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[Das Gericht vertagt sich bis

4. Februar 1946, 10.00 Uhr.]

Fünfzigster Tag.

Montag, 4. Februar 1946.

Vormittagssitzung.

GERICHTSMARSCHALL: Hoher Gerichtshof! Ich teile mit, daß der Angeklagte Kaltenbrunner krankheitshalber bei dieser Vormittagssitzung nicht anwesend sein wird.

M. FAURE: Mit der gütigen Erlaubnis des Gerichtshofs möchte Herr Dodd eine Erklärung abgeben.

MR. DODD: Hoher Gerichtshof! Hinsichtlich des Zeugen Pfaffenberger scheint mir auf Grund einer während des Wochenendes mit ihm geführten Unterhaltung, daß wir Zeit sparen könnten. Wir haben den Zeugen Herrn Dr. Kauffmann zur Verfügung gestellt; dieser hat mit ihm gesprochen so lange er wollte und hat uns schließlich davon unterrichtet, daß weder er noch seine Kollegen den Wunsch haben, den Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen.

VORSITZENDER: Demnach kann der Zeuge Pfaffenberger entlassen werden.

MR. DODD: Ja, das wäre unserem Wunsch entsprechend; aber wir wollten die Weisung des Gerichtshofs abwarten.

VORSITZENDER: Sehr gut.

M. FAURE: Meine Herren! Während der letzten Sitzung war ich am Ende des ersten Zeitabschnitts der deutschen Besetzung Dänemarks angelangt. Ich möchte noch, was diese erste Periode betrifft, einen weiteren Umstand erwähnen, der in dem dänischen Bericht RF-901 festgestellt ist; es ist das zweite Memorandum, Seite 4:

»Als am 22. Juni 1941 der deutsche Angriff gegen Rußland begann« – es ist das dritte Heft des Berichts – »ereignete sich einer der schwerwiegendsten Verstöße gegen die politische Freiheit Dänemarks, die die Deutschen zu achten versprochen hatten. Mit Gewalt zwangen sie die Regierung, die Kommunisten zu internieren; insgesamt waren es 300.«

Meine im Laufe der letzten Sitzung gemachten Ausführungen bezogen sich auf die mißbräuchliche Mitwirkung eines der Hauptvertreter der deutschen Usurpationspolitik, nämlich der diplomatischen Vertretung.

Die zweite deutsche Organisation war, wie zu erwarten, die örtliche Nazi-Partei unter dem bereits erwähnten Fritz Clausen. Die Deutschen hofften, daß diese Partei unter den günstigen Verhältnissen der Besetzung und mit der ihr gewährten Unterstützung einen bemerkenswerten Aufschwung nehmen würde; aber diese Berechnungen waren völlig falsch. In der Tat fanden im März 1943 Wahlen in Dänemark statt, und diese Wahlen besiegelten die absolute Niederlage der Nazi-Partei. Diese Partei erhielt lediglich 2,5 Prozent der Stimmen und nur drei Sitze in der Abgeordnetenkammer von insgesamt 149 Mandaten.

Ich möchte den Gerichtshof darauf aufmerksam machen, daß in einigen Exemplaren meines Exposés ein Druckfehler unterlaufen ist, der 25 Prozent statt der richtigen Zahl von 2,5 Prozent angibt; und 2,5 Prozent sind offensichtlich ein sehr magerer Wahlerfolg der Clausen-Partei.

Die deutsche Politik in Dänemark zeigte ab August 1943 einen starken Wechsel. Der erste Grund für diesen Wechsel war offensichtlich das Scheitern ihres Planes, mit Hilfe der Clausen-Partei rechtmäßig die Macht an sich zu reißen.

Daneben erlitten die Deutschen während der gleichen Periode nicht minder schwere Enttäuschungen. Sie bemühten sich – wie bereits in der Anklagerede über wirtschaftliche Fragen ausgeführt – die dänische Wirtschaft für ihre Kriegführung zu mobilisieren. Aber die dänische Bevölkerung, die die politische Nazifizierung abgelehnt hatte, lehnte ebenso die wirtschaftliche Nazifizierung ab. So gingen die dänische Industrie und die dänischen Arbeiter zum passiven Widerstand über, und in berechtigter Reaktion auf das rechtswidrige Verhalten der Besatzungsmacht wurden Sabotageaktionen organisiert. Es gab Streiks, die von verschiedenen Zwischenfällen begleitet waren.

Angesichts dieses doppelten Mißerfolgs entschlossen sich die Deutschen, ihre Taktik zu ändern.

Hierüber lesen wir in dem Regierungsbericht auf Seite 6 des zweiten Memorandums den folgenden Satz:

»Infolge dieser Ereignisse wurde der Bevollmächtigte des Deutschen Reiches, Dr. Best, am 24. August 1943 nach Berlin gerufen, von wo er mit Forderungen zurückkam, die den Charakter eines an die Dänische Regierung gerichteten Ultimatums trugen.«

Jetzt möchte ich den Wortlaut dieses Ultimatums verlesen, das ebenfalls in dem offiziellen dänischen Bericht wiedergegeben ist. Es bildet die Anlage 2 zu diesem Bericht.

Das Ultimatum ist datiert Kopenhagen, den 28. August 1943. Nach den ersten drei Heften kommen mehrere lose Bogen. Das sind die Anlagen. Samstag habe ich die erste Anlage verlesen. Ich komme jetzt zur zweiten Anlage, das heißt zum zweiten Bogen, der ebenfalls im Aktenbündel abgedruckt ist:

»Forderungen der Reichsregierung:

Sofortige Verhängung des Ausnahmezustandes über das ganze Land durch die Dänische Regierung.

