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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

VORSITZENDER: Herr Mounier, wegen technischer Schwierigkeiten, von denen wir soeben erfahren und deren Behandlung einige Stunden beanspruchen wird, hält der Gerichtshof es für richtig, die Verhandlung bis morgen Vormittag zu vertagen.

Der Gerichtshof hofft jedoch, daß Sie in der Lage sein werden, morgen den Vortrag der Französischen Anklagebehörde zu beenden, und daß die Britische Anklagebehörde Gelegenheit haben wird, den Fall des Angeklagten Heß vorzutragen.

M. MOUNIER: Gewiß, Herr Vorsitzender! Ich werde mit meinen britischen Kollegen in dem vom Gerichtshof gewünschten Sinne in Fühlung treten.

VORSITZENDER: Sir David, wünschen Sie etwas hierzu zu bemerken?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, Herr Vorsitzender! Wir sind bereit, unsere Anklage gegen den Angeklagten Heß vorzubringen und nehmen an, daß sie ungefähr zweieinhalb Stunden in Anspruch nehmen wird.

[Das Gericht vertagt sich bis

7. Februar 1946, 10.00 Uhr.]

Dreiundfünfzigster Tag.

Donnerstag, 7. Februar 1946.

Vormittagssitzung.

M. MOUNIER: Herr Vorsitzender! Hoher Gerichtshof! Ich hatte gestern vor der Unterbrechung meiner Ausführungen damit begonnen, kurz über die Beziehungen zu sprechen, die nach unserer Ansicht die beiden Hauptgedanken der Anklageschrift miteinander verknüpften, nämlich einerseits die Anklage auf Verschwörung, die gegen gewisse in der Anklageschrift aufgezählte Organisationen gerichtet ist, die ich gestern angeführt habe, sowie andererseits die verschiedenen Tatbestände, die auf den verbrecherischen Charakter der Tätigkeit der nationalsozialistischen Verschwörer schließen lassen. Ich hatte eingangs erklärt, daß unserer Ansicht nach die Grundlage dieser verbrecherischen Tätigkeit jene vollkommene, absolute Geheimhaltung war, die die offiziellen und nichtoffiziellen Sitzungen umgab. Diese Tatsache wird durch die Erklärungen gewisser Angeklagter während der Untersuchung erhärtet, aus denen wiederholt ersichtlich war, daß gewisse Teile von Befehlen, die von höheren Stellen herausgegeben worden waren, beseitigt und vernichtet werden mußten, um keinerlei Spuren zu hinterlassen.

Wir glauben ferner, daß der Beweis für das betrügerische Einverständnis zwischen den Angeklagten aus dem verbrecherischen Charakter der in diesen Geheimsitzungen getroffenen Maßnahmen hervorgeht, die die Eroberung von Nachbarländern durch Angriffskriege bezweckten.

Schließlich geht das betrügerische Einvernehmen unserer Meinung nach daraus hervor, daß diese verbrecherischen Pläne mit Hilfe einer ganzen Reihe von Mitteln ausgeführt wurden, die von der internationalen Moral und dem geschriebenen Gesetz verurteilt werden: zum Beispiel auf internationalem und diplomatischem Gebiet, die zynischesten Verschwörungen, die Verwendung der sogenannten Fünften Kolonne im Ausland, finanzielle Tarnung und mißbräuchlicher Druck, unterstützt von Kundgebungen der dahinterstehenden Machtmittel und schließlich, als das nicht mehr genügte, die Zuflucht zum Angriffskrieg.

Was die einzelnen Persönlichkeiten angeht, die regelmäßig und freiwillig an den Versammlungen dieser Körperschaften teilgenommen haben, die nach der Anklageschrift als international unwürdig zu betrachten sind, genügt ihre freiwillige Zugehörigkeit zu diesen Gruppen oder die aktive und bewußte Rolle, die sie in ihnen gespielt haben, um zu beweisen, daß sie sehr wohl die Absicht hatten, sich in diesen verschiedenen Organen aktiv und rückhaltlos zu betätigen.

In Anbetracht der angestrebten Ziele sowie der angewendeten Mittel konnte diese Absicht nur eine strafbare sein. Nach Ansicht der Anklagebehörde, die die Tatbestandsmerkmale eines Verbrechens festzustellen hat, genügt dies wohl, um die sogenannte verbrecherische Absicht, das »consilium fraudis« zu beweisen, um den kausalen Zusammenhang zwischen diesem Willen zum Bösen einerseits und der verbrecherischen Tat andererseits zu bestätigen, und um den verbrecherischen Charakter des Einverständnisses zwischen den Verschwörern, der gleichzeitig den verbrecherischen Charakter ihrer Einzeltaten umfaßt, festzustellen.

Konnte der Beauftragte für den Vierjahresplan, als er dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz den Befehl erteilte, eine Million Fremdarbeiter für das Reich anzuwerben, vergessen, daß dies im Widerspruch zu den internationalen Abkommen stand? Konnte er die tragischen Folgen übersehen, welche diese unerhörte Aktion bei ihrer Durchführung für die Betroffenen und ihre Familien nach sich zog?

Konnte der Rüstungsminister, der mit Genehmigung oder auf Befehl des Oberbefehlshabers der Luftwaffe in den Konzentrationslagern unterirdische Flugzeugfabriken einrichtete, übersehen, daß der Einsatz der bereits erschöpften Häftlinge unter diesen Umständen einem frühzeitigen Tod gleichkam?

