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M. GERTHOFFER: Der Einsatzstab Rosenberg hat nicht nur für Gemälde und Kunstgegenstände Interesse gezeigt, sondern auch für Bücher. Dies ist aus Dokument 171-PS ersichtlich, Beweisstück RF-1324, dessen Abschrift vorliegt, und das von Truppen der Vereinigten Staaten entdeckt wurde; es beweist, daß in Frankreich 550000 Bücher beschlagnahmt worden sind.

Holland hat ebenfalls einen schweren Tribut an Büchern gezahlt. Bibliotheken, die reich an Inkunabeln oder Manuskripten waren, wurden geplündert. Aus dem Dokument 176-PS, das ebenfalls von Angehörigen der Armee der Vereinigten Staaten gefunden wurde, und von welchem ich eine Abschrift als RF-1325 vorlege, geht hervor, daß der Wert der Bücher ungefähr 30-40 Millionen Reichsmark betrug.

Aus den Dokumenten 178 und 171-PS, Beweisstück RF-1326, kann ersehen werden, daß die Archive der Bank Rothschild im Februar 1941 entfernt wurden.

Der Stab Rosenberg hat sich auch mit der Plünderung von Mobiliar befaßt. Dies ergibt sich aus einem Schreiben des Angeklagten Rosenberg an den Führer, datiert vom 3. Oktober 1942, das wir als RF-1327 vorlegen. Ich lese nunmehr daraus:

»Zur Durchführung der Aktion ›M‹ ist in Paris die Dienststelle Westen mit Einsatzleitungen in Frankreich, Belgien und den Niederlanden errichtet wollen, die bisher rund 40000 Tonnen Wohnungsgut unter Ausnützung freien Transportraumes (Schiff und Eisenbahn) in das Reich verladen hat.

In der Erkenntnis, daß die Belange der Bombengeschädigten des Reiches den Belangen des Ostens vorgehen müssen, hat das Reichsministerium hiervon einen erheblichen Teil (über 19500 t) den Bombengeschädigten im Reich zur Verfügung gestellt.«

Eine Abschrift des Berichts von Rosenberg, der am 4. November 1943 in Paris geschrieben wurde und Dokument 1737-PS, Beweisstück RF-1328 darstellt, sagt:

»... daß 52828 jüdische Wohnungen zugunsten von Bombengeschädigten des Reiches erfaßt und versiegelt worden sind. Durch den Abtransport an die betroffenen Städte einschließlich Sonderaufträge kamen 47569 komplette Wohnungen zum Versand.«

Das Dokument L-188, das von der 7. amerikanischen Armee erbeutet wurde, ist ein Bericht der Dienststelle des Angeklagten Rosenberg. Dieses Dokument L-118, von dem ich eine Abschrift als RF-1329 vorlege, gibt an, daß mehr als 69619 jüdische Wohnungen geplündert worden sind und daß das darin befindliche Mobiliar mehr als eine Million Kubikmeter darstellte, das heißt, daß 674 Eisenbahnzüge mit 26984 Waggons für diesen Transport benötigt wurden.

In demselben Archiv befindet sich ein Schriftstück, das ich als Beweisstück RF-1330 vorlege und aus welchem hervorgeht, daß in Paris allein 38000 jüdische Wohnungen ihres Inhalts beraubt wurden.

Unser Schriftstück 1772-PS, das bereits als RF-1325 vorgelegt wurde, zeigt, daß in Holland vom März 1942 bis Juli 1943: 22623 Wohnungen ausgeräumt wurden, und daß zum Abtransport dieses Mobiliars 586 Flußkähne und 178 Güterwagen benötigt wurden.

Diese wenigen Ziffern genügen zweifellos, um der Anklage im Hinblick auf die Wirtschaftsplünderung, die vom Einsatzstab Rosenberg in Westeuropa durchgeführt wurde, die nötige Stütze zu verleihen. Wie bereits gesagt wurde, besteht, obwohl die materiellen Element der Verstöße die gleichen sind, kein Zweifel darüber, daß Plünderungen in der Geschichte im Laufe der Jahrhunderte von diesem oder jenem Sieger durchgeführt wurden. Der sehr schwer zu analysierende Unterschied in der Absicht gibt keine Vergleichsmöglichkeiten zwischen den Plünderungen der Vergangenheit und den Plünderungsaktionen des Sonderstabes Rosenberg oder der nationalsozialistischen Führer.