Der Ausnahmezustand soll folgende Einzelmaßnahmen umfassen:

1. Verbot aller Ansammlungen von mehr als fünf Personen in der Öffentlichkeit.

2. Verbot von Streiks und jeglicher Unterstützung von Streikenden.

3. Verbot von Versammlungen in geschlossenen Räumen oder unter freiem Himmel.

Verbot des Betretens der Straßen zwischen 20.30 Uhr und 5.30 Uhr; Schließung der Gaststätten um 19.30 Uhr.

Ablieferung aller noch vorhandenen Schußwaffen und Sprengstoffe bis zum 1. 9. 1943.

4. Verbot jeder Schlechterstellung dänischer Staatsbürger wegen ihrer oder ihrer Angehörigen Zusammenarbeit mit deutschen Stellen oder wegen Verbindungen zu Deutschen.

5. Einführung einer Pressezensur unter deutscher Beteiligung.

6. Einsetzung dänischer Schnellgerichte zur Aburteilung von Zuwiderhandlungen gegen die zur Aufrechterhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit erlassenen Bestimmungen.

Zuwiderhandlungen gegen die vorstehenden Bestimmungen sollen mit den schwersten Strafen belegt werden, die nach dem geltenden Gesetz über die Ermächtigung der Regierung zum Erlaß von Bestimmungen zur Aufrechterhaltung der Ruhe, Sicherheit und Ordnung verhängt werden können.

Die Todesstrafe muß sofort für Sabotage und dabei geleistete Hilfe, für Angriffe auf die Deutsche Wehrmacht und ihre Angehörigen, sowie ab 1. September 1943 für Besitz von Feuerwaffen und Sprengstoffen eingeführt werden.

Die Reichsregierung erwartet heute noch vor 16.00 Uhr die Annahme der obenerwähnten Forderungen durch die Dänische Regierung.«

Die Dänische Regierung, die sich bemühte, ihre Würde zu bewahren, lehnte mutig dieses Ultimatum ab, obgleich sie unter dem Zwang der militärischen Besetzung stand. Damit begannen die direkten Eingriffe in die Souveränität. Die Deutschen ergriffen selbst die Maßnahmen, die sie ohne Erfolg von der einheimischen Regierung verlangt hatten.

Sie erklärten den militärischen Ausnahmezustand. Sie nahmen Geiseln fest, Sie griffen ohne Warnung und in Verletzung der Kriegsgesetze, obgleich kein Kriegszustand bestand, die dänische Flotte und Armee an. Sie entwaffneten und sperrten die Mannschaften ein. Sie erließen Todesurteile. Sie deportierten zahlreiche Personen, die sie als Kommunisten bezeichneten und deren Internierung, wie ich erwähnt habe, sie schon vorher gefordert hatten.

Mit dem 29. August 1943 hörten der König, die Regierung und das Parlament auf, ihre Funktionen auszuüben. Die Verwaltung arbeitete unter der Leitung von höheren Beamten weiter, die in dringenden Fällen sogenannte Maßnahmen ergriffen, die als Notgesetze bezeichnet wurden.

Während dieser Zeit gab es in Dänemark drei deutsche Instanzen:

Erstens: Der Generalbevollmächtigte, der immer noch Dr. Best war.

Zweitens: Die Militärbehörde unter dem Befehl des Generals Hannecken, der später durch General Lindemann ersetzt wurde.

Und drittens: Die Deutsche Polizei.

Der Einsatz der Deutschen Polizei in Dänemark erfolgte in der Tat nur wenige Tage nach der Krise, von der ich eben gesprochen habe. Der SS-Standartenführer, Oberst Dr. Mildner, traf im September als Leiter der deutschen Sicherheitspolizei ein, und am 1. November kam als oberster Chef der Polizei in Dänemark der Obergruppenführer und Generalleutnant der Polizei, Günther Pancke, an, von dem ich später noch sprechen werde.

General der Polizei Günther Pancke war der Vorgesetzte von Dr. Mildner, dessen Namen ich zuerst erwähnte. Dr. Mildner selbst wurde am 5. Januar 1944 durch SS-Standartenführer Bovensiepen ersetzt. Der Gerichtshof wird in dem amtlichen dänischen Bericht, dem ich diese Angaben entnehme, eine Aufstellung finden, die sich mit den deutschen Beamten in Dänemark beschäftigt. Diese Aufstellung befindet sich auf Seite 2 des zweiten Memorandums. Obwohl wir uns hier nicht mit Einzelfällen zu beschäftigen haben, ist die Aufstellung insoweit aufschlußreich, als sie zeigt, wie die Deutschen ihr Polizeinetz in Dänemark aufbauten. Während dieser ganzen Periode, von der ich jetzt spreche, hat von den eben erwähnten drei deutschen Behörden die Polizei die bedeutendste Rolle gespielt; sie wurde nunmehr Hauptorgan der deutschen, widerrechtlichen Machtergreifung.

