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[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

M. DUBOST: Mit Erlaubnis des Gerichtshofes werden wir jetzt Herrn Cappelen, einen norwegischen Zeugen, anhören. Die Zeugenaussage von Herrn Cappelen wird sich auf die Bedingungen beschränken, unter denen die norwegischen Internierten in den norwegischen Lagern und Gefängnissen zu leben hatten.

VORSITZENDER: Sehr wohl.

[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Ich höre, Sie sprechen englisch?

ZEUGE HANS CAPPELEN: Ja.

VORSITZENDER: Wollen Sie den Eid in englischer Sprache leisten?

CAPPELEN: Ja, ich spreche lieber englisch.

VORSITZENDER: Wie ist Ihr Name?

CAPPELEN: Ich heiße Hans Cappelen.

VORSITZENDER: Wollen Sie mir diesen Eid nachsprechen: Ich schwöre, daß das Zeugnis, das ich geben werde, die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit sein wird, so wahr mir Gott helfe.

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER:

[zum Zeugen gewandt]

Sie können sich setzen. Herr Dubost, wollen Sie den Namen bitte buchstabieren lassen?

M. DUBOST: C – a – p – p – e – l – e – n.

VORSITZENDER: Es wäre für den Gerichtshof leichter, wenn ihm die Namen der Zeugen vor der Sitzung gegeben würden.

M. DUBOST: Gestern abend habe ich dem Gerichtshof einen Brief überbringen lassen, der an den Vorsitzenden des Gerichtshofes gerichtet war.

VORSITZENDER: Ich habe ihn noch nicht gesehen.

M. DUBOST: Herr Cappelen, Sie sind am 18. Dezember 1903 geboren?

CAPPELEN: Ja.

M. DUBOST: In welcher Stadt?

CAPPELEN: Ich wurde in Kvitseid, Provinz Telemark in Norwegen, geboren.

M. DUBOST: Was ist Ihr Beruf?

CAPPELEN: Ich war Rechtsanwalt, bin aber jetzt Geschäftsmann.

M. DUBOST: Wollen Sie sagen, was Sie von den Brutalitäten der Gestapo in Norwegen wissen?

CAPPELEN: Jawohl. Ich bin am 29. November 1941 verhaftet und in das Gestapogefängnis in Oslo, Möllergata 19, eingeliefert worden. Nach zehn Tagen wurde ich von zwei norwegischen NS- oder Nazi-Polizeiagenten verhört. Sie fingen sofort an, mit Knütteln auf mich loszuschlagen. Wie lange dieses Verhör gedauert hat, kann ich mich nicht genau erinnern, aber es führte zu nichts. So wurde ich nach einigen Tagen nach Viktoria-Terrasse 32 gebracht, wo sich das Hauptquartier der Gestapo in Norwegen befand. Es war ungefähr 8.00 Uhr abends. Ich wurde in ein ziemlich großes Zimmer gebracht und aufgefordert, mich zu entkleiden. Ich mußte mich völlig nackt ausziehen. Ich war nach der ersten Behandlung durch die norwegischen Polizeiagenten etwas angeschwollen, aber es war nicht so schlimm.

In dem Zimmer waren sechs bis acht Gestapoagenten anwesend. Der oberste war Kriminalrat, das war sein Titel, Femer. Er war wütend, und sie bombardierten mich sofort mit Fragen, die ich nicht beantworten konnte. Daraufhin lief Herr Femer auf mich zu und riß mir alle Haare vom Kopfe. Haar und Blut waren auf dem Fußboden um mich herum. Plötzlich fingen sie alle an, auf mich loszurennen und verprügelten mich mit Gummiknüppeln und Eisendrähten. Es tat mir sehr weh, und ich fiel in Ohnmacht. Sie brachten mich aber durch Übergießen mit eiskaltem Wasser wieder zum Bewußtsein.

Ich mußte mich übergeben, da ich mich natürlich furchtbar elend fühlte, aber das machte sie nur noch wütender, und sie sagten: »Das machst du wieder sauber, du dreckiger Hund« und ich mußte einen Versuch machen, es mit meinen Händen wieder sauber zu machen.

So ging das eine lange, lange Zeit weiter. Aber auch dieses Verhör führte zu keinem Resultat, weil sie mich mit Fragen bestürmten und nach Leuten fragten, die ich überhaupt nicht oder nur sehr flüchtig kannte.

Ich glaube, daß es schon Morgen war als man mich ins Gefängnis zurückbrachte. Ich wurde in meine Zelle gebracht und fühlte mich sehr schwach und krank. Ich war es auch. Während des ganzen Tages bat ich den Wachtposten, mir einen Arzt zu besorgen; das war am 19ten. Nach einigen Tagen, wahrscheinlich am Tag vor dem Weihnachtsabend, im Jahre 1941, wurde ich wiederum während der Nacht nach der Viktoria-Terrasse geschafft. Es passierte dasselbe wie beim ersten Male; nur diesmal war es sehr einfach für mich, mich auszuziehen, da ich nur einen Mantel anhatte. Ich hatte noch Schwellungen von der letzten Behandlung. Von den Gestapoagenten waren, wie beim erstenmal, sechs, sieben oder acht anwesend.

VORSITZENDER: Sie meinen deutsche Gestapo?

CAPPELEN: Ja, deutsche Gestapo, alle. Femer war wiederum anwesend. Er hatte einen SS-Rang und war Kriminalkommissar. Dann fingen sie wieder an, mich zu verprügeln. Aber es hatte keinen Zweck, einen Mann zu verprügeln, der schon derartig angeschwollen war und so schlecht aussah wie ich. Dann fingen sie eine andere Methode an. Sie begannen, meine Arme und Beine zu verdrehen und zu brechen. Mein rechter Arm wurde ausgerenkt. Ich spürte den fürchterlichen Schmerz und fiel wieder in Ohnmacht. Dann geschah wieder dasselbe wie beim erstenmal. Man goß Wasser über mich, und ich kam wieder zum Bewußtsein.

Nun waren alle Deutschen vollkommen wahnsinnig. Sie brüllten wie Tiere und bombardierten mich wieder mit Fragen, aber ich war so erschöpft, daß ich nicht antworten konnte.

Und dann legten sie eine Art selbstverfertigtes-es erschien mir wie eine Art selbstangefertigtes hölzernes – Ding mit einer Schraubenvorrichtung um mein linkes Bein und fingen an, es zuzuschrauben, so daß sich alles Fleisch von den Knochen löste. Ich spürte einen fürchterlichen Schmerz und fiel wiederum in Ohnmacht. Aber ich kam wieder zum Bewußtsein, und ich habe hier an meinem Bein immer noch große Narben von der Schraubenvorrichtung. Das liegt nun schon vier Jahre zurück.

Da auch dies zu keinem Erfolg führte, legten sie mir etwas um den Hals – ich habe noch Narben hier –: