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M. DUBOST: Das Dokument, das ich als RF-392 vorgelegt habe, ist eine Vortragsnotiz der Kommission in Wiesbaden. Wir lesen:

»Das Vorgehen deutscher Truppen, unterstellt man selbst die Richtigkeit der französischen Sachdarstellungen, erfolgt im Rahmen von Kampfhandlungen, die in ihrem Umfang weit hinaus gehen über reine polizeiliche Aktionen gegen irgendwelche einzelnen Rechtsbrecher. Auf der Gegenseite treten organisierte, die Souveränität der Französischen Regierung in Vichy ausdrücklich verneinende Organisationen auf, die zahlenmäßig und ausstattungsmäßig, ihrer ganzen Führung und ihrem Auftreten nach beinahe als Truppeneinheiten bezeichnet werden müssen. Wiederholt ist betont, daß diese aufständischen Einheiten sich selbst als Teile der gegen Deutschland kämpfenden alliierten Streitkräfte ansehen. General Eisenhower bezeichnet die in Frankreich kämpfenden Terroristen als seinem Oberbefehl unterstellte Truppen. Gegen solche« – auf dem Original befindet sich ein Vermerk in rotem Bleistift »leider nicht nur« – »richten sich die deutschen Gegenmaßnahmen.«

Dieses Dokument zeigt, daß die französischen Kräfte im Innern, wie auch alle französischen Kräfte der besetzten Westgebiete, tatsächlich von der Deutschen Wehrmacht als Truppen betrachtet worden sind.

VORSITZENDER: Es konnte für das Protokoll von Wert sein. Es ist in dem Dokumentenbuch über die Ausrottung unschuldiger Bevölkerung auf Seite 167 enthalten.

M. DUBOST: Die Patrioten, die also von der Deutschen Wehrmacht als reguläre Truppen angesehen wurden, sind sie auch als Soldaten behandelt worden? Nein!

Der Befehl Falkenhausens beweist dies. Sie wurden entweder auf der Stelle getötet – aber das ist ja schließlich das Schicksal des Kämpfers – oder der Sipo oder dem SD übergeben und durch diese Organisationen, die frei von jeder gesetzlichen Bindung waren, zu Tode gefoltert. Dies geht aus Dokument 835-PS hervor, das als US-527 bereits vorgelegt worden ist, sowie aus Dokument F-673, das wir als RF-392 vorlegen, Seite 6 des Dokumentenbuches.

Dokument F-673, das sehr umfangreich ist, stammt aus den Archiven der Deutschen Kommission in Wiesbaden. Wir legen es als ein Stück als RF-392 vor. Jedesmal, wenn wir diese Nummer 673 erwähnen, handelt es sich um eines der Dokumente aus diesem umfangreichen deutschen Bande.

Hier ist ein Schreiben aus dem Führerhauptquartier vom 18. August 1944, 26. Ausfertigung, Geheime Kommandosache:

»Betrifft:

Bekämpfung von: 1. Terroristen und Saboteuren in den besetzten Gebieten.

2. Gerichtsbarkeit gegen nichtdeutsche Zivilpersonen in den besetzten Gebieten.«

1. »In der Anlage,« schreibt der Verfasser dieses Briefes, »werden Abschrift des Führerbefehls vom 30. Juli 1944 und des ersten Durchführungserlasses vom 18. August 1944 übersandt.«

Hier ist der Befehl des Führers, dritter Absatz:

»Ich befehle daher:...

1. Die Truppe und jeder einzelne Angehörige der Wehrmacht, SS und Polizei, haben Terroristen und Saboteure, die sie auf frischer Tat antreffen, sofort an Ort und Stelle niederzukämpfen.

2. Wer später ergriffen wird, ist der nächsten örtlichen Dienststelle der Sicherheitspolizei und des SD zu übergeben.

3. Mitläufer, besonders Frauen, die nicht unmittelbar an Kampfhandlungen teilnehmen, sind zur Arbeit einzusetzen...«

Wir wissen, was das bedeutet. Wir kennen die Arbeitsbedingungen in den Konzentrationslagern.