Man könnte also einerseits Norwegen und Holland als Beispiele der zivilen Verwaltung, andererseits Belgien und Frankreich als Beispiel der Militärverwaltung und endlich Dänemark als einen typischen Fall der Polizeiverwaltung ansehen. Es darf im übrigen nicht vergessen werden, daß diese verschiedenen Arten der Verwaltung sich immer in allen besetzten Gebieten überschnitten. Die Machtübernahme durch die Deutsche Polizei in Dänemark hat während der Periode, die sich vom September 1943 bis zur Befreiung erstreckt, eine ungeheure Welle von Rechtsbrüchen mit sich gebracht. Im Gegensatz zu den anderen Verwaltungen handelte die Polizei nicht nach bestimmten Gesetzen oder Vorschriften, sondern sie drängte sich durch systematische Verübung von Gewalttaten rücksichtslos in das Leben des Landes hinein. Ich werde Gelegenheit haben, bestimmte Seiten dieser Polizeiverwaltung im vierten Kapitel meiner Ausführungen zu behandeln. Im Augenblick möchte ich im Rahmen meiner Darlegungen lediglich die Tatsachen anführen, die eine direkte und allgemeine Verletzung der Souveränität darstellen.

Von diesem Gesichtspunkt aus glaube ich, daß es unbedingt notwendig ist, daß ich dem Gerichtshof ein ganz besonderes Ereignis angebe, das sich am 19. September 1944 zugetragen hat. An jenem Tage lösten die Deutschen die Polizei auf, ich meine die dänische einheimische Polizei, und schafften damit diese Einrichtung vollständig ab, die in allen Staaten natürlich unentbehrlich ist. Ich möchte hierüber den Wortlaut des Regierungsberichts verlesen, zweites Memorandum, drittes Heft des Aktenbündels, auf Seite 29. Ich beginne nach dem ersten Satz des Abschnittes. Eine Abschrift dieses Auszugs befindet sich in meinem Exposé:

»Die Tatsache, daß es den Deutschen nicht gelungen war, irgendeinen Einfluß auf die dänische Polizei zu gewinnen, sei es auf die Offiziere oder sei es auf die gewöhnlichen Polizisten, bewirkte, daß die deutsche Militärbehörde gegen Ende des Sommers 1944 anfing, die Polizei zu fürchten. Pancke erklärte, daß General Hannecken und er selbst fürchteten, daß die Polizei, die aus gut ausgebildeten 8 bis 10000 Leuten bestand, im Falle einer Invasion die Deutschen angreifen würde. Als sie September 1944 eine Invasion in Dänemark für wahrscheinlich hielten, planten Pancke und Hannecken die Entwaffnung und die teilweise Deportierung der Polizei. Pancke unterbreitete Himmler diesen Plan, und Himmler stimmte schriftlich zu, indem er hinzufügte, daß dieser Vorschlag auch Hitlers Zustimmung gefun den habe. Außerdem hatte er auch den Plan mit Kaltenbrunner durchgesprochen. Pancke und Bovensiepen, die den Plan mit Kaltenbrunner und Müller vom RSHA besprochen hatten, leiteten diese Aktion, und Truppen der Wehrmacht halfen dabei auf Grund eines Übereinkommens mit General Hannecken.

Am 19. September 1944 um 11.00 Uhr morgens gaben die Deutschen falschen Fliegeralarm. Unmittelbar danach drangen Polizeisoldaten mit Gewalt in die Polizeipräfektur von Kopenhagen ein, ebenso auch in die sonstigen Polizeistationen der Stadt. Einige Polizisten wurden getötet. Es wurde im ganzen Lande in gleicher Weise gehandelt. Die Mehrzahl der im Dienst befindlichen Polizisten wurde gefangengenommen. In Kopenhagen und anderen größeren Städten wurden die Gefangenen auf Schiffen, die Kaltenbrunner dafür geschickt hatte, oder in Güterwagen nach Deutschland geschafft. Wie bereits gesagt, spottet die Behandlung, die diesen Leuten in den deutschen Konzentrationslagern zuteil wurde, jeder Beschreibung. In den kleineren Städten des Landes wurden die Polizisten freigelassen. Zu gleicher Zeit proklamierte Pancke das, was man polizeilichen Ausnahmezustand nannte. Die genaue Bedeutung dieses Ausdruckes ist niemals erklärt worden, und die Deutschen selbst scheinen ihn nicht verstanden zu haben. Die praktische Folge war, daß jede polizeiliche Tätigkeit, die ordnungspolizeiliche sowohl die gerichtliche, aufgehoben wurde. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wurde den Bewohnern selbst überlassen. Während der letzten Monate der Besetzung befand sich die dänische Nation in einer unerhörten Lage, einer Lage, die allen anderen zivilisierten Ländern unbekannt war, nämlich ohne Polizei zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Dieser Zustand hätte leicht zu einem völligen Chaos führen können, wenn nicht die Achtung vor Gesetzen und die Disziplin der Bevölkerung, die durch die von dieser Gewalttat hervorgerufene Entrüstung verstärkt wurden, die schwersten Folgen vermieden hätten.«

Trotz der Haltung der dänischen Bevölkerung äußerte sich die Abwesenheit der Polizei während der letzten sechs Monate der Besetzung durch ein Ansteigen der Kriminalität in allen ihren Formen.

Man kann sich eine Vorstellung von diesem Zustand machen, wenn man bedenkt – dieses Einzelbeispiel dürfte genügen –, daß nach dem Bericht der Versicherungsgesellschaften die Prämien auf 480 Prozent erhöht werden mußten, während sie vorher auf die Hälfte des normalen Satzes herabgesetzt worden waren.

