HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Pause von 15 Minuten.]

VORSITZENDER: Mit Bezug auf den Antrag, der vor der Verhandlungspause von dem Verteidiger des Generalstabes gemacht wurde, ist die Ansicht des Gerichtshofs wie folgt:

Erstens beschränkt sich bei der Beweisannahme der Gerichtshof nicht auf Aussagen von Augenzeugen, da nach Artikel 19 der Gerichtshof alles Beweismaterial zulassen kann, dem er Beweiskraft zuschreibt.

Zweitens steht nichts in dem Artikel 21 des Statuts, das als unzulässig bezeichnet, ein Mitglied eines Regierungsausschusses als Zeugen zu laden, um über einen Bericht dieses Regierungskomitees Aussagen zu machen. Der Gerichtshof ist jedoch der Ansicht, daß im Falle der Vorladung eines solchen Zeugen der Bericht des Regierungskomitees als Beweismittel eingereicht werden muß, und tatsächlich haben auch die Anklagevertreter sich bereit erklärt, diesen Bericht des Komitees als Beweisstück einzureichen; und nicht nur dies zu tun, sondern auch den Verteidigern die eidesstattlichen Erklärungen der Zeugen zur Verfügung zu stellen, auf Grund deren dieser Bericht zusammengestellt worden ist.

Drittens lagen andere Angelegenheiten vor, über die der Zeuge, Herr van der Essen, Aussagen gemacht hat, und die überhaupt nicht im Bericht standen – oder wenigstens hatte der Gerichtshof diesen Eindruck.

Der Beweiswert der Aussagen des Zeugen ist natürlich eine Angelegenheit, die der Gerichtshof prüfen muß. Es steht den Verteidigern frei, Beweise als Antwort auf die Aussage des Herrn van der Essen vorzulegen und auch seine Aussagen oder Beweisführung zu kommentieren oder zu kritisieren; soweit seine Aussagen in seinen eigenen Schlußfolgerungen bestanden, die er aus Gehörtem oder selbst Gesehenem zog. So soll die Richtigkeit dieser Schlußfolgerungen vom Gerichtshof geprüft werden; denn Schlußfolgerungen sind der endgültigen Entscheidung des Gerichtshofs vorbehalten.

Aus diesen Gründen wird der Antrag der Verteidigung abgelehnt.

Es wird mir gesagt, daß ich soeben nicht erwähnt habe, daß der Bericht als Beweisstück vorgelegt werden soll. Ich hatte die Absicht, das zu sagen und glaubte, daß ich es gesagt hätte. Ich wiederhole also, der Bericht muß als Beweisstück eingereicht werden, und da die eidesstattlichen Erklärungen den Verteidigern zur Verfügung gestellt werden sollen, müssen sie selbstverständlich auch dem Gerichtshof zur Verfügung stehen.

M. FAURE: Wenn es dem Gerichtshof recht ist, wird Herr Fuster die Lichtbilder, die ich eben erwähnte, vorführen.

M. SERGE FUSTER, HILFSANKLÄGER FÜR DIE FRANZÖSISCHE REPUBLIK: Herr Vorsitzender, meine Herren! Ich soll Ihnen einige Leistungen der direkten Propaganda in den besetzten Ländern vorführen.

Die Einwohner dieser besetzten Länder sahen während der ganzen Okkupationszeit die Häuserwände mit riesigen Plakaten in verschiedenen Farben und Texten beklebt. In allen diesen Staaten war sehr wenig Papier vorhanden, aber für Propaganda gab es stets genug. Diese Propaganda wurde ohne irgendwelche Glaubwürdigkeits- oder Moralgrenze getrieben. Sobald die Nazis glaubten, daß irgendeine Kampagne einen Erfolg, wie klein auch immer, hervorrufen könne, dann gingen sie damit los.

So sahen wir in Frankreich auf den Plakaten die Namen der berühmtesten Männer der Geschichte; und diese Männer wurden als Sprecher von Schlagwörtern gegen die Feinde Deutschlands dargestellt. Wir sahen die Namen von Clémenceau, von Montesquieu, und die Namen vieler anderer, denen man den Nazis günstig gesinnte Worte in den Mund legte, indem man aus ihren Werken einzelne Sätze herausschnitt.