Die Plünderungen früherer Zeiten, Plünderungen von Kunstwerken, dienten in erster Linie der Befriedigung der Eitelkeit des Eroberers. Sein Geschmack, sein Kunstverständnis und seine Ruhmbegierde spielten zweifellos die entscheidende Rolle dabei. Es ist ohne Zweifel möglich, dieselben Gefühlsmotive als Grund der verbrecherischen Tätigkeit dieses oder jenes Angeklagten wiederzufinden. Aber hier tritt auch der grundlegende Unterschied in Erscheinung. Im Wert dieses oder jenes Gemäldes oder Kunstwerkes haben die nationalsozialistischen Machthaber zugleich sein ästhetisches Kriterium sowie seine materielle Ergiebigkeit, vor allem seinen Tauschwert gesehen, den Tauschwert im Sinne eines Pfandes, dessen Besitz die Verhandlungen des zukünftigen Friedensvertrages vereinfachen könnte oder bei ihnen als Druckmittel zu verwenden wäre. Die dem Gerichtshof vorgelegten Dokumente haben dies deutlich zu erkennen gegeben.

Was immer die von den nationalsozialistischen Führern vorgebrachten Vorwände oder Rechtfertigungen für die Beschlagnahme der Kunstwerke Westeuropas, sei es durch Diebstahl oder sogenannte Schutzbeschlagnahme, oder sogar durch direkte Käufe von Eigentümern und Kunsthändlern, sein mögen, stets bleibt die verbrecherische Absicht dieselbe.

Das Ziel der Deutschen war, ohne Zweifel, Wertreserven aufzuspeichern, die zwar nicht einem Einzelmenschen zugute kommen sollten, sondern zur Befriedigung eines Kollektivbedürfnisses in Übereinstimmung mit dem »Großdeutschland-Mythus« bestimmt waren.

Diese Aufspeicherung von Wertreserven war in dreifacher Hinsicht vorteilhaft: erstens auf kulturellem Gebiet, nämlich für die Zwecke der »Hohen Schule«, in zweiter Linie war sie von wirtschaftlichem Nutzen als Grundlage einer finanziellen Spekulation und als Reserve von Wertgegenständen, die auf dem Weltmarkt leicht verwertbar und austauschbar waren. Schließlich unterliegt eine derartige Wertreserve in keiner Weise den Schwankungen des Wertes der Rohmaterialien und ist von Geldentwertungen unabhängig. Drittens war diese Wertreserve als politischer Faktor bei Friedensverhandlungen einzusetzen. Die Verteidigung wird vielleicht einwenden, daß Umtausch und Kauf auf dem freien Markt nicht zum Gegenstand einer Anklage gegen die Angeklagten gemacht werden können, weil sie den Charakter von freiwilligen Verträgen hatten, und weil Gegenleistungen geboten wurden. Aber die dem Gerichtshof vorliegenden Tatsachen lassen erkennen, daß diese Geschäfte nur scheinbar ordnungsmäßige Transaktionen waren. Dies wird ersichtlich, wenn man die Bedingungen, unter denen die Verträge abgeschlossen wurden, näher prüft; wenn man bedenkt, daß sie unter Drohungen oder Gewaltanwendung zustande kamen, oder wenn man an die Rechtsverhältnisse denkt, unter denen diese Gegenleistungen entstanden sind: Gegenleistungen, die durch Tausch gestohlener Kunstgegenstände oder durch Verkäufe gegen Staatsgelder, die aus mehr oder weniger regulären öffentlichen Beiträgen, insbesondere aus Besatzungsentschädigungen, oder Clearing-Guthaben stammten, entstanden sind.

Die Moral der größten Zahl dieser Ankäufe ist vom Standpunkt der allgemeinen Grundsätze des Strafrechts aus gesehen in zweifacher Hinsicht anfechtbar. Einerseits stellt die Bezahlung von Kunstwerken mit gestohlenem Geld keinen rechtlichen Besitz des neuen Eigentümers dar, andererseits kennzeichnen Gewaltanwendung, Schwindel und Betrug den größten Teil der Verhandlungen, was aus zahlreichen Dokumenten zu entnehmen ist, zum Beispiel aus dem Protokollauszug der Aussage von Rochlitz vom 8. Januar 1946, die ich soeben verlesen und als RF-1317 vorgelegt habe. Ich möchte nur noch einige Zeilen verlesen:

