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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

GERICHTSMARSCHALL: Ich gebe bekannt, daß die Angeklagten Kaltenbrunner und Heß wegen Krankheit bis auf weiteres abwesend sein werden.

VORSITZENDER: Wäre es Ihnen und der Sowjet- Delegation recht, wenn der Gerichtshof die morgige Vormittagssitzung um 11.30 Uhr vertagt und dann in geschlossener Sitzung Verwaltungs-Angelegenheiten bespricht? Wäre dies der Sowjet-Delegation recht?

GENERAL RUDENKO: Wir, das heißt die Sowjet- Delegation, haben keine Einwendungen.

VORSITZENDER: Gut, dann werden wir das so machen. Der Gerichtshof wird morgen in öffentlicher Sitzung von 10.00 Uhr bis 11.30 Uhr tagen und wird sich dann vertagen.

GENERAL RUDENKO: In diesen Lagern für Kriegsgefangene und Zivilpersonen wurden Ausrottungen und Folterungen vorgenommen, die von den Deutschen als »Siebung«, »Hinrichtung« und »Sonderbehandlung« bezeichnet wurden. Das »Großlazarett«, das von den Deutschen in der Stadt Slavuta errichtet worden war, hat grausige Erinnerungen hinterlassen. Die ganze Welt kennt die Greueltaten, die von den Deutschen gegen sowjetische Kriegsgefangene und gegen die Gefangenen anderer demokratischer Staaten in Auschwitz, Maydanek und vielen anderen Lagern begangen wurden.

Hier wurden die Anordnungen der deutschen Sicherheitspolizei und des SD, die gemeinsam mit dem Oberkommando der Wehrmacht, dessen Chef der Angeklagte Keitel war, ausgearbeitet worden waren, angewandt.

Der Operationsbefehl Nummer 8 besagte:

»Exekutionen dürfen nicht im Lager oder in unmittelbarer Nähe des Lagers durchgeführt werden. Befinden sich die Lager im Generalgouvernement in unmittelbarer Nähe der Grenze, so sind die zur Sonderbehandlung bestimmten Gefangenen möglichst auf ehemals sowjetrussisches Gebiet zu verbringen. Sollten wegen Verletzung der Lagerdisziplin Exekutionen erforderlich sein, so hat sich dieserhalb der Leiter des Einsatzkommandos an den Lagerkommandanten zu wenden.

Der Einsatz der Sonderkommandos ist im Einvernehmen mit den Befehlshabern des rückwärtigen Heeresgebiets (Kriegsgefangenenbezirks-Kommandanten) so zu regeln, daß die Aussonderung möglichst unauffällig vorgenommen und die Liquidierungen ohne Verzug und so weit abseits von den Dulag und von Ortschaften durchgeführt werden, daß sie den sonstigen Kriegsgefangenen und der Bevölkerung nicht bekannt werden.«

Die folgende »Form« für die Durchführung von Hinrichtungen wird im Anhang 1 zum Operationsbefehl Nummer 14 des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD unter dem Datum »Berlin, den 25. Oktober 1941, Nummer 21 B/41 GRS-IV A, I. Z.« empfohlen.

»Die Chefs der Einsatzgruppen entscheiden unter eigener Verantwortung die Frage der Hinrichtungen und geben den Sonderkommandos entsprechende Anweisungen. Zur Durchführung der in den erteilten Anweisungen festgelegten Maßnahmen haben die Kommandos die Lagerkommandanten zu ersuchen, ihnen die Gefangenen zu übergeben. Das Oberkommando des Heeres hat die Lagerkommandanten angewiesen, solchen Ersuchen nachzukommen.

Hinrichtungen müssen unbemerkbar, an zweckdienlichen Plätzen und auf keinen Fall im Lager selbst oder in seiner unmittelbaren Nachbarschaft stattfinden. Es ist notwendig, dafür zu sorgen, daß die Leichen sofort und richtig begraben werden.«

Der Bericht des Operationskommandos, Obersturmbannführer Lipper an den Brigadeführer Dr. Tjomas in Winniza, datiert vom Dezember 1941, spricht über die Art und Weise, in der die sämtlichen oben erwähnten Weisungen durchgeführt wurden.

In diesem Bericht wird ausgeführt, daß nach der sogenannten »Durchsiebung« des Lagers nur fünfundzwanzig Personen, die als »verdächtig« bezeichnet werden konnten, in dem Lager bei Winniza verblieben.

»Diese begrenzte Anzahl« – sagt der Bericht – »wird durch die Tatsache erklärt, daß die lokalen Organe in Verbindung mit dem Kommandanten oder den entsprechenden Abwehr-Offizieren, in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Sicherheitspolizei, gegen die unerwünschten Elemente in den ständigen Kriegsgefangenenlagern täglich die notwendigen Maßnahmen durchführten.«

So wurde die systematische Vernichtung von sowjetischen Staatsangehörigen weitgehend durch die Kommandanten der Lager für sowjetische Kriegsgefangene und deren Untergebene durchgeführt, abgesehen von den Massenhinrichtungen, die durch Sonderkommandos, die speziell zu diesem Zweck geschaffen worden waren, durchgeführt wurden.

Unter den Dokumenten der Außerordentlichen Staatskommission für die Untersuchung von Verbrechen, die durch Deutsche in den vorübergehend besetzten Gebieten der Sowjetunion begangen worden sind, befinden sich einige Noten von V. M. Molotow, dem Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten, über die Ausrottung und grausame Behandlung von Kriegsgefangenen. Sie enthalten zahlreiche Beispiele für diese ungeheuerlichen Verbrechen der hitlerischen Regierung und des deutschen Oberkommandos.

Die vom 25. November 1941 datierte Note V. M. Molotows, des Volkskommissars für auswärtige Angelegenheiten, über die empörenden Bestialitäten der deutschen Behörden gegen die sowjetischen Kriegsgefangenen, die an alle Botschafter und Gesandten der Länder, mit denen die Sowjetunion diplomatische Beziehungen unterhält, gerichtet wurde, führt aus, daß die Soldaten der Roten Armee seitens des deutschen Oberkommandos und deutscher militärischer Einheiten bestialisch gefoltert, mißhandelt und ermordet wurden.

Die wilden faschistischen Fanatiker erstachen und erschossen auf der Stelle wehrlose Kranke und verwundete Soldaten der Roten Armee, die sich in den Lagern befanden. Sie vergewaltigten Krankenschwestern und Pflegerinnen und ermordeten in bestialischer Weise ärztliches Hilfspersonal. Auf Grund von Weisungen der Deutschen Regierung und des Oberkommandos wurde eine besondere Zählung der Opfer »der Hinrichtungen« durchgeführt.

So wird in Anhang 2 des Befehls Nummer 8 von Heydrich auf die Notwendigkeit hingewiesen, über durchgeführte Hinrichtungen, das heißt über die Ausrottung der Kriegsgefangenen, Buch zu führen, und zwar in folgender Form:

1. laufende Nummer, 2. Zuname und Vorname, 3. Geburtsort und Datum, 4. Beruf, 5. letzter Wohnort, 6. Grund der Hinrichtung. 7. Zeit und Ort der Hinrichtung.

