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[Pause von 10 Minuten.]

VORSITZENDER: Wünscht einer der anderen Verteidiger ein Kreuzverhör mit diesem Zeugen vorzunehmen?

RA. BABEL: Herr Zeuge, wann haben Sie das Universitätsgebäude in Loewen zum letzten Male gesehen, vor dem Angriff zum letzten Male gesehen?

VAN DER ESSEN: Vor dem Brand? Ich habe es am 11. Mai 1940 gesehen.

RA. BABEL: Das war vor dem Angriff?

VAN DER ESSEN: Ja, das war vor dem Angriff.

RA. BABEL: War es damals schon beschädigt und in welcher Weise?

VAN DER ESSEN: Am 11. Mai 1940 war die Bibliothek absolut unbeschädigt; bis zur Nacht vom 16. zum 17. Mai. Vor dieser Zeit war überhaupt kein Schaden an der Bibliothek.

RA. BABEL: Waren außer den Treffern im Turm noch andere Artillerietreffer an dem Gebäude zu beobachten?

VAN DER ESSEN: Im Gebäude glaube ich nicht. Lediglich der Turm zeigt Artilleriespuren.

RA. BABEL: Kann nun aus der Tatsache.. kann nun aus der Tatsache, daß eigentlich nur der Turm getroffen ist, nicht der Schluß gezogen werden, daß dieser Turm und nicht das Gebäude das Ziel war?

VAN DER ESSEN: Wenn ich von dem Turm gesprochen habe, der getroffen wurde, meinte ich nur die Spuren, die man an den Mauern, an dem Glockenturm und auf dem Balkon des ersten Stockwerkes sehen konnte, sonst kann man an dem Gebäude nichts sehen, aus dem einfachen Grunde, weil es innen völlig ausgebrannt ist und man an den verkohlten Mauern nichts mehr sehen kann.

Aber es ist absolut sicher, daß entweder eine Fliegerbombe, ich glaube aber eher ein Artilleriegeschoß das Gebäude nach dem Brand von Norden her getroffen hat.

Die sehr sichtbare Spur eines Einschlags ist vorhanden. Dort hat das Feuer begonnen. Die Zeugen, die das Feuer von der Abtei Mont César gesehen haben...

RA. BABEL: Wann haben Sie die Gebäude nach dem Brand wieder gesehen?

VAN DER ESSEN: Nach dem Brand, im Juli 1940.

RA. BABEL: Also viel später?

VAN DER ESSEN: Ja, viel später, aber es war immer noch in demselben Zustand und alles ist immer noch so geblieben, wie es gewesen war.

RA. BABEL: Ist Ihnen bekannt, ob man, nachdem das Gebäude in Brand geraten war, versucht hat, diesen Brand zu löschen und das Gebäude zu retten?

VAN DER ESSEN: Es steht fest, daß man den Brand zu löschen versucht hat, aber der Rektor, Magister Wayenberg, hat mir selbst erklärt, daß die Feuerwehr, die er herbeiholen wollte, abgefahren war; es war nur der Kommandant der Feuerwehr mit zwei Leuten dort, und sämtliche Wasserleitungen waren durch das Bombardement aufgerissen worden. Es gab mehrere Tage lang kein Wasser.

RA. BABEL: Waren an diesen Rettungsversuchen nicht auch deutsche Truppen beteiligt?

Ich trage, ob an diesen Rettungsversuchen nicht auch deutsche Truppen beteiligt waren?

VAN DER ESSEN: Die deutschen Truppen waren überhaupt noch nicht da.

RA. BABEL: Woher wissen Sie das? Sie waren doch nicht anwesend?

VAN DER ESSEN: Der Rektor der Universität war aber die ganze Zeit da und ebenfalls der Bibliothekar.

RA. BABEL: Haben Sie mit dem Direktor über die Frage gesprochen, ob deutsche Truppen an den Rettungsarbeiten beteiligt waren?

VAN DER ESSEN: In meiner Eigenschaft als Generalsekretär der Universität habe ich laufend mit dem Rektor und dem Bibliothekar über alle Fragen gesprochen, die die Universität ganz allgemein betrafen; ganz besonders über diesen Punkt haben wir gesprochen, und der Rektor hat mir kategorisch versichert, daß kein Soldat der deutschen Armee an der Bekämpfung des Feuers teilgenommen habe.

RA. BABEL: Sie haben auch von der Widerstandsbewegung gesprochen. Ist Ihnen bekannt, daß die Zivilbevölkerung zum Widerstand gegen die deutschen Truppen aufgefordert worden ist?

