[Keine Antwort.]
VORSITZENDER: Herr Faure, wollen Sie weitere Fragen an den Zeugen richten?
M. FAURE: Nein, ich habe keine weiteren Fragen zu stellen.
VORSITZENDER: Der Zeuge kann den Saal verlassen.
M. FAURE: Ich bitte den Gerichtshof, den Text der Darstellung sowie das Dokument, das die Überschrift »Dänemark« trägt, vorzunehmen.
Der Gerichtshof weiß, daß Dänemark am 9. April 1940, wie in anderen Fällen, in Verletzung der Verträge, und zwar eines ganz neuen Vertrages, des am 31. Mai 1939 geschlossenen Nichtangriffspaktes, überfallen wurde.
Angesichts der Tatsache, daß Dänemark diesem Einfall keinen bewaffneten Widerstand entgegensetzen konnte, versuchten die Deutschen, den Schein zu erwecken und aufrechtzuerhalten, nach welchem dieses Land kein besetztes Land sei. Sie setzten deshalb keine Zivilverwaltung ein, die ein Anordnungsrecht innehaben sollte, so wie dies in den Fällen Belgien und Holland geschah. Andererseits gab es jedoch eine militärische Behörde, da Besatzungstruppen dort stationiert waren. Diese Militärbehörde aber übte jedoch im Gegensatz zu anderen besetzten Gebieten keine amtliche Befehlsgewalt aus, sei es durch Verordnungen oder durch allgemeine Anordnungen.
Trotz dieser Fiktion unterließen es die Deutschen nicht, sich in diesem Land, das sie angeblich nicht besetzt hielten, die Hoheitsgewalt widerrechtlich anzueignen. Diese Usurpation wird umso bemerkenswerter, als sie, selbst vom Nazi-Standpunkt aus betrachtet, nicht die geringste juristische Rechtfertigung hatte.
Während des ersten Zeitabschnittes, bis Mitte 1943, wurde die deutsche Usurpation in einer diskreten und getarnten Weise vorgenommen. Zwei Gründe mögen hierfür maßgebend gewesen sein.
Erstens mußte man auf die internationale öffentliche Meinung Rücksicht nehmen, da Dänemark offiziell nicht besetzt war.
Zweitens planten die Deutschen dieses Land von innen heraus zu germanisieren, indem sie ihre politische Propaganda vom nationalsozialistischen Gesichtspunkt aus entwickeln wollten.
Ich möchte nur schnell zeigen, daß mit dieser internen Germanisierung bereits vor dem Krieg begonnen worden war. Sie wird in interessanter und ausführlicher Weise in einem Teil des amtlichen Berichts der Dänischen Regierung beschrieben, den ich dem Gerichtshof als Beweisstück RF-901 vorlege.
Dieses Dokument RF-901 ist das ganze grüne Heft, welches dem Gerichtshof vorgelegt worden ist. Der Bericht besteht aus mehreren Teilen. Das Thema, von dem ich jetzt spreche, ist hauptsächlich im ersten Dokument des Aktenbündels enthalten. Dieses erste Dokument trägt oben als erstes Kennzeichen die Überschrift: »Denkschrift«, Aide Memoire.
Dieses Dokument stellt fest, daß die Deutschen schon vor dem Kriege einen Nachrichtendienst hatten, der durch einen schlauen Spionagedienst ergänzt war. Sie hatten insbesondere eine Zweigstelle der nationalsozialistischen Partei eingerichtet, in der die Deutschen, die Dänemark besetzten, angeworben wurden. Dies ist der erste Begriff einer von den Deutschen errichteten Partei; denn wir werden bald die sogenannte Dänische Nationalsozialistische Partei erwähnen. Diese unmittelbare Zweigstelle der deutschen Partei wurde »NSDAP, Auslandsorganisation, Landeskreis Dänemark« bezeichnet. Sie arbeitete mit anderen Stellen zusammen, insbesondere mit der deutschen Akademie, der dänisch-deutschen Handelskammer und der nordischen Gesellschaft. Eine Organisation in Hamburg, »der Deutsche Fichtebund«, die unmittelbar dem Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda des Reiches unterstand, betrieb eine systematische Propaganda in der öffentlichen Meinung Dänemarks.