Ich fahre jetzt mit dem Verlesen des Briefes fort, der diesen Führerbefehl übermittelt. Absatz 4 stellt einen Kommentar des Befehls dar:

»4. Laufende gerichtliche Verfahren wegen aller Terror- und Sabotageakte und aller sonstigen Straftaten nichtdeutscher Zivilpersonen in den besetzten Gebieten, die die Sicherheit oder Schlagfertigkeit der Besatzungsmacht gefährden, sind auszusetzen. Anklagen sind zurückzunehmen. Die Vollstreckung ist nicht mehr anzuordnen. Die Täter sind mit den Vorgängen der nächsten örtlichen Dienststelle der Sicherheitspolizei und des SD zu übergeben.«

Dieser Befehl, der allen Kommandierenden übermittelt werden soll, siehe Seite 7, wird im vorletzten Absatz kommentiert:

»Nichtdeutsche Zivilpersonen der besetzten Gebiete, die die Sicherheit oder Schlagfertigkeit der Besatzungsmacht in anderer Weise als durch Terror oder Sabotage gefährden, sind dem SD zu übergeben.«

Dieser Befehl ist von Keitel unterzeichnet.

Durch diesen Kommentar, den ich eben verlesen habe, hat Keitel den Führerbefehl gutgeheißen und die Hinrichtung zahlreicher Unschuldiger veranlaßt. Denn der Befehl, ohne Prüfung jeden, der als Terrorist gilt, zu töten, trifft natürlich nicht nur die Terroristen, sondern auch die Unschuldigen, ja mehr die Unschuldigen als die Terroristen. Im übrigen geht der Kommentar Keitels sogar über den Befehl Hitlers hinaus. Keitel wendet die Vorschriften Hitlers, Seite 9 des Dokumentenbuches, auf einen möglichen Fall an, der nicht vorgesehen war:

»Straftaten nichtdeutscher Zivilpersonen in den besetzten Gebieten gegen die Sicherheit oder Schlagfertigkeit der Besatzungsmacht.«

Das geschieht auf eigene Initiative des Generals und stellt einen politischen Akt dar, der ihn bloßstellt und belastet. Dadurch nimmt er an der Weiterentwicklung und Ausdehnung der Hitlerpolitik teil. Denn es handelt sich wohl um die Auslegung eines Hitlerbefehls in seinem Sinne, aber über seinen Rahmen hinausgehend. Der Gestapo und dem SD wurden Weisungen erteilt, ohne Verurteilung hinzurichten. Diese Weisungen wurden ausgeführt. Dokument F-574, das als RF-393 vorgelegt wurde, Seite 10 des Dokumentenbuches, stellt die Aussage eines gewissen Goldberg dar, Unteroffizier der Sicherheitspolizei in Châlon-sur-Saône vor der Befreiung dieser Stadt. Er war von den Patrioten gefangen genommen und von dem Divisionskommissar, Chef der Kriminalpolizei des Polizeikreises Dijon, verhört worden. Die Verteidigung kann uns nicht vorwerfen, daß er von einem untergeordneten Polizeibeamten vernommen worden ist. Es war der Dienststellenleiter der Kriminalpolizei des Kreises Dijon persönlich, der diesen Zeugen vernommen hat.

Dieser Zeuge hat erklärt:

»Ende Mai 1944 hatte der SD von Châlon, ohne daß ich einen diesbezüglichen Befehl gesehen hätte, das Recht erhalten, die Todesstrafe zu verhängen und das Urteil zu vollstrecken, ohne daß die Angeklagten vor Gericht erschienen und ohne daß der Fall der Komman dantur in Dijon zur Entscheidung vorgelegt wurde. Der Chef des SD von Châlon, Krüger, besaß alle Vollmachten, solche Entscheidungen zu treffen.... Soviel ich weiß, ist kein Einspruch von seiten des SD in Dijon erhoben worden. Ich nehme daher an, daß dieses Verfahren den Bestimmungen entsprach, und auf Vorschriften gegründet war, die mir nicht amtlich mitgeteilt worden waren, die jedoch von den vorgesetzten Behörden stammten.«

Die Ausführung wurde durch SD-Mitglieder gewährleistet, deren Namen von dem Zeugen angegeben worden sind. Sie sind für den Gerichtshof jedoch ohne Interesse, da er sich nur mit der Bestrafung der Hauptverantwortlichen befaßt, die diese Befehle erteilt haben.

Und wie wurden diese Befehle in den verschiedenen westeuropäischen Ländern ausgeführt?

