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[Dr. Stahmer tritt an das Rednerpult.]

M. DUBOST: Herr Präsident, bevor Sie der Verteidigung die Erlaubnis geben, mich zu unterbrechen, erlauben Sie mir, die Verlesung dieses Schriftstücks zu beenden.

VORSITZENDER: Fahren Sie fort!

M. DUBOST:

»Da die Militärbehörden es (den Bestimmungsort) nicht kannten, traten sie unverzüglich brieflich mit Buchenwald in Verbindung. Sie erhielten jedoch keine Antwort.

Anfang März sollte Major Bramkamp,... sich persönlich nach Buchenwald begeben...«

Es folgt eine Liste der Gefangenen, die auf diese Weise verschwunden sind. Und hier, Seite 122, die Bestätigung dieser Zeugenaussage durch Herrn Souche, Vertrauensmann des Kommandos 624, der schreibt:

»Bestimmte Kriegsgefangene, die in das Zivilarbeitsverhältnis übernommen worden waren, sowie französische Zivilarbeiter hatten in Köln eine Gruppe der katholischen Aktion unter der Leitung zweier ebenfalls in das Zivilarbeitsverhältnis übernommener kriegsgefangener Priester, Pannier und Cleton, organisiert....

Die Verhaftungen begannen unter den Mitgliedern der katholischen Aktion...«

Sie wurden anti-deutscher Machenschaften beschuldigt.

VORSITZENDER: Was hat Herr Dr. Stahmer einzuwenden?

DR. OTTO STAHMER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN GÖRING: Wir sind nicht in der Lage, dem Vortrag des Herrn französischen Anklagevertreters zu folgen. Zunächst ist die Übersetzung sehr mangelhaft. Es werden Sätze ausgelassen, vor allem werden Nummern unrichtig genannt. Es wurde soeben die Nummer 612 genannt; ich habe diese Nummer hier, es handelt sich um ein ganz anderes Schriftstück. Wir haben die Dokumentenbücher nicht und können daher der Seitenangabe nicht folgen. Auch andere Herren beschweren sich darüber, daß wir nicht in der Lage sind, bei dieser Art des Vortrages irgendetwas aufzunehmen.

VORSITZENDER: Kann ich Ihr Dokument sehen?

DR. STAHMER: Hier ist die Nummer, die soeben erwähnt wurde; Nummer 612.

VORSITZENDER: Das ist nicht das Dokument. Das Dokument, aus dem Herr Dubost vorliest, trägt die Nummer 672. Ihr Dokument hat aber eine andere Nummer.

DR. STAHMER: Uns wurde aber diese Nummer durchgegeben, 612, das habe nicht nur ich allein gehört, sondern auch die anderen Herren, und so wurde nicht nur diese eine Nummer, sondern alle Nummern unrichtig angegeben.

Dazu kommt die Schwierigkeit, daß wir das Dokumentenbuch nicht haben. Es wurde gesagt, Seite 118, wir wissen aber gar nicht, was 118 ist. Wir können also in dem Tempo gar nicht folgen.

VORSITZENDER: Herr Dubost, ich glaube, daß die Ursache der Verwirrung tatsächlich darin besteht, daß Sie die Nummern zu schnell verlesen. Diese werden daher unrichtig übersetzt, und zwar nicht nur ins Deutsche, sondern auch ins Englische. Es ist für die Dolmetscher sehr schwierig, alle diese Nummern zu verstehen. Sie nennen zuerst die Nummer des Schriftstücks, dann die Beweisstücknummer, dann die Seite des Dokumentenbuches, und die Übersetzung wird falsch. Die Arbeit der Dolmetscher wird sehr erschwert. Sie müssen viele Ziffern übersetzen.

Es ist wichtig, daß die Angeklagten in der Lage sind, den Dokumenten zu folgen, und dasselbe gilt für die Anwälte, Da sie keine Dokumentenbücher besitzen, ist es wesentlich, daß Sie sehr langsam vorgehen.

