – wie die Gefangenen eingeteilt waren. Sie waren, glaube ich, auch äußerlich gekennzeichnet, hatten einen roten Fleck, andere einen grünen Fleck usw. auf der Kleidung?

DUPONT: Es gab in der Tat eine Anzahl von Abzeichen, die von Häftlingen getragen wurden, die dem gleichen Kommando angehörten. Ich will das erklären. Im Kommando für Erdarbeiten, das »Entwässerung« genannt wurde, und in dem ich mich befand, habe ich Seite an Seite mit gewöhnlichen deutschen Verbrechern mit grünen Abzeichen gearbeitet. In diesem Kommando waren Russen, Tschechen, Belgier und Franzosen vertreten. Die Abzeichen waren verschieden. Die Behandlung war die gleiche, und in jenem besonderen Falle standen wir sogar unter dem Befehl gewöhnlicher Verbrecher.

RA. BABEL: Ich habe Ihre Antwort eingangs nicht richtig verstanden. Ich habe gefragt, ob die Häftlinge in bestimmte Kategorien eingeteilt waren, die auch äußerlich durch Sterne, oder irgendwelche Zeichen in grüner Farbe, blauer Farbe usw. gekennzeichnet waren.

DUPONT: Ich habe gesagt, daß in diesen Lagern verschiedene Abzeichen getragen wurden, dreieckige Abzeichen, die grundsätzlich verschiedene Kategorien kennzeichneten; aber alle diese Leute waren untereinander vermischt und erfuhren die gleiche Behandlung.

RA. BABEL: Ich habe doch – Ich habe nicht nach der Behandlung gefragt, sondern nach der Kennzeichnung.

DUPONT: Die Franzosen trugen das runde Abzeichen.

RA. BABEL: Nicht nur die Franzosen, sondern für alle.

DUPONT: Die Franzosen, die ich am besten kannte, trugen das rote politische Abzeichen, unterschiedslos, einschließlich der von Fort Barraut kommenden Häftlinge, die alle gewöhnliche Verbrecher waren. Das gleiche habe ich bei den Tschechen und Russen beobachtet. Es stimmt schon, daß verschiedene Abzeichen vorgesehen waren; aber das wurde nicht richtig durchgeführt.

Ich komme auf meine Aussage von vorhin zurück. Wenn es auch verschiedene Abzeichen gab, so waren die Leute doch durcheinandergemischt, erfuhren dieselbe Behandlung und waren demselben Regime unterworfen.

RA. BABEL: Daß sie durcheinandergemischt waren, haben wir schon gehört; das ist ja nicht das, was ich gefragt habe...

Sie waren doch so lange im Lager, daß Sie meines Erachtens meine Frage beantworten können, wie diese Gefangenen eingeteilt waren? Soviel ich weiß, waren sie nach Gruppen eingeteilt, politische und kriminelle und dann auch andere Gruppen, und daß jede dieser einzelnen Gruppen durch ein bestimmtes Zeichen gekennzeichnet war, und zwar auf der Kleidung durch grüne Farbe, blaue Farbe, rote Farbe oder sonstwie.

DUPONT: Es gab verschiedene Abzeichen für die verschiedenen Kategorien. Diese Kategorien waren aber immer gemischt. Gewöhnliche Verbrecher waren mit politischen Häftlingen vermischt. Es gab allerdings Blocks, wo diese oder jene Kategorie vorherrschte. Aber sie waren nicht nach einzelnen Kategorien auf Grund ihrer Abzeichen eingeteilt.

RA. BABEL: Mir ist gesagt worden, die politischen Häftlinge hätten zum Beispiel ein blaues Abzeichen getragen, die kriminellen ein grünes. Wir haben ja auch schon einen Zeugen hier vernommen, der all das in einer gewissen Hinsicht schon bestätigt hat, daß die Kriminellen ein grünes Zeichen trugen, die Asozialen wieder ein anderes Zeichen; daß man ohne weiteres erkennen konnte, zu welcher Kategorie der einzelne Häftling gehörte.