In diesem Zusammenhang möchte ich einen Auszug des Berichts der Dänischen Regierung zitieren, der besonders interessant ist, was den deutschen Vorbedacht und die angewandten Methoden betrifft. Dieser Auszug befindet sich im ersten Dokument, von dem ich eben gesprochen habe und das ›Denkschrift‹, Aide Memoire, heißt, auf Seite 6 des Dokuments.
Ich überspringe den ersten Satz dieses Abschnittes. Ich möchte den Gerichtshof wegen der Länge dieses Dokuments darauf aufmerksam machen, daß diese Zitate auch in der zu diesem Aktenbündel gefertigten Übersicht enthalten sind.
»Dieser Nachrichtendienst, der in Hamburg unter nicht weniger als 8 verschiedenen Adressen arbeitete, gab in einer seiner Veröffentlichungen die folgenden Einzelheiten über sich selbst bekannt. Er wurde im Januar 1940 in Erinnerung an den deutschen Philosophen Fichte gegründet und sollte deshalb als ein ›Verband für Weltwahrheit‹ betrachtet werden. Seine Ziele waren:
1. Förderung gegenseitiger Verständigung durch freie Veröffentlichung von Informationen über das neue Deutschland.
2. Schutz der Kultur und Zivilisation durch Verbreitung der Wahrheit über die destruktiven Kräfte in der Welt.«
Ich überspringe einen Satz und fahre fort:
»Das unverkennbare Hauptziel dieser deutschen Propaganda war die Schaffung eines deutschfreundlichen und englandfeindlichen Nationalgefühls in Dänemark. Doch konnte sie auch einen Versuch darstellen, den Boden für ein nationalsozialistisches Regierungssystem in Dänemark vorzubereiten, durch heimliche Zusammenfassung aller erkennbaren Zeichen der Unzufriedenheit gegen das demokratische System in Dänemark, um sie später, im Falle einer Befreiungsaktion als dokumentarisches Beweismittel verwenden zu können. Die Propaganda begnügte sich deshalb im Januar 1940 nicht damit, England wegen seiner Methoden der Kriegsfüh rung sowie die Juden und ihre Mentalität anzugreifen, sondern sie schritt zu schwerwiegenden Angriffen gegen die Einstellung der Regierung und des Parlaments von Dänemark.«
Schließlich gibt dieser dänische Bericht in derselben Angelegenheit einen sehr bezeichnenden Hinweis:
»Gegen Ende Februar 1940 konnte die Dänische Polizei bei einem deutschen Angehörigen ein Dokument ergreifen, das ›Propagandaplan für Dänemark‹ als Titel führte.«
Ich fasse hiermit den ersten Abschnitt der Seite 7 des Berichts kurz zusammen. In diesem Dokument findet man einen charakteristischen Satz. Es ist der letzte Satz dieses Abschnitts, der in deutsch in Anführungszeichen mit einer in Klammem gesetzten französischen Übersetzung enthalten ist:
»Es sollte möglich sein, die Tagespresse unter die Kontrolle der Gesandtschaft und ihrer Mitarbeiter zu bringen.«
Deutschland beschränkte sich nicht darauf, seine eigenen Staatsangehörigen als Agenten im Innern des Landes zu verwenden und Propaganda zu betreiben. Es inspirierte auch die Bildung von dänischen politischen Organisationen, welche mit der Nazi-Partei eng verbunden waren. Ganz am Anfang fand dieses Unternehmen besonders günstigen Boden in Südjütland, wo eine deutsche Minorität lebte. Auf diese Weise könnten die Deutschen die Bildung einer Organisation begünstigen, die »Schleswigsche Kameradschaft« oder »SK« genannt wurde, und die der deutschen SA genau entsprach. Die Mitglieder dieser Organisation wurden militärisch ausgebildet. Desgleichen war eine Organisation, die »Deutsche Jugendschaft Nordschleswig« genannt, nach dem Muster der Hitlerjugend gebildet worden.