In dem Operationsbefehl Nummer 14 des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD vom 29. Oktober 1941 wurde eine weitere Spezifizierung der Aufgaben gegeben, die die Sonderkommandos zur Ausrottung der sowjetischen Kriegsgefangenen durchzuführen hatten.

Zu den Grausamkeiten gegen sowjetische Kriegsgefangene muß auch die Markierung mit besonderen Erkennungszeichen gerechnet werden, die in einem besonderen, vom 20. Juli 1942 datierten Befehl des deutschen Oberkommandos angeordnet wurde.

Dieser Befehl sieht die folgenden Methoden der Brandmarkung vor:

»Die straffgespannte Haut ist mit einer glühenden Lanzette, die in Chinesische Tinte getaucht worden ist, leicht einzuschneiden.«

Die Haager Konvention von 1907 schreibt mit Bezug auf Kriegsgefangene nicht nur eine menschliche Behandlung der Kriegsgefangenen, sondern auch die Achtung ihrer vaterländischen Gefühle vor, und verbietet es, sie zum Kampf gegen ihr eigenes Vaterland einzusetzen.

Artikel 3 der Konvention, der von den Gesetzen und Gebräuchen des Krieges handelt, verbietet den Kriegführenden, Staatsangehörige feindlicher Nationen zur Teilnahme an militärischen Operationen zu zwingen, die gegen ihre eigenen Länder gerichtet sind, selbst in den Fällen, in denen diese Personen vor Kriegsausbruch im Dienst der Kriegführenden gestanden haben.

Die Hitleristen traten sogar dieses elementare Prinzip des Völkerrechts in den Staub. Mit Schlägen und Androhungen der Erschießung zwangen sie die Gefangenen dazu, als Fahrer von Pferdewagen, Motorfahrzeugen und Transporten zu arbeiten, mit denen Munition und anderer Nachschub an die Front gebracht wurden. Sie zwangen sie, Nachschub in die vordersten Linien zu bringen und als Helfer bei der Flak-Artillerie und so weiter zu dienen.

Im Bezirk von Leningrad, in der Gegend von Yelny im Bezirk Smolensk, ferner im Bezirk von Gomel in der Weißrussischen Sowjet-Republik, im Bezirk von Poltawa sowie an anderen Stellen sind Fälle verzeichnet worden, in denen der deutsche Befehlshaber während des Angriffs gefangene Rotarmisten unter Androhung des Erschießens vor seinen vorrückenden Truppen einhertreiben ließ.

Die Massenvernichtung von sowjetischen Kriegsgefangenen, die durch besondere Ermittlungen der Außerordentlichen Staatskommission festgestellt worden ist, wird auch durch Dokumente der Deutschen Polizei und des OKW bestätigt, die von Sowjet- und alliierten Truppen auf deutschem Gebiet beschlagnahmt worden sind.

Diese Dokumente zeigen, daß viele sowjetische Kriegsgefangene an Hunger, Flecktyphus und anderen Krankheiten gestorben sind. Die Lagerkommandanten verboten der Zivilbevölkerung, den Gefangenen Nahrungsmittel zukommen zu lassen und gaben sie dem Hungertod preis.

In vielen Fällen wurden Kriegsgefangene, die bei Märschen vor Hunger und Erschöpfung die Marschordnung nicht mehr einhalten konnten, vor den Augen der Zivilbevölkerung erschossen. Ihre Leichen blieben unbeerdigt. In vielen Lagern waren überhaupt keine Vorrichtungen für die Unterkunft der Kriegsgefangenen getroffen worden. In Regen und Schnee lagen sie unter freiem Himmel. Man gab ihnen nicht einmal Werkzeuge, um sich Löcher oder Höhlen in die Erde zu graben. Man konnte hören, wie die Hitleristen erklärten: »Je mehr Gefangene sterben, um so besser für uns.«

Nach diesen Ausführungen erkläre ich im Namen der Sowjetregierung und des Volkes der Sowjetunion, daß die verbrecherische Hitler-Regierung und das OKW, deren Vertreter auf der Anklagebank sitzen, die Verantwortung tragen für die blutige Niedermetzelung sowjetischer Kriegsgefangener, die sich unter Verletzung aller anerkannten Kriegsgesetze und Kriegsbräuche vollzogen hat.

In der langen Reihe ruchloser Verbrechen seitens der deutsch-faschistischen Besatzungstruppen nimmt die Zwangsdeportierung friedlicher Bürger, Männer, Frauen und Kinder, zur Sklavenarbeit in Deutschland eine besondere Stelle ein.

Dokumente legen Zeugnis für die Tatsache ab, daß die Hitler-Regierung und das deutsche Oberkommando die Deportierung von Sowjetbürgern in deutsche Sklaverei unter Vortäuschungen, Drohungen und Anwendung von Gewalt durchgeführt haben. Sowjetbürger wurden von den faschistischen Usurpatoren an Konzerne und Privatpersonen in Deutschland in die Sklaverei verkauft. Diese Sklaven wurden dem Hunger, tierischer Behandlung und zum Schluß qualvollem Tode preisgegeben.

Ich werde später auf die unmenschlichen und barbarischen Anweisungen, Verordnungen und Befehle der Hitler-Regierung und des Oberkommandos zurückkommen, mit deren Erlaß die Durchführung der Deportierung sowjetischer Menschen in deutsche Sklaverei bezweckt wurde, und für die die hier Angeklagten, insbesondere Göring, Keitel, Rosenberg, Sauckel und andere verantwortlich sind.

Die in den Händen der Sowjetischen Anklagebehörde befindlichen Dokumente, die von der Roten Armee bei den Stäben der geschlagenen deutsch-faschistischen Truppen beschlagnahmt wurden, überführen die Angeklagten der von ihnen begangenen Verbrechen.

In einem Bericht auf einer Tagung der Deutschen Arbeitsfront im November 1942 gab Rosenberg Tatsachen und Zahlen bekannt, die das ungeheure Ausmaß der von Sauckel organisierten Deportierungen sowjetischer Bürger in die Sklaverei nach Deutschland bestätigen.

Am 7. November 1941 fand eine Geheimsitzung in Berlin statt, auf der Göring seinen Beamten Anweisungen über die Verwendung von Sowjetbürgern zur Zwangsarbeit gab. Wir erfahren von diesen Anweisungen durch ein vom 4. Dezember 1941 datiertes Dokument, ein geheimes Rundschreiben Nummer 42006/41 des Wirtschaftsstabes beim deutschen Oberkommando im Osten. Die Anweisungen lauten wie folgt:

»Die Russen sind vornehmlich beim Straßen- und Eisenbahnbau, bei Aufräumungsarbeiten, Minenräumen und beim Anlegen von Flugplätzen zu beschäftigen. Die deutschen Baubataillone sind weitgehend (Beispiel Luftwaffe) aufzulösen, die deutschen Facharbeiter gehören in die Rüstung; Schippen und Steineklopfen ist nicht ihre Aufgabe, dafür ist der Russe da.