DUPONT: Es ist richtig, daß es verschiedene Abzeichen gab. Es stimmt, daß diese Abzeichen für verschiedene Kategorien bestimmt waren. Um jedoch bei der Wahrheit zu bleiben, muß ich betonen, daß man diese Abzeichen nicht richtig verwandte. Besonders für die Franzosen gab es nur politische Abzeichen, was die Verwirrung noch vergrößerte; denn man hielt bekannte Verbrecher, die aus den gewöhnlichen Gefängnissen kamen, für politische Häftlinge. Es gab schon Abzeichen zur Unterscheidung der verschiedenen Kategorien, sie wurden aber nicht systematisch angewandt und bei den Franzosen überhaupt nicht.

RA. BABEL: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, die französischen Gefangenen wurden alle als politische gekennzeichnet, oder waren gekennzeichnet.

DUPONT: Das stimmt.

RA. BABEL: Nun waren unter diesen französischen Gefangenen doch nicht nur, wie Sie doch selbst gesagt haben, nur politische, sondern zum größten Teil doch auch Verbrecher?

DUPONT: Es gab unter...

RA. BABEL: Wenigstens habe ich Ihre frühere Aussage so aufgefaßt. Das war auch ziemlich bestimmt gesagt von Ihnen.

DUPONT: Ich sagte, daß Verbrecher darunter waren, die aus ganz besonderen Gefängnissen kamen; sie trugen nicht das grüne Abzeichen mit einem »F«, das sie eigentlich hatten bekommen sollen, sondern das politische Abzeichen.

RA. BABEL: Was war Ihre Tätigkeit im Lager? Sie sind doch Arzt?

DUPONT: Ich bin im Januar angekommen, drei Monate lang war ich in den Steinbruch zu Erdarbeiten kommandiert. Dann wurde ich dem Revier zugeteilt, das heißt der Krankenstation des Lagers. Ich arbeitete in der Abteilung für innere Krankheiten.

RA. BABEL: Haben Sie da selbständig handeln können? Was waren für Anweisungen erteilt bezüglich der Behandlung der im Revier anwesenden Kranken?

DUPONT: Wir haben unter der Kontrolle des SS- Arztes gearbeitet. Wir hatten eine bestimmte Anzahl von Betten zur Unterbringung bestimmter Kranker, wobei auf ein Bett 20 Kranke kamen. Arzneimittel waren so gut wie nicht vorhanden. Ich habe bis zu meiner Befreiung auf der Krankenstation gearbeitet.

RA. BABEL: Hatten Sie Anweisungen bezüglich der Behandlung der Kranken. Ist Ihnen gesagt worden, Sie sollen sehen, sie zu behandeln und zu betreuen, oder hatten Sie Anweisungen, selbst dahin zu wirken, daß sie sterben sollten?

DUPONT: Was das betrifft, so hatte ich Befehl, die unheilbaren Kranken zur Liquidierung auszuwählen. Diesem Befehl bin ich aber niemals nachgekommef.

RA. BABEL: Ist Ihnen gesagt worden, daß Sie sie auswählen sollen, um sie zur Vernichtung zu schicken? Ich habe Ihre Antwort nicht verstanden, bitte wiederholen Sie sie.

DUPONT: Ich hatte den Befehl bekommen, die Schwerkranken auszuwählen und nach Block 61 zu schicken, wo sie liquidiert werden sollten. Das ist der einzige Befehl, den ich bezüglich der Kranken bekommen habe.

RA. BABEL: »Wo sie vernichtet werden sollten«, ist Ihnen gesagt worden, so habe ich gefragt; daß sie ausgewählt werden sollten zur Vernichtung? Ist Ihnen – nachdem, was Sie gesagt haben –.... Ist Ihnen gesagt worden: »sie werden geschickt nach dem Block 61«; ist Ihnen auch gesagt worden, was in dem Block 61 mit ihnen geschehen soll?

DUPONT: Der Block 61 unterstand einem deutschen Unteroffizier, namens Wilhelm, der selbst die Liquidierungen leitete, und er hat auch den Befehl gegeben, die Kranken für diesen Block auszuwählen. Ich nehme an, daß die Lage vollkommen klar ist.

RA. BABEL: Entschuldigen Sie. Einen ausdrücklichen Hinweis haben Sie nicht erhalten?

DUPONT: Die Anweisung, die unheilbar Kranken dahin zu schicken....