Konnte der Diplomat, der unter den verschiedensten Vorwänden diplomatische Urkunden zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens wie Papierfetzen behandelte, vergessen, daß seine Taten die zivilisierte Welt in ein allgemeines Chaos stürzen würde?

Ob ihr Gewissen damals von der mehr oder weniger dunklen Ahnung erfüllt war, daß sie gegen die menschlichen und göttlichen Gesetze verstießen, ist eine Frage, die auf der für uns geltenden juristischen Ebene nicht zu stellen ist. Angenommen jedoch, wir halten es für nötig, diese Frage um der Genauigkeit willen vom psychologischen Standpunkt aus zu stellen, dann sollten wir zwei wesentliche Erkenntnisse nicht übersehen: Erstens, daß nach den Worten eines französischen Schriftstellers der Deutsche zuweilen Gegensätze in sich vereint; folglich ist es in gewissen Fällen möglich, daß er wissentlich das Böse tut und dabei doch überzeugt ist, daß seine Handlung mit den Sittengesetzen nicht im Widerspruch steht.

Die zweite Erkenntnis liegt in der nationalsozialistischen Sittenlehre der Verschwörer, die verschiedentlich von gewissen Nazi-Chefs ausdrücklich formuliert wurde: Gut ist, was mit den Interessen der Partei übereinstimmt; schlecht ist, was sich gegen die Interessen und Anschauungen der Partei richtet.

Und dennoch hatten wir während der meisterhaften Rede von Herrn François de Menthon den Eindruck, daß einige seiner Worte, die durch den Ton ihrer tiefen Menschlichkeit besonders eindrucksvoll waren, manches Gewissen gerührt hatten. Selbst heute noch, nachdem so umfangreiches Beweismaterial angehäuft worden ist, fragt man sich, ob die Angeklagten ihre Verantwortung als Führer, als Männer, als Vertreter der verbrecherischen Organisationen zugeben. Im Laufe der Verhandlung wird das vielleicht zutage treten.

Herr Vorsitzender! Meine Herren! Mit Genehmigung des Gerichtshofs werden wir jetzt den Fall des Angeklagten Alfred Rosenberg behandeln.

Meine Herren! Der junge französische Student, der 1910 das Vergnügen hatte, seine Ferien in Bayern zu verbringen, das damals eins der glücklichsten Länder Deutschlands war, dieser Student ahnte sicherlich nicht, daß er 35 Jahre später die Anwendung des internationalen Rechtes gegen die Herren dieses Landes beantragen müßte. Als er nach einem Besuch im Bratwurstglöcklein zur Burg hinaufstieg, um von dort den Sonnenuntergang zu betrachten, während die Reime einer Uhlandschen Ballade ihm ins Gedächtnis kamen, hätte er nicht gedacht, daß schlechte Herren und falsche Propheten zweimal im Verlaufe eines Vierteljahrhunderts das Unwetter über Europa und der übrigen Welt entfesseln würden und daß durch ihre Schuld so viele Kunstschätze, so viel Schönheit vernichtet werden, so viele Menschenleben hingeopfert und so viel Leid angehäuft werden würde.

Gewiß, von Romantik kann keine Rede sein, wenn man den Ursprung dieses unerhörten Dramas studiert, man könnte eher von einer perversen Romantik sprechen, von einer krankhaften Entstellung des Gefühls für Größe. Der Geist ist verwirrt angesichts des wahren Wertes der Ideen der nationalsozialistischen Theoretiker; ich möchte diese Ideen nur im Vorübergehen streifen, um darzulegen, wie sie den Angeklagten Rosenberg, denn um ihn handelt es sich hier, sowie seine Mitangeklagten zu den Verbrechen veranlaßt haben, die ihnen hier zur Last gelegt werden.

Da ist zunächst dieser Rassebegriff, der in einem Lande entstand, das sich von den übrigen eigentlich nicht unterscheidet, und in dem im Laufe der Jahrhunderte eine Mischung der verschiedensten Völker in ungeheurem Ausmaße stattgefunden hat; diese unwissenschaftlichen, wirren Begriffe, durch welche die physiologischen Züge der Menschen mit dem Begriff der Nation vermischt werden, dieses Neu-Heidentum, das sich anmaßt, die Sittengesetze, die Gerechtigkeit und Nächstenliebe, die ein zweitausendjähriges Christentum der Welt gebracht hat, abzuschaffen; dieser Mythus des Blutes, der die Rassenunterschiede und ihre Folgen – die Versklavung, die Morde, Plünderungen und Verstümmelungen lebender Menschen – zu rechtfertigen sucht.

Herr Vorsitzender! Ich will nicht länger bei diesem Unsinn, der vorgibt, Philosophie zu sein, verweilen. In ihm sind die seltsamsten Elemente verschiedensten Ursprungs vereint, angefangen von den größenwahnsinnigen Vorstellungen Mussolinis über die Hindu- Legende bis zum Japan der Samourai, der Wiege des Faschismus, der wie eine Sintflut über die Welt hinwegspülte. Diese Begriffe wurden im Verlaufe früherer Ausführungen bereits gebührend behandelt. Ich möchte heute lediglich betonen, daß diese pseudophilosophischen Ideen die Menschheit Jahrtausende zurückzuwerfen versuchten, indem sie den Begriff der Sippe wieder einzuführen trachteten, deren oberster Grundsatz die Gewaltherrschaft, das Faustrecht war, das bereits vom Eisernen Kanzler verkündet wurde, das Recht, den Mitmenschen zu betrügen, das Recht, sich das Eigentum der Mitmenschen anzueignen, das Recht, den Menschen zum Sklaven zu machen, ihn zu töten und zu foltern.