Es ist nur richtig, wenn man für die unter diesen Umständen begangenen Verbrechen die deutschen Behörden verantwortlich macht, die diese Lage voraussehen mußten, aber die Folgen in Kauf genommen haben. Wir sehen hier einen neuen Beweis für die absolute Gleichgültigkeit der Deutschen hinsichtlich der Folgen der je nach ihrem augenblicklichen Vorteil von ihnen ergriffenen Maßnahmen.

Ich möchte dieses Kapitel, das ich Dänemark gewidmet habe, schließlich beenden, indem ich dem Gerichtshof einen Auszug aus einem Dokument verlese, das ich als RF-902 vorlege. Dieses Dokument ist ein Teil des amerikanischen Beweismaterials, es ist Nummer 705-PS und ist noch nicht vorgelegt worden; ich möchte daraus ein Zitat verlesen, das mir interessant erscheint. Es handelt sich um eine in Berlin am 12. Januar 1943 verfaßte Niederschrift über eine Versammlung des SS-Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft für den germanischen Raum. Es waren vierzehn Persönlichkeiten der SS anwesend. In dieser Niederschrift befindet sich ein besonderer Abschnitt, der Dänemark gewidmet ist.

Andere Abschnitte desselben Dokuments sind für das folgende Kapitel von Interesse. Um eine zweimalige Bezugnahme auf dieses Dokument zu vermeiden, werde ich also alle diese Auszüge jetzt verlesen, die ich als Beweis heranziehen möchte. Ich zitiere von Seite 3 des Dokuments vom unteren Teil der Seite:

»Norwegen:

In Norwegen ist inzwischen Minister Fuglesang der Nachfolger des tödlich verunglückten Minister Lunde geworden. Trotz der seitens der Quislings-Partei gemachten Versprechungen kann man nicht damit rechnen, daß aus Norwegen ein wesentliches Kontingent gestellt wird.

Dänemark:

In Dänemark ist die Lage außerordentlich erfreulich durch die Übernahme der Führung durch SS-Gruppenführer Dr. Best. Man darf die Überzeugung haben, daß SS-Gruppenführer Dr. Best hier ein Schulbeispiel völkischer Reichspolitik bieten wird. Das Verhältnis zu Parteiführer Clausen hat sich in der letzten Zeit schwierig gestaltet. Clausen hat dem Plan der Gründung eines Frontkämpferkorps als Vorstufe zur germanischen Schutzstaffel in Dänemark nur unter der Voraussetzung zugestimmt, daß die Zugehörigkeit zu diesem Korps die Zugehörigkeit zur Partei ausschlösse. Verhandlungen zu dieser dringend notwendigen Sammelorganisation der Frontkämpfer laufen. Die Monopolstellung der Partei ist nicht haltbar; es müssen sämtliche Erneuerungskräfte herangezogen werden, wenn auch Clausen persönlich – aber ohne Clique – im Vordergrund zu stehen hat.

Niederlande:

In den Niederlanden ist inzwischen Mussert durch Reichskommissar Seyß-Inquart zum Führer des niederländischen Volkes proklamiert worden. Diese Maßnahme hat sich auf die übrigen germanischen Länder außerordentlich beunruhigend ausgewirkt, vor allem auf Flandern. Die entscheidende Rolle fällt wiederum dem Generalkommissariat zu, dessen Prinzip der ›Abnützung‹ Musserts, um ihn hinterher fallen zu lassen, seitens einer germanischen Reichspolitik im Sinne der Schutzstaffel abgelehnt werden muß.

Flandern:

In Flandern ist in der letzten Zeit die Entwicklung der VNV (nationale flämische Bewegung) weiterhin ungünstig verlaufen. Darüber kann auch die sehr geschickte Politik des neuen VNV-Leiters, Dr. Elias, nicht hinwegtäuschen, der im übrigen einmal die Meinung geäußert hat, daß Deutschland zu Zugeständnissen auf volkspolitischem Gebiet immer nur dann bereit sei, wenn es ihm dreckig ginge.«

Ende des Zitats. Diese Äußerungen sind doch sehr bezeichnend.

Erstens: Es steht wohl fest, daß der germanische Raum Norwegen, Dänemark, die Niederlande und Flandern umfassen sollte; ich spreche hier natürlich nur vom Westen.

Zweitens: Wir sehen, daß die Deutschen sich zur widerrechtlichen Machtergreifung der lokalen nationalsozialistisch gesinnten Parteiorganisation bedienten.

Drittens: Wir sehen, daß tatsächlich auch die deutschen diplomatischen Vertreter Werkzeuge dieser widerrechtlichen Usurpationspolitik waren und daß sie damit aus ihrem normalen Aufgabenbereich vollkommen heraustraten.

Viertens: Das Dokument unterstreicht den Zusammenhang, der zwischen den verschiedenen Vertretern der deutschen Einmischungspolitik bestand, einen Zusammenhang, welchen ich soeben unterstrichen habe und den man gar nicht zu stark betonen kann.

Der Fall Dr. Best ist wirklich sehr bezeichnend. Dr. Best ist Gesandter und Reichsbevollmächtigter, das heißt, er ist diplomatischer Vertreter. Wir sehen aber, daß Dr. Best früher in Frankreich als Vertreter der Militärverwaltung tätig war. Wir sehen in diesem Dokument weiter, daß er, abgesehen von seiner Eigenschaft als bevollmächtigter Minister, gleichzeitig SS-General war und daß er als solcher, wie wir aus dem Dokument ersehen, die Macht in Dänemark übernommen hat. Die Angaben des Dokuments bezüglich Norwegen und Holland bilden den Übergang zum folgenden Abschnitt dieses Kapitels, und ich bitte den Gerichtshof, das Dokumentenbuch zur Hand zu nehmen, das den Titel »Norwegen und die Niederlande« trägt.

