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GENERAL RUDENKO: Herr Vorsitzender, Oberst Karev wird jetzt ausführen, in welcher Reihenfolge die Beweisdokumente von der Sowjetischen Anklagevertretung dem Gerichtshof vorgelegt werden.

OBERST S. D. KAREV, HILFSANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Die Sowjetische Anklagevertretung wird nunmehr die Beweise zu allen Punkten der Anklage vorbringen. Der Gerichtshof kennt bereits eine große Zahl wichtiger Urkunden, die von unseren geehrten Kollegen vorgelegt wurden. Die Sowjetische Anklagevertretung verfügt ihrerseits über eine große Anzahl von Urkunden, die sich auf die verbrecherische Tätigkeit der faschistischen Verschwörer beziehen.

Zum ersten Punkt, Verbrechen gegen den Frieden, werden wir folgende Dokumente vorlegen:

Erlasse der deutschen Behörden, Befehle und Pläne des deutschen Wehrmachtskommandos, Tagebücher und private Archive einiger Führer der faschistischen Partei und solche der Deutschen Regierung ebenso wie auch andere Urkunden. Diese Urkunden wurden zum Teil von der Roten Armee bei deutschen Soldaten und Offizieren erbeutet, beziehungsweise in Konzentrationslagern oder in den deutschen Amtsstellen entdeckt. Zu Punkt 2 und 3, das sind Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, legen wir als Beweisstücke in erster Linie die Berichte und Akten der Außerordentlichen Staatskommission zur Feststellung und Erforschung der Verbrechen vor, die von den deutsch-faschistischen Eindringlingen und ihren Helfern begangen wurden. Diese Kommission wurde auf Grund eines Erlasses des Präsidiums des Obersten Sowjets der USSR vom 2. November 1942 bestellt. Für die Arbeit an Ort und Stelle wurden Staats-, Land-, Gebiete- und Ortsunterkommissionen geschaffen, um der Außerordentlichen Staatskommission bei der Feststellung und Untersuchung der Untaten der faschistischen Angreifer zu helfen. Die Zentralstelle sowie auch die Zweigstellen dieser Staatskommission bestanden aus angesehenen Staatsmännern und Vertretern verschiedener öffentlicher, wissenschaftlicher und kultureller Organisationen sowie auch von Religionsgemeinschaften. Die Außerordentliche Staatskommission hat durch ihre Bevollmächtigten mit Hilfe der herangezogenen Vertreter lokaler Gruppen und lokaler Behörden Material gesammelt und geprüft, Protokolle über die Greueltaten der deutschen Eindringlinge aufgenommen und die Schäden, die der Sowjetunion und ihren Bürgern zugefügt wurden, festgestellt. Allein über die Verbrechen, die von den deutsch-faschistischen Unholden gegen die friedlichen Bürger der USSR verübt worden sind, wurden 54784 Akten angelegt. Diese Akten sind gemäß Artikel 21 des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs unanfechtbare Beweismittel. Von all diesen Akten der Außerordentlichen Staatskommission wird dem Gerichtshof gegenwärtig nur ein kleiner Teil von der Sowjetischen Anklagevertretung vorgelegt werden. Der Sowjetischen Anklagevertretung steht auch photographisches Material zur Verfügung, das die von den deutsch-faschistischen Verschwörern in den zeitweilig besetzten Gebieten der USSR begangenen Greueltaten und Zerstörungen veranschaulicht. Bin Teil dieser Aufnahmen wird dem Gerichtshof vorgelegt werden. Die Sowjetische Anklagevertretung wird dem Gerichtshof auch einige dokumentarische Filme als Beweismaterial vorführen. Die Sowjetische Anklagevertretung wird auch verschiedene erbeutete deutsche Dokumente, Photographien und Filme als Beweismittel verwenden.