RA. BABEL: Herr Zeuge, mir fällt auf, daß Sie mir meine Fragen nicht nur kurzer Hand mit Ja oder Nein beantworten, sondern immer Umschweife machen.

DUPONT: Es wurde gesagt, daß diese Kranken nach Block 61 geschickt werden sollen. Das war alles. Alle Kranken, die nach Block 61 geschickt wurden, wurden liquidiert.

RA. BABEL: Das haben Sie aber nicht selbst beobachtet, sondern das haben Sie erfahren oder gehört, daß die, die dort hingebracht wurden, nicht mehr zurückgekehrt sind.

DUPONT: Das ist nicht richtig. Ich konnte es selbst beobachten. Denn im Block 61, der von einem Häftling, namens Louis Cunish oder Remisch beaufsichtigt wurde, war ich der einzige Arzt, der Zutritt hatte. Ich konnte einige Kranke herausholen, die anderen sind gestorben.

RA. BABEL: Warum haben Sie nun, wenn Ihnen so was gesagt worden ist, nicht erklärt, das fällt mir gar nicht ein, das tue ich nicht?

DUPONT: Wenn ich Sie recht verstanden habe, fragen Sie mich, warum ich – als man mir befahl, die Schwerstkranken....

RA. BABEL: Wenn Sie den Auftrag bekommen haben, die Leute herauszusuchen für den Block 61, warum Sie da nicht erklärt haben: »ich weiß, was mit den Leuten geschieht, infolgedessen mach ich es nicht.«

DUPONT: Weil es für mich den Tod bedeutet hätte.

RA. BABEL: Und für Deutsche, die eine derartige Anordnung verweigert hätten, was hätte das für die bedeutet?

DUPONT: Von welchen Deutschen sprechen Sie? Von deutschen Häftlingen?

RA. BABEL: Meinetwegen von einem deutschen Arzt oder im Lazarett irgendein Mann, der dort beschäftigt war, wenn der eine solche Anweisung bekommen hätte, wenn er eine derartige Weigerung ausgesprochen hätte, was wäre mit dem geschehen?

DUPONT: Wenn ein Gefangener sich einfach weigerte, einen solchen Befehl auszuführen, dann bedeutete das den Tod. Tatsächlich konnten wir auch manchmal diesen Befehl umgehen. Ich betone, daß ich nie jemand nach Block 61 geschickt habe.

RA. BABEL: Ich hätte dann eine allgemeine Frage noch, bezüglich der Zustände im Lager. Wenn man noch niemals ein Lager gesehen hat, kann man sich schwer eine Vorstellung machen von den tatsächlichen Verhältnissen. Vielleicht geben Sie dem Gerichtshof eine kurze Schilderung, wie so ein Lager eingeteilt war.

DUPONT: Ich glaube, mich schon genügend über die Organisation des Lagers ausgelassen zu haben. Ich werde den Präsidenten fragen, ob es nötig ist, das zu wiederholen.

VORSITZENDER: Ich glaube, das ist nicht nötig. [Zu Ra. Babel gewandt]: Wenn Sie ihn ins Kreuzverhör nehmen wollen, um ihn der Unwahrheit zu überführen, so können Sie das tun. Bitten Sie ihn jedoch nicht um eine allgemeine Beschreibung.

RA. BABEL: Das Lager besteht aus einem Innenlager, das mit Drahtzaun eingeschlossen und gesichert ist. Innerhalb dieses Lagers befinden sich die Baracken, in denen die Gefangenen untergebracht sind. Wie ist dieses Innenlager bewacht worden?

VORSITZENDER: Wollen Sie bitte nur eine Frage auf einmal stellen. Die Frage, die Sie gerade gestellt haben, betrifft drei, vier Gegenstände.

RA. BABEL: Das eigentliche Lager, in welchem sich die Wohnbaracken befinden: wie ist dieses Lager von dem übrigen Teil des Lagers abgegrenzt? Welche Sicherungen sind da getroffen?

DUPONT: Das Lager der Häftlinge war vom übrigen Lager durch einen elektrisch geladenen Stacheldraht abgesondert.

RA. BABEL: Wo befanden sich die Wachmannschaften?

DUPONT: Die Lagerwache befand sich auf kleinen Türmen rings um das Lager. Sie bewachten das Tor und patrouillierten im Innern.