M. DUBOST: Herr Vorsitzender, die Dokumentenbücher, alle Dokumente, sind den Verteidigern überreicht worden.

VORSITZENDER: Herr Dubost, wollen Sie damit sagen, daß die Dokumentenbücher der Verteidigung in derselben Form gegeben worden sind, wie sie uns übergeben wurden, das heißt mit numerierten Seiten? Was mich angeht, so kann ich nur auf diese Weise die Dokumente finden. Sie sagten Seite 115; und das zeigt mir an, wo das Dokument zu finden ist. Hätte ich diese Seitenangabe nicht, dann wäre es mir unmöglich gewesen, das Dokument zu finden.

M. DUBOST: Es war nicht möglich, der Verteidigung ein Dokumentenbuch zur Verfügung zu stellen, das dieselben Seitenzahlen trägt wie das Dokumentenbuch, das dem Gerichtshof vorgelegt wurde. Es ist in deutscher Sprache abgefaßt, und die Seiten sind daher nicht die gleichen wie im Englischen. Die Seitenbezeichnung im deutschen Dokumentenbuch und in dem Ihrigen stimmt nicht vollkommen überein.

VORSITZENDER: Ich erkläre Ihnen die Schwierigkeiten, unter denen die Verteidiger arbeiten. Wenn wir nur eine Anzahl von Dokumenten ohne Seitennumerierung vor uns hätten, würden wir dieselben Schwierigkeiten haben. Deshalb müssen Sie die Nummern der Dokumente sehr langsam angeben.

M. DUBOST: Ich werde den Wünschen des Gerichtshofs nachkommen, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Herr Stahmer, das soeben verlesene Dokument hat die Nummer 672.

DR. STAHMER: Das Dokument 672 können wir nicht finden. Nummer 673 haben wir. Wir haben lauter lose Blätter, aus denen müssen wir uns erst die Nummern zusammensuchen. Nummer 673 haben wir, aber Nummer 672 haben wir bisher nicht gefunden unter unseren Urkunden. Dadurch wird es uns erschwert, einem Vortrag zu folgen, weil wir jedesmal sehr lange suchen müssen, sofern die Nummern überhaupt richtig angegeben sind.

VORSITZENDER: Ich verstehe Ihre Schwierigkeiten. Herr Dubost, wollen Sie fortfahren. Und sprechen Sie bitte langsam, damit Sie den Verteidigern soweit als möglich Gelegenheit geben, die Dokumente aufzufinden. Ich glaube, daß Sie etwas Befriedigendes unternehmen sollten, um den Verteidigern das Auffinden der Dokumente zu erleichtern, durch Numerierung der Seiten oder durch Buchstaben, zum Beispiel durch ein Inhaltsverzeichnis, in welchem die Reihenfolge der Dokumente angegeben ist.

M. DUBOST: Herr Präsident! Vor drei Tagen haben wir den Verteidigern zwei Dokumentenbücher in französischer Sprache übergeben, die in gleicher Weise paginiert sind wie diejenigen, die Sie vor sich liegen haben. Wir haben ihnen aus technischen Gründen nur zwei Exemplare überlassen können; wir übergaben den Verteidigern jedoch gleichzeitig eine genügende Anzahl von Dokumenten in deutscher Sprache, so daß jeder Verteidiger die Akten in deutscher Sprache besitzt. Verlangt der Gerichtshof von mir, daß die Seitenzahlen des französischen Dokumentenbuches, das wir den Verteidigern geben, mit den Seitenzahlen eines Dokumentenbuches übereinstimmen, das wir herstellen müßten, während die Verteidiger es selbst tun könnten und Zeit genug dazu haben? Wir haben ja vor drei Tagen den Verteidigern zwei Dokumentenbücher in französischer Sprache übergeben. Sie hatten Gelegenheit, die französischen Texte mit den deutschen Texten zu vergleichen, um sich zu vergewissern, daß unsere Übersetzungen richtig waren, und sich für die Sitzung vorzubereiten.