Die Sowjetische Anklagevertretung wird ferner die Beweise bezüglich der von den Angeklagten und ihren Helfershelfern begangenen Kriegsverbrechen gegen die Tschechoslowakei, Polen und Jugoslawien vorlegen. Unter diesen Beweisen muß man den amtlichen Bericht der Tschechoslowakischen Regierung besonders erwähnen. Dieser Bericht trägt den Titel »Deutsche Verbrechen gegen die Tschechoslowakei« und wurde im Auftrag der Tschechoslowakischen Regierung von Dr. Boguslav Eèer verfaßt, dem Außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister, dem Vertreter der Tschechoslowakei in der Kommission der Vereinten Nationen zur Erforschung von Kriegsverbrechen. Dem amtlichen Bericht wegen der deutschen Verbrechen gegen die Tschechoslowakei sind Dokumente beigelegt. Unter diesen Dokumenten befinden sich amtlich veröffentlichte und herausgegebene Gesetze, Erlasse, Anordnungen und so weiter der deutsch-faschistischen Behörden sowie Urkunden aus den Archiven der Tschechoslowakischen Regierung und eidesstattliche Erklärungen von Personen, die während der Besetzung hohe Ämter in der Tschechoslowakei bekleidet haben.

Ein besonderer Film über die Zerstörung des Dorfes Lidice wird gezeigt werden. Dieser Film wurde seinerzeit von deutschen amtlichen Stellen zusammengestellt. Er wurde von den Organen des tschechoslowakischen Innenministeriums aufgefunden. Der amtliche Bericht über die deutschen Verbrechen gegen die Tschechoslowakei und die ihm beigelegten Dokumente sind gemäß Artikel 21 des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs unanfechtbare Beweise und werden dem Gerichtshof als Beweisstück USSR-60 vorgelegt werden.

Die Sowjetische Anklagevertretung wird auch Beweise wegen der von den Verschwörern in Polen begangenen Verbrechen vorlegen. Ein Bericht der Polnischen Regierung vom 22. Januar 1946 stellt das Hauptdokument in dieser Sache dar. Als wichtige Quelle bei der Zusammenstellung dieses Berichts über die deutschen Verbrechen in Polen wurden in erster Linie die amtlichen Urkunden der Polnischen Regierung verwandt. Der amtliche Bericht der Polnischen Regierung sowie auch alle beigefügten Dokumente entsprechen allen Erfordernissen des Artikels 21 des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs und stellen daher unbestreitbare Beweisstücke dar.

Schließlich wird die Sowjetische Anklagevertretung Dokumente über die von den deutsch-faschistischen Eindringlingen in Jugoslawien begangenen Verbrechen vorlegen. Die Erhebungen über die verbrecherische Tätigkeit der deutschen Truppenführung und der deutschen Besatzungsbehörden in Jugoslawien wurde von der jugoslawischen Staatskommission zur Feststellung der Verbrechen der deutschen Besatzung durchgeführt. Diese Kommission wurde am 29. November 1943 durch einen Erlaß des jugoslawischen antifaschistischen Komitees für Volksbefreiung geschaffen. Diese Kommission, deren Präsident von Anfang an Dr. Douschan Nedelkovitch, Professor an der Belgrader Universität, war, begann ihre Arbeit bereits zu einer Zeit, als ein Teil Jugoslawiens sich noch unter der Herrschaft deutscher, italienischer, ungarischer und anderer Besatzungstruppen befand. Die Untersuchung der von den deutsch-faschistischen Eroberern begangenen Verbrechen wurde außer von der jugoslawischen Staatskommission auch von acht besonderen Bundeskommissionen sowie von Bezirks- und Kreiskommissionen durchgeführt. Auf der Grundlage des gesammelten Materials hat die jugoslawische Staatskommission 53 Veröffentlichungen über die Untaten der deutschen Besatzungsmacht herausgegeben und legt ihren Bericht vom 26. Dezember 1945 vor. Dieser Bericht stellt ebenfalls unbestreitbares Beweismaterial dar und wird als Beweisstück USSR-36 vorgelegt.

Ich möchte jetzt bemerken, daß das dokumentarische Beweismaterial, das bereits von unseren geehrten amerikanischen, britischen und französischen Kollegen vorgelegt worden ist, auch von den Vertretern der Sowjetischen Anklagebehörde in gewissem Umfang gebraucht werden wird.

Erlauben Sie mir zum Schluß die Reihenfolge mitzuteilen, in der die Anklagevertreter der USSR ihre Vorträge halten werden.

Zum Punkt »Verbrechen gegen den Frieden«, Angriff auf die Tschechoslowakei, Polen und Jugoslawien, wird der Stellvertreter des Hauptanklagevertreters der USSR, Oberst Pokrowsky, die Ausführungen machen.