Aber der homo sapiens weigert sich, wieder zum homo lupus zu werden. Das internationale Gesetz ist nicht eine jeglicher Verpflichtung und jeglicher Strafe bare Moral. Das Statut vom 8. August erwähnt und erläutert die Verpflichtung, und Sie, meine Herren, haben nun dieses Strafgesetz anzuwenden.

Eine der Folgen dieser Theorie über die Vorherrschaft der angeblichen »germanischen Rasse« war, daß einige der Verschwörer, vor allem Rosenberg, zu Plünderern wurden. Und gerade auf diese Seite seiner Tätigkeit möchte ich kurz eingehen, da sie für Frankreich und die übrigen besetzten Westgebiete von Interesse ist und für ihr geistig-künstlerisches und materielles Erbe die schlimmsten Folgen hatte. Ich möchte von all den Maßnahmen sprechen, die Rosenberg angeordnet oder angewandt hat, um aus Frankreich und den übrigen westlichen Ländern Kunstwerke, Kulturschätze und Gemeinschafts- und Privateigentum zu rauben und diese Reichtümer nach Deutschland zu entführen.

Meine Herren! Da wir nur über eine beschränkte Zeit verfügen, möchte ich mich heute darauf beschränken, auszuführen, wie auf Grund höheren Befehls verschiedene Organe zur Teilnahme an der Plünderung aufgefordert wurden. Zunächst will ich auf die Eingriffe der Gestapo eingehen, die auf Grund eines Befehls von Keitel vom 5. Juli 1940 geschahen. Dieser Befehl trägt die Nummer 137-PS und ist von der Amerikanischen Delegation am 8. Dezember 1945 als US-379 vorgelegt worden.

Ich zitiere weiterhin einen zweiten Befehl vom 30. Oktober 1940, der eine Erläuterung und Verschärfung der Befehle für die von dem sogenannten Einsatzstab Rosenberg durchgeführte Plünderung darstellt. Es handelt sich um Dokument RF-1303, welches der Wirtschaftsreferent der französischen Staatsanwaltschaft bereits zitiert hat.

Somit bekannten sich Keitel und Rosenberg zu dem Begriff der Beute, die das siegreiche deutsche Volk von dem jüdischen Volke nehmen konnte, da es diesem gegenüber durch die Waffenstillstandsbedingungen von Compiegne nicht gebunden war. Diese Beteiligung des Oberbefehlshabers der Wehrmacht, die in diesen beiden soeben genannten Befehlen zum Ausdruck kommt, genügt meiner Ansicht nach, um die bedeutende Rolle zu beweisen, die die Deutsche Wehrmacht bei dieser Plünderung gespielt hat. Der Gerichtshof wird sich dessen erinnern, wenn er über die Schuld der Angeklagten Keitel und Göring zu entscheiden haben wird. Wenn ich den Angeklagten Göring erwähne, so geschieht es deshalb, weil ein drittes Dokument beweist, daß dieser Angeklagte die Aktion mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt hat, indem er alle Dienststellen der Partei, des Staates und der Wehrmacht aufforderte, Reichsleiter Rosenberg und seinem Mitarbeiter Utikal, der am 1. April 1940 zum Chef des Einsatzstabes Rosenberg ernannt worden war, jede nur denkbare Unterstützung und Hilfe zuteil werden zu lassen. Es handelt sich um die Weisung vom 1. Mai 1941, die wir als RF-1406 vorlegen.

Wenn man den Text dieser Verordnung sorgfältig durchliest, stutzt man schon beim ersten Absatz. Der Gerichtshof wird mir gestatten, ihn kurz zu verlesen.

»Der Kampf gegen Juden, Freimaurer und die ihnen verbündeten und sonstigen weltanschaulichen gegnerischen Mächte ist eine vordringliche. Aufgabe des Nationalsozialismus während des Krieges.«

Es genügt also, eine von der Nazi-Weltanschauung abweichende Auffassung zu haben, um der Beschlagnahme und dem Abtransport des kulturellen Besitztums nach Deutschland ausgesetzt zu sein. Der Gerichtshof wird sich jedoch sicherlich erinnern, daß die ihm vorgelegten Dokumente nicht nur Kulturgüter behandelten, sondern daß alles, was irgendeinen Wert hatte, mitgenommen wurde.

Der Angeklagte Rosenberg hat im Verlauf einer Vernehmung, die von den mit den Voruntersuchungen beauftragten höheren Offizieren durchgeführt wurde, ohne große Überzeugungskraft zu behaupten versucht, daß die Kulturwerte, um die es sich hier handelt, ausschließlich dazu ausersehen waren, die Sammlungen der nationalsozialistischen »Hohen Schulen« zu zieren. Wir werden bei der Vorlage des Textes des Untersuchungsprotokolls sogleich sehen, was man von dieser Äußerung zu halten hat. Ich möchte in diesem Zusammenhang jedoch schon jetzt feststellen, daß nach den in unserem Besitz befindlichen Dokumenten Rosenberg sich anscheinend keine Kunstwerke, Edelsteine und andere Wertgegenstände angeeignet hat. Infolgedessen muß man in dem jetzigen Stadium der Verhandlungen von jeder derartigen Anschuldigung ihm gegenüber Abstand nehmen.