2. Der Russe gehört in erster Linie an folgende Arbeitsplätze (Rangordnung):

Bergbau, Straßenbau, Rüstung (Panzer, Geschütze, Flugzeugzubehör), Landwirtschaft, Bauwirtschaft, Großwerkstätten (Schustereien), Sonderkommandos für dringende Gelegenheits- und Notstandsarbeiten.

3. Für die Sicherheitsmaßnahmen sind die entscheidenden Erwägungen Schnelligkeit und Strenge. Nur die folgenden Strafen dürfen verhängt werden: Verpflegungsentzug und Erschießung auf Grund kriegsgericht lichen Urteils.«

Der Angeklagte Fritz Sauckel wurde auf Grund eines Befehls von Hitler vom 21. März 1942 zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ernannt.

Am 20. April 1942 versandte Sauckel an eine Reihe von Regierungs- und militärischen Organen sein »Programm des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz«, das als geheime Kommandosache klassifiziert war. Dieses Programm ist nicht weniger niederträchtig als das oben erwähnte Rundschreiben. In diesem »Programm« wird folgendes gesagt:

»Es ist daher unumgänglich notwendig, die in den besetzten sowjetischen Gebieten vorhandenen Menschenreserven voll auszuschöpfen. Gelingt es nicht, die benötigten Arbeitskräfte auf freiwilliger Grundlage zu gewinnen, so muß unverzüglich zur Aushebung derselben bzw. zur Zwangsverpflichtung geschritten werden.

Neben den schon vorhandenen, noch in den besetzten Gebieten befindlichen Kriegsgefangenen gilt es also vor allem, Zivil- und Facharbeiter und -arbeiterinnen aus den Sowjetgebieten vom 15. Lebensjahr ab für den deutschen Arbeitseinsatz zu mobilisieren.

Um der... aufs höchste in Anspruch genommenen deutschen Bauersfrau eine fühlbare Entlastung zuteil werden zu lassen,... hat mich der Führer beauftragt, aus den östlichen Gebieten etwa 400000 bis 500000 ausgesuchte gesunde und kräftige Mädchen ins Reich hereinzunehmen.«

Noch ein anderes Geheimdokument, das sich auf die Nutzbarmachung von Arbeiterinnen aus den östlichen Gebieten für Hausarbeit in Deutschland bezieht, wurde dem Gerichtshof von der Anklage vorgelegt. Dieses Dokument enthält Auszüge aus dem Bericht über eine Sitzung, die von Sauckel am 3. September 1942 abgehalten wurde. Ich zitiere einige dieser Auszüge:

»1. Als diesen Weg hat der Führer die sofortige Hereinnahme von 400000 bis 500000 hauswirtschaftlichen Ostarbeiterinnen aus der Ukraine im Alter von 15 bis 35 Jahren angeordnet...

2.... denn es entspricht einem ausdrücklichen Wunsch des Führers, daß eine möglichst große Anzahl dieser Mädchen... eingedeutscht werden.

3. In 100 Jahren sollen nach dem Willen des Führers 250 Millionen deutschsprechende Menschen in Europa leben.

4.... daß die Hausgehilfinnen aus der Ukraine vorerst als Ostarbeiterinnen anzusehen und mit dem Kennzeichen ›Ost‹ zu versehen sind.

5. Gauleiter Sauckel erklärte, daß unabhängig von der Hereinnahme der Hausgehilfinnen der Einsatz einer weiteren Million Arbeitskräfte aus dem Osten vorgesehen sei.

6. Die Berufung auf die schwierige Transportlage zur Hereinbringung ausländischer Erntevorräte in das deutsche Reichsgebiet mache auf ihn, Gauleiter Sauckel, nicht den geringsten Eindruck; er würde für die Verwertung des ukrainischen Getreides und Viehs schon Mittel und Wege finden, und wenn er die ge samte Judenschaft Europas mobilisieren und als eine lebende Bahnstrecke zum Weiterreichen von Kisten nach der Ukraine aufstellen würde.«

Da Sauckel voraussah, daß die Maßnahmen zur zwangsweisen Aushebung von Sowjetbürgern für die Arbeit in Deutschland unvermeidlich fehlschlagen mußten, befahl er in einer geheimen Anweisung vom 31. März 1942 Nummer FA 578028/729:

»›Die Aushebungen‹, für die Sie verantwortlich sind, müssen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln einschließlich der strengen Anwendung des Prinzips der Zwangsarbeit, durchgesetzt werden.«

Sauckel und seine Agenten wandten zur Durchführung des Aushebungsplans alle möglichen Druck- und Terrormethoden an. Sie ließen die sowjetischen Staatsangehörigen, die dieser »Aushebung« verfallen waren, hungern, lockten sie unter dem Vorwand einer Brotverteilung zu den Bahnhöfen, umstellten sie mit Soldaten, luden sie unter Androhung des Erschießens auf Transportzüge und brachten sie nach Deutschland. Aber auch diese Zwangsmethoden halfen nichts. Die »Aushebung« war nicht erfolgreich. Daraufhin nahmen Sauckel und seine Mitarbeiter zu dem Befehl, Kontingente aufzustellen, ihre Zuflucht. Dies wird durch einen Befehl eines deutschen Kommandanten bezeugt, der von den Streitkräften der Roten Armee bei der Befreiung des besetzten Teils der Provinz Leningrad beschlagnahmt wurde; er lautet folgendermaßen:

»An die Bürgermeister der Dorfgemeinden... Da sich bisher eine sehr kleine Anzahl von Leuten zur Arbeit in Deutschland gestellt hat, muß jeder Bürgermeister einer Dorfgemeinde im Einvernehmen mit den Gemeinderäten der Dörfer 15 oder mehr Personen von jeder Dorfgemeinde für die Arbeit in Deutschland bereitstellen. Gesunde Leute im Alter von 15-50 Jahren müssen gestellt werden.«

Der Chef der Politischen Polizei und des Sicherheitsdienstes in Charkow erklärte in seinem Bericht über die Lage in der Stadt Charkow für die Zeit vom 24. Juli bis zum 9. September 1942:

»Die Arbeitsaushebung bereitet den betroffenen Stellen Sorge, da äußerste Abneigung gegen die Abschiebung zur Arbeit nach Deutschland unter der Bevölkerung zu bemerken ist. Die Lage ist gegenwärtig die, daß jeder mit allen Mitteln versucht, der Aushebung zu entgehen (sie geben vor, krank zu sein, sie flüchten in die Wälder, bestechen Beamte usw.). Es ist schon lange gar keine Rede mehr von freiwilligen Meldungen nach Deutschland.«

Bei der Behandlung von Sowjetbürgern, die in die deutsche Sklaverei deportiert wurden, wandte man das bestialischste System an, wie aus sehr zahlreichen Beschwerden und Erklärungen hervorgeht, die von der Außerordentlichen Staatskommission zur Feststellung und Untersuchung von Verbrechen der deutsch- faschistischen Machthaber gesammelt worden sind.