Für Holland zitiere ich den Bericht der Niederländischen Regierung, Seite 15:

»Ungefähr 3 Tage nach dem Attentat auf Rauter, ungefähr am 10. März 1945, war ich Zeuge der Hinrichtung mehrerer holländischer Patrioten durch die grüne Polizei, als ich auf dem Felde von Waltrop arbeitete.«

Dieses holländische Dokument befindet sich als F-224 im Archiv der Französischen Delegation und ist bereits als Ganzes vorgelegt worden. Dieser Abschnitt ist jedoch noch nicht verlesen worden. Der Zeuge fährt fort:

»Ich habe mit einem Oberwachtmeister der grünen Poli zei, dessen Name mir unbekannt ist, gesprochen. Er erklärte mir, daß diese Hinrichtung als Vergeltung für das Attentat auf Rauter stattfand; er sagte ferner, daß Hunderte von holländischen ›Terroristen‹ mit der gleichen Begründung niedergemacht worden sind.«

Ein anderer Zeuge erklärt:

»Als ich mich gegen 6.00 Uhr abends,« es spricht der Deutsche, der den Befehl zur Hinrichtung erteilt, »in mein Büro begab, erhielt ich dort den Befehl, 40 Gefangene erschießen zu lassen.«

Die kanadischen Offiziere, welche die Untersuchungen durchführten, beschreiben den Zustand, in dem sie die Leichen aufgefunden haben. Ich glaube nicht, daß der Gerichtshof die Verlesung dieser Schilderung für nötig erachtet.

Der Gerichtshof findet auf Seite 21 eine Ergänzung und Berichtigung von Munt zu seinem Bericht vom 4. Juni 1945 über die Erschießung von holländischen Patrioten nach dem Attentat auf Rauter. Die Hinrichtung wurde auf Befehl von Kolitz vorgenommen. 198 Gefangene wurden abtransportiert. Munt leugnet, die Hinrichtung begünstigt zu haben; er gibt jedoch zu, daß es ihm auf Grund eines höheren Befehls nicht möglich war, die Hinrichtung der holländischen Patrioten zu verhindern.

Auf Seite 22 im vorletzten Absatz erklärt Munt:

»Nach einem Angriff auf zwei Wehrmachtsangehörige an zwei aufeinander folgenden Tagen, bei dem beide Verwundungen erlitten und ihnen die Gewehre abgenommen wurden, hat Modron darauf bestanden, daß 15 Holländer erschossen werden; 12 wurden erschossen.«

Ein Dokument von ganz besonderer Bedeutung befindet sich ebenfalls in dem Dokumentenbündel F-224, das bei der Untersuchung durch die Niederländische Regierung angelegt worden ist; Seite 30 des Dokumentenbuches. Es ist der Erlaß über die Verkündung des Polizeistandrechtes in den besetzten niederländischen Gebieten, der von dem Angeklagten Seyß- Inquart unterzeichnet ist. Seyß-Inquart ist also der Hauptverantwortliche für diese summarischen Erschießungen von Patrioten in Holland.

In diesem Erlaß ist der erste Absatz beachtenswert:

»... verhänge ich über die gesamten besetzten niederländischen Gebiete mit sofortiger Wirkung das Polizeistandrecht. Ich verbinde damit den Befehl, daß sich jedermann aller Umtriebe, die die öffentliche Ordnung und die Sicherheit des öffentlichen Lebens zu stören oder zu gefährden geeignet sind, zu enthalten...

Der Höhere SS- und Polizeiführer trifft alle Maßnahmen, die ihm zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung oder der Sicherheit des öffentlichen Lebens erforderlich erscheinen.

Der Höhere SS- und Polizeiführer kann bei der Durchführung seiner Aufträge vom geltenden Recht abweichen.«

Polizeistandrecht: Diese Worte täuschen uns nicht. Es handelt sich ganz einfach um Mord, denn die Polizei ist berechtigt, in Ausführung ihrer Aufgabe von dem bestehenden Gesetz abzuweichen.

Dieser Satz, den Seyß-Inquart unterzeichnet hat und der seine Untergebenen bei der Ermordung holländischer Patrioten gegenüber den deutschen Gerichten schützte, trägt in sich selbst die Verurteilung Seyß-Inquarts.

In Ausführung dieses Erlasses hat am 2. Mai ein summarisches Polizeischnellgericht die Todesurteile gegen 10 holländische Patrioten ausgesprochen.

