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[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]

[Zum Zeugen gewandt]:

Wie heißen Sie?

ZEUGE FRANÇOIS BOIX: François Boix.

VORSITZENDER: Sind Sie Franzose?

BOIX: Ich bin ein spanischer Flüchtling.

VORSITZENDER: Wollen Sie bitte diesen Eid nachsprechen! »Ich schwöre, daß ich ohne Haß und ohne Furcht sprechen werde, die Wahrheit sagen werde, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit.«

[Der Zeuge spricht die Eidesformel in französischer Sprache nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen. Herr Dubost, wollen Sie den Namen buchstabieren?

M. DUBOST: B-o-i-x.

M. DUBOST: Sie sind am 14. August 1920 in Barcelona geboren?

BOIX: Ja.

M. DUBOST: Sind Sie Bildberichterstatter? Seit wann waren Sie im Lager Mauthausen interniert?

BOIX: Seit 27. Januar 1941.

M. DUBOST: Sie haben der Untersuchungskommission eine Anzahl von Photographien übergeben?

BOIX: Ja.

M. DUBOST: Sie werden jetzt auf der Leinwand gezeigt werden, und Sie werden unter Eid aussagen, unter welchen Umständen und wo diese Bilder aufgenommen worden sind.

BOIX: Ja.

M. DUBOST: Wie sind Sie zu diesen Bildern gekommen?

BOIX: Auf Grund meines Berufes wurde ich in Mauthausen in der Abteilung »Identifizierung« eingesetzt. In dieser befand sich ein Bilderdienst, und es konnten Photographien von allem, was im Lager passierte, aufgenommen werden. Die Photos wurden an die Oberste Führung nach Berlin geschickt.

[Die Photographien werden auf der Leinwand vorgeführt.]

Das ist eine allgemeine Ansicht des Steinbruchs.

M. DUBOST: Haben dort die Häftlinge gearbeitet?

BOIX: Ja, die meisten Häftlinge.

M. DUBOST: Wo befindet sich die Treppe?

BOIX: Im Hintergrunde.

M. DUBOST: Wieviele Stufen waren es?

BOIX: Zuerst waren es 160 Stufen, später 186 Stufen.

M. DUBOST: Wir können zu dem nächsten Bild übergehen.

BOIX: Dieses Bild wurde während einer Besichtigung durch Reichsführer Himmler, Kaltenbrunner, den Gauleiter von Linz und andere Persönlichkeiten, deren Namen mir nicht bekannt sind, aufgenommen. Was Sie unten sehen, ist der Leichnam eines Mannes, der den Steinbruch von oben heruntergestürzt war; das ereignete sich täglich mehrmals.

M. DUBOST: Wir können zu dem nächsten Bild übergehen.

BOIX: Diese Photographie ist im April 1941 aufgenommen worden. Meine spanischen Kameraden, die nach Frankreich geflüchtet waren, ziehen einen mit Erde beladenen Wagen. Das war die Arbeit, die wir verrichten mußten.

M. DUBOST: Wer hat dieses Bild aufgenommen?

BOIX: Es ist von Paul Ricken, einem Professor aus Essen, aufgenommen worden.

M. DUBOST: Nun das nächste Bild.

BOIX: Hier handelt es sich um ein Schauspiel, das um einen entflohenen Österreicher veranstaltet worden war. Er war Tischler und arbeitete in der Garage. Er hatte eine Kiste gezimmert, in der er sich verstecken und auf diese Weise das Lager verlassen konnte. Er wurde jedoch nach einiger Zeit wieder aufgegriffen. Man stellte ihn auf den Karren, auf dem jeden Tag die Toten ins Krematorium befördert wurden. Es waren Plakate in deutscher Sprache angebracht, auf denen es hieß: »Alle Vögel sind schon da«. Er wurde sodann verurteilt und vor den 10000 Insassen in Parade vorgeführt. Eine Zigeunerkapelle spielte dazu die ganze Zeit die Melodie: »J'attendrais«. Der Körper des Gehängten schwankte dann im Winde hin und her, und die Kapelle spielte eine sehr bekannte Weise, die »Bill Black-Polka«.

M. DUBOST: Das nächste Bild.

Das ist das Schauspiel; rechts und links sieht man die Deportierten angetreten.