VORSITZENDER: Fahren Sie fort, Herr Dubost, aber wie ich gesagt habe, langsam!

DR. STAHMER: Es ist nicht richtig, daß wir die Dokumente vor drei Tagen bekommen haben. Wir haben diesen Haufen gestern abend in unserem Fache gehabt. Wir haben keine Zeit dazu, die Seiten zu numerieren. Wie ich sage, gestern abend oder heute morgen ist dies in unserem Fach gewesen.

VORSITZENDER: Setzen Sie fort, Herr Dubost, und geben Sie die Bezeichnung der Dokumente langsam!

M. DUBOST: Wir gehen jetzt zu Dokument F-357 über, das als RF-381 vorgelegt wird. Dieses Dokument befaßt sich mit der Durchführung der allgemeinen Richtlinien über die Hinrichtung von Kriegsgefangenen. Es enthält die Zeugenaussage eines deutschen Gendarmen, der am 25. Mai 1945 gefangengenommen wurde, Seite 127:

»Alle Kriegsgefangenen, die uns bei irgendwelcher Gelegenheit immer in die Hände fielen..., mußten wir niedermachen, anstatt sie der nächsten Wehrmachtsstelle zu übergeben, wie es bisher geschehen war.«

Es handelt sich um einen Befehl, der Mitte August 1944 gegeben wurde, und der Zeuge fährt fort: »Die Erschießung mußte an einer einsamen Stelle erfolgen«.

Derselbe Zeuge nennt die Namen von Deutschen, die Kriegsgefangene getötet haben.

Wir werden jetzt Dokument 1634-PS vorlegen, das die Beweisstücknummer RF-382 erhält, Seite 129 des Dokumentenbuches. Es wurde noch nicht verlesen und berichtet über die Ermordung von 129 amerikanischen Kriegsgefangenen durch die Deutsche Wehrmacht am 17. Dezember 1944 während der deutschen Offensive auf einem Feld, südwestlich und westlich von Baignes in Belgien.

Der Schreiber dieses Berichts faßt die Geschehnisse zusammen.

Die amerikanischen Gefangenen seien in der Nähe der Kreuzung versammelt worden. Einige Soldaten, deren Namen angegeben sind, rannten in westlicher Richtung über das Feld, versteckten sich zwischen Bäumen, in hohem Gras, Unterholz oder in Gräben, und entgingen auf diese Art der Niedermetzelung. Andere, die sich zu Beginn des Blutbades in der Nähe einer Scheune befanden, konnten sich dort verstecken. Auch diese seien am Leben geblieben.

»Das Maschinengewehr- und Artilleriefeuer auf diese Kolonne von amerikanischen Fahrzeugen dauerte ungefähr 10 bis 15 Minuten, und dann erschienen auf der Landstraße zwei deutsche Panzer und einige Kettenfahrzeuge aus der Richtung von Weismes. Als diese Fahrzeuge zu der Straßenkreuzung kamen, bogen sie nach Süden auf der Straße nach Saint-Vith ein. Die Panzer richteten ihr Maschinengewehrfeuer in den Graben längs der Straße, wo die amerikanischen Soldaten kauerten; dessen gewahr, warfen die anderen amerikanischen Soldaten daraufhin ihre Waffen weg und hoben die Arme über ihre Köpfe. Die amerikanischen Soldaten, die sich ergeben hatten, wurden dann aufgefordert, zu der Straßenkreuzung zurückzumarschieren, wobei die deutschen Soldaten auf einigen deutschen Fahrzeugen, an denen die amerikanischen Kriegsgefangenen auf der Straße N-23 vorbeikamen, ihnen Gegenstände, wie Armbanduhren, Ringe und Handschuhe abnahmen. Die amerikanischen Soldaten wurden dann auf der Landstraße nach St. Vith, vor einem Haus an der südwestlichen Ecke der Straßenkreuzung versammelt.