Die Darlegungen zum Punkt »Angriff gegen die Sowjetunion« werden vom Staatsjustizrat III. Klasse, Zorya, unterbreitet werden.

Sodann wird Oberst Pokrowsky vor dem Gerichtshof diejenigen Verbrechen erörtern, die unter Verletzung der Kriegsgesetze und -gebräuche bei der Behandlung der Kriegsgefangenen begangen worden sind.

Der Punkt »Verbrechen gegen die friedliche Bevölkerung der USSR, Tschechoslowakei, Polens und Jugoslawiens« wird vom Oberstaatsjustizrat Smirnow behandelt werden.

Der Bericht über die Plünderung von Privat-, öffentlichem und Staatseigentum wird durch den Staatsjustizrat II. Klasse, Schenin, erstattet werden.

Berichterstatter über die »Plünderung und Zerstörung von Kulturwerten« und »willkürliche Zerstörungen von Städten und Dörfern« wird Staatsjustizrat II. Klasse, Raginsky, sein.

Staatsjustizrat III. Klasse, Zorya, wird die Frage »Zwangsarbeit und Verschleppung in die deutsche Sklaverei« erörtern.

Schließlich wird Oberstaatsjustizrat Smirnow Ausführungen über den letzten Punkt »Verbrechen gegen die Humanität« machen.

Erlauben Sie mir, damit meine Erklärungen zu schließen.

OBERST POKROWSKY: Meine Herren Richter! Herr Vorsitzender! Die einleitenden Reden der Hauptankläger haben die Frage beleuchtet, wie das faschistische Deutschland den Angriffskrieg ideologisch vorbereitet hat.

Der Zusammenhang zwischen der hitlerischen Propaganda und der Angriffshandlung gegen den Frieden wurde auch in der Rede des Hauptanklagevertreters der USSR aufgezeigt. Ich werde daher nur einen kurzen Auszug aus dem von Horst von Metzsch geschriebenen Buch »Krieg als Saat« zitieren, das im Jahre 1934 in Breslau erschienen ist.

Ich zitiere:

»Es ist unmöglich, sich Nationalsozialismus ohne Krieg vorzustellen. Deutscher soldatischer Ruhm ist sein Vater, der beste Schütze der Armee ist sein Führer, und der eiserne Geist des Krieges ist seine Seele.«

Dies ist nicht nur ein einfacher Satz, der einem schwatzhaften hitlerischen Schmierfinken entschlüpft ist, sondern stellt ein ausgeplaudertes Programm dar.

Krieg, und nur Krieg, wurde von den Hitler-Verschwörern als das beste Mittel angesehen, um ihre außenpolitischen Ziele zu erreichen.

Es ist darum nur natürlich, daß Deutschland nach der faschistischen Machtergreifung in ein bewaffnetes Lager verwandelt und zu einer ständigen Drohung für seine Nachbarstaaten wurde.

In erster Linie richteten die faschistischen Verschwörer ihren Blick nach Osten.

In seinem Buch »Mein Kampf«, das dem Gerichtshof bereits zur Verfügung steht, schrieb Hitler schon im Jahre 1930, wobei ich darauf aufmerksam mache, daß in dem jetzt jedem Mitglied des Gerichtshofs übergebenen Dokumentenbuch sich dieser von mir aus dem Buch »Mein Kampf« zitierte Auszug im ersten Band, Seite 1, befindet.

Ich halte es für zweckmäßig, dem Gerichtshof mitzuteilen, daß für seine Bequemlichkeit alle zu zitierenden Stellen in Ihrem Buche mit Rotstift angezeichnet sind.

Ich zitiere:

»Der Drang nach Osten geht weiter trotz allem. Rußland muß von der Liste der europäischen Staaten gestrichen werden.« Seite 732, »Mein Kampf«, Ausgabe 1930.

Indem Hitler-Deutschland in verlogener Weise seine Friedensliebe erklärte und allen seinen Nachbarn Versicherungen gab, mit ihnen in Frieden leben zu wollen, trachtete es dennoch stets danach, seine tatsächliche und stets vorhandene Angriffsabsicht zu verbergen.

Die Verschwörer waren gern bereit, Schieds- oder Nichtangriffspakte und so weiter abzuschließen. Sie taten das nicht, weil sie tatsächlich Frieden wollten, sondern in der Absicht, einen günstigen Augenblick für den heimtückischen Angriff abzuwarten und die Wachsamkeit der anderen Völker einzuschläfern.