Die Einsetzung von Reichskommissaren ist in Norwegen und Holland, und zwar in diesen beiden Ländern, erfolgt. Dies entsprach einer bestimmten Auffassung im Gesamtplan der Germanisierung, nach dem diese beiden Staaten gleichgestellt werden sollten. In beiden Fällen war die Einsetzung der zivilen Verwaltung unmittelbar der militärischen Besetzung des Landes gefolgt. Dementsprechend hatten die Militärs keine Verwaltungsaufgaben durchzuführen, und während der wenigen Tage, die der Ernennung des Reichskommissars vorangingen, haben sie sich nur um die Aufrechterhaltung der Ordnung gekümmert.

In Norwegen ist mit Erlaß vom 24. April 1940 Terboven zum Reichskommissar ernannt worden. Dieser Erlaß wurde von Hitler, Lammers sowie den Angeklagten Keitel und Frick unterzeichnet.

In Holland ist es der Erlaß vom 18. Mai 1940, der den Angeklagten Seyß-Inquart zum Reichskommissar ernannte. Dieser Erlaß ist von derselben Person unterzeichnet wie die vorherigen Erlasse und trägt im übrigen noch die Unterschriften der Angeklagten Göring und Ribbentrop. Die Erlasse hinsichtlich der Ernennung der Reichskommissare bestimmen gleichzeitig deren Befugnisse und legen die Teilung der Zuständigkeiten zwischen den Reichskommissaren und den Militärbefehlshabern fest.

Ich lege beide Erlasse nicht als Dokumente vor, da es sich um direkte deutsche Regierungserlasse handelt.

Der Erlaß vom 24. April betreffend Norwegen besagt in Artikel 1:

»Der Reichskommissar ist Wahrer der Reichsinteressen und übt im zivilen Bereich die oberste Regierungsgewalt aus.«

Der Erlaß fügt hinzu:

»Der Reichskommissar untersteht mir unmittelbar und erhält von mir Richtlinien und Weisungen.«

Was die Verteilung der Befugnisse betrifft, verlese ich den Wortlaut des Artikels 4:

»Artikel 4: Der Wehrmachtsbefehlshaber in Norwegen übt die militärischen Hoheitsrechte aus, seine Forderungen werden im zivilen Bereich vom Reichskommissar durchgesetzt.«

Dieser Erlaß ist im Verordnungsblatt für die besetzten norwegischen Gebiete, Nummer 1 von 1940 veröffentlicht. Dieselben Angaben befinden sich in dem entsprechenden Erlaß für die Niederlande vom 18. Mai 1940.

Die Einsetzung der Reichskommissare wurde anfangs von einigen Hinweisen begleitet, die die Bevölkerung beruhigen sollten. Terboven erklärte, daß er entschlossen sei, die Unannehmlichkeiten und die Lasten der Besetzung womöglichst zu beschränken. Das geschah in einem Aufruf vom 25. April 1940, Verordnungsblatt 1940, Seite 2.

Ebenso hat der Angeklagte Seyß-Inquart nach seiner Ernennung einen Aufruf an die niederländische Bevölkerung gerichtet, der im Verordnungsblatt 1940, Seite 2, abgedruckt ist, und wo er sich wie folgt ausdrückt. Zuerst ein kategorischer Satz; ich zitiere:

»Ich werde alle Maßnahmen, auch gesetzgeberischer Art, treffen, die notwendig sind, um diesen Auftrag zu erfüllen.«

Aber er sagt gleichfalls:

»Es ist mein Wille, hierbei das geltende niederländische Recht möglichst in Kraft zu belassen, zur Ausübung der Verwaltung die niederländischen Behörden heranzuziehen und die Unabhängigkeit der Rechtsspre chung zu wahren.«

Aber diese Versprechen wurden nicht gehalten.

Der Reichskommissar wurde in Norwegen und in den Niederlanden natürlich zum Hauptagent an der widerrechtlichen Usurpation der Staatshoheit. Er arbeitete jedoch stets eng mit einer zweiten derartigen Stelle zusammen, nämlich mit der nationalsozialistischen Partei des Landes. Diese Zusammenarbeit der örtlichen Nazi-Partei mit den deutschen Behörden, die durch den Reichskommissar vertreten waren, spielte sich je nach dem Lande in verschiedenen Formen ab. Daraus ergab sich, daß die Ausübung der Verwaltungshoheit durch den Reichskommissar selbst zwischen Norwegen und Holland Unterschiede zeigte, die aber mehr in der äußeren Form als im inneren Wesen lagen. In beiden Ländern bestand die nationalsozialistische Partei bereits vor dem Kriege. Sie entwickelte sich, beseelt vom Geiste der deutschen Nazi-Partei und im Gesamtrahmen der Kriegsvorbereitungen und des Germanisierungsplanes.

Ich möchte zu allererst einige Angaben bezüglich Norwegens machen.

Die nationalsozialistische Partei hieß dort »Nasjonal Samling«. Ihr Führer war der berühmte Quisling. Diese Partei war eine vollkommene Nachahmung der deutschen Nazi-Partei.