Anders liegt der Fall bei seinem Mitangeklagten Göring, von dem wir später sprechen werden, und der nach den in unserem Besitz befindlichen Dokumenten der Unterschlagung eines Teiles der aus den West- und Ostgebieten geraubten Kunstwerke für seine eigenen Zwecke überführt werden kann. Ich möchte jetzt nicht bei einer etwaigen Diskussion über diese Unterschlagungen verweilen. Ich möchte vielmehr sofort auf das Verhör des Angeklagten Rosenberg eingehen. Es handelt sich um das Dokument, das gestern vom Wirtschaftsreferenten der Französischen Anklagebehörde unterbreitet wurde. Es trägt die Nummer RF-1332; wir legen es heute als RF-1403 vor.

Ich glaube, daß es angebracht wäre, wenn der Gerichtshof das Verhör später durchliest; inzwischen möchte ich ganz kurz die Hauptpunkte hervorheben.

Im Verlaufe der Vernehmung des Angeklagten Rosenberg fragte Oberst Hinkel, auf welcher rechtlichen Grundlage derartige Beschlagnahmen beruhten. Rosenberg antwortete zunächst, daß diese Beschlagnahmen auf Grund der feindlichen Einstellung gewisser Gruppen gegenüber der nationalsozialistischen Ideologie gerechtfertigt seien, aber etwas später, auf Seite 4, erklärte er wörtlich folgendes:

»Ich war der Ansicht, daß diese« – die von ihm ergriffenen Maßnahmen – »durch den Krieg und die Gründe, die diesen Krieg veranlaßten, erforderlich geworden waren.«

Etwas später behauptete Rosenberg, von Oberst Hinkel in die Enge getrieben, es sei notwendig gewesen, die auf diese Weise entwendeten Güter sicherzustellen. Dieses Argument der Sicherstellung wird sicherlich einen der Hauptpunkte von Rosenbergs Verteidigung darstellen. Oberst Hinkel warf jedoch gleich ein:

»Sie wollten diese Güter in Sicherheit bringen. Wenn dies zutraf, warum haben Sie nicht alles in Sicherheit gebracht? Warum haben Sie nur das, was Ihnen aufhebenswert erschien, in Sicherheit gebracht und den Rest liegen lassen?«

Was andererseits die Pflege der Gegenstände anlangt, so kümmerte man sich um solche, die wertmäßig den abtransportierten Stücken gleichkamen, oft überhaupt nicht. Schließlich hat der Angeklagte Rosenberg zugegeben, daß man in den meisten Fällen den Betroffenen keine Quittung aushändigte, was von vornherein jeden Gedanken einer etwaigen späteren Rückerstattung an die rechtmäßigen Besitzer dieser Gegenstände ausschloß. Wichtig ist, daß es sich jedoch tatsächlich um sehr wertvolle Kunstschätze handelte. Rosenberg hat schließlich zugegeben, daß er diese Erwerbungen als endgültig betrachtete.

Wir sind jedoch der Ansicht, daß eine solche Wegführung von Kunst- und Wertgegenständen im gewöhnlichen Recht als ein glatter Fall dessen ist, was man mit Unterschlagung bezeichnet. Diese Unterschlagungen wurden in großem Maßstab mit den großzügigen, dem Dritten Reich zur Verfügung stehenden Mitteln durchgeführt, und durch die Beteiligung der Wehrmacht und der Luftwaffe noch gefördert. Aber der verbrecherische Charakter dieser Unterschlagungen besteht nichtsdestoweniger, und wir bitten den Gerichtshof dringend, im Urteil zu erklären, daß Rosenberg und seine Mitangeklagten mittels betrügerischer Beschlagnahmen aus Frankreich und den übrigen westlichen Ländern alle Kunstschätze und Wertobjekte entwendet haben, deren sie habhaft werden konnten.

Herr Vorsitzender! Meine Herren Richter! Was die Art der entwendeten Kunstschätze anbelangt, so möchte ich den Gerichtshof auf den Bericht von Dr. Scholz, Mitarbeiter im Einsatzstab Rosenberg, hinweisen, den der Wirtschaftsreferent gestern als RF-1323 vorgelegt hat. Der Gerichtshof findet in ihm alle Gegenstände aufgeführt, die der Einsatzstab Rosenberg aus Frankreich entwendet hat.

Ich möchte an dieser Stelle zwischendurch die Frage beantworten, die der Herr Vorsitzende gestern meinem Kollegen über die Sammlungen Rothschilds gestellt hat. Der Herr Vorsitzende hat gefragt:

»Haben Sie den Beweis, daß man Rothschild eine Anzahl von Kunstsammlungen und Wertgegenständen gestohlen hat?«

Herr Vorsitzender, ich möchte Ihnen hierzu zwei Beweise unterbreiten. Der erste geht aus dem Verhör Rosenbergs vom 23. September 1945 hervor, von dem ich bereits gesprochen habe; hinsichtlich der Haupttragen, die man an Rosenberg über die Rechtmäßigkeit und die legale Basis dieser Entwendungen gestellt hat, bitte ich den Gerichtshof, Seite 5 des Berichts nachzuschlagen; ich verlese wörtlich die Frage, die der mit der Untersuchung beauftragte amerikanische Offizier, mein verehrter Freund Oberst Hinkel, gestellt hat:

»Wie rechtfertigen Sie die Beschlagnahme von Kunstgegenständen der Familie Rothschild?«

Das ist eine sehr genaue Frage. Es handelt sich um die Kunstgegenstände, die von der Organisation Rosenbergs dieser Familie gestohlen worden sind.

»Antwort: Immer unter demselben allgemeinen Gesichtspunkt.«

Das heißt, daß der Angeklagte Rosenberg die Entwendungen bei den Rothschilds mit der gleichen Begründung rechtfertigen zu können glaubt, die ich soeben dem Gerichtshof auseinandergesetzt habe.