Nachdem sie einen Angriff durchgeführt hatten, versuchten sie mit noch größerer Energie jedermann zu überzeugen, daß sie nunmehr keine weiteren Angriffe beabsichtigten.

Ein Zusammenwirken von Heuchelei und Falschheit, von Verrat und Angriff beherrschte das System der deutschen Außenpolitik.

Mit unerhörter Frechheit verletzten die faschistischen Verschwörer ihre sämtlichen internationalen Verpflichtungen und Verträge, einschließlich derer, die unmittelbar die Anwendung von Krieg bei der Lösung internationaler Streitigkeiten verboten.

Nicht ein einziger der von der hitlerischen Verschwörerclique geführten Kriege fällt unter den Begriff »Verteidigungskrieg«. In allen Fällen handelten die deutschen Faschisten als Angreifer. Sie gaben zu, daß sie nicht zögerten zu provozieren, um einen Vorwand zu finden, damit sie ihr nächstes Schlachtopfer im günstigen Augenblick angreifen konnten.

Punkt 2 der Anklageschrift enthält eine ganze Liste der Kriege, die von den faschistischen Verschwörern vorbereitet, provoziert, entfesselt und durchgeführt wurden.

Die wahnsinnige Einbildungskraft der Hitleristen hat ihnen im Osten einen Garten Eden für faschistische Angreifer vorgegaukelt und ein Paradies errichtet auf dem Blut und den Knochen von Millionen von Menschen, die diese Länder bewohnten.

Sir David Maxwell-Fyfe hat dem Gerichtshof angekündigt, daß die Sowjetische Delegation neues Beweismaterial über die verbrecherische Verschwörung gegen den Frieden vorlegen werde, und gleichzeitig bekanntgegeben, daß Wiederholungen in Einzelfällen sich nicht vermeiden lassen würden.

In dem Bestreben, die Zahl der Wiederholungen so klein wie möglich zu halten, erlaube ich mir, Ihre Aufmerksamkeit auf einige Dokumente zu lenken, die sich auf verbrecherische Angriffe der faschistischen Verschwörer beziehen.

Als dokumentarischen Beweis unterbreite ich dem Gerichtshof das Dokument USSR-60, einen amtlichen tschechoslowakischen Bericht. Dieser beginnt mit dem folgenden kennzeichnenden Satz. Ich muß zur Kenntnis bringen, daß Sie diesen Satz auf Seite 10, I. Teil im ersten Band des Dokumentenbuches mit Rotstift unterstrichen finden werden:

»Die Tschechoslowakei bildet ein Hindernis für den deutschen Drang nach Osten und für die Beherrschung Europas.«

Darauf folgt eine Analyse der strategischen und politischen Aspekte des Angriffs auf die Tschechoslowakei.

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky, wenn Sie ein Dokument als Beweismittel vorlegen wollen, dann werden Sie das Originalschriftstück vorlegen und es dem Gerichtssekretär überreichen, nicht wahr?

OBERST POKROWSKY: Wie ich Ihnen gesagt habe, folgt weiterhin im Dokument USSR-60 eine Analyse der strategischen und politischen Aspekte des Angriffs gegen die Tschechoslowakei. Ich zitiere und beginne mit dem zweiten Satz, Unterabschnitt a). Diese Stelle ist zu Ihrer Bequemlichkeit rot angestrichen:

»Die Tschechoslowakei hatte als natürliche Grenze und Bollwerk gegen ein militärisches Vordringen bis zum Donaubecken und von dort weiter durch die östlichen Karpathen nach dem Osten und entlang des Donautales auf dem Balkan tatsächlich erstrangige strategische Bedeutung.«

Punkt b) legt dar, daß die Tschechoslowakei ein demokratischer Staat war und schließlich bringt

Punkt c) eine Analyse über die Tschechoslowakei vom nationalen Standpunkt aus gesehen.

Ich werde diesen Unterabschnitt zitieren, so wie er in diesem Bericht steht. Sie werden die von mir zitierte Stelle im ersten Band, 1. Teil, auf Seite 11, unten auf der Seite und am Anfang der Seite 12 finden.