Ich lege dem Gerichtshof als Dokument RF-920 den Text des Treueides vor, der von den Mitgliedern des »Nasjonal Samling« unterschrieben wurde:

»Mein Treueid. Ich gelobe auf Ehre:

1.) Unverbrüchliche Treue und Loyalität der NS-Bewegung, ihrer Idee und ihrem Führer,« – es ist die dritte Seite des Dokuments RF-920 –

»2.) Aktiv, ausdauernd und furchtlos für die Sache einzutreten, immer Zuverlässigkeit und loyale Disziplin in meiner Arbeit zu zeigen und alles zu tun, was ich kann, um mir die Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, die für meine Tätigkeit in der Bewegung erforderlich sind.

3.) Nach besten Kräften im Geiste der NS zu leben und allen Kampfgenossen gegenüber Solidarität, Verständnis und gute Kameradschaft zu zeigen.

4.) Jeglicher Verwaltungsanordnung zu gehorchen, die vom Führer oder von seinen Vertrauensmännern getroffen wird, sofern letztere nicht den Richtlinien des Führers zuwiderhandeln.

5.) Niemals Unbefugten irgend etwas über die Arbeitsmethoden der NS mitzuteilen oder sonst irgend etwas zu tun, was allenfalls der Bewegung schaden kann.

6.) Mein Äußerstes zu tun, um zu jeder Zeit die Bewegung und deren Zwecke zu fördern, und den Platz in der Kampforganisation auszufüllen, den ich durch meinen Treueid hiermit übernommen habe, in dem Bewußtsein, daß ich mich einer niedrigen und unwürdigen Handlung schuldig mache, wenn ich diesen Eid breche.

7.) Wenn die Verhältnisse es mir unmöglich machen sollten, weiterhin ein Mitglied der Kampforganisation zu sein, so gelobe ich, mich auf loyale Art zurückzuziehen. Ich bin dann auch fernerhin an das Gelübde des Schweigens gebunden, das ich abgelegt habe, und darf nichts zum Schaden gegen die Bewegung unternehmen.

Das Ziel des NS ist: Der neue Staat.

Eine solidarische norwegische und nordische Volksgemeinschaft in der Weltgemeinschaft, die organisch auf dem Boden des Arbeitslebens aufgebaut ist mit einer starken und festen Verwaltung, Vereinigung von Gemeinnutz und Eigennutz.«

Diese Partei hatte demnach vollständig das Führerprinzip angenommen. Sie bewahrte zwar eine norwegische Fassade, aber nur eine Fassade. Am Tage der Invasion selbst forderten tatsächlich die Nazis die Aufstellung einer sogenannten Norwegischen Regierung unter der Leitung Quislings.

Zur selben Zeit ernannte der Oberste Gerichtshof von Norwegen ein Beamtenkollegium, das als Verwaltungsrat die Machtvollkommenheiten der obersten Verwaltung übernehmen sollte.

Dieser Verwaltungsrat stellte also unter den außerordentlichen Verhältnissen, unter denen er ernannt wurde, eine Behörde dar, die zumindest zeitweilig als Verwalter der legitimen Souveränen betrachtet werden konnte.

Aber dieser Verwaltungsrat konnte nur kurze Zeit im Amt bleiben. Schon im September stellten die Nazis fest, daß es ihnen unmöglich sei, die Mitregierung oder auch nur das Bestehen dieses Verwaltungsrats und der Verwalter zu dulden. Darauf ernannten sie selbst dreizehn Staatskommissare, von denen zehn aus den Mitgliedern der Quisling-Partei ausgesucht waren. Quisling selbst hatte keine ausdrückliche Funktion, blieb aber der Führer seiner Partei.

Schließlich begann am 1. Februar 1942 eine dritte Periode. An diesem Tage kam Quisling als Ministerpräsident wieder zur Macht und die Staatskommissare selbst nahmen den Ministertitel an. Dieser Zustand dauerte bis zur Befreiung von Norwegen. So hatten die Deutschen, abgesehen von wenigen Monaten im Jahre 1940 lückenlos die gesamte Souveränität in Norwegen in der Hand. Diese Souveränität war aufgeteilt zwischen den unmittelbaren Dienststellen, das heißt dem Reichskommissar, und den mittelbaren, das heißt zuerst den sogenannten Staatsrätemitgliedern, dann der Quisling-Regierung; jedenfalls aber waren es immer Erscheinungsformen des Nationalsozialismus.

Es steht außer Frage, daß die Unabhängigkeit dieser Organe gegenüber den deutschen Behörden gleich Null war. Die Tatsache, daß die zweite Gruppe »Regierung« genannt wurde, bedeutete keineswegs eine Verstärkung einer autonomen Behörde. Es war lediglich ein Unterschied in der Form, und das will ich dem Gerichtshof darlegen.

Ich lege dazu zwei Dokumente vor, RF-921 und RF-922. Eine Gegenüberstellung dieser beiden Dokumente wird die Richtigkeit meiner Behauptung bestätigen.

Diese beiden Dokumente enthalten Richtlinien, die der Reichskommissar an seine untergeordneten Dienststellen bezüglich der Gesetzgebung gerichtet hat.

Dokument RF-921 trägt das Datum vom 10. Oktober 1940, das heißt, also ganz zu Anfang der Periode des Verwaltungsrats. Ich zitiere einen Auszug aus diesem Dokument:

»... daß alle Verordnungen der Staatsräte vor der Verkündung dem Reichskommissariat vorgelegt werden.«

Das ist der zweite Paragraph, und das ist das einzige, was ich aus diesem Dokument bemerken will. Alle Verordnungen der höchsten norwegischen Verwaltung sind dementsprechend der Kontrolle des Reichskommissars unterworfen.