»Lohse kam im Februar 1941 zu mir und erklärte mir, er suche Bilder für verschiedene Leute, hauptsächlich aber für Göring. Ich zeigte ihm ein Gemälde von Wennix, das mir gehörte, ebenso das Bildnis eines Mannes von Tizian, welches zu zwei Drittel Birchentski gehörte und zu einem Drittel mir. Lohse kaufte sie. Dann kam er acht oder zehn Tage später wieder zu mir und bot mir an Stelle von Geld andere Gemälde im Tauschwege an. Außerdem behauptete er, daß ich die Gemälde zu teuer verkauft hätte. Der Preis war ungefähr zwei Millionen. Er fügte hinzu, daß Göring die Gemälde gesehen hätte und daß er den vereinbarten Preis nicht bezahlen wolle, daß er aber befohlen habe, sie gegen moderne Gemälde aus Deutschland auszutauschen. Er hat mir eine Anzahl von Gemälden gezeigt und mir elf davon zum Austausch für die zwei erwähnten Bilder angeboten. Er hinderte mich daran, die Rückseite der Bilder anzusehen...

Ich glaubte zu jener Zeit, daß diese Gemälde aus Deutschland stammten. Kurz nachher fand ich heraus, daß es sich bei diesen und auch bei den später mit Lohse ausgetauschten Gemälden um bei Juden konfiszierte Gemälde handelte. Als ich sah, daß es beschlagnahmte Gemälde waren, erhob ich Einspruch. Lohse hat mir geantwortet: ›Ich handle auf Befehl Görings. Sie haben nichts zu befürchten, diese Beschlagnahmen sind von der Waffenstillstandskommission vorgesehen worden, und die Tausch-Transaktion ist vollkommen regulär.‹ Als ich protestierte, nannte er mich einen ›Volksfeind‹.«

Niemals – und dies ist die letzte Bemerkung, die ich über dieses Thema machen will – hat die Geschichte bisher ein Beispiel einer derart bewußt organisierten Massenplünderung gesehen. Auf kulturellem Gebiet wurden die Plünderungen durch die Tätigkeit des Einsatzstabes, im wirtschaftlichen Sektor durch die Organisation, der wirtschaftlichen Abteilungen der »Roges«, deren Arbeitsweise dem Gerichtshof bereits vorgetragen worden ist, zu einer anerkannten Einrichtung.

Diese Plünderungen von Kunstwerken sind von den höchsten Führern des Reiches organisiert worden. Mein Kollege, der die Anklage gegen die einzelnen Persönlichkeiten vorbringen wird, kommt darauf noch zurück. Ich selbst werde nur einige weitere Schriftstücke vorlegen und einige hierhergehörige Zitate verlesen. Alfred Rosenberg war der verantwortliche Leiter des Stabes. Sämtliche Befehle gingen von ihm aus. Im Verlaufe der Untersuchung wurde er von Oberst Hinckel verhört und ich lege die Abschrift seines Verhörs vom 28. September 1945 als Beweisstück RF-1332 vor.

Der Angeklagte Göring war der offizielle Protektor des Einsatzstabes Rosenberg. Wie aus Dokument 1651-PS, RF-1335, hervorgeht, schrieb er selbst am 21. November 1940 an Rosenberg wie folgt:

»Ich habe versprochen, die Arbeit Ihrer Herren kräftigst zu unterstützen und ihnen das bereitzustellen, was sie bisher praktisch nicht erreichen konnten, nämlich Transportmittel und Bewachungspersonal, und die Luftwaffe ist hier angewiesen, das Äußerste an Hilfstellung zu leisten.«

Man hat in Frankreich eine Seite aus einem Notizblock mit Goldumrandung gefunden, auf dem die von Göring in Paris gegebenen Anweisungen zu finden sind. Das Datum vom 11. Februar 1941 ist mit unbekannter Handschrift eingetragen. Ich lege dieses Original als Beweisstück RF-1333 vor.

»1. Alle H gezeichneten Bilder für Führer,

2. Alle G. gekennzeichneten für mich...«

VORSITZENDER: Ist das als ein erbeutetes Dokument identifiziert worden?

M. GERTHOFFER: Dieses Dokument wurde von den französischen Behörden beschlagnahmt und uns übergeben.

VORSITZENDER: Wo steht die Beglaubigung, daß dieses Dokument von den französischen Behörden identifiziert worden ist?

M. GERTHOFFER: Dieses Dokument ist mir in seinem jetzigen Zustand mit vielen anderen Dokumenten überreicht worden, von denen ich nur eine gewisse Anzahl der wichtigsten verlesen habe. Wenn es der Gerichtshof wünscht, werde ich eine besondere Identifikation für diese Dokumente beschaffen.

VORSITZENDER: Ich nehme an, daß ein Bericht der französischen Behörden vorhanden ist, der sich in deutlicher Form auf dieses Dokument bezieht.