Also hat der Angeklagte Rosenberg damit persönlich zugegeben, daß die Familie Rothschild zu den Beraubten gehörte. Dieses Geständnis, Herr Vorsitzender, meine Herren Richter, hat als Beweis ersten Ranges zu gelten. Es ist die erste Antwort, Herr Vorsitzender, auf Ihre gestrige Frage.

Der zweite Beweis, den ich dem Gerichtshof unterbreite, ist folgender: Ich bitte den Gerichtshof, den Bericht von Dr. Scholz heranzuziehen, den ich soeben erwähnt habe und der im Dokumentenbuch des Wirtschaftsreferenten zu finden ist. Es handelt sich um RF-1323. Der Gerichtshof findet im zweiten Absatz der ersten Seite folgende Angaben: »Der Einsatzstab hat nicht nur sehr umfangreiche Teile der...«

VORSITZENDER: Herr Mounier! Wie ich schon neulich gesagt habe, können wir nicht alle Dokumentenbücher vor uns liegen haben; aber mir scheint, daß die Tatsache, daß Rosenberg zugegeben hat, diese Sammlungen beraubt zu haben, einen hinreichenden Beweis darstellt.

M. MOUNIER: Herr Vorsitzender! Ich bin völlig Ihrer Ansicht. Ich darf höflichst bemerken, daß ich sofort nach meinem Kollegen hätte sprechen sollen. Wenn ich dies getan hätte, so hätten Sie das Dokumentenbuch in Händen gehabt; doch ist eine Verschiebung um einen Tag eingetreten. Ich bitte um Verzeihung, daß ich heute Morgen vergessen habe, Ihnen das Dokumentenbuch wieder zu unterbreiten. Ich möchte den Gerichtshof bitten, diese kurze Bezugnahme zu notieren; sie ist leicht zu finden. Es ist ein sehr kurzer Auszug, den ich verlesen möchte. Es wird nicht viel Zeit kosten.

VORSITZENDER: Selbstverständlich.

M. MOUNIER: Die Stelle des Berichts lautet folgendermaßen:

»Der Einsatzstab Rosenberg hat nicht nur sehr umfangreiche Teile der in dem Pariser Stadtpalais des Rothschilds zurückgelassenen Kunstwerke erfaßt....«

und das genügt mir als Zitat.

Dies ist ein offizieller, völlig unbestreitbarer Bericht, der beweist, daß die Sammlung der Rothschilds zu den geplünderten Sammlungen gehört. Ich will nicht weiter auf diese Tatsache eingehen, die Sie ja kennen. Es scheint mir, daß die zwei Punkte, die ich hier angeführt habe, genügen, um zu beweisen, daß die von dem Angeklagten Rosenberg zum Schaden Frankreichs und der übrigen westlichen Länder betriebenen betrügerischen Beschlagnahmen tatsächlich stattgefunden haben.

Was die Höhe dieser Entwendungen betrifft, will ich die kostbare Zeit des Gerichtshofs nicht durch Verlesung von Statistiken in Anspruch nehmen; ich bitte lediglich, sich mit dem Bericht des Dr. Scholz zu befassen, einem Bericht, den ich im Laufe meiner vorherigen Erläuterungen schon zweimal zitiert habe. Ich möchte jedoch den Fall Rosenberg nicht abschließen, ohne dem Gerichtshof einen Auszug aus einem Artikel des französischen Schriftstellers François Mauriac von der Academie Française zu verlesen. François Mauriac wohnte am 7. November der Eröffnungssitzung der verfassunggebenden Nationalversammlung im Palais Bourbon bei. In diesem Zusammenhang rief François Mauriac eine Erinnerung wach, die er in folgenden Worten in der Zeitung »Figaro« vom 6. November 1945 zum Ausdruck bringt:

»Es ist fast 5 Jahre her, daß von dieser Tribüne herab, der berühmtesten in Europa, ein Mann zu anderen Männern sprach, die feldgraue Uniformen trugen. Dieser Mann hieß Alfred Rosenberg. Ich kann das Datum feststellen; es war am 25. November 1940. Rosenberg hat sich auf das Rednerpult gestützt, von dem herab die Stimme eines Jaures und Albert de Mun erklungen waren, und wo am 11. November 1918 der alte Clemenceau vor Freude beinahe gestorben wäre, und hat folgende Worte gesprochen:

In einem gigantischen revolutionären Umbruch – so sagte er – bringt das deutsche Volk eine Ernte ein, wie nie zuvor in seiner Geschichte. Die Franzosen werden eines Tages eingestehen, wenn sie ehrlich sind, daß Deutschland sie von ihren Parasiten befreit hat, von denen sie sich mit eigenen Mitteln nicht freimachen konnten. Und der Nazi-Philosoph – fährt Mauriac fort – proklamierte alsdann den Sieg des Blutes. Er meinte damit – schreibt Mauriac – den Sieg der Rasse. Es kann jedoch vorkommen, daß ein Mensch unbewußt zum Propheten wird und die Tragweite der von Gott ihm eingegebenen Worte verkennt.

Wie von Rosenberg im Palais Bourbon am 25. November 1940 vorausgesagt, hat das Blut gesiegt; das Blut der Märtyrer hat schließlich die Henker erstickt.«

Herr Vorsitzender, mit Genehmigung des Gerichtshofs möchte ich nach der gleichen Methode verfahren – und ich glaube, daß der Gerichtshof auch anerkennen wird, daß ich seine Zeit nicht unnütz in Anspruch nehme – und einige Worte über die gegen den Angeklagten Fritz Sauckel vorgebrachten persönlichen Anschuldigungen sagen.