RA. BABEL: Innerhalb des Lagers? Innerhalb des Drahtzaunes?

DUPONT: Ja, natürlich innerhalb des Lagers und auch innerhalb der Baracken. Sie hatten das Recht, überall hinzugehen.

RA. BABEL: Ich bin dahin unterrichtet, daß jede einzelne Baracke lediglich einen Mann, einen deutschen SS-Mann oder einen Angehörigen einer sonstigen Organisation hatte, und daß im übrigen innerhalb dieses umzäunten Lagers keine Wachen vorhanden waren, daß diese Leute nicht für die eigentliche Bewachung da waren, sondern zur Aufrechterhaltung der Ordnung und mehr verwaltungsmäßig tätig waren, und daß sie von einem Kapo, einem sogenannten Kapo, der aus den Reihen der Häftlinge stammte, unterstützt wurden, und daß der Kapo und der deutsche Mann gleichberechtigt da drin ihre Funktionen ausübten. Es kann ja sein, daß es in Buchenwald anders war. Ich bin von Dachau aus so unterrichtet.

DUPONT: Ich habe diese Fragen im Laufe meiner Aussagen schon beantwortet. Ich habe gesagt, daß die Lager in der bekannten Weise von der SS geführt wurden. Andererseits verwendete die SS die Häftlinge in vielen Fällen als ausführende Organe. In Buchenwald und wahrscheinlich auch in allen anderen Lagern war dies der Fall.

RA. BABEL: Die Beantwortung der Frage ist wieder sehr umschrieben gewesen. Ich verzichte aber darauf, auf dieses Thema weiter einzugehen, weil ich doch keine klaren Antworten erhalten werde. Aber noch eines mochte ich fragen:

Sie haben angegeben, in einem Block 58, im Zusammenhang mit der Tatsache, die Sie geschildert haben – wie ein Professor, dessen Namen ich aus dem Kopfhörer nicht feststellen konnte und der ein Lehrer, glaube ich, von Ihnen war, und der dort untergebracht war. Nun haben Sie da angegeben, daß das ein Block war, in dem – bei der Frage der Erniedrigung – früher 300 Leute, glaube ich, untergebracht waren und dann später 1200. Stimmt das?

DUPONT: Im Block 58 befanden sich 1200 Männer, als ich Dr. Kindberg dort traf.

RA. BABEL: Und da haben Sie, soviel ich richtig verstanden habe, gesagt, in diesem Block, den Sie vorher angegeben haben, da waren außer den Franzosen auch Russen, Polen, Tschechen, Juden anwesend gewesen und also nicht nur durch die Tatsache, daß da 1200 zusammengepfercht waren, sondern auch durch das Zusammensein mit diesen verschiedenen Völkerschaften sei diese Erniedrigung hervorgerufen worden?

DUPONT: Ich möchte feststellen, daß die Tatsache, daß man Menschen verschiedener Sprache, die sich nicht verständigen können, zusammenpferchte, an sich kein Verbrechen ist; sie stellt aber den ersten Schritt zu all den anderen Maßnahmen dar, die der menschlichen Erniedrigung der Häftlinge dienen sollten.

RA. BABEL: Kann nach Ihrer Ansicht das Zusammensein eines Franzosen mit Russen, Polen, Tschechen und Juden eine Erniedrigung sein?

DUPONT: Ich sehe die Bedeutung dieser Frage nicht ein. Die Tatsache des Zusammenlebens...

RA. BABEL: Sie brauchen nicht wissen, was ich für ein Interesse habe; ich weiß, warum ich die Frage stelle.

DUPONT: Die Tatsache, daß man Personen verschiedener Sprache zusammensteckt, ist an sich nicht erniedrigend. Ich habe niemals etwas Derartiges gedacht oder gesagt. Jedoch allein durch das Zusammenpferchen von Menschen, die in jeder Hinsicht verschieden waren, vor allem bezüglich ihrer Sprache, wurden sehr schwierige Lebensbedingungen geschaffen; und darin lag der Ausgangspunkt für alle anderen Maßnahmen, über die ich gesprochen habe, und die die menschliche Erniedrigung zum Ziel hatten.