BOIX: Links sehen Sie Spanier; sie sind kleiner; Die Person im Vordergrund, namens Schultz, der zu Schauspielen solcher Art verwendet wurde. Im Hintergrund können Sie den Mann sehen, der gehängt werden soll.

M. DUBOST: Das nächste Bild. Wer hat diese Bilder aufgenommen?

BOIX: SS-Oberscharführer Fritz Kornatz. Er wurde im Jahre 1944 von amerikanischen Truppen in Holland getötet.

Der russische Kriegsgefangene auf dem Bild erhielt einen Schuß in den Kopf. Man hat ihn hinaufgehoben, um den Anschein zu erwecken, als ob er versucht hätte, sich in selbstmörderischer Absicht über den Stacheldraht zu werfen.

Das nächste Bild zeigt holländische Juden in der Quarantänebaracke. Gleich am Tage ihrer Ankunft hat man die Juden dazu getrieben, sich in den Stacheldraht zu werfen, weil sie sich darüber im klaren waren, daß keine Hoffnung auf ein Entkommen bestand.

M. DUBOST: Von wem wurden diese Bilder aufgenommen?

BOIX: Damals von SS-Oberscharführer Paul Ricken, Professor aus Essen.

M. DUBOST: Das nächste Bild.

BOIX: Dies sind 2 holländische Juden. Sie können den roten Stern sehen, den sie trugen. Es handelt sich hier um einen angeblichen Fluchtversuch.

M. DUBOST: Was war es in Wirklichkeit?

BOIX: Die SS hatte sie in der Nähe des Stacheldrahtes zum Steineholen geschickt. Die SS-Posten an der zweiten Stacheldrahtumzäunung schossen auf sie, weil sie für jeden, den sie umbrachten, eine Prämie erhielten.

Das nächste Bild zeigt einen Juden; es war im Jahre 1941, während des Baues des sogenannten Russenlagers, das später Revier wurde. Er hängt an dem Strick, den er zur Befestigung seiner Hosen benutzte.

M. DUBOST: Handelte es sich um Selbstmord?

BOIX: Angeblich. Dieser Mann hatte keine Hoffnung mehr auf ein Entkommen und ist durch Arbeit und Folterungen dazu getrieben worden.

M. DUBOST: Was stellt dieses Bild dar?

BOIX: Das ist ein Jude; ich weiß nicht welcher Staatsangehörigkeit. Er wurde in ein mit Wasser gefülltes Faß gesteckt, bis er es nicht mehr aushielt. Man prügelte ihn fast zu Tode und ließ ihm dann 10 Minuten Zeit, sich selbst aufzuhängen. Er nahm dazu seinen eigenen Gürtel, denn er wußte, was ihm sonst bevorstand.

M. DUBOST: Wer hat dieses Bild aufgenommen?

BOIX: SS-Oberscharführer Paul Ricken.

M. DUBOST: Was stellt dieses Bild dar?

BOIX: Hier sehen Sie die Wiener Polizei, die den Steinbruch besichtigt. Dies war im Juni oder Juli 1941. Die zwei Häftlinge, die Sie hier sehen, sind zwei spanische Kameraden.

M. DUBOST: Was tun sie?

BOIX: Sie zeigen den Herren von der Polizei, wie man die Steine aufheben mußte, denn es gab keine Werkzeuge dazu.

M. DUBOST: Kannten Sie irgendeinen dieser Polizeibeamten, die an der Besichtigung teilnahmen?

BOIX: Nein, weil sie nur einmal kamen. Wir konnten nur einen Blick auf sie werfen.

Dies war 1943, am Geburtstag des SS-Obersturmbannführers Franz Ziereis. Er ist vom Stab des Lagers Mauthausen umgeben. Ich kann Ihnen die Namen aller Personen auf dem Bilde angeben.

M. DUBOST: Das nächste Bild.

BOIX: Dieses Bild wurde am gleichen Tage, am Geburtstag des SS-Obersturmbannführers Franz Ziereis aufgenommen. Der andere ist sein Adjutant, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere. Ich weise darauf hin, daß dieser Adjutant der Wehrmacht angehörte und nach seiner Ankunft im Lager die SS-Uniform angezogen hat.