Polnische, tschechoslowakische und jugoslawische Staatsangehörige, die in die deutsche Sklaverei deportiert wurden, erlitten dasselbe Schicksal.

In der Durchführung ihrer usurpatorischen und räuberischen Pläne zerstörten die Hitleristen systematisch Städte und Dörfer, plünderten die friedliche Bevölkerung aus und vernichteten Werte, die die Früchte der Arbeit vieler Generationen waren.

Gemeinschaftlich mit ihren Spießgesellen, den verbrecherischen Regierungen Finnlands und Rumäniens, schmiedeten die Hitleristen ihre Pläne zur Zerstörung der größten Städte der Sowjetunion. Ein vom 29. September 1941 datiertes Dokument der Seekriegsleitung, das »Die Zukunft von St. Petersburg« betitelt ist, enthält die folgende Feststellung:

»Der Führer ist entschlossen, die Stadt Petersburg vom Erdboden verschwinden zu lassen. Auch Finnland hat in gleicher Weise klar erklärt, daß es kein Interesse an dem Weiterbestehen der Stadt unmittelbar an seiner Grenze habe.«

Am 5. Oktober 1941 richtete Hitler einen Brief an Antonescu, dessen besonderer Zweck darin bestand, eine Übereinstimmung des Planes für die Einnahme und Zerstörung der Stadt Odessa herbeizuführen.

In einem Brief des deutschen Oberbefehlshabers vom 7. Oktober 1941, der vom Angeklagten Jodl unterzeichnet ist, wurde angeordnet, Leningrad und Moskau dem Erdboden gleichzumachen.

»Auch im Falle aller anderen Städte«, legt der Befehl fest, »soll es als Regel gelten, daß sie vor ihrer Besetzung durch Artilleriebeschießung und Luftangriffe in Ruinen verwandelt werden sollten. Es kann nicht gestattet werden, das Leben eines deutschen Soldaten aufs Spiel zu setzen, um russische Städte vor dem Feuerschaden zu retten.«

Diese Richtlinien deutscher Zentralbehörden wurden weitgehend von militärischen Befehlshabern aller Rangstufen angewandt. So wurde in einem von Oberst Schittnig unterschriebenen Befehl an das 512. deutsche Infanterieregiment die Verfügung getroffen, daß die von den Hitleristen eingenommenen Landesteile und Bezirke in eine Wüstenzone verwandelt werden sollten. Damit dieses Verbrechen die größtmögliche vernichtende Wirkung erzielen sollte, entwickelt der Befehl im einzelnen den Plan für die Vernichtung bewohnter Ortschaften.

»Die Vorbereitung der Zerstörung der Ortschaften«, erklärt der Befehl, »hat so zu erfolgen,

a) daß die Zivilbevölkerung bis zur Bekanntgabe keinen Verdacht schöpft,

b) daß die Zerstörung an zahlreichen Stellen zugleich schlagartig zur befohlenen Zeit einsetzen kann.... An dem betreffenden Tag sind die Ortschaften besonders scharf dahingehend zu überwachen, daß keine Zivilperson die betreffende Ortschaft verläßt, besonders von dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der Zerstörung ab.«

Ein vom 24. Dezember 1941 datierter Befehl des Kommandanten der 98. Infanteriedivision ist sogar »Das Programm der Zerstörung« betitelt. Dieser Befehl erteilt genaue Anleitung zur Zerstörung einer Anzahl bewohnter Ortschaften und bestimmt folgendes:

»Vorhandene Vorräte von Heu, Stroh, Lebensmitteln etc. sind zu verbrennen. Alle Öfen in Wohnungen sollen unbrauchbar gemacht werden, indem man Handgranaten in sie legt, damit späterer Gebrauch ausgeschlossen ist. Auf keinen Fall darf dieser Befehl in Feindeshand fallen.«

Besondere Brandkommandos, Fackelträger, wurden gebildet, welche die durch die Arbeit von Generationen geschaffenen Werte in Brand steckten.

Ich möchte nunmehr die Aufmerksamkeit des Hohen Gerichtshofs auf das Dokument lenken, das als »Anleitung für die Wirtschaftskontrolle in den neubesetzten Ostgebieten« bekannt ist, »Die grüne Mappe«. Göring ist der Autor dieser Weisungen. Dieses Geheimdokument ist aus Berlin von Juni 1941 datiert. Ich möchte daraus nur einige Auszüge zitieren. Das erste Zitat lautet:

»Nach den vom Führer gegebenen Befehlen sind alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um die sofortige und höchstmögliche Ausnutzung der besetzten Gebiete zugunsten Deutschlands herbeizuführen. Soviel wie möglich Lebensmittel und Mineralöl für Deutschland zu gewinnen, ist das wirtschaftliche Hauptziel der Aktion. Daneben müssen sonstige Rohstoffe aus den besetzten Gebieten der deutschen Kriegswirtschaft zuge führt werden. Die erste Aufgabe ist es, sobald wie möglich zu erreichen, daß die deutschen Truppen restlos aus dem besetzten Gebiet verpflegt werden.«

Zweites Zitat:

»Völlig abwegig wäre die Auffassung, daß es darauf ankomme, in den besetzten Gebieten einheitlich die Linie zu verfolgen, daß sie baldigst wieder in Ordnung gebracht und tunlichst wieder aufgebaut werden müßten.... Nur diejenigen Gebiete werden vordringlich in Ordnung gehalten werden müssen, in denen bedeutende Ernährungs- und Mineralölreserven für uns erschlossen werden können. In anderen Landesteilen... muß sich die Wirtschaftsführung auf die Ausnutzung der vorgefundenen Vorräte beschränken.«

Drittes Zitat:

»Alle für uns brauchbaren Rohstoffe, Halbzeug- und Fertigwaren sind dem Handel durch Anordnungen, Requisitionen und Beschlagnahmen zu entziehen. Platin, Magnesium und Kautschuk sollen unverzüglich gesammelt und nach Deutschland verbracht werden. Lebensmittel, sowie alle Gegenstände des häuslichen und persönlichen Gebrauchs, sowie Kleidung, die im Gefechtsgebiet und im rückwärtigen Armeegebiet aufgefunden sind, verbleiben in erster Linie zur Verfügung der Wehrmachtsabteilungen zur Befriedigung der Truppenbedürfnisse.... Was sie nicht gebrauchen können, wird von ihnen an die nächsthöheren Wehrwirtschaftseinheiten übergeben.«

Wie ich bereits eingangs sagte, erschien als Endzweck des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion die Ausplünderung des Sowjetlandes und die Erschließung von Wirtschaftsquellen, die für Hitler- Deutschland unentbehrlich waren, und ohne die es seine imperialistischen Angriffspläne nicht verwirklichen konnte.

Görings »Grüne Mappe« stellte ein von den faschistischen Verschwörern von langer Hand ausgearbeitetes breit angelegtes Programm der organisierten Ausplünderung der Sowjetunion dar.