M. GERTHOFFER: Das Dokument wurde mir mit vielen anderen zugeschickt. Da sie sehr zahlreich waren, haben wir nur die wichtigsten daraus entnommen, um sie dem Gerichtshof vorzulegen; wenn es aber der Gerichtshof wünscht, kann ich ihm eine Bescheinigung mit Angabe der Umstände zukommen lassen, unter welchen diese Dokumente von den französischen Behörden entdeckt wurden.

VORSITZENDER: Aus diesem Dokument kann man keinesfalls ersehen, daß es von der Französischen Regierung gefunden wurde oder daß sie es jemals gesehen hat.

Der Gerichtshof ist daher der Meinung, daß es allein durch die Tatsache, daß es anderen Dokumenten beigefügt worden war, noch kein genügendes Beweisstück geworden ist. Es bedarf für dieses Dokument einer besonderen Bemerkung. Vielleicht können Sie weiteres Beweismaterial bringen?

M. GERTHOFFER: Ich kann dem Gerichtshof eine Bescheinigung vorlegen, die das Dokument beglaubigt.

VORSITZENDER: In welcher Weise wurden die anderen Dokumente beglaubigt?

M. GERTHOFFER: Die anderen Dokumente sind als Ganzes in dem Begleitbrief beglaubigt worden und es fehlte eine Beglaubigung der einzelnen Stücke. Es ist dies eine Formalität, die natürlich nachgeholt werden könnte.

VORSITZENDER: Ich glaube, wir müssen auf diese Beglaubigung warten, bis wir das Dokument annehmen können.

M. GERTHOFFER: Ich werde also mit meiner Anklagerede fortfahren und ich möchte jetzt sagen, daß in allen besetzten Gebieten Westeuropas für den Angeklagten Göring eine ganze Reihe von Aufkäufern tätig war, unter denen die bekanntesten ein gewisser Hofer und Dr. Lohse, ein Mitglied des Einsatzstabes, waren.

Hofer und Lohse tätigten ihre Abschlüsse für Rechnung des Angeklagten, meistens aber unter ihrem eigenen Namen. Görings persönliche Sammlung ist besonders vergrößert worden. Zum Beweis lege ich als RF-1332 ein Dokument vor und überlasse es meinem Kollegen, der mit der persönlichen Anklage beauftragt ist, darauf im einzelnen zurückzukommen.

Unter den führenden Persönlichkeiten des Reiches, die mit dem Einsatzstab Rosenberg zusammenarbeiteten, findet man den Angeklagten Ribbentrop, der in seiner Eigenschaft als Außenminister sein Chef war: Ribbentrop war verantwortlich für den Befehl des Führers vom 30. Juni 1940, welchen ich soeben als RF-1301 vorgelegt und verlesen habe.

Die Tätigkeit Ribbentrops ergibt sich ebenfalls aus einem Brief vom 1. Juli 1940, den Abetz an den Militärbefehlshaber von Paris gerichtet hat, und ich werde eine Abschrift als RF-1334 vorlegen.

Wenn der Gerichtshof einverstanden ist, möchte ich diesen Brief jetzt verlesen. Aus diesem Brief kann die Wirksamkeit Ribbentrops ersehen werden:

»Ich bitte den maßgebenden Text durch Funkspruch...«

VORSITZENDER: Was ist mit den Buchstaben COL oben auf dem Dokument gemeint?

M. GERTHOFFER: Das ist der Stempel der Dienststelle, die das Dokument gefunden hat.

VORSITZENDER: Hat die Französische Regierung in irgendeiner Weise dieses Dokument beglaubigt? Wir wissen nicht, was dieser Stempel oben bedeutet.

M. GERTHOFFER: Das Dokument wurde uns von der »Direction Generale des Etudes et Recherches« zugestellt. Eine Nebenstelle hat den Stempel da hingesetzt mit der Registrierungs-Nummer: 9724.

VORSITZENDER: Ich verstehe, aber der Stempel allein zeigt nicht, daß es ein französisches Dokument ist.

Ist es ein französischer Regierungsbericht im Sinne des entsprechenden Artikels des Statuts, ein offizielles Regierungsdokument oder ein offizieller Regierungsbericht oder ein Dokument von einem Komitee, das von der Regierung eingesetzt worden ist? Wenn es nicht unter Artikel 21 fällt, können wir es nicht als Beweisstück betrachten, solange kein Affidavit beigefügt ist.

M. GERTHOFFER: Ich bestehe nicht darauf das Dokument vorzulegen, da Ribbentrops Tätigkeit als Außenminister sich aus anderen PS-Dokumenten ergibt, die niemals bestritten worden sind. Dieses Beweisstück ist überflüssig, ich bestehe daher nicht auf seine Vorlage. Es war bloß ein weiterer Beweis, das ist alles.