Ich möchte dem Gerichtshof mitteilen, daß ich gegenwärtig die Angaben des dänischen Berichts zusammenfasse, um eine lange Verlesung zu vermeiden. Diese Angaben sind in den folgenden Kapiteln des Berichts entwickelt, vor allem meine eben gebrachten Ausführungen auf Seite 7 des Berichts. Der deutsche Eingriff wurde noch durch soziale Einrichtungen vervollständigt, wie durch den »Wohlfahrtsdienst«, der 1929 in Tinglev, und durch die »Deutsche Selbsthilfe«, die 1935 gegründet worden war, weiterhin durch wirtschaftliche Einrichtungen, deren Muster die »Kreditanstalt Vogelgesang« war, die durch sehr geschickte und geheime Finanzierung von seiten des Deutschen Reiches wichtige landwirtschaftliche Besitze übernehmen konnte.
Die in Südjütland geschaffene Bewegung versuchte dann, sich auf ganz Dänemark auszubreiten. Auf diese Weise bestand schon vor dem Kriege eine nationalsozialistische Partei in Dänemark, deren Leiter Fritz Clausen war. Wir können folgendes im Regierungsbericht lesen:
»Was die Beziehungen der Partei mit Deutschland vor der Besetzung betrifft, so kann man sagen, daß Fritz Clausen selbst sowie die Parteimitglieder eifrig an den Parteitagen in Nürnberg sowie am Kongreß Streichers in Erfurt teilnahmen, und daß Clausen selbst in jedem Fall in sehr enger Verbindung mit dem deutschen Auswärtigen Amt stand.
Der Vorgang der Entwicklung des Nationalsozialismus in Dänemark, die Verbreitung aus Südjütland über das ganze Land, wird durch die Tatsache veranschaulicht, daß die Nazi-Zeitung ›Das Vaterland‹, die zuerst in Jütland veröffentlicht, im Oktober 1939 nach Kopenhagen verlegt wurde und von diesem Zeitpunkt an als Morgenzeitung erschien.«
So war also die Lage, als die Besetzung begann. Da, wie ich bereits erwähnt habe, die Deutschen keine formelle Besatzungsbehörde einrichteten, ist es verständlich, daß die zwei Hauptmittel, die die widerrechtliche Aneignung der Souveränität in Dänemark ermöglichten, einerseits die diplomatische Vertretung und andererseits die dänische Nazi-Partei waren.
Der Bevollmächtigte des Deutschen Reiches in Dänemark war zuerst Dr. von Renthe-Fink und später, vom Oktober 1942 ab, Dr. Best.
Die diplomatischen Eingriffe in die dänische Souveränität sind zahlreich gewesen, und obwohl sie am Anfang in diskreter Weise gemacht wurden, enthielten sie doch immer weiter gespannte Forderungen. Als Beispiel möchte ich ein Dokument erwähnen, das ein Teil des Regierungsberichts ist. Dieses Dokument ist eine Denkschrift, die am 12. April 1941 durch den Bevollmächtigten des Deutschen Reiches überreicht wurde. Ich möchte dem Gerichtshof mitteilen, daß dieser Text im dritten der vor Ihnen liegenden Hefte zu finden ist. Dieses dritte Heft ist »Zweite Denkschrift« betitelt, oder besser gesagt, im Anhang dieses dritten Heftes. Es gibt darin ein Blatt mit dem Titel »Anhang 1«. Ich zitiere nunmehr:
»Der Bevollmächtigte des Deutschen Reiches hat die Anweisungen erhalten, von der Königlichen Regierung Dänemarks folgendes zu fordern:
1. Eine förmliche Erklärung darüber, ob Seine Majestät der König von Dänemark, auf den sich der Gesandte von Dänemark, Herr de Kauffmann beruft, oder irgendein Mitglied der königlichen Regierung Dänemarks, bereits vor der Veröffentlichung des Vertrages, der zwischen Herrn de Kauffmann und der amerikanischen Regierung abgeschlossen wurde, irgendwelche Kenntnis von diesem Abkommen hatte.