Dieses Programm sah konkrete Plünderungspläne vor: Die gewaltsame Wegnahme von Werten, die Organisierung der Sklavenarbeit in unseren Städten und Dörfern, die Abschaffung von Arbeitslöhnen in den Betrieben, die unbeschränkte Ausgabe vollkommen ungedeckter Banknoten und so weiter. Zur Verwirklichung dieses Raubplanes wurde die Schaffung eines besonderen Apparates vorgesehen, mit eigenen Dienststellen, wie das »Wirtschaftskommando«, »Wirtschaftsstäbe«, einem eigenen »Nachrichtendienst«, »Inspektionen«, »Truppenteilen«, »Abteilungen zur Sammlung von Produktionsmitteln«, »Abteilungen zur Sammlung von Rohstoffen«, »Kriegsagronomen«, »Landwirtschaftsoffizieren« und so weiter.

Zusammen mit den vorrückenden deutschen Truppen gingen auch Kommandos der Wirtschaftsabteilungen des Heeres vor, deren Aufgabe es war, die vorhandenen Reserven von Korn, Vieh, Heizmaterial und anderen Gütern festzustellen. Diese Kommandos waren einer im Etappenraum befindlichen besonderen Wirtschaftsinspektion untergeordnet.

Sehr bald nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurde durch Befehl Hitlers vom 29. Juni 1941 der Angeklagte Göring mit der Leitung der Ausplünderung der besetzten Gebiete betraut. Dieser Befehl ermächtigte Göring

»alle Maßnahmen zu ergreifen, die zur größtmöglichen Ausnützung der vorgefundenen Reserven und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Interesse der deutschen Kriegswirtschaft erforderlich sind.«

Der Angeklagte Göring leitete die räuberischen Handlungen der deutschen militärischen und wirtschaftlichen Abteilungen mit äußerster Hingabe.

Bei einer am 6. August 1942 mit den Reichskommissaren und Vertretern der militärischen Befehlsstellen abgehaltenen Sitzung verlangte Göring, daß die Ausplünderung der besetzten Gebiete gesteigert werden solle.

»Sie wurden dorthin gesandt«, erklärte Göring, »nicht zum Nutzen der Ihnen anvertrauten Menschen zu arbeiten, sondern um aus ihnen das Letztmögliche herauszupumpen.«

Und:

»Ich beabsichtige, zu plündern und dies gründlich zu tun.«

Wie von der Außerordentlichen Staatskommission festgestellt worden ist, wurden diese Verhaltungsmaßregeln Görings von den Reichsministern und den Vertretern deutscher Firmen ausgeführt, unter deren Kontrolle sich verschiedene Arten von Wirtschaftsgruppen, technische Bataillone, Wirtschaftsstäbe und Wirtschaftsprüfungsstellen befanden. Besonders aktiv bei der Plünderung des Eigentums der Sowjetunion waren die deutschen Firmen: Friedrich Krupp A. G., Hermann-Göring-Werke, Siemens-Schuckert, Metall- Bergwerksgesellschaft Ost, die Aktiengesellschaft Gruppe »Nord«. Heinrich Lanz, Landmaschinenbau- Industrie, I. G. Farbenindustrie und viele andere.

Durch Plünderung und Ausräuberung des Staats- und Privateigentums setzten die hitlerischen Eindringlinge die Bevölkerung der auf diese Art geplünderten Bezirke dem Hungertode aus. Feldmarschall Reichenaus Befehl vom 10. Oktober 1941, der als vorbildlich an alle deutschen Truppenteile mit der Bemerkung verteilt wurde, daß Hitler diesen als einen ausgezeichneten Befehl betrachte, enthält die folgende Aufhetzung zur Plünderung und zur Vernichtung der Bevölkerung:

»Ortseinwohner und Kriegsgefangene mit Nahrung zu versorgen, ist eine Handlung unnötiger Humanität.«

Die Aufzeichnungen über die in Rowno vom 26. bis 28. August 1942 abgehaltene Konferenz, die unter den Akten des Angeklagten Rosenberg entdeckt wurden, führen aus:

»Das Ziel unserer Arbeit besteht darin, daß die Ukrainer für Deutschland arbeiten und nicht, daß wir das Volk hier beglücken. Die Ukraine hat das zu liefern, was Deutschland fehlt. Diese Aufgabe muß ohne Rücksicht auf Verluste durchgeführt werden.«

Den Richtlinien des Angeklagten Göring folgend, plünderten die lokalen Behörden die Bevölkerung der besetzten Gebiete gnadenlos und vollständig aus. Ein Befehl, der in verschiedenen Orten der Bezirke von Kursk und Orel durch Truppenteile der Roten Armee aufgefunden wurde, enthält eine Liste von persönlichem Eigentum, das den militärischen Behörden ausgehändigt werden mußte. Gegenstände wie Waagen, Säcke, Salz, Lampen, Küchentöpfe, Wachstuch, Vorhänge und Grammophone mit Platten werden in diesem Befehl erwähnt. Der Befehl erklärt:

»Alle diese Besitzgegenstände müssen an die Kommandantur abgeliefert werden. Zuwiderhandelnde werden erschossen.«

In ihrem erbitterten Haß gegen das Sowjetvolk und seine Kultur zerstörten die deutschen Eindringlinge Stätten der Kunst und Wissenschaft, historische und kulturelle Denkmäler, Schulen und Krankenhäuser, sowie Klubs und Theater.

Feldmarschall Reichenau erklärt in seinem Befehl,... »daß irgendwelche historischen oder künstlerischen Werte im Osten nicht von Belang sind.«

Die von den Nazis durchgeführte Zerstörung historischer und kultureller Schätze nahm ungeheuere Ausmaße an. So heißt es in einem Schreiben des Generalbevollmächtigten für Weißrußland an Rosenberg vom 29. September 1941:

»Gemäß dem Bericht des Majors der 707. Division, der mir heute die verbliebenen Wertgegenstände aushändigte, haben die SS-Leute die restlichen Gemälde und Kunstwerke der Wehrmacht zur Plünderung überlassen; unter ihnen äußerst wertvolle Gemälde und Möbelstücke aus dem 18. und 19. Jahrhundert, Vasen, Marmorskulpturen usw....

Das Historische Museum wurde ebenfalls vollkommen zerstört. Aus der geologischen Abteilung sind wertvolle Edel- und Halbedelsteine geraubt worden. Aus der Universität wurden Instrumente im Gesamtwert von Hunderttausenden von Mark gestohlen oder dort sinnlos zerschlagen.«

In den von den Faschisten vorübergehend besetzten Gebieten der Provinz Moskau zerstörten und plünderten die Besatzungstruppen 112 Bibliotheken, 4 Museen sowie 54 Theater und Kinos. Die Hitleristen plünderten und verbrannten das berühmte Museum in Borodino, dessen historische Reliquien aus dem vaterländischen Krieg von 1812 stammten, die dem russischen Volke besonders teuer waren. In dem Dörfchen Polotnianij-Zavod zerstörten und verbrannten die Besatzungstruppen das in ein Museum umgewandelte Haus Puschkins. In Jasnaja Poljana zerstörten die Deutschen Manuskripte, Bücher und Bilder, die einst Leo Tolstoj gehört hatten. Die deutschen Barbaren entweihten das Grab des großen Schriftstellers.