RA. BABEL: Ich verstehe nicht, warum das eine Erniedrigung sein soll, wenn man mit Angehörigen anderer Völker, die man sprachlich nicht versteht, Zusammensein muß?

VORSITZENDER: Dr. Babel, er hat Ihnen die Antwort doch schon gegeben. Er denkt, daß es eine Erniedrigung ist. Ob Sie es begreifen oder nicht, macht nichts aus.

RA. BABEL: Herr Vorsitzender! Die Übertragung durch den Kopfhörer ist teilweise so schwierig, daß ich, wenigstens verschiedentlich nicht genau verstehen kann, was der Zeuge gesagt hat, und das hat mich leider veranlaßt, das eine oder andere nochmals wiederholen zu müssen. Noch eine Frage:...

M. DUBOST: Ich bitte den Gerichtshof meine Zwischenbemerkung nicht als eine Unterbrechung des Kreuzverhörs aufzufassen; es scheint mir jedoch erforderlich zu sagen, daß der Verteidiger durch einen Übersetzungsfehler, der mir soeben mitgeteilt wurde, in die Irre geführt wurde.

Er hat meinem Zeugen eine verfängliche Frage gestellt. Er hat gesagt, ob die französischen Verschleppten zum größten Teil Verbrecher waren, und man hat nur übersetzt, ob die französischen Verschleppten Verbrecher waren. Der Zeuge hat die Frage beantwortet, die ins Französische übersetzt worden war. Ich möchte daher bitten, daß die Frage von dem Verteidiger noch einmal wiederholt und genau übersetzt wird.

VORSITZENDER: Haben Sie verstanden, was Herr Dubost gesagt hat, Herr Dr. Babel?

RA. BABEL: Ich glaube verstanden zu haben, daß die Übersetzung... einen Irrtum bei mir hervorgerufen hat. Inwieweit dies der Fall war, kann ich nicht beurteilen, denn ich bin nicht in der Lage gewesen, das zu verfolgen, nach dem französischen Text und nach dem deutschen Text.

VORSITZENDER: Es ist wohl das beste, wenn Sie Ihr Kreuzverhör fortsetzen, wenn Sie noch weitere Fragen zu stellen haben. Herr Dubost kann diese Schwierigkeit in einem Rückkreuzverhör aufklären.

RA. BABEL: Herr Präsident! Der Verteidiger des Angeklagten Kaltenbrunner hat heute schon ausgeführt, daß es für die Verteidigung sehr schwer ist, einen Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen, wenn man nicht wenigstens am Tage vorher erfahren hat, über welchen Fragenkomplex der Zeuge vernommen wird. Die Vernehmung des Zeugen heute war so umfangreich, daß es uns unmöglich ist, dem ohne weiteres zu folgen und sich durch kurze Notizen zu einem umfassenden notwendigen Kreuzverhör vorzubereiten und in die Lage zu versetzen. Nun ist bezüglich der Verteidiger der Organisationen meines Wissens durch den Herrn Vorsitzenden bereits bekanntgegeben worden, daß uns später noch Gelegenheit gegeben wird, unser Kreuzverhör zu ergänzen oder gegebenenfalls den Betreffenden allenfalls noch selbst als Zeugen zu benennen.

VORSITZENDER: Ich habe das, was ich dazu im Namen des Gerichtshofs zu sagen habe, bereits gesagt. Da die Verteidigung voraussehen mußte, daß Zeugen über die Verhältnisse in den Konzentrationslagern vernommen werden würden, hatte sie meines Erachtens ihr Kreuzverhör während der mehr als 40 Tage, die der Prozeß nun schon dauert, vorbereiten können.

RA. BABEL: Herr Vorsitzender! Ich glaube, es ist jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt, über diese Frage mich mit dem Gerichtshof auseinanderzusetzen; aber vielleicht wird mir mal gelegentlich – wird mir eventuell Gelegenheit gegeben, das einmal in einer nichtöffentlichen Sitzung zu tun. Ich halte das im Interesse des ungehinderten Fortgangs und beschleunigten Fortgangs des Prozesses für notwendig.

Ich will absolut nicht das Verfahren irgendwie verzögern. Ich habe das größte Interesse daran, daß das Verfahren mit tunlichster Beschleunigung seinen Lauf nimmt, aber ich möchte das nicht auf,.... zu Lasten der Verteidigung der Organisationen tun.