Das zweite Dokument, RF-922, vom 8. April 1942 bezieht sich nun auf die Zeit der zweiten Regierung Quislings. Ich verlese vom zweiten Satz an:

»Im Hinblick auf die Bildung der nationalen norwegischen Regierung am 1. Februar 1942 hat der Reichskommissar entschieden, daß diese Form der Zustimmung zu Rechtsverordnungen (es handelt sich hier um die im voraus gegebene schriftliche Zustimmung) künftig in Wegfall kommt.

Diese Änderung des formellen Rechtsetzungsverfahrens darf jedoch nicht dazu führen, daß norwegische Gesetze und Verordnungen erlassen werden, ohne daß die fachlich zuständige Abteilung des Reichskommissars davon Kenntnis hat. Der Herr Reichskommissar erwartet von jedem Abteilungsleiter, daß er sich durch enge Fühlungnahme mit den für seinen Arbeitsbereich zuständigen norwegischen Dienststellen über alle in Vorbereitung befindlichen und beabsichtigten Maßnahmen auf dem Gebiet der Rechtsetzung unterrichtet, in jedem Falle prüft, ob durch die Maßnahme deutsche Interessen berührt werden und gegebenenfalls sicherstellt, daß die deutschen Interessen Berücksichtigung finden.«

In einem Fall handelt es sich also um eine förmliche Kontrolle mit schriftlicher Zustimmung. Im anderen Fall wird die Kontrolle durch Benachrichtigung zwischen den verschiedenen Ämtern ausgeübt, aber das Prinzip ist das gleiche. Die Schaffung von einheimischen Behörden unter der einen oder anderen Form entsprang lediglich dem Wunsch, die öffentliche Meinung so gut wie möglich zu betrügen. Als die Deutschen Quisling im Hintergrund hielten, taten sie das, weil sie glaubten, daß die Staatsräte, die weniger bekannt waren, eine bessere Fassade abgeben würden.

Als sie Quisling zurückkommen ließen, geschah das, weil das erste Manöver gescheitert war und weil sie dachten, daß vielleicht die offizielle Einsetzung einer als Regierung bezeichneten Behörde den Eindruck erwecken würde, daß die Souveränität des Landes nicht aufgehoben sei.

Man könnte sich vielleicht fragen, was der Grund für alle diese Kniffe war, und warum die Nazis sie angewandt haben, anstatt Norwegen ganz einfach zu annektieren. Es gibt dafür einen Hauptgrund, der für Norwegen sowie für Holland gilt. Die Nazis zogen es vor, die Fiktion eines unabhängigen Staates aufrecht zu erhalten und sich der Macht von innen heraus zu vergewissern, das heißt durch Einschaltung und Förderung der dortigen Partei. Dazu überließen sie dann auch in Norwegen der Partei gewisse prestigemäßige Vorzüge und, wenn sie in Holland nicht in gleicher Weise vorgegangen sind, so werden wir sehen, daß ihre allgemeine Politik doch auf derselben Auffassung beruhte.

Diese Politik der Deutschen in Norwegen ist hinreichend beleuchtet durch das norwegische, sogenannte »norwegische« Gesetz vom 12. März 1942. Es ist das norwegische Verordnungsblatt von 1942, Seite 215, das ich als RF-923 vorlege:

»Gesetz über Partei und Staat vom 12. März 1942 Nr. 2, § 1:

National-Samling ist die staatstragende Partei in Norwegen und mit dem Staat fest verbunden.

§ 2: Die Organisation der Partei, deren Tätigkeit und die Pflichten der Mitglieder werden vom Führer der Na tional-Samling festgesetzt.

Oslo, den 12. März 1942, gez. Quisling, Ministerpräsident.«

Daneben führten die Nazis in großem Umfang das System der Doppelstellung oder Personalunion, das man bei den höheren Dienststellen finden konnte. Das ist im übrigen nichts anderes als die Übertragung des deutschen Systems, das eine Gleichschaltung der Staatsorgane und der Parteieinrichtung bedeutete. Überall wurden deutsche Nazis eingesetzt, um die mit Ämtern betrauten norwegischen Nationalsozialisten zu unterstützen und zu beaufsichtigen.

Da dies unter dem Gesichtspunkt der Machtergreifung und der Verwaltungspraxis besonders interessant ist, so glaube ich, zwei Dokumente vorlegen zu dürfen. Es werden dies die Dokumente RF-924 und RF-925 sein. Es handelt sich dabei um Auszüge aus gerichtlichen Verhören vor norwegischen Justizbehörden, die von zwei höheren deutschen Beamten des Reichskommissariats in Oslo gemacht wurden.

Das Dokument RF-924 bezieht sich auf das Verhör von Georg Wilhelm Müller; es ist datiert vom 5. Januar 1946. Wilhelm Müller war Hauptabteilungsleiter für Volksaufklärung und Propaganda. Die Auskünfte, die er gibt, beziehen sich also insbesondere auf die Propagandaorgane, aber die gleichen Methoden wurden, wie im übrigen die Aussage zugibt, ganz allgemein angewandt:

»Frage: 1941 dachte bei Ihnen niemand, daß militärische Schwierigkeiten kommen würden? In dieser Zeit hat man sicher versucht, das norwegische Volk nationalsozialistisch durchzubilden?