Andere deutsche Soldaten, die in Panzern und Kettenfahrzeugen an der Straßenkreuzung angekommen waren, durchsuchten die gefangenen Amerikaner an dieser Stelle noch weiter und nahmen ihnen ebenfalls Wertgegenstände ab...

Etwas früher an demselben Tag war Unterfeldwebel Herman Johnson... von einem deutschen Panzer gefangengenommen worden. Nachdem er verhört war, wurde er gezwungen,... in einem Panzerwagen zu fahren,...

... und Unterfeldwebel Johnson wurde mit den anderen amerikanischen Kriegsgefangenen angeschlossen....

Ungefähr zur gleichen Zeit versuchte ein leichter deutscher Panzer sich auf der Straße in solche Stellung zu manövrieren, daß seine Kanonen auf die Gruppe der amerikanischen Gefangenen in dem Feld etwa 20 bis 25 Meter von der Straße gezielt hätten....

Einige deutsche Panzer hielten an, als sie an das Feld, in dem die entwaffneten amerikanischen Kriegsgefangenen mit erhobenen Armen oder hinter den Köpfen zusammengefaßten Händen standen, kamen. Ein deutscher Soldat, vermutlich ein Offizier oder ein Unteroffizier, in einem der anhaltenden Fahrzeuge stand auf, zog seine Pistole, zielte wohlüberlegt und feuerte in die Gruppe der amerikanischen Kriegsgefangenen. Einer der amerikanischen Soldaten fiel. Dieser Vorgang wiederholte sich noch einmal und ein anderer amerikanischer Soldat aus der Gruppe fiel zu Boden. Ungefähr gleichzeitig eröffneten Maschinengewehre von zwei Fahrzeugen auf der Straße Feuer auf die Gruppe amerikanischer Kriegsgefangener in dem Feld. Alle oder die Mehrzahl der amerikanischen Soldaten warfen sich auf den Boden, und blieben liegen, während das Feuer 2 bis 3 Minuten lang anhielt. Die Mehrzahl der Leute im Feld wurden von dem Maschinengewehrfeuer getroffen. Die deutschen Fahrzeuge setzten dann ihren Weg in südlicher Richtung fort, gefolgt von mehr Fahrzeugen, die ebenfalls aus der Richtung von Weismes kamen, und wenn diese Fahrzeuge an das Feld, in dem die amerikanischen Soldaten lagen, kamen, wurde mit Handfeuerwaffen von den fahrenden Fahrzeugen auf die hingestreckten Leichen in dem Feld geschossen....

Einige deutsche Soldaten, offensichtlich von der Gruppe derer, die an der Straßenkreuzung Wache hielten, gingen dann zwischen den amerikanischen Kriegsgefangenen, die sich noch in ihrer ursprünglichen Lage in dem Feld befanden, und auch zwischen denen, die eine kurze Strecke weggelaufen waren, umher und er schossen mit Pistolen und Gewehren oder erschlugen mit Gewehrkolben oder anderen harten Gegenständen einzeln alle amerikanischen Soldaten, die noch irgendein Lebenszeichen von sich gaben. In einigen Fällen wurden amerikanische Kriegsgefangene offensichtlich aus nächster Nähe genau zwischen beide Augen, in die Schläfe oder in den Hinterkopf geschossen.«

Diese Tatsache stellt einen Terrorakt dar, der eine Schande für die Deutsche Wehrmacht bleiben wird, denn er kann durch nichts gerechtfertigt werden. Diese Menschen waren, wie wir wissen, wehrlos und hatten sich ergeben.

Der Gerichtshof hat mir gestern gestattet, die Dokumente vorzulegen, auf die sich die Französische Anklagebehörde bei der Feststellung der Schuld von Göring, Keitel, Jodl, Bormann, Frank, Rosenberg, Streicher, Schirach, Heß, Frick, des OKW, des OKH, des OKL, der Reichsregierung, der Politischen Leiter sowie der SS und Gestapo an den in den Konzentrationslagern begangenen Grausamkeiten stützt.