Ein anderes Polizeischnellgericht hat das Todesurteil gegen 10 weitere holländische Patrioten ausgesprochen; alle sind hingerichtet worden.

Immer noch in Ausführung desselben Erlasses hat ein Polizeischnellgericht die Todesstrafe gegen einen holländischen Patrioten ausgesprochen; er ist ebenfalls hingerichtet worden.

Dieses Dokument F-224 enthält eine sehr lange Liste ähnlicher Texte. Es scheint mir jedoch überflüssig, diese Texte jetzt zu zitieren. Der Gerichtshof möge sich allein an den letzten Absatz halten, der von besonderer Bedeutung ist. Wir wollen einen Augenblick bei ihm verweilen, Seite 46 des Dokumentenbuches. Es ist der Bericht des holländischen Untersuchungs- und Identifizierungsdienstes, nach welchem feststeht, daß insgesamt mehr als 4000 holländische Staatsangehörige hingerichtet wurden, wenn es auch nicht möglich ist, jetzt schon die genaue Zahl der von den militärischen Einheiten der Besatzungsmacht Erschossenen bekannt zu geben.

Ich lese die französische Übersetzung des uns von unseren alliierten Freunden zur Verfügung gestellten Textes. Es folgen Einzelheiten über die Exekutionen und über die Orte, an denen die Leichen gefunden worden sind.

Dies gibt nur einen sehr schwachen Begriff von den Leiden, die Holland erduldet, und den Opfern an Menschenleben, die es gebracht hat. Dies mußte gesagt werden, denn es sind die Folgen der verbrecherischen Befehle des Angeklagten Seyß-Inquart.

Was Belgien betrifft, ist das grundlegende Dokument das französische Dokument F-685, das wir dem Gerichtshof als RF-394 bereits vorgelegt haben, Seite 48 des Dokumentenbuches. Es ist ein Bericht der Belgischen Kommission für Kriegsverbrechen, der sich ausschließlich auf die Verbrechen bezieht, die bei der Befreiung des belgischen Gebietes im September 1944 von der Wehrmacht begangen worden sind.

Diese Verbrechen sind alle an belgischen Patrioten begangen worden, die gegen die Deutsche Wehrmacht kämpften. Es handelt sich nicht nur um Hinrichtungen, sondern auch um Folterungen und Mißhandlungen:

»In Graide wurde ein Lager der geheimen Armee angegriffen. Es wurden 15 furchtbar verstümmelte Leichen aufgefunden.

Die Deutschen haben Kugeln verwendet, deren Spitzen abgesägt waren. Einige Leichen waren von Bajonettstichen durchlöchert. Zwei Gefangene waren verprügelt worden, ehe man sie durch Revolverschüsse getötet hatte.

Diese Gefangenen waren Soldaten, die mit den Waffen in der Hand im Kampf gefangen genommen waren, und Einheiten angehörten, die gemäß dem genannten Dokument von dem deutschen Generalstab von jener Zeit an als reguläre Truppen betrachtet wurden....

In Foret waren am 6. September mehrere hundert Mitglieder der Widerstandsbewegung im Schlosse untergebracht. Die Deutschen, die durch das Eingreifen in den Kampf von ihrer Gegenwart erfuhren, beschlossen eine Strafaktion. Einige der Angehörigen der Widerstandsbewegung, die keine Waffen hatten, versuchten zu entfliehen; einige wurden getötet, andere erreichten wieder das Schloß, da sie die deutschen Linien nicht durchqueren konnten; wieder andere wurden gefangengenommen. Die Deutschen rückten hinter den Gefangenen der Widerstandsbewegung vor. Nach 2 Stunden hörte der Kampf auf, da keine Munition mehr vorhanden war. Die Deutschen versprachen denjenigen, die sich ergeben würden, das Leben. Ein Teil der Gefangenen wurde auf einen Lastkraftwagen geladen, die anderen wurden trotz des gegebenen Versprechens gemartert und ermordet. Das Schloß wurde in Brand gesetzt und die Leichen mit Benzin übergossen und verbrannt. 20 Männer kamen in dem Gemetzel um, 15 andere waren während des Kampfes getötet worden.«

Es gibt der Beispiele viele. Dieses Zeugnis für das heldenhafte Belgien war notwendig. Wir mußten uns ins Gedächtnis zurückrufen, was wir ihm und den Kämpfern seiner Geheimarmee schuldig sind, und wie hoch seine Opfer waren.