VORSITZENDER: Wenn Sie aber einen Regierungsbericht, der das Dokument beglaubigt, oder einen Beweis finden, daß es der Stempel darauf als ein Regierungsdokument im Sinne des Artikels 21 identifiziert, dann könnten Sie von neuem Antrag auf Vorlage stellen.

M. GERTHOFFER: Ich glaube, dies wird nicht notwendig sein, Herr Vorsitzender. Es gibt genügend andere Beweise und ich bestehe nicht darauf. Die Tätigkeit des Angeklagten Keitel ist in gleicher Weise zu beleuchten.

VORSITZENDER: Wir lassen also dieses Dokument aus.

M. GERTHOFFER: Das Dokument RF-1336 ist die Zusammenstellung verschiedener Befehle, ein Bericht der Armee und des Einsatzstabes. Es war Dokument 1015-PS, das von der amerikanischen Anklagebehörde als US-385 vorgelegt worden ist:

»Die Durchführungsbestimmungen über die Zusammenarbeit mit der Wehrmacht erläßt der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht im Einvernehmen mit dem Reichsleiter Rosenberg.«

Ich will mich nicht weiter mit der Verantwortlichkeit des Angesagten Keitel befassen. Mein Kollege, dessen Aufgabe es ist, die Anklagen gegen die einzelnen Angeklagten vorzutragen, wird Einzelheiten darüber vorbringen, und um das Verfahren zu beschleunigen, will ich lediglich folgendes bemerken:

Der Angeklagte Seyß-Inquart trägt die schwere Verantwortung für die Plünderungen von Kunstwerken und Büchern in Holland.

Ich komme nunmehr zum Schluß meiner Ausführungen. Wo immer die Kunstwerke verkauft wurden, wer immer der Käufer war, die Methoden und Beweggründe waren dieselben. Man kann sich schwer vorstellen, daß diese gleichartigen Plünderungen, die gleichzeitig in allen besetzten Ländern des Westens durchgeführt wurden, nicht das Ergebnis eines einzigen Willens waren, eines schonungslosen Willens zur Herrschaft auf jedem Gebiet, verbunden mit dem Bestreben, den ungesetzlichen Handlungen den Schein der Rechtmäßigkeit zu verleihen. Der Beweis hierfür wird durch zahlreiche Erklärungen der Angeklagten, die dem Gerichtshof vorgelegt worden sind, erbracht.

Es ist der Wille zur Herrschaft auf dem kulturellem Gebiet, der sich in der Absicht, die Beschlagnahmeaktionen immer weiter auszudehnen, kundgibt.

Es ist der Wille zur Ausplünderung der besetzten Gebiete, der bis zum Ende der Okkupation in Erscheinung getreten ist. Ich möchte dem Gerichtshof jetzt ein letztes Dokument vorlegen, 160-PS, es ist im Dokumentenbuch als RF-1346 eingetragen, ein ganz kurzes Dokument:

»14. August 1944 – Auftrag.

Die Haupteinsatzführer Dr. Lohse und Dr. Borchers meines Einsatzstabes für die besetzten Gebiete sind beauftragt, die laut Führerbefehl sichergestellten und noch in Paris lagernden Kunstgegenstände aus dem Museum Jeu de Paume und dem Depot des Louvre unverzüglich unter Einsatz aller noch verfügbaren Möglichkeiten abzutransportieren.

Der Herr Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches hat die beiden Obengenannten durch eine persönliche Anweisung vom 13. 8. 1944 dem Einsatzstab neuerdings bis zum Abschluß dieser Aktion zur Verfügung gestellt.

Ich bitte, den beiden Haupteinsatzführern jede nur mögliche Unterstützung zu gewähren.«

Was immer auch die rechtlichen Gründe sein mögen, die von den Deutschen vorgebracht werden, um die Beschlagnahme jüdischen Eigentums zu rechtfertigen, so haben doch diese Vermögenswerte niemals den Charakter von Privateigentum verloren und sind aus diesem Grund immer unter die Schutzbestimmungen der Haager Konvention, besonders des Artikels 46, gefallen.

Die Beschlagnahme dieser Vermögenswerte kann insbesondere nicht als eine durch äußere Umstände notwendig gewordene Sicherheitsmaßnahme erklärt werden, zumindest nicht für Frankreich, da die französische Domänenverwaltung durchaus in der Lage war, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

Die vorgelegten Dokumente haben eindeutig die Pläne und Absichten der nationalsozialistischen Führer bewiesen.