Meine Herren Richter! Sie haben bereits von der wahrhaft ausgezeichneten Arbeit, den wirklich schlüssigen Ausführungen Kenntnis genommen, die mein Kollege und Freund, Herr Jacques Bernhard Herzog, Ihnen vor einiger Zeit vorgelegt hat. Aus diesem Grunde, und mit Ihrer Erlaubnis, werde ich die Tatsachen, die Sie bereits kennen, übergehen und mich dem Teil zuwenden, der auf Seite 3 meiner Ausführungen beginnt. Wir werden zusammen, wenn es Ihnen genehm ist, die Berechtigung der bisher von dem Angeklagten Sauckel vorgebrachten Entschuldigungen prüfen.

Zunächst eine Frage: Hat Sauckel auf Befehl gehandelt, als er diese sogenannten zum Teil freiwilligen, jedoch meistens zwangsmäßigen Rekrutierungen von Arbeitern vornahm, die den Bedarf des Reiches an Arbeitskräften decken sollten? Nach Sauckels eigenen Erklärungen – nachdem er am 27. März 1942 zum Bevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ernannt worden war – umfaßte sein ursprüngliches Programm nicht die Aushebung ausländischer Arbeiter; es sei Hitler gewesen, der damals eingegriffen habe. Es ist geradezu auffallend, Hoher Gerichtshof: An Hand der Protokolle über die Verhöre und sicherlich auch in den Erklärungen des Angeklagten vor Gericht werden Sie feststellen, daß die Angeklagten sich hinter zwei großen Schatten verbergen: den Schatten des ehemaligen Führers und den Schatten seines dienstbaren Geistes Himmler. Und in diesem Fall greift Hitler ein; er soll Sauckel tatsächlich erklärt haben, daß die Verwendung von Fremdarbeitern innerhalb der besetzten Gebiete aus zwei Gründen nicht im Widerspruch mit dem Haager Abkommen stehe: erstens, weil sich die betreffenden Länder bedingungslos ergeben hätten und man ihnen infolgedessen jegliche Arbeitsbedingungen auferlegen könne, und zweitens, weil zum Beispiel die Sowjetunion das Abkommen nicht unterzeichnet habe. Wenn wir also sowjetische Arbeiter zwangsweise einsetzen und sich tot arbeiten lassen, so verstoßen wir nicht gegen das Haager Abkommen. Dies ist, Hoher Gerichtshof – ohne etwas hinzuzufügen – die Begründung des Angeklagten Sauckel in dieser Angelegenheit.

Somit hätte also Hitler ihm den Befehl erteilt, die Rekrutierung der Arbeiter vorzunehmen, zunächst durch Überredung und dann mit allen Zwangsmitteln, die Sie bereits kennen, also besonders durch Entziehung der Lebensmittelkarten, was schließlich die Männer, deren Frauen und Kinder hungerten, dazu zwang, sich zu Arbeiten zu melden, die gegen ihre eigenen Landsleute und die Soldaten der alliierten Streitkräfte gerichtet waren, denen sie doch aus der Ferne ihre ganze Sympathie entgegenbrachten. Der Gerichtshof wird eine solche Ausrede entsprechend werten; denn es war in erster Linie Sauckel, der nach dem Gesetz, das ihn in sein Amt eingesetzt hatte, über alle Vollmachten hinsichtlich der zur Durchführung des Vierjahresplanes erforderlichen Arbeitskräfte verfügte.

Andererseits wußte Sauckel, als er die Stellung des Bevollmächtigten für den Arbeitseinsatz annahm, daß er seinen Auftrag nur erfüllen konnte, wenn er früher oder später zu Zwangsmaßnahmen griff.

Übrigens genoß die Mehrzahl dieser auf der Anklagebank sitzenden Männer die ausgedehntesten und selbständigsten Machtbefugnisse. Daher können sie sich nicht hinter etwaigen Befehlen verschanzen.

VORSITZENDER: Herr Mounier, entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie unterbreche; aber, wie ich gestern bereits gesagt habe, ist eine Eröffnungserklärung, welche die Argumente der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und des Herrn de Menthon, im Namen Frankreichs enthielt, schon abgegeben worden. Verstehen Sie mich richtig? Wir hatten bisher die nachfolgenden Anklagevertreter auf die Vorlage von Beweisen und Dokumenten beschränkt; wir haben ihnen nicht gestattet, zu plädieren oder Argumente vorzutragen.

Ich bin nicht ganz sicher, ob diese Regel in allen Fällen beachtet worden ist, es ist hier vielleicht etwas schwierig, diese Beschränkung aufrechtzuerhalten; aber wir haben mehrere Male die Anklagevertreter, die nach der Eröffnungserklärung sprachen, darauf hingewiesen, daß sie sich auf eine Vorlage des Beweismaterials beschränken müssen. Ich glaube, daß der Gerichtshof wünscht, daß Sie sich, soweit möglich, dieser Vorschrift fügen, also keine erklärenden Ausführungen machen, sondern das Beweismaterial vorlegen, das heißt, uns auf das Beweismaterial hinweisen, soweit es schon vorgelegt wurde, und zwar unter Angabe der Nummern und möglicherweise unter Hinweis auf den Inhalt, und aus den noch nicht vorgelegten Dokumenten die Teile verlesen, bei denen Sie es für erforderlich halten.