2. Die unverzügliche Abberufung des Herrn de Kauffmann, des Botschafters von Dänemark, durch den König von Dänemark.
3. Die sofortige Übermittlung einer Note an den Geschäftsträger der Vereinigten Staaten in Kopenhagen, in der Herr de Kauffmann nicht anerkannt wird, die weiterhin seine Abberufung mitteilt und erklärt, daß der abgeschlossene Vertrag für die Dänische Regierung bin dend sei und die schließlich energischsten Protest gegen das amerikanische Verfahren zum Ausdruck bringt.
4. Eine in der Presse veröffentlichte Mitteilung, in der die Königliche Dänische Regierung deutlich erklärt, daß Herr de Kauffmann gegen den Willen Seiner Majestät des Königs und der Königlich Dänischen Regierung und ohne deren Genehmigung gehandelt habe; daß er abberufen worden sei; und daß die Dänische Regierung den auf diese Weise abgeschlossenen Vertrag nicht als bindend betrachte; und daß sie energischsten Protest gegen das amerikanische Verfahren vorgebracht habe.
5. Den Erlaß eines Gesetzes, durch das einem dänischen Staatsangehörigen, der sich im Ausland eines schweren Vergehens gegen die Interessen Dänemarks oder die Bestimmungen der Dänischen Regierung schuldig gemacht hat, die Staatsangehörigkeit entzogen und sein Eigentum beschlagnahmt werden könne.
6. Daß Herr de Kauffmann wegen Hochverrat vor Gericht gestellt werde, gemäß Artikel 98 des Strafgesetzbuches und gemäß Artikel 3, Ziffer 3 des Gesetzes vom 18. Januar 1941, und daß ihm die Staatsangehörigkeit, nach einem zu erlassenden Gesetz, wie es unter Paragraph 5 erwähnt wurde, aberkannt werde.«
Ich glaube, man kann aus diesem charakteristischen Beispiel erkennen, wie stark die Souveränität der legitimen Dänischen Regierung von den Deutschen verletzt wurde. Sie gaben Befehle im Bereich internationaler Beziehungen in einer Sphäre, in der doch Freiheit das wesentliche Merkmal der Souveränität und der Unabhängigkeit eines Staates darstellten.
Wie der Gerichtshof aus den zwei letzten Abschnitten ersehen konnte, gingen sie sogar so weit, den Erlaß eines ihren Wünschen entsprechenden Gesetzes zu fordern und die Einleitung eines Hochverratsverfahrens nach diesem Gesetz, wenn es gemäß ihrem Befehl erlassen sei, zu verlangen.
Um mit diesem Gegenstand fertig zu werden, möchte ich einen Auszug aus dem Bericht der Dänischen Regierung verlesen, der sich auf Seite 4 des Anhangs der zweiten Denkschrift befindet, im dritten Heft des grünen Aktenbündels:
»Im Monat Oktober«, ich beginne in der Mitte des zweiten Absatzes, »brach eine plötzliche Krise aus. Die Deutschen behaupten, daß Seine Majestät der König durch eine zu kurze Antwort auf ein von Hitler gesandtes Telegramm diesen beleidigt habe. Die Deutschen reagierten hierauf sogleich mit äußerster Heftigkeit. Der Deutsche Gesandte in Kopenhagen wurde sofort abberufen. Der Dänische Gesandte in Berlin wurde daraufhin nach Dänemark zurückberufen. Der Gesandte von Renthe-Fink wurde von Dr. Best ersetzt, der mit dem Titel eines Bevollmächtigten des Deutschen Reiches in das Land kam und weitgehende Forderungen des deutschen Außenministers von Ribbentrop mitbrachte. Es wurde eine Umbildung in der Dänischen Regierung und die Teilnahme von Nationalsozialisten an der Regierung gefordert.
Diese Forderungen wurden von dänischer Seite abgelehnt und, nachdem die ganze Angelegenheit von der Regierung in die Länge gezogen worden war, wurden sie schließlich von Dr. Best aufgegeben.«
VORSITZENDER: Dies ist ein günstiger Zeitpunkt, um abzubrechen.