Die Verteidigung wird zweifellos einwenden, daß bedeutende nationale Kunstschätze aus den okkupierten Ländern nicht nach Deutschland gebracht worden sind. Auf eine solche Behauptung würde ich antworten:

1. Aus verschiedenen Gründen hat die Besatzungsmacht aus Zeitmangel keine Möglichkeit gehabt, die vielen Kunstgegenstände, deren sie die besetzten Gebiete beraubten, zu sammeln, Kataloge anzulegen und sie zu versenden.

2. Es ist ganz klar, daß die Besatzungsmacht in erster Linie private Kunstwerke beschlagnahmte, die im allgemeinen leicht umsetzbar sind, selbst in neutralen Ländern, während nationale Kunstwerke sozusagen außerhalb des Handels liegen und in jedem Falle im Ausland schwer abzusetzen sind.

Man wird vielleicht vorbringen, daß ein großer Teil der Kunstschätze wieder aufgefunden worden ist, und daß daher ihr Raub nicht zum Gegenstand einer Anklage gemacht werden könne.

Meine Herren, Sie müssen sich jedoch vor Augen halten, daß, obgleich viele Kunstwerke durch die alliierten Armeen, meistens in Verstecken wieder aufgefunden worden sind, der gegen die Angeklagten erhobene Vorwurf nichtsdestoweniger bestehen bleiben muß. Diese Kunstgegenstände sind jedenfalls gegen den Willen der Angeklagten und nur dank des Sieges der alliierten Armeen wieder gefunden worden. Das Verbrechen war also zur Zeit ihres Fundes bereits voll begangen. Es geht aus meinen Ausführungen hervor, daß es sich in erster Linie um Kunstgegenstände aus Privatbesitz von Belgiern, Holländern und Franzosen, die von der Besatzungsmacht meist als Juden bezeichnet wurden, gehandelt hat, und daß diese Kunstwerke von den Angeklagten mit der ganz klaren Absicht geplündert wurden, ihre persönliche Eitelkeit zu befriedigen, und sich Güter von großem, wirtschaftlichem Wert zu verschaffen, dies alles entgegen den Grundsätzen des internationalen Rechtes.

Dieser Tatbestand der Plünderung ist oft von erschwerenden Umständen begleitet worden, unter denen die ständige Drohung der Gewaltanwendung gegen die Bevölkerung der besetzten Gebiete nicht die geringste war. Die Plünderung der Kunstwerke erscheint also als eine Form der allgemeinen wirtschaftlichen Plünderung, und die Angeklagten müssen sich dafür vor diesem Hohen Gerichtshof verantworten.

VORSITZENDER: Können Sie mir mitteilen, worauf sich die Dokumente FA-20 und 21 und so weiter beziehen. Es befindet sich eine Notiz auf diesen verschiedenen Dokumenten. Wenn Sie Dokument RF-1333 oder 1334 ansehen, dann werden Sie auf den Exemplaren, die uns zur Verfügung stehen, folgende Aufschrift finden: »Tribunal Militaire International« und dann: »Délégation Française«, »Ministere Public – Section Economique«, und dann »L.D.Art, Document 21 Document FA-20«. Wir haben das Dokument FA-21, aber wo ist Dokument FA-20?

M. GERTHOFFER: Die Nummer ist eine Seriennummer des Dokuments, die es erhielt, als es bei uns eintraf. RF-1334 ist ein Dokument, das der Gerichtshof zurückgewiesen hat.

VORSITZENDER: Ja, aber was ist Dokument FA-20 oder Dokument FA-21, was bedeutet das?

M. GERTHOFFER: FA-20 ist die Ordnungsnummer, die diesem Dokument gegeben wurde, da alle bei uns eintreffenden Dokumente numeriert werden; die Nummer hat keine weitere Bedeutung.

VORSITZENDER: Sie meinen damit bloß eine Seriennummer, mit der Sie das Dokument versehen haben?

M. GERTHOFFER: Es ist eine Nummer, die die Wirtschaftsabteilung dem Dokument gegeben hat.

VORSITZENDER: Wenn die Wirtschaftsabteilung dem Dokument die Nummer gegeben hat, dann wird dieses Dokument dadurch ein offizielles Dokument.

M. GERTHOFFER: Wir haben dem eben zitierten Dokument auch eine Nummer gegeben. Dokument FA-21 war Dokument RF-1333.

VORSITZENDER: Ich verstehe. Die Wirtschaftsabteilung ist ganz einfach eine Abteilung der Französischen Anklagebehörde.