Was Luxemburg betrifft, haben wir ein Dokument des Justizministers des Großherzogtums Luxemburg, UK-77, zur Verfügung, das bereits als RF-325 vorgelegt worden ist, Seite 53 des Dokumentenbuches. Der Gerichtshof wird daraus ersehen, daß ein außerordentliches Standgericht, ähnlich dem in Holland, auch in Luxemburg eingesetzt wurde. Dieses Gericht hat tatsächlich gearbeitet und eine gewisse Anzahl von Verurteilungen ausgesprochen, insgesamt 21, die alle ebenso willkürlich waren wie das Gericht selbst, das sie ausgesprochen hat.

Das Dokument enthält die amtliche Anklage des Großherzogtums Luxemburg gegen alle Mitglieder des Reichskabinetts, insbesondere gegen den Innenminister, den Justizminister, die Parteikanzlei, die Führer der SS, und der SS und Polizei und vor allem gegen den Reichskommissar für die Festigung des Deutschen Volkstums.

Was Norwegen anbetrifft, beziehen wir uns auf Dokument UK-79, bereits als RF-323 vorgelegt, Seite 55 des Dokumentenbuches. Es zeigt, daß auch in Norwegen ähnliche Polizeistandgerichte wie in Holland eingerichtet wurden. In Norwegen wurden sie SS-Gerichte genannt. Über 150 Norweger sind zum Tode verurteilt worden.

Übrigens wird sich der Gerichtshof der Aussage des Herrn Cappelen erinnern, der berichtet hat, was sein Land und seine Landsleute gelitten haben.

Bezüglich Dänemark stellt Dokument F-666, RF-338, Seite 57 des Dokumentenbuches, nämlich der Bericht der Dänischen Regierung, fest, daß Polizeigerichte in Tätigkeit gewesen sind, die ähnlich den in Norwegen, Luxemburg und Holland eingesetzten Gerichten arbeiteten. Diese Standgerichte der Polizei, die sich aus SS oder Polizisten zusammensetzten, verschleiern in Wirklichkeit die Willkür der SS und der Polizei, eine Willkür, die nicht nur von der Regierung geduldet, sondern sogar angeordnet wurde, wie sich aus den Dokumenten, die wir vorgelegt haben, ergibt.

Das erlaubt uns, zu behaupten, daß die Opfer dieser Gerichte ermordet wurden, ohne daß ihnen das Recht der Verteidigung oder Rechtfertigung gegeben worden war.

Für Frankreich muß die Frage sehr aufmerksam geprüft werden. Der Gerichtshof weiß, daß sich die französische Geheimarmee bei der Landung der alliierten Truppen, der Aufforderung des Stabes entsprechend, erhoben, und den Kampf begonnen hat. Ohne Zweifel haben diese Kämpfer, denen man deutscherseits einige Wochen später halbamtlich den militärischen Charakter zuerkannt hat, trotz der Warnung seitens des alliierten Generalstabs anfangs ziemlich außerhalb des Gesetzes gestanden. Wir bestreiten nicht, daß es sich in sehr vielen Fällen um Freischärler gehandelt haben mag; wir geben zu, daß man sie zum Tode verurteilen konnte; wir erheben jedoch Einspruch dagegen, daß sie nicht zum Tode verurteilt wurden, sondern nach furchtbaren Folterungen einfach hingemordet worden sind. Wir werden Ihnen den Beweis hierfür erbringen.

Dokument F-577, das dem Gerichtshof als RF-395 vorgelegt worden ist, Seite 62 des Dokumentenbuches, besagt, daß am 17. August, am Tage der Befreiung von Rodez, die deutsche Polizei 30 Patrioten mit Maschinengewehren erschossen hat. Um sie vollends zu erledigen, hat man dann große Mauersteine aus der Wand des Grabens, in dem sie lagen, herausgelöst und etwas Erde auf sie geworfen. Brustkorb und Schädel wurden zerschmettert.

Dokument F-580, das wir als RF-396 vorlegen, Seite 79 des Dokumentenbuches, zeigt, daß fünf »Laienbrüder des Marien-Ordens«, soviel ich weiß, waren sie keine Kommunisten, gefoltert und ermordet wurden, weil sie Mitglieder einer Gruppe der »geheimen Armee«, die hingerichtet wurde, waren. Es wurden im ganzen 36 Leichname nach dieser Hinrichtung, einer Strafaktion der Deutschen Wehrmacht, aufgefunden.