VAN DER ESSEN: Wo, in den Ardennen?

RA. BABEL: In Belgien.

VAN DER ESSEN: In Belgien bestand die Widerstandsbewegung hauptsächlich aus der Geheim- Armee, das heißt einer Militärorganisation mit einem verantwortlichen und anerkannten Befehlshaber; sie trug ein deutliches Abzeichen, um eine Verwechslung mit Freischärlern zu vermeiden.

RA. BABEL: Haben Sie Kenntnisse darüber, wieviele deutsche Soldaten Opfer dieser Widerstandsbewegung geworden sind?

VAN DER ESSEN: Wie die deutschen Soldaten diesem Widerstand zum Opfer gefallen sind? Das weiß ich genau, da überall, in den Ardennen, die Widerstandsbewegung in Aktion getreten ist, und zwar legal mit Führern an der Spitze, welche besondere Armbinden und die Waffen sichtbar trugen.

Sie haben offen und von vorn die deutschen Truppen angegriffen.

RA. BABEL: Das war nicht meine Frage, ich habe Sie gefragt, ob Sie annähernd wissen, wieviele deutsche Soldaten Opfer dieser Widerstandsbewegung geworden sind?

VAN DER ESSEN: Ich verstehe die Frage nicht, auch nicht ihre Tragweite.

RA. BABEL: Das haben Sie nicht zu beurteilen, sondern das ist Sache des Gerichts.

VAN DER ESSEN: Will der Herr Verteidiger über die von mir bereits erwähnten Ereignisse in den Ardennen sprechen, oder spricht er ganz allgemein?

RA. BABEL: Der Zeuge hat in seinen Aussagen auf die Widerstandsbewegung Bezug genommen. Ich habe nun in Bezug auf diese Widerstandsbewegung, die der Zeuge selbst angeschnitten hat, Fragen gestellt und eine dieser Fragen die lautet, ob dem Zeugen bekannt ist...

VORSITZENDER: Herr Dr. Babel, der Zeuge hat diese Frage doch schon damit beantwortet, daß er nicht sagen kann, wieviele Deutsche Opfer der Widerstandsbewegung geworden sind.

RA. BABEL: Aber vielleicht, das kann er uns sagen, daß deutsche Opfer in mehr oder minder großer Zahl gefallen sind?

VAN DER ESSEN: Es hat regelrechte Kämpfe gegeben.

RA. BABEL: Der Zeuge wird uns auch bestätigen müssen, daß diese Mitglieder der Widerstandsbewegung heute in Belgien als Helden gefeiert werden. Aus dem, was man in der Presse gelesen hat, und was auch hier teilweise vorgebracht worden ist, werden die Leute, die in dieser Widerstandsbewegung tätig waren, heute gefeiert. Wenigstens habe ich das so auffassen müssen.

VORSITZENDER: Wollen Sie bitte Ihr Verhör fortsetzen.

RA. BABEL: Herr Zeuge, ich bitte Sie also, zu bestätigen, daß die Mitglieder des Widerstandes..., Sie haben gesagt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, sie hätten 17 Kilogramm abgenommen und haben... und welche Schlüsse haben Sie...

VAN DER ESSEN: Ja.

RA. BABEL: Welchen Schluß haben Sie daraus gezogen, aus dieser Tatsache? Ich habe das am Mikrophon nämlich nicht vollständig verstanden.

VAN DER ESSEN: Ich wollte einfach damit sagen, daß ich diese 17 Kilogramm infolge der seelischen Aufregungen, die wir während der Besetzung ausstehen mußten, verloren habe. Es war eine Antwort auf die Frage des Herrn Faure, ob diese Besetzung mit einem menschenwürdigen Dasein zu vereinbaren sei.

Ich habe verneinend geantwortet und ein Beispiel dafür geben wollen, wie diese Besetzung aussah, die Angst, die wir auszustehen hatten. Ich habe nichts weiter hinzuzufügen; ich glaube, daß das bezeichnend genug war.

RA. BABEL: Nun, ich habe während des Krieges, ohne krank zu sein, 35 kg verloren; welche Schlüsse können nach Ihrer Ansicht daraus gezogen werden?

VORSITZENDER: Herr Babel, wollen Sie Ihr Verhör fortsetzen, uns interessiert Ihr persönliches Schicksal weniger.

RA. BABEL: Ich danke, das war meine letzte Frage.

VORSITZENDER: Wünscht noch jemand Fragen zu stellen?