M. GERTHOFFER: Ja, es ist eine Abteilung der Französischen Anklagebehörde.

M. PIERRE MOUNIER: Herr Vorsitzender, meine Herren Richter des Internationalen Militärgerichtshofs! Ich habe die Ehre, vor diesem Hohen Gerichtshof zu erscheinen, um die Schlußfolgerungen der Französischen Anklagebehörde über die Verantwortlichkeit der einzelnen hier anwesenden Angeklagten vorzutragen.

Infolge der Aufteilung der verschiedenen Aufgaben auf die vier Nationen, die der Anklageschrift nach dem Statut vom 8. August 1945 und einem Abkommen zwischen den vier Delegationen zugrunde gelegt worden ist, hat sich die französische Staatsanwaltschaft in ihren Ausführungen besonders mit dem dritten Punkt der Anklage: Kriegsverbrechen beschäftigt, die die Angeklagten in Frankreich und in den westlichen Ländern Europas während der Kriegsoperationen und während der deutschen Besetzung begangen hatten. Es ist daher ganz selbstverständlich, daß in den nun folgenden Erklärungen der Fall gewisser Angeklagter beiseite gelassen wird, da ihre Verantwortlichkeit durch die anderen Delegationen zu beweisen ist, die, wenn ich so sagen darf, mehr an den Verbrechen der Angeklagten interessiert sind, die im Punkt 1, 2 und 4 der Anklageschrift behandelt sind. Trotzdem möchte sich die Französische Anklagebehörde den von den anderen Abordnungen gegen die Angeklagten erhobenen Anklagen anschließen, besonders im Falle der Angeklagten von Neurath und von Ribbentrop.

Die Französische Delegation stimmt völlig mit den Ausführungen, die Sir David über sie unterbreitet hat, überein. Dasselbe trifft zu in den Fällen der Angeklagten Heß, Kaltenbrunner, Frank, Bormann, Funk, Schacht, von Papen, Baldur von Schirach, Streicher, Raeder, Dönitz und Fritzsche.

Weiterhin, Herr Vorsitzender und meine Herren Richter, möchten wir in diesen kurzen Ausführungen etwas von der Reihenfolge abweichen, in welcher die Angeklagten in der Anklageschrift sowie hier auf der Anklagebank erscheinen. Dies erfolgt aus Gründen der Klarheit. Wenn man einige Führer der nationalsozialistischen Verschwörung unter dem Gesichtspunkt ihrer im Westen begangenen Kriegsverbrechen betrachten will, erscheint es wünschenswert, zu zeigen, wie sie ihre philosophischen, politischen, wirtschaftlichen, diplomatischen und schließlich militärischen Ideen in die Tat umgesetzt haben. Diese Reihenfolge wird also bestimmen, wie wir die einzelnen Fälle der Anklage vortragen werden.

Andererseits sind die Angeklagten auf Grund der vom Gerichtshof für diesen Prozeß vorgeschriebenen Ordnung in dieser Angelegenheit persönlich noch nicht zu Wort gekommen, und das Verhör der meisten oder wenigstens der wichtigsten Zeugen hat noch nicht stattgefunden.

Deshalb behält sich die Französische Anklagebehörde mit Genehmigung des Gerichtshofs vor, späterhin Ergänzungen zu ihrem Vorbringen hinsichtlich der einzelnen Angeklagten sowie der Organisationen, die nach dem Ausspruch meines verehrten Kollegen, des Herrn Staatsanwalts Boissarie als »internationaler Schandfleck« bezeichnet werden, zu machen.

Selbstverständlich wird diese Schlußdarstellung von der Französischen Anklagebehörde mit aller nur wünschenswerten Knappheit vorgebracht werden, und sie wird bedacht sein, jede unnötige Verlängerung der Verhandlung zu vermeiden.

Dem Gerichtshof wurde eine große Anzahl von Dokumenten vorgelegt. Ihr Studium sollte seiner eigenen Aufklärung sowie der Unterrichtung der Verteidigung und der Weltmeinung dienen. Das Verlesen dieser Dokumente hat schon eine beträchtliche Zeit in Anspruch genommen und aus diesem Grunde werden wir mit Genehmigung des Gerichtshofs nach Möglichkeit davon absehen, längere Dokumente zu unterbreiten. Von der Amerikanischen, Britischen und Französischen Anklagebehörde sind bereits genügend schriftliche Beweise vorgelegt worden, die im Verein mit den Dokumenten, die die Sowjetische Anklagebehörde zur Vorlage bringen wird, dem Gerichtshof die Möglichkeit geben, sich von der Schuld der Angeklagten zu überzeugen.