Ich werde mich kurz fassen, ich habe nur wenige neue Dokumente vorzulegen.

Das erste Dokument belastet Kaltenbrunner; es ist das amerikanische Dokument L-35, Seite 246 des Dokumentenbuches 2. Dieses Dokument ist nicht vorgelegt worden. Es ist die Aussage von Rudolf Mildner, Dr. jur. und Oberst der Polizei, der erklärt:

»Die Einweisungsbefehle waren vom Chef der Sipo und SD, Dr. Kaltenbrunner oder in Vertretung vom Amtschef IV, SS-Gruppenführer Müller gezeichnet.«

Das Dokument erhält die Beweisstücknummer RF-383 bis.

Mit Bezug auf Göring legen wir als RF-384 das amerikanische Dokument 343-PS vor, ein Schreiben von Feldmarschall Milch an Wolff. Der Brief endet mit folgenden Worten:

»Ich spreche der SS für ihre weitgehende Mithilfe den besonderen Dank des Oberbefehlshabers der Luftwaffe aus.«

Aus dem, was vorhergeht, ist ersichtlich, daß dieser Dank sich auf die biologischen Experimente Dr. Raschers bezieht. Somit ist Göring in diese Sache verwickelt.

Die deutsche SS-Ärzteschaft ist belastet. Das geht aus Dokument 1635-PS hervor, das noch nicht vorgelegt worden ist. Es wird Beweisstück RF-385 und ist im Anhang des zweiten Dokumentenbuches zu finden.

Es handelt sich um Auszüge aus Zeitschriften über mikroskopische und anatomische Forschungen. Die Auszüge beziehen sich auf Versuche, die an Personen vorgenommen worden waren, die dann, obwohl völlig gesund, eines plötzlichen Todes starben. Die Umstände des Todes wurden dann von den Experimentierenden so dargestellt, daß kein Leser über die Umstände, unter denen sie zu Tode gebracht worden waren, im Zweifel sein konnte.

Mit Erlaubnis des Gerichtshofs werde ich einige Stellen zitieren:

»Untersucht wurden die Schilddrüsen von 21 angeblich gesunden Menschen im Alter von 20 bis 40 Jahren, die eines plötzlichen Todes starben....

Die betreffenden Menschen, 19 Männer und 2 Frauen, lebten bis zu ihrem Tode mehrere Monate unter völlig gleichen äußeren Bedingungen, auch was die Beköstigung anbelangt. Die zuletzt aufgenommene Kost bestand hauptsächlich aus Kohlehydraten....

Im Laufe einer längeren Zeit wurde ein Untersuchungsgut von den Lebern 24 erwachsener und gesunder Menschen gesammelt, die plötzlich zwischen 5 bis 6 Uhr morgens starben.«

Der Gerichtshof wird bei der Prüfung dieser Dokumente und der Originale feststellen, daß die deutsche medizinische Literatur sehr reich an Experimenten war, die an erwachsenen, in gutem Gesundheitszustand befindlichen Personen vorgenommen wurden, welche plötzlich zwischen 5 und 6 Uhr morgens starben.

Niemand in Deutschland konnte über die Umstände im unklaren sein, unter denen diese Todesfälle eingetreten waren, da man die Berichte über die Experimente der SS-Ärzte in den Lagern öffentlich druckte.

Ein letztes Dokument, F-185-B und A, bezieht sich auf Versuche mit vergifteten Kugeln, die am 11. August 1944 in Gegenwart der SS-Obersturmbannführer Dr. Ding und Dr. Widmann durchgeführt wurden, Seite 187 des Dokumentenbuches 2.

Diese beiden Dokumente werden als RF-386 und RF-387 vorgelegt. Der Gerichtshof findet die Beschreibung dieses Experiments, in der die Opfer als zum Tode Verurteilte hingestellt werden.