Aber die deutsche Propaganda war mit der Verfälschung der großen historischen Genies unseres Volkes nicht zufrieden, sie bemühte sich auch, die heiligsten Gefühle zu verdrehen. Wir sahen in Frankreich Plakate, die zur Arbeit in Deutschland einluden und auf welchen eine Mutter zu ihren Kindern sagte: »Wie glücklich sind wir, seit Papa zur Arbeit nach Deutschland gefahren ist.« So wurde auch das, Familiengefühl für Nazi-Zwecke ausgenützt.

Die deutsche Propaganda bemühte sich auch, das Nationalgefühl zu verderben. Wir haben gesehen – und so war es in allen besetzten Ländern – wie Plakate angeschlagen waren, die junge Leute aufforderten, in der Deutschen Wehrmacht zu dienen. Herr Faure hat gestern erklärt, daß die armseligen Verbrecher, die in den verschiedenen Legionen dienten, ebenso als schuldig wie gleichzeitig als Opfer der Nazis erachtet werden konnten.

So hat die deutsche Propaganda, indem sie gleichzeitig den Genius eines Volkes wie auch dessen innerste Gefühle angriff, tatsächlich ein Verbrechen gegen den Geist verübt, das man gemäß dem Worte, das die Schlußanklagerede von Herrn Dubost krönt, nicht verzeihen darf.

Gewiß ist Propaganda erlaubt, aber sie hat ihre Grenzen und muß vor der Würde der menschlichen Person, vor den Gesetzen und vor der Moral haltmachen. In allen Ländern bestehen Garantien für den Schutz des Einzelmenschen, Gesetze gegen Verleumdung, gegen Beleidigung; die deutsche Propaganda konnte jedoch im Gegensatz dazu auf internationalem Gebiet diese Grenzen hemmungslos und straflos überschreiten, zumindest bis zu dem Tage der Bildung dieses Gerichtshofs, der sie nun eben zu richten hat.

Deshalb erschien es uns nützlich, ja notwendig, und wir betrachten es als unsere Pflicht, diesem Gerichtshof einige ihrer Leistungen vorzuführen. Wir haben nicht die bekanntesten ausgesucht, sondern die originellsten, die die Ausschreitungen und Grenzfälle dieser Propaganda charakterisieren.

Zuerst wollen wir einen ganz kurzen Filmstreifen vorführen, der aus einem ganz eigenartigen Film gegen das Freimaurertum ausgeschnitten wurde. Dieser Film wurde uns von den Deutschen aufgezwungen, wie im Laufe der Anklagerede dargelegt worden ist. Der Film an sich bietet nichts Interessantes, enthält aber gewisse Bilder, welche die grobe Lügenkampagne veranschaulichen, die die Deutschen in Frankreich führten.

Da es ein sehr kurzer Film ist und sehr rasch auf der Leinwand abrollen wird – wir können ihn infolge technischer Schwierigkeiten nicht langsam laufen lassen – möchte ich vorher die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf die zwei verschiedenen Bilderarten lenken, die ohne Übergang aufeinander folgen werden.

Das erste Bild stellt eine Landkarte dar, eine Karte der Welt. Diese Karte wird dann rasch mit einer Farbe bedeckt; diese Farbe entspricht dem Einfluß der Juden und der Freimaurer, ausgenommen zweier siegreicher Inseln, dem nazi-faschistischen europäischen Block einerseits und Japan andererseits.

Wir zeigen diese Bilder, um nachzuweisen, bis zu welchem Grad grober Vereinfachung die Nazi-Propaganda gelangte und wie sie dem Volk die billigsten und irrigsten Formeln vorzulegen versuchte.

Ein noch gemeineres Beispiel der Verleumdung folgt. Es wird das Bild von Präsident Roosevelt gezeigt, darunter die Worte: »Der Logenbruder Roosevelt will den Krieg.« Das ist alles, was ich aus dem Film herausgenommen habe. Ich will ihn nun vorführen lassen. Herr Abbett, Sie können beginnen.