Wir werden uns daher im allgemeinen damit begnügen, die bereits vorgelegten Dokumente zu zitieren, da die Taten, die wir hervorheben wollen, aus diesem schon vorgebrachten Beweismaterial klar ersichtlich sind. Ich möchte jedoch, Herr Vorsitzender, bevor ich auf die Fälle der einzelnen Angeklagten eingehe, ein Wort zu einer Frage von sehr allgemeiner Bedeutung vorbringen. Man kann seine Augen nicht vor der Tatsache verschließen, daß ein gewisser Teil der öffentlichen Meinung, und es ist nicht gerade der am wenigsten von Bildung beeinflußte, in der alten wie in der neuen Welt, eine gewisse Überraschung darüber gezeigt hat, daß in der Anklageschrift, die die Grundlage für diese Anklage bildet, die Gruppen der Reichsregierung, das Führerkorps der nationalsozialistischen Partei, die SS einschließlich des SD, die Gestapo, die SA, der Generalstab und das Oberkommando kollektiv der Verbrechen beschuldigt wurden.

Der Gerichtshof hat die verschiedenen Anklagebehörden aufgefordert, zu diesem Gegenstand Schriftsätze vorzulegen, um nachzuweisen, wie wohlbegründet die in der Anklageschrift erhobene Beschuldigung ist. Bevor jedoch ein ausführlicher Schriftsatz dem Gerichtshof übergeben wird, bitte ich um die Erlaubnis, dem Gerichtshof einige Bemerkungen vortragen zu dürfen, die meines Erachtens hierzu in Erinnerung gebracht werden müssen.

Es scheint in der Tat, daß der Begriff der Kollektivverantwortlichkeit der verschiedenen Gruppen Hand in Hand mit der anderen Leitidee der Anklageschrift, dem Begriff der Verschwörung geht. Es besteht kein Zweifel, daß man diesen in der Anklageschrift dargestellten Begriff der Verschwörung in den Taten der Angeklagten feststellen kann, ebenso das Geheimnis, das im allgemeinen jede Verschwörung irgendwelcher Art umgibt. Die verschiedenen Dokumente, die bereits dem Gerichtshof unterbreitet wurden, genügen zum Nachweis der Richtigkeit unserer Behauptung, daß die Angeklagten sowie ihre Mitarbeiter und Komplizen tatsächlich jenes betrügerische Komplott erdacht und verwirklicht haben, das es ihnen ermöglichte, den Frieden der Welt mit Mitteln zu stören, die im Widerspruch zu Kriegsrecht, Völkerrecht und zur internationalen Moral stehen.

Es besteht auch kein Zweifel darüber, daß die nationalsozialistischen Führer ihren Zusammenkünften einen geheimen Charakter verliehen haben, gleichgültig ob es sich um regelmäßige oder durch Verwaltungsangelegenheiten bedingte Besprechungen handelte, oder um gelegentliche Versammlungen, bei denen kein Protokoll geführt wurde. Diese Tatsache an sich wäre normal, wenn man sie unabhängig von allen anderen Tatbeständen betrachten könnte. In Verbindung mit allen übrigen Elementen des Prozesses zeigt sie jedoch klar die strafbare Absicht der Verschwörer, denn nur das absolute Geheimnis ermöglichte die Anwendung all der verbrecherischen Mittel, die wir jetzt im einzelnen hervorheben werden.

Ich möchte den Gerichtshof auch daran erinnern, daß sehr häufig bei übermittelten Befehlen bestimmte Stellen ausradiert wurden, um keine Spuren zu hinterlassen. Dies ist eine Tatsache, die besonders der Angeklagte Hermann Göring im Verlauf von Verhören zugegeben hat, und sie beweist nicht nur die Absicht, ganz geheim vorzugehen, sondern außerdem das Bestreben, alle Spuren der Ereignisse zu verwischen.

Wenn ich hier einen Ausdruck wiederholen darf, der im Kriege 1914 bis 1918 bei der Zerstörung gewisser Schiffe der befreundeten und alliierten Länder gebraucht wurde, so war damals die Redewendung »spurlos versenkt« gebräuchlich.

Außerdem geht der Beweis der verbrecherischen Verschwörung ganz klar aus dem verbrecherischen Charakter, der in diesen geheimen Sitzungen getroffenen Entscheidungen hervor.

VORSITZENDER: Es ist jetzt ein Uhr. Wäre es Ihnen recht, jetzt zu unterbrechen?

M. MOUNIER: Herr Vorsitzender, wie der Gerichtshof wünscht.

VORSITZENDER: Gut.