[RA. Babel will seinen Platz einnehmen.]
VORSITZENDER: Einen Augenblick. Bitte, kommen Sie zurück.
[RA. Babel tritt wieder vor das Mikrophon.]
Ich verstehe nicht, was Sie damit meinen, daß Sie nicht geschützt worden seien. Nun, hören Sie mir bitte zu. Ich weiß nicht, was Sie damit meinen: Sie seien gegen den Anklagevertreter nicht geschützt worden. Die Anklagebehörde hat diesen Zeugen vorgeladen, und die Verteidiger hatten jede Gelegenheit zu einem Kreuzverhör. So wie ich es verstehe, sind Sie hierher gekommen, um den Zeugen in ein Kreuzverhör zu nehmen. Ich verstehe Ihren Protest nicht.
RA. BABEL: Herr Vorsitzender! Ich kenne leider das Prozeßverfahren, wie es in Amerika und England und sonstigen Staaten üblich ist, nicht. Nach deutschem Strafrecht und nach der deutschen Strafrecht-Prozeßordnung ist es üblich, daß solche Angriffe, die an einen am Prozeß Beteiligten ungerechtfertigter und unbegründeter Weise gemacht werden, seitens des Herrn Vorsitzenden zurückgewiesen werden. Ich habe infolgedessen erwartet, daß das vielleicht auch hier geschehen würde und, nachdem das nicht geschehen ist, habe ich Veranlassung genommen... Wenn ich damit gegen die Prozeßregeln verstoßen haben sollte, bitte ich um Entschuldigung.
VORSITZENDER: Von welchem unberechtigten Vorwurf sprechen Sie denn?
RA. BABEL: Der Herr Vertreter der Anklage hat mir unterstellt, daß ich an Zeugen Fragen gerichtet habe, um die Zeugen zu verwirren, also um zu erreichen, daß die Zeugen nicht in entsprechender Weise ihre Aussagen gestalten können. Das ist ein Vorwurf gegen die Verteidigung, der für uns, wenigstens für meine Person – ich weiß nicht, wie sich die anderen Verteidiger dazu stellen –, beleidigend ist.
VORSITZENDER: Ich verstehe noch immer nicht, was Sie sagen wollen.
RA. BABEL: Herr Vorsitzender, es tut mir leid, aber ich glaube, ich kann Sie da nicht überzeugen, weil Sie die deutsche Mentalität in dieser Richtung wahrscheinlich nicht kennen, denn unsere deutsche Verfahrensordnung ist eine ganz andere. Ich wollte dem Herrn Vorsitzenden in keiner Weise einen Vorwurf machen, sondern ich wollte nur darauf hinweisen, daß ich diesen Anwurf für unberechtigt halte, und daß ich ihn zurückweise.
VORSITZENDER: RA. Babel, es scheint mir, daß Sie sagen wollen, daß der Anklagevertreter etwas zu Ihnen sagte. Bitte, was hat der Anklagevertreter zu Ihnen gesagt?
RA. BABEL: Der Herr Anklagevertreter hat gesagt, daß ich durch meine Fragestellung die Zeugen in Verwirrung bringen will, und damit wird meines Erachtens gesagt, daß ich etwas tue, was nicht gehörig ist. Ich bin nicht dazu da, um Zeugen in Verwirrung zu bringen, sondern um dem Gericht beizustehen, die Wahrheit zu erforschen, und das kann man nicht dadurch erreichen, daß man Zeugen in Verwirrung bringt.
VORSITZENDER: Nun verstehe ich, was Sie meinen.
Ich glaube nicht, daß der Anklagevertreter überhaupt Anschuldigungen gegen Ihr berufliches Betragen beabsichtigt hatte. Wenn Sie nur das sagen wollten, verstehe ich, worum es sich handelt.
Haben Sie an diesen Zeugen Fragen zu stellen?
RA. BABEL: Eine Frage, ja.
[Zum Zeugen gewandt:]
Sie haben angegeben, daß in dem Block 46 oder 50, also einem von den beiden, daß Waffen gebracht worden sind, 50 Gewehre, wenn ich richtig verstanden habe. Wer hat diese Waffen hereingebracht?