Die Besatzungstruppen plünderten die weißrussische Akademie der Wissenschaften mit den dort befindlichen äußerst seltenen Sammlungen von historischen Dokumenten und Büchern und zerstörten Hunderte von Schulen, Klubs und Theatern in Weißrußland.

Aus dem Pauls-Palast in der Stadt Sluzk wurde die sehr wertvolle, von den bedeutendsten Meistern des 18. Jahrhunderts geschaffene Möbeleinrichtung nach Deutschland verschleppt. Die Deutschen entfernten alle verbliebenen Stuck- und Schnitzereiverzierungen, Teppiche, Gemälde und Statuen aus den Palästen von Peterhof. Der aus der Zeit Peters I. stammende Große Palast in Peterhof wurde nach seiner Ausplünderung in barbarischer Weise verbrannt.

Die deutschen Vandalen zerstörten die öffentliche Staatsbibliothek in Odessa, die über 2000000 Bände enthielt.

In Tschernigow wurde eine berühmte Sammlung von ukrainischen Antiquitäten geplündert. Die Deutschen beschlagnahmten Dokumente aus den Archiven der Metropoliten von Kiew im Kloster von Kiewo Petschersk und Bücher aus der privaten Bibliothek von Peter Mogila, der äußerst wertvolle Schriften der Weltliteratur gesammelt hatte. Sie plünderten die sehr wertvollen Sammlungen der Museen in Lemberg und Odessa und verschleppten nach Deutschland oder zerstörten zum Teil die Schätze der Bibliotheken in Winniza und Poltawa, in denen äußerst seltene Exemplare mittelalterlicher Handschriften sowie die ersten gedruckten Veröffentlichungen des 16. und 17. Jahrhunderts und alte Kirchenbücher aufbewahrt waren.

Die auf Grund eines unmittelbaren Befehls der Deutschen Regierung in den besetzten Gebieten der USSR veranstalteten allgemeinen Plünderungen wurden nicht nur von den Angeklagten Göring und Rosenberg sowie den verschiedenen ihnen unterstellten »Stäben« und »Kommandos« geleitet, auch das Auswärtige Amt mit dem Angeklagten Ribbentrop an der Spitze war durch eine besondere Organisation daran beteiligt.

Die damals in der Presse veröffentlichte Aussage des Obersturmbannführers Dr. Normann Förster von der 4. Kompanie des Bataillons zur besonderen Verfügung der Waffen-SS legt Zeugnis dafür ab.

In seiner Aussage erklärte Förster:

»Im August 1941, während meines Aufenthalts in Berlin, wurde ich mit Hilfe meines alten Bekannten von der Berliner Universität, Dr. Focke, der in der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes tätig war, von den Panzerjägern 87 zum Bataillon zur besonderen Verwendung des Auswärtigen Amtes abkommandiert. Dieses Bataillon war auf Anregung des Reichsministers des Auswär tigen, Ribbentrop, gegründet worden und unterstand ihm....

Die Aufgabe dieses Bataillons zur besonderen Verwendung besteht darin, daß sofort nach dem Fall von Großstädten vom Bataillon Kulturschätze und Gegenstände, die von großem historischen Werte sind, sowie wissenschaftliche Institutsbibliotheken beschlagnahmt, wertvolle Bücherausgaben und Filme ausgewählt und nach Deutschland verbracht werden.«

Weiterhin erklärte er:

»Reiche Beute wurde uns zuteil in der Bibliothek der ukrainischen Akademie für Wissenschaften, wo die größten Raritäten persischen, abessinischen und chinesischen Handschriften sowie russische und ukrainische Chroniken, der Wiegendruck von Büchern des ersten russischen Druckers, Iwan Fjodorow und seltene Ausgaben der Werke von Schewtschenko, Miskewitsch und Iwan Franko aufbewahrt wurden.«

Gleichzeitig mit der barbarischen Zerstörung und Ausraubung von Dörfern, Städten und nationalen Kulturdenkmälern verspotteten die Hitler-Banden auch die religiösen Gefühle des gläubigen Teiles der Sowjetbevölkerung.

Auf dem sowjetischen Boden verbrannten, plünderten und entweihten sie 1670 orthodoxe Kirchen, 237 römisch-katholische Kirchen, 69 Kapellen, 532 Synagogen und 258 andere Gebäude, die als Einrichtungen für religiöse Zwecke dienten.

Sie zerstörten die Uspensky-Kirche des berühmten Kiewo-Petschersky-Klosters, die im Jahre 1073 gebaut worden war, und dazu noch 8 Klostergebäude.

In Tschernigow zerstörten die deutschen Faschisten-Armeen die alte Borisoglebski-Kathedrale, die zu Beginn des 12. Jahrhunderts erbaut wurde, die Kathedrale des Jefrosinjewa-Klosters in Polotzk, die im Jahre 1160 erbaut wurde und die Kirche Parskeva- Piatniza-Na Torgu, am Markte, ein sehr wertvolles Denkmal russischer Architektur des 12. Jahrhunderts.

In Nowgorod wurden die Klöster Antoniev, Khutynski, Zverin, Derevjanitzki und andere antike Klöster, die berühmte Kirche von Spas-Nereditza und eine Reihe anderer Kirchen von den Hitler-Banden zerstört.

Die deutschen Soldaten verspotteten die religiösen Gefühle der Bevölkerung. Sie kleideten sich in Kirchengewänder, hielten Pferde und Hunde in den Kirchen und machten Bettgestelle aus den Ikonen.

Im alten Staritzki-Kloster fanden Truppenteile der Roten Armee die unbekleideten Leichname von gemarterten kriegsgefangenen Kameraden, die in Haufen geschichtet waren.

Der der Sowjetunion zugefügte Schaden, das Ergebnis der Zerstörungen und Plünderungen der deutschen Truppenteile ist außerordentlich groß.

Die deutschen Armeen und Besatzungsbehörden, welche die Befehle der verbrecherischen Hitler-Regierung und des OKW ausführten, zerstörten und plünderten die von ihnen überrannten Dörfer und Städte, industrielle Betriebe und Kollektivwirtschaften, zerstörten die Kunstdenkmäler, vernichteten, stahlen und verbrachten Fabrikeinrichtungen, Rohstoffe, Materialien, Fertigprodukte, sowie künstlerische und historische Schätze nach Deutschland und führten eine allgemeine Plünderung der Stadt- und Landbevölkerung durch. In den besetzten Gebieten der Sowjetunion lebten vor dem Kriege 88 Millionen Menschen. Ihre industrielle Produktion betrug 46 Milliarden Rubel, und zwar nach den von der Regierung festgesetzten Preisen von 1926-1927; es waren 109 Millionen Stück Vieh vorhanden, einschließlich 31 Millionen Rinder, und 12 Millionen Pferde, es gab 71 Millionen Hektar bebautes Land und 122000 Kilometer Eisenbahnlinien.