Das Dokument RF-386 wird von dem Chirurgen Professor M. May, dem diese soeben erwähnten pseudo-wissenschaftlichen Dokumente vorgelegt worden sind, das heißt die Auszüge aus den wissenschaftlichen Zeitschriften, die Berichte über die Versuche, wie folgt beurteilt, Seite 222:

»Die Bösartigkeit und Beschränktheit dieser Experimentierenden setzen Sie in Erstaunen. Die Symptome der Vergiftung mit Aconitin sind seit undenklicher Zeit bekannt. Dieses Gift wurde zuweilen von wilden Völkern verwendet, um ihre Pfeile damit zu vergiften. Man hat jedoch noch nie gehört, daß sie ihre Beobachtungen (übrigens gänzlich unzureichend und kindlich) über den vorauszusehenden Erfolg ihrer Erfahrungen in einem so überheblichen Stil beschrieben, noch daß sie sie von einem ›Doz.‹, das heißt einem Professor unterschreiben ließen.«

Wir unterbreiten jetzt Dokument F-278(a) als RF-388. Es belastet Keitel. Es ist ein Schreiben, das »Oberkommando der Wehrmacht, im Auftrag: gez. Dr. Lehmann« unterschrieben ist. Es trägt das Datum vom 17. Februar 1942, ist an den Außenminister gerichtet und belastet diesen. Es betrifft die Behandlung in den Internierungslagern, Seite 75:

»Täter, die auf Grund des Führererlasses nach Deutschland gebracht werden, dürfen keinerlei Verkehr mit der Außenwelt haben; sie dürfen daher weder selbst schreiben noch Briefe, Pakete oder Besuche empfangen. Briefe, Pakete oder Besucher sind mit dem Bemerken zurückzuweisen, daß dem Täter jeder Verkehr mit der Außenwelt verboten ist.

Das Oberkommando teilt die dortige Auffassung im Schreiben vom 31. Januar 1942 mit, daß für belgische Häftlinge eine Bestellung von belgischen Verteidigern nicht in Frage komme.«

Wir legen jetzt Dokument 682-PS, RF-389 vor, Seite 134 des Dokumentenbuches 2. Dieses Dokument belastet die Reichsregierung, das Reichskabinett. Es ist eine Besprechung zwischen Dr. Goebbels und Thierack, dem Justizminister, die am 14. September 1942 von 13.00 Uhr bis 14.15 in Berlin stattfand.

»Hinsichtlich der Vernichtung asozialen Lebens steht Dr. Goebbels auf dem Standpunkt, daß Juden und Zigeuner schlechthin, Polen, die etwa 3 oder 4 Jahre Zuchthaus zu verbüßen hätten, Tschechen und Deutsche, die zum Tode, lebenslänglichem Zuchthaus oder Sicherungsverwahrung verurteilt wären, vernichtet werden sollen. Der Gedanke der Vernichtung durch Arbeit sei der beste.«

Wir wollen diesen letzten Satz im Gedächtnis behalten. Er beweist, daß der Wille zur Vernichtung durch Arbeit im Schoße der Deutschen Regierung selbst fest vorhanden war.

Das letzte Dokument, das wir im Zusammenhang mit den Konzentrationslagern vorlegen, ist F-662, das die Beweisstücknummer RF-390 erhält, Seite 77 des Dokumentenbuches 2. Dieses Dokument ist die Zeugenaussage des Herrn Poutiers aus Paris, Place de Breteuil. Er erklärt, daß die Verhafteten in den Kommandos von Mauthausen und Ebensee unter der direkten Kontrolle von Zivilpersonen arbeiteten, während die SS-Männer sie nur beaufsichtigten. Dieser Zeuge, der in vielen Arbeitskommandos beschäftigt war, bestätigt, daß alle durch Zivilisten kontrolliert wurden und von ihnen Befehle erhielten, die SS hatte lediglich die Beaufsichtigung. Soweit konnten die Bewohner des Ortes das Elend der Häftlinge auf dem Hin- und Rückweg und während der Arbeit beobachten, was die in den letzten Tagen dem Gerichtshof vorgelegten Zeugnisse bestätigen.