»C. Unter nationalem Gesichtspunkt: Die Tschechoslowakei war durch die überwiegende Mehrzahl seiner Bewohner ein slawischer Staat mit einem starken Bewußtsein der altslawischen Solidarität.«

Der Gerichtshof wird sich erinnern, daß eines der grundlegenden Ziele der faschistischen Verschwörung in der Vernichtung der demokratischen Grundlagen und der Ausrottung des Slawentums bestand.

Der Gerichtshof wird vielleicht bemerkt haben, daß die Methoden der Ausführung des Angriffs durch die Hitler-Verschwörer immer denselben Charakter trugen. In allen Fällen wurde die blitzartige Geschwindigkeit des militärischen Angriffs als unumgänglich notwendig betrachtet. Sie versuchten, das Element der Überraschung dadurch zu erreichen, daß sie dem zukünftigen Feinde heimtückische und hypokritische Versicherungen ihrer friedlichen Absichten gaben.

Gleichzeitig wurde weitgehend von einem System der Bestechung, Erpressung, Provokation und Finanzierung verschiedener profaschistischer Organisationen Gebrauch gemacht, indem eine Anzahl prinzipienloser Politiker und regelrechter Vaterlandsverräter als bezahlte Agenten verwendet wurden.

Herr Alderman hat seine Beweisführung mit der Aufzählung einiger Beispiele dieser Art begonnen. Er hat vor dem Gerichtshof ausführlich dargestellt und durch Dokumente bewiesen, daß Hans Karmazin, der Vertreter der sogenannten »autonomen slowakischen Bewegung«, mit deutschem Geld gekauft worden war. Dasselbe gilt auch für den stellvertretenden Premierminister Dukanski, den berüchtigten Tuka und viele andere Führer der Hlinka-Partei.

Es wurde Ihnen vorgetragen, daß Anfang März 1939, das heißt, unmittelbar vor dem für den Einmarsch der Nazis in die Tschechoslowakei geplanten Tage, die Tätigkeit der Fünften Kolonne ihren Höhepunkt erreicht hatte.

Ich glaube, ich muß dem Gerichtshof einige Tatsachen über die hitlerischen Organisationen vortragen, die zum Zwecke der subversiven Tätigkeit errichtet wurden, sowie über die Rolle, die der SS-Mann Lorenz, dessen Namen ich später wieder erwähnen werde, in der Aktion gegen die Tschechoslowakei gespielt hat.

Himmler vereinigte in seiner Person verschiedene Ämter: den Posten eines Reichsführers der Schutzstaffeln, SS, und den eines »Reichskommissars für die Festigung des Deutschen Volkstums«. In dieser Eigenschaft leitete er alle Staats- und Parteiorganisationen innerhalb Deutschlands, welche die deutschen Siedlungen, die Arbeit der deutsch-faschistischen Minderheiten in anderen Ländern und die Rückwanderung von Deutschen nach Deutschland kontrollierten.

Das ausführende Organ auf diesem Gebiet war die sogenannte »Volksdeutsche Mittelstelle«. Der Leiter dieser Organisation und daher der eigentliche Stellvertreter Himmlers auf diesem besonderen Gebiet war SS-Obergruppenführer Lorenz, über den wir später noch sprechen werden. Es gab auch noch eine andere verbrecherische Organisation, die »Auslandsorganisation der NSDAP«, abgekürzt AO. Sie spielt eine große Rolle bei der Bildung der Fünften Kolonne in Ländern, die später den hitlerischen Angriffen unterlagen.

Die AO vereinigte im Ausland die dort lebenden Mitglieder der Nazi-Partei. Abgesehen von der Propaganda für den Faschismus nahm die AO auch an politischer und sonstiger Spionage teil. Auslandsdeutsche erhielten materielle Hilfe durch die AO und standen in Verbindung mit verschiedenen pro-deutschen und Spionagegruppen des Landes, in dem sie lebten.

Die Unterabteilungen der Hitler-Partei im Ausland standen unter der Führung deutscher diplomatischer Missionen. Für diesen Zweck wurde der Leiter der AO, Gauleiter Ernst Wilhelm Bohle, mit dem Rang eines Staatssekretärs in das Auswärtige Amt übernommen.