Die deutschen faschistischen Eindringlinge zerstörten oder verbrannten ganz oder teilweise 1710 Städte und über 70000 Dörfer und Siedlungen, verbrannten oder zerstörten über 6 Millionen Gebäude und machten ungefähr 25 Millionen Menschen obdachlos. Unter den beschädigten Städten, die am meisten gelitten haben, waren die großen Industrie- und Kulturzentren Stalingrad, Sewastopol, Leningrad, Kiew, Minsk, Odessa, Smolensk, Nowgorod, Pskow, Orel, Charkow, Woronesch, Rostow am Don und viele andere.

Die deutschen faschistischen Eindringlinge zerstörten 31850 Industriebetriebe, die ungefähr 4 Millionen Arbeiter beschäftigten; sie zerstörten oder entfernten aus dem Lande 239000 elektrische Motoren und 175000 Metallschneidemaschinen.

Die Deutschen zerstörten 65000 km Eisenbahnschienen, 4100 Eisenbahnstationen, 36000 Post- und Telegraphenstellen, Telephonzentralen und andere Verkehrseinrichtungen.

Die Deutschen zerstörten oder verwüsteten 40000 Spitäler und andere Heilanstalten, 84000 Schulen, technische Schulen, Hochschulen und wissenschaftliche Forschungsinstitute sowie 43000 öffentliche Bibliotheken.

Die Hitleristen zerstörten und plünderten 98000 Kolchosen, 1876 Staatsgüter und 2890 Maschinen- und Traktorenstationen. Sie schlachteten, raubten oder trieben nach Deutschland: 7 Millionen Pferde, 17 Millionen Stück Rindvieh, 20 Millionen Schweine, 27 Millionen Schafe und Ziegen und 110 Millionen Stück Geflügel.

Der gesamte der Sowjetunion durch diese verbrecherischen Handlungen der Hitler-Armeen verursachte Schaden wurde mit einem Betrag von 679 Milliarden Rubel festgestellt, und zwar auf Grund der von der Regierung im Jahre 1941 festgesetzten Preise.

Alle Angeklagten bereiteten vor, organisierten und begingen unbeschreibliche und ungeheuerliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gegen die Grundlagen menschlicher Ethik und des Völkerrechts, wie man ihnen niemals zuvor in der Geschichte begegnet ist.

In der Anklage, und zwar im Punkt 4 der Anklageschrift, wird mit Recht ausgeführt, daß der Plan und die Verschwörung selbst auch für die Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit erdacht wurde.

Die faschistischen Verschwörer fingen mit dem Augenblick der Gründung der Hitler-Partei an, Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen.

Diese Verbrechen nahmen, nachdem die Hitleristen zur Macht gekommen waren, ungeheure Ausmaße an.

Das im Jahre 1938 errichtete Konzentrationslager Buchenwald und das im Jahre 1934 gegründete Konzentrationslager Dachau erwiesen sich nur als blasse Vorbilder für die Lager Maidanek, Auschwitz, Slavuta und zahlreiche Todeslager, die von den Hitleristen in den Gebieten Lettlands, Weißrußlands und der Ukraine eingerichtet wurden.

Schon die Machtübernahme der Hitleristen stand im Zeichen vieler Provokationen, die als Vorwand für die Begehung schwerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit dienten.

Es war allgemein verbreiteter Brauch der Hitleristen geworden, mit allen jenen, die nicht die »Weltanschauung« der faschistischen Cliquen teilten, ohne gerichtliches Verfahren fertig zu werden:

»Wir verweigern den Feinden des Volkes jede gesetzliche Verteidigung.

Wir Nationalsozialisten stellen uns bewußt gegen falsche Milde und falsche Humanität... Wir haben kein Verständnis für ausgeklügelte Advokatenkunst und überspitzte Rechtstüfteleien.« (Hermann Göring »Reden und Aufsätze«, Zentralverlag der NSDAP, München, 1940, S. 1591.)

So schrieb Göring bereits im Jahre 1934 in seinem Artikel, der jenseits des Ozeans in der Hearst-Presse veröffentlicht wurde.

In einem bereits aus dem Jahre 1933 stammenden Artikel sah Göring es als sein besonderes Verdienst an, daß er die gesamte Führung der Gestapo neu organisiert, die Geheimpolizei unter seine unmittelbare Kontrolle gestellt und Konzentrationslager zur Bekämpfung seiner politischen Gegner eingerichtet hatte:

»So« – sagt Göring – »entstanden die Konzentrationslager, in die wir bald Tausende von KPD- und SPD-Funktionären einliefern mußten.«

Der sowjetischen Anklagebehörde stehen die Aufzeichnungen von Martin Bormann über die von Hitler am 2. Oktober 1940 abgehaltene Sitzung zur Verfügung. Diese Aufzeichnungen wurden in den Archiven des Deutschen Auswärtigen Amtes gefunden und von den Sowjettruppen in Berlin erbeutet. Diese Urkunde bezieht sich auf das besetzte Polen. Sie wird dem Gerichtshof vorgelegt werden.

Im Augenblick werde ich nur einige wenige Punkte aus dem Programm der Hitler-Führung zitieren, wie sie in der Urkunde enthalten sind. Die Konferenz begann mit der Erklärung Franks, daß seine Tätigkeit in dem Generalgouvernement als sehr erfolgreich angesehen werden könne. Die Juden seien in Warschau und in anderen Städten in Ghettos eingesperrt. Krakau werde sehr bald judenrein sein: –

»Unbedingt zu beachten sei, daß es keine ›polnischen Herren‹ geben dürfte; wo polnische Herren vorhanden seien, sollten sie, so hart es klingen möge, umgebracht werden... Alle Vertreter der polnischen Intelligenz muß man umbringen. Dies klinge hart, aber es sei nun einmal das Lebensgesetz.... Die polnischen Priester bekämen von uns ihre Nahrung, und dafür hätten sie ihre Schäfchen in der von uns gewünschten Weise zu dirigieren. Die Priester würden von uns bezahlt und dafür hätten sie zu predigen, wie wir es wünschten. Wenn ein Priester dagegen handle, sei ihm kurzer Prozeß zu machen. Die Priester müßten die Polen also ruhig dumm und blöd halten, dies läge durchaus in unserem Interesse. Der niedrigste deutsche Arbeiter und der niedrigste deutsche Bauer muß immer wirtschaftlich über jedem Polen stehen.«

Einen besonderen Platz unter den unerhörten Verbrechen der Nazis nimmt die blutige Metzelei der slawischen und jüdischen Völker ein.