M. DUBOST: Wer ist das?

BOIX: Das ist die gleiche Besichtigung durch die Polizeibeamten im Juni oder Juli 1941 in Mauthausen. Hier ist die Küchentür. Hier steht ein Häftling aus der Strafkompanie. Auf dem Rücken haben sie ein kleines Gestell, mit der sie Steine bis zu 80 kg bis zur Erschöpfung schleppten. Nur sehr wenige kehrten von der Strafkompanie zurück.

Dieses Bild zeigt eine Besichtigung des Führerheims im Lager Mauthausen durch Himmler im April 1941. Man sieht Himmler, im Hintergrund den Gauleiter von Linz, und links neben ihm Franz Ziereis, den Lagerkommandanten von Mauthausen.

Dieses Bild wurde im Steinbruch aufgenommen. Links im Hintergrunde sehen Sie eine Gruppe von Häftlingen bei der Arbeit. Im Vordergrunde stehen Franz Ziereis, Himmler und Obergruppenführer Kaltenbrunner. Er trägt das goldene Parteiabzeichen.

M. DUBOST: Wer hat dieses Bild im Steinbruch aufgenommen?

BOIX: SS-Oberscharführer Paul Ricken. Das war im April oder Mai 1941. Zu jener Zeit besichtigte dieser Herr das Lager sehr oft, um nach seinem Muster ähnliche Lager in Deutschland und in den besetzten Ländern einrichten zu können.

M. DUBOST: Das ist das letzte Bild. Sind Sie ganz sicher, daß dies Kaltenbrunner ist?

BOIX: Ja, ganz sicher.

M. DUBOST: Und wurde das Bild im Lager aufgenommen?

BOIX: Ja, gewiß.

M. DUBOST: Wurden Sie als Kriegsgefangener oder als politischer Gefangener nach Mauthausen gebracht?

BOIX: Als Kriegsgefangener.

M. DUBOST: Sie haben als Freiwilliger in der französischen Armee gekämpft?

BOIX: Jawohl, in Marschbataillonen, in der Fremdenlegion und in Arbeitskompanien, die zu der Armee gehörten, in welcher ich diente. Ich war in den Vogesen bei der V. Armee, als wir gefangengenommen wurden. Wir waren bis auf Belfort zurückgegangen, wo ich in der Nacht vom 20. zum 21. Juni 1940 gefangengenommen wurde. Ich wurde mit einigen anderen spanischen Kameraden zusammen nach Mühlhausen transportiert. Da man wußte, daß wir alte republikanische Spanier und Antifaschisten waren, steckte man uns mit Juden zusammen als »Untermenschen«.

Wir waren sechs Monate lang Kriegsgefangene und erfuhren dann, daß der Außenminister mit Hitler eine Unterredung über das Problem der Ausländer und andere Fragen gehabt hatte. Wir erfuhren, daß auch unsere Lage unter anderem besprochen worden war. Man sagte, daß die Deutschen gefragt hätten, was mit den spanischen Kriegsgefangenen aus der französischen Armee geschehen solle, mit jenen, die Republikaner waren, und die der republikanischen Armee angehört hatten. Die Antwort...

M. DUBOST: Das ist nicht von Bedeutung. Sie wurden, obwohl Sie Kriegsgefangener waren, in ein Lager gebracht, das nicht der Aufsicht der Wehrmacht unterstand?

BOIX: Ja, das ist es, wir waren Kriegsgefangene. Man erklärte uns, daß wir in ein selbständiges Kommando verlegt würden, wie alle Franzosen. Wir wurden jedoch nach Mauthausen transportiert, wo wir das erstemal sahen, daß dort keine Soldaten der Wehrmacht waren und begriffen, daß wir uns in einem Vernichtungslager befanden.

M. DUBOST: Zu wievielen sind Sie dort angekommen?

BOIX: Am Schluß waren wir 1500; bei der Ankunft waren wir 8000 Spanier.

M. DUBOST: Wieviele waren Sie, als Sie befreit wurden?

BOIX: Ungefähr 1600.

M. DUBOST: Ich habe keine weiteren Fragen mehr.

VORSITZENDER: Wünschen Sie irgendwelche Fragen zu stellen?

GENERAL RUDENKO: Ich habe einige Fragen. Mit Genehmigung des Herrn Vorsitzenden werde ich sie in der morgigen Vormittagssitzung stellen.

VORSITZENDER: Wir vertagen uns nunmehr.