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[Zum Zeugen gewandt:]

Wissen Sie etwas über tätowierte Menschen?

BALACHOWSKY: Jawohl.

M. DUBOST: Wollen Sie uns bitte sagen, was Sie darüber wissen.

BALACHOWSKY: Die tätowierten Menschenhäute wurden in Block 2 in Buchenwald, im sogenannten »Pathologischen Block«, aufbewahrt.

M. DUBOST: Gab es viele tätowierte Menschenhäute in Block 2?

BALACHOWSKY: Es gab stets tätowierte Menschenhäute in Block 2. Ich weiß nicht, ob es viele waren, weil ständig Häute hereinkamen und wieder weitergegeben wurden; es gab nicht nur tätowierte, sondern auch einfach gegerbte Häute, die nicht tätowiert waren.

M. DUBOST: Man hat also Menschen gehäutet?

BALACHOWSKY: Man hat die Haut abgezogen und dann gegerbt.

M. DUBOST: Wollen Sie bitte Ihre Aussage über diesen Punkt fortsetzen.

BALACHOWSKY: Ich sah SS-Männer aus Block 2, dem »Pathologischen Block«, mit gegerbten Häuten unter dem Arm herauskommen. Ich weiß von Kameraden, die in Block 2 arbeiteten, daß dort Bestellungen auf Häute eingegangen sind, und daß diese gegerbten Häute einigen Wachposten und Besuchern geschenkt wurden, die sie zum Einbinden von Büchern benutzten.

M. DUBOST: Man hat uns gesagt, daß der damalige Kommandant Koch wegen dieser Gepflogenheit bestraft worden ist.

BALACHOWSKY: Ich war nicht Zeuge des Falles Koch, der sich vor meiner Lagerzeit abgespielt hat.

M. DUBOST: Also gab es auch nach seinem Weggang noch tätowierte und gegerbte Häute?

BALACHOWSKY: Es hat immer gegerbte und tätowierte Häute gegeben, denn als die Amerikaner das Lager befreiten, haben sie am 11. April 1945 im Block 2 noch tätowierte und gegerbte Häute gefunden.

M. DUBOST: Wo wurden diese Häute gegerbt?

BALACHOWSKY: Diese Häute wurden in Block 2 und vielleicht auch in den Baulichkeiten des Krematoriums gegerbt, die nicht weit von Block 2 entfernt waren.

M. DUBOST: Nach Ihrer Aussage war es also ein ständiger Brauch, der sogar nach der Hinrichtung Kochs fortgesetzt wurde?

BALACHOWSKY: Jawohl, es geschah während der ganzen Zeit, aber ich weiß nicht in welchem Ausmaß.

M. DUBOST: Sind Sie Zeuge von Besuchen deutscher Persönlichkeiten im Lager gewesen, und wer waren diese Persönlichkeiten?

BALACHOWSKY: Ich kann Ihnen einiges über die Besuche in Dora wiederholen.

M. DUBOST: Ich bitte um Entschuldigung, aber ich möchte bezüglich der Häute noch eine Frage stellen.

Sind Sie über die Verurteilung Kochs unterrichtet?

BALACHOWSKY: Jawohl, ich bin durch Gerüchte und Aussagen meiner alten Kameraden unterrichtet, die im Lager waren; ich selbst bin jedoch nicht Zeuge dieser Angelegenheit gewesen.

M. DUBOST: Das macht nichts. Es genügt mir, zu wissen, daß selbst nach der Verurteilung Kochs immer noch gegerbte und tätowierte Häute da waren.

BALACHOWSKY: Jawohl.

M. DUBOST: Sind Sie sicher?

BALACHOWSKY: Jawohl. Auch nach seiner Verurteilung gab es weiterhin gegerbte und tätowierte Häute.

M. DUBOST: Wollen Sie uns bitte sagen, welche deutschen Persönlichkeiten das Lager besuchten und wer diese Persönlichkeiten waren?

BALACHOWSKY: Die Verbindung zwischen dem Lagerinneren und der Außenwelt, das heißt der deutschen Zivilbevölkerung und sogar mit deutschen Soldaten wurde aufrechterhalten durch die Abgänge und durch den Urlaub einiger politischer Gefangener, die von der SS die Erlaubnis erhalten konnten, einige Zeit bei ihrer Familie zu verbringen. Andererseits besuchten zum Beispiel Wehrmachtsangehörige das Lagerinnere. In Block 50 hatten wir Besuch von Offiziersanwärtern der Luftwaffe. Diese Offiziersanwärter der Luftwaffe, das heißt also der regulären Deutschen Wehrmacht, sind durch das Lager gegangen und konnten sich fast von allem unterrichten, was dort vorging.

M. DUBOST: Was haben sie in Block 50 gemacht?

BALACHOWSKY: Sie haben lediglich die Einrichtungen besichtigt, auf eine Einladung von Sturmbannführer Schule hin. Wir haben verschiedene Besuche bekommen.

M. DUBOST: Was für Einrichtungen waren das?

BALACHOWSKY: Es waren Einrichtungen für die Herstellung von Impfstoffen und Laboratoriumseinrichtungen.

M. DUBOST: Danke.

BALACHOWSKY: Auch andere Besuche haben stattgefunden, insbesondere von Schwestern des Deutschen Roten Kreuzes, die diesen Block im Oktober 1944 besucht haben.

M. DUBOST: Kannten Sie die Namen der deutschen Persönlichkeiten, die das Lager besucht haben?

BALACHOWSKY: Ja, zum Beispiel den Erbprinzen zu Waldeck-Pyrmont, der Obergruppenführer der Waffen-SS war, sowie den Polizeiführer von Hessen und Thüringen, der das Lager verschiedentlich besucht hat, sowohl Block 46 als auch Block 50. Er interessierte sich sehr für die Experimente.

M. DUBOST: Wissen Sie etwas über die Haltung der Häftlinge kurz vor der Befreiung des Lagers durch die amerikanischen Truppen?

BALACHOWSKY: Die Insassen des Lagers Buchenwald rechneten damit, daß die Befreiung jeden Augenblick erfolgen könnte. Am 11. April morgens herrschte völlige Ordnung und Disziplin im Lager. Man hatte unter größten Schwierigkeiten und bei strengster Geheimhaltung Waffen, Kisten mit Handgranaten und so weiter und etwa zweihundertfünfzig Gewehre, die in zwei Depots aufgeteilt wurden, versteckt. Ein Teil, etwa einhundert Gewehre, war im Krankenhaus untergebracht und ein anderer Teil, ungefähr einhundertfünfzig Gewehre, sowie Kisten mit Handgranaten, in meinem Block 50. Sobald die ersten Amerikaner am 11. April nachmittags um 3 Uhr unterhalb des Lagers Buchenwald auftauchten, taten sich die politischen Gefangenen in Gruppen zusammen, ergriffen die Waffen und nahmen den größten Teil der SS-Wachen gefangen oder erschossen diejenigen, die Widerstand leisteten. Diese Wachen hatten es bei der Flucht recht schwer, da sie Rucksäcke schleppten voll mit Beute, das heißt mit gestohlenem Gut, das sie den Gefangenen während ihrer Lagerzeit abgenommen hatten.

M. DUBOST: Ich danke, ich habe keine weiteren Fragen an den Zeugen zu stellen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich zu einer Pause von zehn Minuten zurückziehen.