Der amtliche tschechoslowakische Bericht hat einige Nachträge, von denen einer als 3061-PS registriert ist. Er enthält Auszüge aus der Aussage Karl Hermann Franks, des früheren Stellvertreters des Reichsprotektors. Ich unterbreite dieses Dokument dem Gerichtshof und möchte mich, ohne es ganz zu lesen, kurz auf diejenigen Teile beziehen, die sich mit der Frage der Fünften Kolonne beschäftigen.

Bei dem Verhör vom 9. Oktober 1945, das der Gerichtshof im ersten Band, erster Teil, Seite 185 des Dokumentenbuches finden wird, erklärte Frank, daß seiner Ansicht nach die Henlein-Partei bereits seit dem Jahre 1936 Geld von Deutschland erhalten habe. Im Jahre 1938 erhielt sie Beträge von der sogenannten »Volksdeutschen Mittelstelle« in Berlin durch Vermittlung des Deutschen Gesandten in Prag. Frank bestätigte, daß er einige Male persönlich mit Henlein bei dem Deutschen Gesandten in Prag gewesen wäre und von ihm zusammen mit Henlein Geld für die Partei übernommen hätte. Frank gibt zu, daß die Empfangnahme des Geldes mit den Pflichten eines tschechoslowakischen Staatsbürgers nicht vereinbar war.

Frank gab weiter zu, daß er einige Male allein auf der Deutschen Gesandtschaft in Prag gewesen sei und den Deutschen Gesandten über die innerpolitische Lage in der Tschechoslowakei informiert und durch die Art der gegebenen Informationen Hochverrat begangen habe. Frank sagt aus; die Stelle, die ich jetzt zitieren werde, wird der Gerichtshof im ersten Band, erster Teil, Seite 187, finden:

»Alle Unterredungen im Sommer 1938 zwischen Henlein und mir auf der einen und den Reichsstellen, besonders Adolf Hitler, Heß und Ribbentrop auf der anderen Seite hatten den Zweck, die Reichsstellen von der Entwicklung der politischen Situation in der Tschecho slowakei zu informieren. Er kam zu ihnen auf Wunsch der Reichsstellen.«

Ich habe diesen Auszug aus der russischen Übersetzung des Dokuments 3061-PS, Seite 5, entnommen.

Auf Seite 188 Ihres Dokumentenbuches werden Sie einen anderen Auszug finden, den ich Ihnen jetzt mitteilen werde.

Frank gab an:

»Auf Frage erkläre ich, daß ich mich des Verrats bewußt bin, welchen die Partei und ihre ganze Hauptleitung durch Empfang von Geld aus Ausland für staatsfeindliche Aktionen beging.«

In Böhmen und Mähren gab es das sogenannte »Freikorps Henlein«.

Bei der Einvernahme am 15. August 1945 sagte Frank aus, daß Henlein und sein Stab sich in Tandorf bei Reuch aufhielten. Henlein habe den Stab, der den Titel »Freikorps Führer« führte, selbst geführt. Das Freikorps wurde auf Befehl Hitlers errichtet, so sagte Frank aus, und ein Teil des Korps wurde in den letzten Septembertagen auf reichsdeutschem Gebiet mit einer kleineren Anzahl von Handwaffen versehen. Nach Frank bestand das Freikorps überwiegend aus Sudetendeutschen und war etwa 15000 Mann stark. Diese Aussage finden wir auf Seite 3 der russischen Übersetzung des Dokuments 3061-PS. In Ihrem Buch findet es sich auf Seite 185, erster Band, Teil I.

Unter den Trophäen der heroischen Roten Armee befinden sich die Archive des Deutschen Auswärtigen Amtes.

Die Sowjet-Delegation verfügt über neue Dokumente. Es erscheint mir zweckmäßig, einiges von dem auf diese Weise erhaltenen Material zur Ergänzung der früher dem Gerichtshof gegenüber gemachten Angaben vorzulegen. Sie sind von besonderem Interesse, wenn wir uns erinnern, daß einer der beliebtesten Vorwände der Hitler-Verschwörer für ihre Angriffe darin bestand, daß sie die Interessen der deutschen Minderheiten schützen wollten.

Ich möchte einen Auszug aus der als Geheimsache bezeichneten Niederschrift über die am 29. März 1938, 12.00 Uhr mittags im Auswärtigen Amt über ausschließlich sudetendeutsche Fragen abgehaltenen Besprechung verlesen. Es handelt sich um unser Dokument USSR-271; die zitierte Stelle befindet sich in Band I, Teil I, Seite 196 ff. Ich zitiere:

»An der Besprechung nahmen die in der anliegenden Liste aufgeführten Herren teil.