Der Gerichtshof kann das Ergebnis der Untersuchung lesen und ersehen, unter welchen Umständen diese fünf Geistlichen gefoltert und getötet wurden, unter welchen Umständen ein Stab der Widerstandsbewegung, der verraten worden war, zusammen mit einigen Mitgliedern desselben religiösen Ordens, festgenommen und deportiert wurde.

Der Beweis wird erbracht, daß Angehörige der Widerstandsbewegung aus dem Wald von Acheres verhaftet und gefoltert wurden, nachdem sie in das Gefängnis von Fontainebleau gebracht worden waren. Wir kennen sogar den Namen des deutschen Gestapofunktionärs, der die Patrioten gefoltert hat. Sein Name spielt aber keine Rolle. Dieser Deutsche hat die ihm von Keitel und anderen Angeklagten, deren Namen ich soeben genannt habe, erteilten Befehle ausgeführt. Dokument F-584, das ich als RF-397 vorlegen werde, Seite 87 des Dokumentenbuches, zeigt, daß man bei der Auffindung der Leichen festgestellt hat, daß etwa zehn von ihnen vor der Erschießung die Augen verbunden worden waren, daß acht von ihnen gebrochene Arme hatten, entweder infolge von Verletzungen oder Folterungen, und daß viele an den Unterschenkeln blutunterlaufene Stellen aufwiesen, die auf stark zusammengezogene Fesseln zurückzuführen sind. Das war der Bericht des Polizeikommissars von Pau vom 28. August 1944, einen Tag nach der Befreiung von Pau.

Wir legen nunmehr Dokument F-585 als RF-398 vor, Seite 96 des Dokumentenbuches. Ich fasse zusammen:

Am Tage nach der Befreiung wurden in zwei Gräben in der Nähe von Signes im Vargebirge 38 Leichname gefunden. Ein Leichnam wurde als der des Führers der Widerstandsbewegung der Côte d'Azur, Valmy, und zwei weitere als die Leichname der beiden Fallschirmjäger Pageot und Manuel identifiziert. Ein Zeuge dieses Blutbades, namens Tuirot, ist vorhanden; seine Aussagen sind wiedergegeben. Tuirot wurde zusammen mit seinen Kameraden gefoltert, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, den Beistand eines Priesters oder Anwalts in Anspruch zu nehmen. Die achtunddreißig Männer wurden in einen Wald geführt, kamen vor ein Scheingericht, das aus SS-Leuten bestand, die sie zum Tode verurteilten, und wurden hingerichtet.

Ich lege nunmehr dem Gerichtshof Dokument F-586 als RF-399 vor, Seite 110 des Dokumentenbuches. Es befaßt sich mit der Ermordung von siebenunddreißig Patrioten in Saint Nazaire und Royan, die Angehörige der französischen Geheimarmee waren und vor der Hinrichtung gefoltert wurden.

Hier der Tatsachenbericht eines Augenzeugen:

»Ich bin durch diese Trümmer gegangen und habe das Schloß der Witwe Laurent erreicht. Dort erwartete mich ein scheußlicher Anblick. Das Schloß, das der Gestapo zur Folterung jugendlicher Angehöriger der Widerstandsbewegung diente, war in Brand gesteckt worden. In einem Keller lag eine verkohlte Leiche, der man vorher die Unterarme und einen Fuß abgerissen hatte und die vielleicht lebendigen Leibes verbrannt worden war.«

Ich will jedoch nicht länger bei diesen Vorkommnissen verweilen; denn, wo immer die Gestapo in Aktion trat, wandte sie die gleichen Methoden an.

Ich möchte nunmehr dem Gerichtshof das Dokument F-699 vorlegen, das sich auf die Ermordung von achtundvierzig Angehörigen der Geheimarmee in Grenoble bezieht. Alle wurden vor der Hinrichtung gefoltert. Ich lege Ihnen das Dokument als RF-400 vor.