VORSITZENDER: Herr Dr. Babel, ich habe schon darauf hingewiesen, daß Sie hätten voraussehen müssen, daß die Zeugen über die Verhältnisse in Konzentrationslagern vernommen würden. Sie müssen daher im Laute des Prozesses genügend Gelegenheit gehabt haben, zu entscheiden, worüber Sie das Kreuzverhör anstellen würden. Ich sehe daher keinen Grund, diese Angelegenheit mit Ihnen zu diskutieren.

RA. BABEL: Danke für diese Belehrung. Aber ich kann selbstverständlich auch – ich bin anderer Meinung – nicht im vornherein wissen, was der Zeuge aussagen wird, denn erst dann bin ich in der Lage, ihn ins Kreuzverhör zu nehmen. Daß er über Konzentrationslager irgendetwas aussagen wird, das weiß ich selbstverständlich; aber welche Einzelheiten er vorbringen wird, das kann ich im voraus nicht ahnen.

M. DUBOST: Ich bitte den Gerichtshof, davon Kenntnis zu nehmen, daß der Verteidiger bei einer Frage an den französischen Zeugen einen Ausdruck gebraucht hat, der wörtlich übersetzt heißen würde: »zum größten Teil«. Das bezog sich auf die Art der französischen Verschleppten. Die Frage lautete: »waren sie zum größten Teil gewöhnliche Verbrecher?« Der Zeuge verstand, wie auch ich: »Sie haben gesagt, daß sie Verbrecher waren?« und nicht »daß die Transporte zum größten Teil aus Verbrechern bestanden«. Seine Antwort war, wie zu erwarten. Mit Genehmigung des Gerichtshofs möchte ich den Zeugen bitten, genau zu sagen, in welchem Zahlenverhältnis die gewöhnlichen Verbrecher zu den verschleppten Patrioten standen. War er selbst ein gewöhnlicher Verbrecher oder ein Patriot, oder, allgemein gesagt, waren die Generale und andere Persönlichkeiten, deren Namen er anführte, gewöhnliche Verbrecher oder Patrioten?

DUPONT: Der Prozentsatz an französischen gewöhnlichen Verbrechern war äußerst gering. Die gewöhnlichen Verbrecher kamen mit einem Transport von Fort Barreaux. Ich kann die genaue Zahl nicht angeben; es waren von allen Häftlingen einige Hundert. In anderen Transporten, die ankamen, waren allenfalls nur zwei oder drei gewöhnliche Verbrecher auf tausend.

M. DUBOST: Ich danke Ihnen.

VORSITZENDER: Der Zeuge kann abtreten.

Herr Dubost, haben Sie die Absicht oder wünschen Sie weitere Zeugen über Konzentrationslager zu bringen? Wie ich bereits erwähnt habe, sind die Zeugen, mit Ausnahme des soeben stattgefundenen Kreuzverhörs durch Dr. Babel, praktisch nicht ins Kreuzverhör genommen worden. Weiterhin wird dies Beweismaterial durch Filme bekräftigt. Gemäß Artikel 18 des Statuts müssen wir den Prozeß so rasch wie möglich durchführen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß Sie nach Artikel 24-E des Statuts Gelegenheit haben, nötigenfalls Gegenbeweise vorzubringen. Wenn daher das Beweismaterial über die Konzentrationslager, das so reichlich geliefert worden ist,... Verstehen Sie, was ich sage?

M. DUBOST: Der Zeuge, um dessen Einvernahme ich den Gerichtshof bitte, soll genauere Einzelheiten über einen besonderen Punkt liefern, der seit mehreren Wochen unentschieden ist. Der Gerichtshof wird sich erinnern, daß während der Beweisführung meiner amerikanischen Kollegen die Frage auftauchte, ob Kaltenbrunner in Mauthausen gewesen ist. Ich bringe als Beweis dafür die Zeugenaussage von Herrn Boix, der dem Gerichtshof beweisen soll, daß Kaltenbrunner in Mauthausen war. Er besitzt photographische Aufnahmen von diesem Besuch, und der Gerichtshof wird diese sehen. Wir werden die Photographien zeigen, die der Zeuge mitgebracht hat.

VORSITZENDER: Sehr gut.