M. MOUNIER: Jawohl, Herr Vorsitzender.

Um dem Wunsche des Gerichtshofs nachzukommen, werde ich mich unter diesen Umständen darauf beschränken, über den Angeklagten Sauckel lediglich Zahlen anzugeben, die keine Diskussion erfordern, da es Zahlen sind, die Sauckel selbst bei der Untersuchung angegeben hat. Das scheint mir nicht mit der Vorschrift in Widerspruch zu stehen, auf die der Herr Vorsitzende mich soeben aufmerksam gemacht hat.

Die Zahlen, die angegeben wurden, sind folgende: 1942 gab es bereits 1 Million Fremdarbeiter in Deutschland. In einem Jahr hat Sauckel der deutschen Wirtschaft 1600000 Kriegsgefangene zugeführt, um den Erfordernissen der Kriegsindustrie gerecht zu werden. Ich gestatte mir, den Gerichtshof auf das Dokument zu verweisen, das in meinem Dokumentenbuch die Nummer RF-1411 trägt. Es handelt ach um ein Verhör des Angeklagten Speer vom 18. Oktober 1945, das die Amerikanische Anklagebehörde am 12. Dezember 1945 als US-220 unterbreitet hat.

Der Angeklagte Speer gesteht in diesem Verhör, daß 40 Prozent aller Kriegsgefangenen in der Munitions- und Waffenindustrie sowie den angeschlossenen Industrien eingesetzt waren.

Ich weise ferner auf RF-1412, US-225, vom 13. Dezember 1945, hin. Es ist eine von Lammers, dem Reichsminister und Chef der Reichskanzlei, unterzeichnete Aufzeichnung, die die Erklärungen wiedergibt, die im Verlaufe einer Besprechung vom 4. Januar 1944 abgegeben wurden. Es waren außer dem Angeklagten Sauckel der Führer, Himmler, Speer, Keitel, Feldmarschall Milch und andere anwesend.

Auf dieser Besprechung wurde die Zahl der heranzuziehenden weiteren Arbeiter auf 4000000 festgesetzt. Ich muß in diesem Zusammenhang erwähnen, daß Sauckel bei dieser Zusammenkunft Zweifel darüber äußerte, daß er diese Zahl herbeischaffen könne, wenn man ihm nicht die notwendigen Polizeikräfte zur Verfügung stelle. Darauf antwortete Himmler, daß er mittels verschärften Drucks versuchen werde, Sauckel bei der Erreichung seines Zieles behilflich zu sein.

Wenn daher Sauckel später behauptet – und das ist wahrscheinlich –, daß er mit der Gestapo, dieser heute so verpönten Organisation, gar nichts zu tun hatte, wird man ihm antworten können, daß er sich auf Grund amtlicher deutscher Dokumente tatsächlich der Polizei und ihrer mehr oder weniger verwerflichen oder strafbaren, Ihnen bekannten Mittel, bediente, um die benötigten Arbeitskräfte zu beschaffen.

Was allein Frankreich betrifft, erhöhten sich Anfang 1944 die Anforderungen von Arbeitern auf eine Million. Hinzu kommen noch die bereits nach Deutschland umgesiedelten französischen Männer und Frauen, die im Juni 1944 1000000 bis 1500000 Menschen ausmachten.

Der Angeklagte Sauckel hat somit die dem Gerichtshof bereits bekannten Verbrechen begangen. Wir haben bei uns ein altes Sprichwort oder besser einen alten Spruch, der besagt, »das Gericht ist das Recht«. Wir haben nur die Tatsachen vorzubringen. Ich werde also davon absehen, Seite 9 meiner Ausführungen zu verlesen, in denen die Gesetzesartikel aufgeführt sind, auf Grund welcher die Tätigkeit des Angeklagten Sauckel strafbar ist.

Herr Vorsitzender, meine Herren Richter! Ich möchte nun kurz die Tätigkeit des Angeklagten Speer beleuchten. Was Frankreich und die Westgebiete angeht, so trifft Speer die gleiche Verantwortung wie Sauckel. Er hat, gleich dem Angeklagten, von dem ich soeben gesprochen habe, durch die Ausarbeitung und Verwirklichung eines umfangreichen Programms der Zwangsdeportierung und der Versklavung der besetzten Gebiete, die Kriegsgesetze und die Gesetze der Menschlichkeit verletzt.

Speer, Herr Vorsitzender, hat sich zunächst an der Ausarbeitung des Zwangsarbeitsprogramms beteiligt und hat zu dessen Annahme beigetragen. Er hat im Laufe der Untersuchung unter Eid zugegeben, daß er

1. an den Besprechungen teilgenommen hat, in denen beschlossen wurde, zur Zwangsarbeit zu greifen,

2. daß er zur Durchführung dieses Planes beigetragen hat,

3. daß die Grundlage dieses Programms die zwangsweise Umsiedlung von Fremdarbeitern nach Deutschland war, und zwar unter der Leitung Sauckels, des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz im Rahmen des Vierjahresplanes.

Ich darf den Gerichtshof auf US-220, das die amerikanische Staatsanwaltschaft am 12. Dezember 1945 vorgelegt hat, verweisen, und das ich heute als RF-1411 zitiere.

Was insbesondere Frankreich angeht, so hielten Hitler und der Angeklagte Speer am 4. Januar 1943 eine Sitzung ab, in deren Verlauf beschlossen wurde, zur beschleunigten Erfassung von französischen Zivilarbeitern – Facharbeitern und Hilfsarbeitern – strengere Maßnahmen zu ergreifen.