Ich komme nunmehr zu Dokument F-587, das ich als RF-401 vorlege, Seite 115 des Dokumentenbuches. Es bezieht sich auf die Erhängung von 12 Patrioten in Nimes, von welchen zwei aus einem Lazarett herausgeholt wurden, wo sie wegen der Wunden, die sie sich im Kampf zugezogen hatten, in Pflege waren. Alle diese jungen Leute waren in der Gegend von St. Hippolyte du Fort im Kampf gefangen genommen worden. Die Leichname dieser unglücklichen Männer wurden geschändet. Sie trugen auf der Brust ein Plakat mit folgendem Text: »So werden die französischen Terroristen bestraft.« Als die französischen Behörden diesen unglücklichen Männern die letzte Ehre erweisen wollten, waren die Leichen verschwunden. Die Deutsche Wehrmacht hatte sie fortgebracht und man hat sie niemals wieder gefunden.

Tatsächlich wurden zwei dieser Unglücklichen aus dem Lazarett herausgeholt. Dokument F-587 enthält vor allem den Bericht eines Augenzeugen, der gesehen hat, wie diese beiden Verwundeten aus dem Krankensaal herausgeholt wurden, in dem sie lagen.

Ich lege nunmehr Dokument F-561 als RF-402 vor, Seite 118 des Dokumentenbuches. Es bezieht sich auf die Hinrichtung von 109 Patrioten in Lyon, die unter unmenschlichen Umständen erschossen wurden. Sie wurden nach Schluß der Tagesarbeit niedergemacht. Die alliierten Luftstreitkräfte hatten am 14. August den Flugplatz Bron bombardiert.

Die deutschen Behörden verwendeten vom 16. August bis 22. August eingezogene Zivilpersonen sowie Häftlinge aus der Festung Montluc in Lyon, welche die Bombentrichter aufzufüllen hatten. Nach beendigtem Tagewerk gingen die Zivilpersonen nach Hause, während die Häftlinge mehr oder weniger mißhandelt und an Ort und Stelle erschossen wurden; ihre Leichen wurden in die noch nicht ganz aufgefüllten Trichter geworfen.

Dokument F-591, RF-403, Seite 119 des Dokumentenbuches, ist ein Bericht über die Greueltaten, die von der Deutschen Wehrmacht am 30. August 1944 in Tavaux im Departement Aisne begangen worden sind:

»Im Laufe des Nachmittags des 30. August 1944 trafen deutsche Soldaten der Division ›Adolf Hitler‹ in Tavaux ein. Sie begaben sich in das Haus des Herrn Maujean, des Führers der Widerstandsbewegung. Frau Maujean öffnete die Tür. Ohne irgendeine Erklärung zu geben, schossen sie auf Frau Maujean und verletzten sie am Schenkel und Unterkiefer. Darauf schleppten sie die Frau in die Küche und brachen ihr einen Arm und ein Bein. In Gegenwart ihrer 5 Kinder, im Alter von 6, 7, 8 und 9 Jahren sowie von 8 Monaten, begossen sie Frau Maujean mit einem endzündlichen Stoff und verbrannten sie vor den Augen der Kinder. Der älteste Sohn hielt sein 8 Monate altes Schwesterchen auf den Armen. Dann erklärten sie den Kindern, daß sie erschossen würden, wenn sie ihnen nicht sagten, wo sich ihr Vater befinde. Die Kinder sagten jedoch nichts, obgleich sie wußten, wo sich ihr Vater befand. Bevor sie das Haus wieder verließen, schlossen sie die Kinder im Keller ein, gossen Benzin ins Haus und steckten es in Brand. Das Feuer konnte jedoch gelöscht und die Kinder gerettet werden. Diese Tatsachen sind Herrn Maujean von dem ältesten seiner Kinder berichtet worden. Es war niemand weiter Zeuge dieser Begebenheiten, denn die Einwohner waren durch die ersten in Brand gesteckten Häuser erschreckt in die umliegenden Schützengräben, Felder und Wälder geflüchtet.

An demselben Abend sind in Tavaux 21 Personen getötet und 83 Häuser in Brand gesteckt worden.«

Das französische Dokument F-589, das wir als RF-404 vorlegen, Seite 121 des Dokumentenbuches, gibt die vorläufige Zahl der in der Gegend von Lyon an Patrioten begangenen Morde am 25. September 1944 an. In 8 Departements wurden 713 Opfer entdeckt, von denen jedoch nur 217 identifiziert werden konnten. Diese Zahl ist nur annähernd. Sie ist weit geringer als die Zahl der Verschwundenen in den 8 Departements Ain, Ardeche, Drôme, Isere, Loire, Rhone, Savoie und Haute-Savoie.