BALACHOWSKY: Wir, die Gefangenen. Wir haben diese Waffen versteckt.
RA. BABEL: Und für welchen Zweck?
BALACHOWSKY: Um unsere Haut so teuer als möglich zu verkaufen.
RA. BABEL: Ich habe nicht verstanden.
BALACHOWSKY: Wir haben diese Gewehre in der Absicht versteckt, unsere Haut so teuer als möglich zu verkaufen, also uns bis zum Tode zu verteidigen, um nicht, wie die meisten unserer Kameraden in den Lagern durch Flammenwerfer oder Maschinengewehre umgebracht zu werden. In diesem Fall hätten wir uns mit den Gewehren, die wir versteckt hatten, verteidigt.
RA. BABEL: Sie sagten, »wir Gefangene.« Wer waren diese Gefangenen?
BALACHOWSKY: Die Gefangenen innerhalb des Lagers.
RA. BABEL: Welche Gefangenen?
BALACHOWSKY: Wir, die politischen.
RA. BABEL: Es sollen in der Hauptsache deutsche KZ-Häftlinge gewesen sein?
BALACHOWSKY: Alle Nationalitäten waren vertreten. Es gab im Lager, was die SS nicht wußte, eine internationale geheime Verteidigungsorganisation mit Stoßtrupps.
RA. BABEL: Es haben also auch deutsche KZ-Häftlinge Ihnen geholfen, beziehungsweise helfen wollen?
BALACHOWSKY: Deutsche Häftlinge waren auch in diesen Stoßtrupps; deutsche politische Häftlinge, und besonders alte deutsche Kommunisten, die seit zehn Jahren gefangengehalten wurden, haben sich in den letzten Stunden des Lagers ausgezeichnet benommen.
RA. BABEL: Gut. Das wollte ich wissen. Also mit Ausnahme von den grün gezeichneten Verbrechern sind Sie miteinander, also mit Gefangenen, soweit sie deutscher Abstammung waren, gut ausgekommen und haben sich gegenseitig geholfen, wenn ich Sie richtig verstehe, oder zu helfen versucht.
BALACHOWSKY: Das Problem der Grünen entstand überhaupt gar nicht erst, denn die SS hatte die Grünen einige Tage vor der Befreiung des Lagers bei ihrem eigenen Abzug mitevakuiert. Sie haben sie fast alle umgebracht; jedenfalls haben sie das Lager verlassen, und wir wissen nicht, was aus ihnen geworden ist. Ohne Zweifel verstecken sich noch heute Überlebende unter der deutschen Bevölkerung.
RA. BABEL: Meine Frage hat sich nicht auf die Grüngezeichneten bezogen, sondern auf ihr Verhältnis zu den politischen deutschen Gefangenen.
BALACHOWSKY: Die deutschen, französischen, russischen, holländischen, belgischen und luxemburgischen politischen Gefangenen haben innerhalb des Lagers geheime Stoßtrupps gebildet, die in den letzten Augenblicken zu den Waffen gegriffen und zur Befreiung des Lagers beigetragen haben. Diese Waffen waren versteckt. Sie stammten aus dem Rüstungswerk Gustloff, das in der Nähe des Lagers war. Die Waffen waren von den Arbeitern, die in diesen Fabriken gearbeitet hatten, gestohlen worden. Tagtäglich brachten sie entweder einen Lauf oder einen Kolben oder einen Verschluß in ihren Kleidern versteckt mit, und heimlich, unter den größten Schwierigkeiten, setzte man diese Gewehre aus den verschiedenen Teilen wieder zusammen und versteckte sie dann. Diese Gewehre haben wir in den letzten Tagen des Lagers benutzt.
RA. BABEL: Danke, ich habe keine Frage mehr.
VORSITZENDER: Wünscht irgendein anderer deutscher Verteidiger noch Fragen zu stellen?
Herr Dubost, haben Sie weitere Fragen zu stellen?
M. DUBOST: Ich habe keine Fragen mehr.
VORSITZENDER: Dann kann sich der Zeuge zurückziehen.