Dies geht aus einer Aktennotiz hervor, die nachzuschlagen ich den Gerichtshof bitte. Es ist eine Aktennotiz, die Sauckel selbst unterschrieben hat und die von der amerikanischen Staatsanwaltschaft als 556-PS, RF-1412, bereits vorgelegt wurde.

Der Angeklagte Speer wußte, daß die Aushebungen zur Zwangsarbeit in den besetzten Gebieten durch Gewalt und Terror erfolgten. Er hat die Aufrechterhaltung dieser Terrormaßnahmen seit September 1942 gutgeheißen. Er wußte zum Beispiel, daß die ukrainischen Arbeiter zwangsweise zum Arbeitseinsatz nach Deutschland deportiert wurden. Er wußte ebenfalls, daß die Mehrzahl der Arbeiter aus den besetzten Westgebieten gegen ihren Willen nach Deutschland verschickt wurde, er hat sogar vor dem amerikanischen Richter, der ihn vernahm, erklärt, daß er diese Methode als normal und legal ansehe.

Schließlich hat der Angeklagte Speer, in vollem Bewußtsein dessen, daß die ausländischen Arbeiter zur Zwangsarbeit in Deutschland rekrutiert und deportiert wurden, weitere Anforderungen nach Fremdarbeitern gestellt und diese Arbeiter den verschiedenen ihm unterstellten Tätigkeitsbereichen zugeteilt.

Die vorhergehenden Absätze sind eine Zusammenfassung aller Erklärungen des Angeklagten in seinem oben erwähnten Verhör, auf das ich mich bezogen habe.

Außerdem war Speer – ich möchte dies in Erinnerung bringen – Mitglied der Zentralen Planung. Er hatte folglich hinsichtlich der Anforderungen von Arbeitskräften, ebenso wie Feldmarschall Milch, nur Hitler und Göring über sich. Er nahm in dieser Eigenschaft an den Besprechungen mit Hitler teil, in deren Verlauf die Zahl der Fremdarbeiter festgesetzt wurde. Er wußte also, daß der größte Teil dieser Arbeiter durch Zwangsdeportierung und Versklavung der besetzten Gebiete beschafft wurde.

Der Beweis dafür geht aus verschiedenen Stellen der Protokolle der Zentralen Planung und der Unterredungen Speer-Hitler, hervor. Es sind dies die Dokumente R-124, die als US-179 bereits am 12. Dezember 1945 vorgelegt worden sind, RF-1414.

Schließlich hat Speer nicht davor zurückgeschreckt, Terror und Gewaltmaßnahmen anzuwenden, um die Arbeitsleistung der Zwangsarbeiter auf ihren Höhepunkt zu bringen. Er hat also die Verfahren der SS und der Polizei sowie die Konzentrationslager für die Arbeitsverrichtung gebilligt. Ich möchte den Gerichtshof auf Dokument R-124 hinweisen, das bereits erwähnte Protokoll der 21. Besprechung der Zentralen Planung vom 30. Oktober 1942, Seite 1059.

Es handelt sich um das bereits erwähnte Dokument US-179 vom 12. Dezember 1945. Der Angeklagte Speer trägt ebenfalls die Verantwortung für den Einsatz von Kriegsgefangenen bei militärischen Unternehmungen, die gegen ihre Heimatländer gerichtet waren. Denn als Chef der Organisation Todt zwang er Angehörige der alliierten Nationen für diese Organisation zu arbeiten, insbesondere Befestigungen zu bauen, unter anderem den berühmten Atlantikwall.

Er zwang ferner Franzosen, Belgier, Luxemburger, Holländer, Norweger und Dänen Waffen herzustellen, die gegen die Verbündeten der Länder, denen sie selbst angehörten, eingesetzt werden sollten.

Schließlich – und das ist für die Feststellung der Verantwortung des Angeklagten Speer sehr wichtig – hat er unmittelbaren Anteil an dem Einsatz der KZ-Häftlinge. Er hat die Verwendung von KZ-Häftlingen in Rüstungwerken vorgeschlagen. Bei dem elenden Gesundheitszustand der Häftlinge konnte er von diesen Maßnahmen keine Leistung erwarten, sondern nur die Ausrottung der Häftlinge.

Diese Verwendung von KZ-Häftlingen in Fabriken hatte eine Steigerung der Anforderung nach solchen Arbeitskräften zur Folge. Diese Anforderungen wurden mindestens zum Teil erfüllt durch Verbringung von Personen in die KZ-Lager, die normalerweise nie dort gewesen wären. Speer ging so weit, daß er in der Nähe der Fabriken Konzentrationslager errichtete, die diese Fabriken mit Arbeitskräften belieferten.

Er kannte das Lager Mauthausen. Der spanische Zeuge Boix, den der Gerichtshof vor einigen Tagen vernommen hat, hat unter Eid ausgesagt, daß er mit eigenen Augen sah, wie der Angeklagte Speer das Lager Mauthausen besichtigte und dessen Leiter beglückwünschte. Er hat sogar erklärt, daß er an der Entwicklung von Photographien von diesem Empfang beteiligt war. Diese Tatsache kann also als unbestreitbar betrachtet werden. Er konnte sich selbst also von den barbarischen Zuständen überzeugen, unter denen die Insassen dort lebten. Er hat ebenfalls darauf bestanden, Arbeitskräfte des Lagers Mauthausen in den ihm unterstehenden Fabriken zu verwenden. Damit bin ich mit dem Fall des Angeklagten Speer fertig.

VORSITZENDER: Ich glaube, es wäre besser, jetzt eine Pause von 10 Minuten einzuschalten.