Der deutsche General von Brodowski hat in seinem Kriegstagebuch, das in unsere Hände fiel, zugegeben, daß er viele Patrioten hat erschießen lassen. Wehrmacht, Polizei und SS arbeiteten zusammen und sind für diese Morde verantwortlich.

Diese Truppen haben Verwundete in Feldlazaretten der französischen Widerstandsarmee gemordet. Dieses Dokument, F-257, lege ich als RF-405 vor, Seite 123 des Dokumentenbuches. In den letzten vier Absätzen arbeiten Polizei und Wehrmacht zusammen:

»Ich bin beauftragt, im Departement Cantal und angrenzenden Gebieten die Autorität der Besatzungsmacht baldigst wieder herzustellen....«

Am 6. Juni 1944:

»Mit der taktischen Durchführung des Unternehmens wird General Jesser beauftragt, dem hierzu sämtliche für das Unternehmen zur Verfügung stehende Truppen und sonstige Kräfte unterstellt werden.«

6. Abschnitt:

»Kdr. der Sipo und SD, HptStuf. Geißler, bleibt mir unterstellt. Über etwaige Heranziehung franz. Ordnungskräfte macht er mir Vorschläge....

Für Unternehmen Cantal stehen zusätzlich 1 Rgts.Stab und zwei Bataillone. SS-Panzer-Division ›Das Reich‹ zur Verfügung.«

Dieser General übergab dem SD die am 15. Juni 1944 verwundeten Gefangenen, was gleichbedeutend mit ihrer Hinrichtung war.

»Präfekt von Le Puy hat bei Verb. Stab angefragt, ob auf Gefechtsfeld Montmouchet vom Roten Kreuz Le Puy geborgene Verwundete als Kriegsgefangene in Le Puy eingeliefert werden könnten.«

Der deutsche General jedoch entschied in Ausführung der Befehle des deutschen Generalstabs und insbesondere Keitels und Jodls, daß diese Verwundeten als Freischärler zu behandeln und dem SD oder der Abwehr zuzuführen seien. Diese der deutschen Polizei übergebenen Verwundeten wurden gefoltert und ohne Urteil hingerichtet.

Nach Aussagen Goldbergs, die ich soeben anführte, erfolgte die Hinrichtung ohne jedes Urteil. Jeder dem SD übergebene Mann wurde hingerichtet. Die Ereignisse trugen sich zu dem vom Gericht genannten Zeitpunkt am 21. Juni 1941 zu.

»12 Verdächtige verhaftet und dem SD übergeben.«

Am 16. August 1944 ließ dieser General der Deutschen Wehrmacht vierzig Leute nach den Kämpfen von Bourg-Lathe und Cosnat hinrichten.

»Im Verlaufe der Operation Jesser vom 15. Juli 1944 im Gebiet von Bourg-Lastic wurden 23 Personen standrechtlich erschossen.

... Nacht 17. 7. Cosnat (3 km s. St. Hilaire) angegriffen. 40 Terroristen niedergemacht...«

Dieser deutsche General gibt in seinem Kriegstagebuch zu, daß unsere Kameraden als Soldaten und nicht als Mörder kämpften.

Dieser General der Deutschen Wehrmacht gibt zu, daß die französische Widerstandsarmee Gefangene machte:

»Südöstlich Argenton, 30 Kilometer südwestlich Chateaurox, Terroristenzentrale durch Jako ausgehoben. 16 deutsche Soldaten befreit, Waffen und Munition erbeutet, 7 Terroristen getötet, darunter zwei Kapitäne.... Ein deutscher Soldat schwer verwundet.«

Ein ähnlicher Vorfall wird etwas weiter erwähnt:

»Raum s. v. Argenton zwei Terroristenlager ausgehoben; 9 Feindtote, darunter zwei Offiziere. Sechzehn deutsche Soldaten befreit.«

Unten auf der Seite heißt es:

»Befreit zwei SS-Männer.«

Diese französischen Soldaten hatten Anrecht auf die Achtung seitens ihrer Gegner. Sie benahmen sich als Soldaten, doch sie wurden hingemacht.

VORSITZENDER: Wir unterbrechen nunmehr bis 14.00 Uhr.