Wir fassen das Ansteigen der verbrecherischen deutschen Politik im Westen zusammen. Zu Beginn der Besatzung: Verletzung des Artikels 50 des Haager Abkommens, Exekution von Geiseln und Schaffung eines Pseudogeiselrechts, um die Hinrichtung in den Augen der Bewohner der besetzten Länder zu legalisieren.

In den folgenden Jahren wächst die Mißachtung der Menschenrechte ständig und erreicht in den letzten Monaten der Besetzung den Höhepunkt. Willkürliche Verhaftungen, Scheinprozesse oder Hinrichtungen ohne gerichtliches Urteil gehören zur täglichen Praxis.

Freisprüche oder Begnadigungen werden schließlich – der Gerichtshof wird sich daran noch erinnern – nicht mehr beachtet. Von deutschen Gerichten freigesprochene Personen, die aus der Haft entlassen werden müßten, werden verschleppt und sterben in den Internierungslagern.

Zu gleicher Zeit wächst und entwickelt sich die Organisation derjenigen Franzosen, die im Lande verblieben sind und nicht wollen, daß ihre Heimat stirbt. Daher wütet der deutsche Terrorismus gegen sie. Er verschlimmerte sich mehr und mehr, und nun folgt die Schilderung der terroristischen deutschen Unterdrückung gegen die Patrioten in Westeuropa, gegen die sogenannte »Widerstandsbewegung«, ohne daß dabei diesem Ausdruck mehr als seine artgemäße Bedeutung zu geben ist.

Von dem Augenblick an, als Deutschland begriff, daß seine Politik der Zusammenarbeit zum Scheitern verurteilt war, daß seine Geiselpolitik die Erbitterung der Menschen, die dadurch gefügig gemacht werden sollten, nur erhöhte, verstärkte es das Terrorregime im Lande, anstatt seine Politik den Bewohnern der besetzten Gebiete gegenüber zu ändern. Und dieser Terror wurde unter dem Vorwand einer antikommunistischen Kampagne durchgeführt. Der Gerichtshof erinnert sich an Keitels Befehl und weiß, was er von diesem Vorwand zu halten hat. Alle Franzosen, alle Europäer waren ohne Unterschied der Partei, des Berufs, der Religion oder Rasse, vermischt in dem Widerstand gegen Deutschland und vermischt in den Gräbern und in den Kollektivbeinhäusern, in die die Deutschen sie nach der Vernichtung warfen.

Dieses Durcheinander ist jedoch gewollt und berechnet, es rechtfertigt in gewissem Maße die Willkür der Unterdrückung, diese Willkür, von der Dokument F-278(c), RF-391, Zeugnis gibt. Es trägt das Datum vom 12. Januar 1943 und ist von Falkenhausen unterzeichnet; Seite 4 des Dokumentenbuches:

»Die Personen, die ohne gültigen Berechtigungsschein im Besitz von Sprengstoff- und militärischen Schußwaffen, Pistolen aller Art, Maschinenpistolen, Gewehren usw., mit Munition angetroffen werden, können in Zukunft ohne kriegsgerichtliches Verfahren sofort erschossen werden.«

Dieser Befehl, sowie andere ähnlicher Art, werden auch noch nach Landung der Alliierten in Westeuropa ausgeführt. Und dies sogar gegen organisierte Streitkräfte in Belgien und in Frankreich, obwohl die Deutschen selbst diese Streitkräfte bis zu einem gewissen Grade als Truppen betrachtet haben. Dies geht aus dem Dokument F-173, RF-392, hervor.

VORSITZENDER: Ich glaube, das wäre eine günstige Gelegenheit für eine Unterbrechung.