Antwort: Das ist bis zum Schluß geschehen.

Frage: Welches waren die praktischen Maßnahmen zu dieser nationalsozialistischen Durchbildung?

Antwort: Daß man NS-Samling unterstützt hat, soweit man das konnte, und das ist in erster Linie geschehen, indem man rein organisatorisch den Apparat sehr stark untermauert hat.«

Ich möchte bemerken, daß die französische Übersetzung nicht sehr gut ist, aber man kann sie verstehen.

»Frage: In welcher Weise untermauert?

Antwort: Daß in jeder Provinz ausgesuchte deutsche Nationalsozialisten dazu eingesetzt wurden, die norwegischen Nationalsozialisten zu unterstützen.

Frage: Gab es andere praktische Maßnahmen?

Antwort: Das ist auf allen Gebieten gemacht worden, auch auf dem Gebiete der Propaganda, indem der Einsatzstab auch Propagandisten zur Verfügung gestellt hat. Das ist ebenso in der Riksleitung in Oslo gemacht worden.

Frage: In welcher Weise arbeiteten diese Propagandisten?

Antwort: Sie standen in enger Beziehung zu den entsprechenden norwegischen Propagandisten und machten diesen Vorschläge. Grebe tat dies auf Grund seiner Doppelstellung als Propagandaleiter im Reichskommis sariat und als Führer der Landesgruppe.

Frage: Wie wurde dies gemacht?

Antwort: Diese Beratungen und ständigen Besprechungen fanden statt bis zu den höchsten Spitzen der Verwaltungshierarchie. Es war ja ein eigener Mann dafür da, erst Wegener, dann Neumann, dann Schnurbusch, der die Aufgabe hatte, das nationalsozialistische Gedankengut bei NS-Samling zu verstärken.

Frage: Im Einsatzstab waren Fachleute in den verschiedensten Sparten eingesetzt, die sich entsprechend mit den norwegischen Leuten zusammensetzten und ihnen nützliche Ratschläge geben sollten. Auf welchen Gebieten?

Antwort: Organisatoren waren da und vor allen Dingen Berater für die Hird, SA- und SS-Führer. Es war hier an der Spitze auch ein Pressemann, ein Propagandist, Herr Schnurbusch, bis er selbst Leiter des Einsatzstabes wurde, ein Kassenmann, ein Berater für karitative Dinge, ähnlich der NSV in Deutschland.«

Dem Gerichtshof wird in diesem Dokument der Name Schnurbusch aufgefallen sein, der Leiter des Einsatzstabes und der Stelle war, die die Verbindung zur dortigen Partei und deren Schulung wahrzunehmen hatte.

Ich möchte jetzt aus der Vernehmung Schnurbuschs einen Auszug verlesen. Ich lege ihn als RF-925 vor.

VORSITZENDER: Legen Sie dieses Dokument vor?

M. FAURE: Ja, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Wollen Sie sagen, daß Sie dies zum Beweis vorlegen wegen des Verhandlungsprotokolls?

M. FAURE: Ich bitte um Entschuldigung. Ich möchte darauf hinweisen, daß ich RF-925 als Beweisstück vorlege ebenso wie RF-924, von dem ich soeben gesprochen habe.

Ich zitiere aus der Vernehmung von Heinrich Schnurbusch, des Leiters des Einsatzstabes im Reichskommissariat in Norwegen, die am 8. Januar 1946 in Oslo durchgeführt wurde.

»Frage: Wie versuchten die deutschen Stellen diese nationalsozialistische Verwandlung herbeizuführen?«

Ich möchte dem Hohen Gericht sagen, daß ich die ersten drei Fragen übersprungen habe, da sie nicht von besonderem Interesse sind:

»Antwort: Man versuchte eben, die Bewegung mit den Mitteln der Volksführung, wie wir es von Deutschland her gewohnt waren, stark zu machen. NS-Samling kam dabei zugute, daß es über alle Nachrichten und Propagandamittel verfügte. Es zeigte sich aber sehr schnell, daß dies nicht möglich war. Nach dem 25. September 1940 ist die Stimmung in Norwegen über Nacht umgeschlagen, als einige Staatsräte als NS-Staatsräte eingesetzt wurden, und zwar deswegen, weil man im norwegischen Volke die Tat Quislings in den Tagen des April 1940 als Verrat betrachtete.

Frage: In welcher Weise halfen Sie, materiell gesehen, NS-Samling für diese Propaganda? In welcher Weise berieten Sie die NS-Samling?

Antwort: In meiner Zeit ist es so gewesen: Wenn irgend eine Propagandaaktion gemacht wurde, wurde sie abgestimmt mit der, die von deutscher Seite her in Norwegen gemacht wurde.

Frage: Haben Sie Richtlinien für NS-Samling gegeben?

Antwort: Nein, zu meiner Zeit hat NS-Samling in dieser Richtung selbständig gearbeitet und teilweise sogar gegen unseren Rat gearbeitet. NS-Samling hat sich dabei darauf berufen, daß es die norwegische Mentalität besser verstehe, hat dabei aber viele Fehler gemacht.

Frage: Sind Geldmittel zur Verfügung gestellt worden?

Antwort: Es sind auf jeden Fall Geldmittel gegeben worden; den Umfang kenne ich nicht.«

VORSITZENDER: Sollen wir uns für zehn Minuten vertagen?

M. FAURE: Ja.