Hitler sagte zu Rauschning:

»Nach all den Jahrhunderten des Gejammers über den Schutz der Unterdrückten und Gedemütigten ist es endlich Zeit, daß wir uns entschließen, den Starken gegen den Minderwertigen zu schützen. Es wird eine der Hauptaufgaben der deutschen Staatskunst für alle Zeiten sein, die weitere Vermehrung der slawischen Rassen mit allen in unserer Macht befindlichen Mitteln zu verhüten. Die natürlichen Instinkte gebieten, alle lebenden Wesen, nicht nur ihre Feinde zu besiegen, sondern sie auch zu vernichten. In früheren Zeiten war es das Vorrecht des Siegers, ganze Stämme, ganze Völker zu vernichten.« (H. Rauschning, »The Voice of Destruction«, New York, 1940, Seite 138.)

Der Hohe Gerichtshof hat bereits die Aussage des Zeugen Erich von dem Bach-Zelewsky über Himmlers Ziele gehört, die dieser in einer Anfang 1941 gehaltenen Rede bekanntgemacht hat.

In Beantwortung einer Frage, die von einem Vertreter der Sowjetischen Anklagebehörde gestellt wurde, erklärte der Zeuge: »Himmler erwähnte in seiner Rede, daß es notwendig sei, die Anzahl der Slawen um 30 Millionen zu reduzieren.«

Der Hohe Gerichtshof möge daraus ersehen, welche ungeheuren Ausmaße die verbrecherischen Pläne der grausamen Hitler-Fanatiker annahmen.

Die Hitleristen verfuhren grausam mit den sowjetischen Intellektuellen.

Schon vor dem Angriff auf die USSR waren Richtlinien für die schonungslose Ausrottung des Sowjetvolkes aus politischen und rassischen Gründen vorbereitet. Im Anhang 2 des Operationsbefehls Nummer 8 des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD vom 17. Juni 1941 hieß es:

»Es ist vor allem wichtig, die Identität aller wichtigen Regierungs- und Parteibeamten, besonders berufsmäßigen Revolutionäre, Angestellten der Komintern, aller einflußreichen Angehörigen der kommunistischen Partei der USSR und der ihr angeschlossenen Organisationen des Zentralkomitees und der Kreis- und Bezirkskomitees, aller Volkskommissare und deren Stellvertreter, aller früheren politischen Kommissare der Roten Armee, der führenden Persönlichkeiten von staatlichen Anstalten zentraler und mittlerer Instanz, der führenden Persönlichkeiten des Wirtschaftslebens, der sowjetrussischen Intellektuellen und aller Juden, festzustellen.«

In einer Anordnung vom 17. Juni 1941 für die Sicherheitspolizei und SD-Abteilungen ist die Notwendigkeit solcher Maßnahmen nicht nur gegen die Russen, sondern auch gegen die Ukrainer, die Weißrussen, die Bewohner von Aserbeidschan, Armenier, Georgier, die türkischen Völker und andere Nationalitäten betont.

Die Sowjetische Anklagebehörde wird dem Gerichtshof hierfür Tatsachen unterbreiten und die diesbezüglichen Dokumente vorlegen.

Die faschistischen Verschwörer hatten die Ausrottung der Juden der Welt bis zum letzten Manne geplant und führten diese Vernichtung während der ganzen Zeit ihrer Verschwörertätigkeit seit 1933 durch.

Mein amerikanischer Kollege hat schon Hitlers Ausspruch vom 24. Februar 1942 angeführt: »Die Juden werden vernichtet«. In einer Rede des Angeklagten Frank, die in der »Krakauer Zeitung« vom 18. August 1942 veröffentlicht wurde, hieß es:

»Jeder, der heute durch Krakau, Lemberg, Warschau, Radom und Lublin kommt, muß ehrlich zugeben, daß die deutschen Verwaltungsmaßnahmen von großem Erfolg waren – man sieht fast keine Juden mehr.«

Die bestialische Ausrottung der jüdischen Bevölkerung fand in der Ukraine, Weißrußland und den Baltischen Staaten statt.

In der Stadt Riga lebten vor der deutschen Besetzung ungefähr 80000 Juden. Als die Rote Armee Riga befreite, waren 140 Juden übrig geblieben.

Es ist unmöglich, in einer Eröffnungsrede die von den Angeklagten gegen die Humanität verübten Verbrechen aufzuzählen.

Die sowjetische Anklagebehörde hat erhebliche Dokumente an der Hand, die sie dem Gerichtshof vorlegen wird.

Hoher Gerichtshof! Ich bin hier als Vertreter der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken, welche die Hauptwucht des faschistischen Angriffs ertragen haben, und die in ungeheurem Ausmaß zu der Zerschmetterung von Hitler-Deutschland und dessen Satelliten beigetragen haben.

Im Namen der Sowjetunion erhebe ich Anklage gegen die Angeklagten in allen Punkten des Artikels 6 des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs.

Zusammen mit den Hauptanklagevertretern der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs klage ich die Angeklagten der Vorbereitung und Durchführung des verräterischen Überfalls auf die Bevölkerung meines Landes und auf alle freiheitliebenden Völker an.

Ich klage sie an, nachdem sie einen zweiten Weltkrieg entfesselt hatten, diesen Krieg unter Verletzung der grundlegenden Prinzipien des Völkerrechts und unter Bruch aller von ihnen geschlossenen Verträge dazu benutzt zu haben, um Massenausrottung friedlicher Bürger, Raub, Notzucht und Plünderung zu verüben.

Ich klage sie an, daß sie, nachdem sie sich als Vertreter der von ihnen selbst erfundenen Herrenrasse erklärt hatten, wo immer sie ihre Herrschaft ausdehnten, ein Regime der Willkür und Tyrannei, ein Regime, das alle elementaren Grundsätze der Menschlichkeit mißachtete, errichteten.

Da heute als Ergebnis des heldenhaften Kampfes der Roten Armee und der verbündeten Armeen, Hitler-Deutschland vernichtet und niedergeworfen ist, haben wir kein Recht, die Opfer, die darunter gelitten hatten, zu vergessen; wir haben kein Recht, die Schuldigen und Anstifter dieser ungeheuerlichen Verbrechen ungestraft zu lassen.

In heiligem Gedenken an die Millionen unschuldiger Opfer des faschistischen Terrors, im Namen der Festigung des Weltfriedens, im Namen der Sicherheit der Völker und der Zukunft, rechnen wir mit den Angeklagten voll und ganz ab. Dies ist die Abrechnung der ganzen Menschheit, die Abrechnung des Willens und des Gewissens der freiheitliebenden Nationen. Möge Recht geschehen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird nunmehr die Sitzung unterbrechen. General Rudenko, Ihrer Delegation wird es doch recht sein, nach der Vertagung fortzufahren, nicht wahr?

GENERAL RUDENKO: Jawohl, Herr Präsident, ich möchte auch um eine Unterbrechung bitten.

VORSITZENDER: Meinen Sie eine Unterbrechung für den ganzen Tag oder, wie der Gerichtshof vorschlug, eine Verhandlungspause von zehn bis fünfzehn Minuten und Fortsetzung bis 5.00 Uhr? Wäre Ihnen das recht?

GENERAL RUDENKO: Ja, Herr Vorsitzender.