Der Herr Reichsminister betonte eingangs die Notwendigkeit einer strengen Geheimhaltung der anberaumten Besprechung und führte sodann unter Hinweis auf die Richtlinien, die gestern nachmittag der Führer Konrad Henlein persönlich erteilt hat, aus, daß es vor allem zwei Fragen wären, die für die Führung der Politik der Sudetendeutschen Partei von Wichtigkeit wären:

1. Das Sudetendeutschtum müsse wissen, daß hinter ihm ein 75-Millionen-Volk stände, das eine weitere Unterdrückung der Sudetendeutschen durch die Tschechoslowakische Regierung nicht dulden würde.

2. Es sei Sache der Sudetendeutschen Partei, gegenüber der Tschechoslowakischen Regierung diejenigen Forderungen aufzustellen, deren Erfüllung sie zur Erlangung der von ihr gewünschten Freiheiten für notwendig erachte.«

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky, es tut mir leid, Sie zu unterbrechen, aber aus der Übersetzung kann ich nicht klar entnehmen, ob Sie das Original dem Gerichtshof vorgelegt und ob Sie ihm schon eine Dokumentennummer gegeben haben, das heißt, ob Sie es schon vorgelegt haben.

OBERST POKROWSKY: Alle Dokumente, welche die Sowjet-Delegation dem Gerichtshof vorgelegt hat, sind von uns in russischer Sprache vorgelegt worden, und sie werden zur Übersetzung in die Übersetzungsabteilung abgegeben, die verpflichtet ist, den Gerichtshof mit Übersetzungen in alle anderen Sprachen zu versehen. Die Nummer dieses Dokuments wurde von mir in genauer Übereinstimmung mit der Eintragungszahl als USSR-271 angegeben.

VORSITZENDER: Wenn das Originaldokument nicht in russischer Sprache abgefaßt ist, dann müssen Sie es in seiner ursprünglichen Fassung dem Gerichtshof vorlegen. Ich weiß nicht, um was für eine Urkunde es sich handelt. Es scheint sich hier um eine Konferenz zu handeln, und ich nehme an, daß das Original in deutscher Sprache verfaßt wurde.

OBERST POKROWSKY: Das Original ist in deutscher Sprache verfaßt.

VORSITZENDER: Wenn dem so ist, so mochten wir das Originaldokument an deutscher Sprache haben.

OBERST POKROWSKY: Die Photokopie des Originals steht dem Gerichtshof zur Verfügung.

Kann ich fortfahren?

VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte. Ist das hier das Original?

OBERST POKROWSKY: Dies ist eine Photokopie.

VORSITZENDER: Ich bedaure, aber wir müssen darauf bestehen, das Originaldokument zu bekommen.

OBERST POKROWSKY: Das Originaldokument befindet sich bei der Sowjetregierung und kann, wenn der Gerichtshof es wünscht, von uns beschafft und dem Gerichtshof später vorgelegt werden. Die Photokopie ist beglaubigt.

VORSITZENDER: Ich fürchte, wir müssen die Originalurkunden haben. Wenn die Originaldokumente dem Gerichtshof vorgelegt und mit Beweisnummern versehen worden sind, werden sie beim Gerichtshof verbleiben. Die Frage der Übersetzung ist natürlich eine ganz andere Sache. Um jedoch wirklich sicher zu sein, daß wir die echten Beweise bekommen, müssen wir darauf bestehen, daß die Originaldokumente beim Generalsekretär hinterlegt werden.

OBERST POKROWSKY: Ich nehme den Wunsch des Gerichtshofs zur Kenntnis und werde dementsprechend die Weisung geben, daß die Originaldokumente dem Gerichtshof zugestellt werden, obwohl wir in diesem Falle den bisher eingehaltenen Vorgang beobachtet haben, demzufolge der Gerichtshof es für ausreichend hielt, auf gehörige Weise beglaubigte Photokopien entgegenzunehmen. Wir können die Originale beschaffen, aber das wird etwas länger dauern, weil wir jetzt nicht das ganze Material in Nürnberg zur Verfügung haben.

VORSITZENDER: Gut, es genügt, wenn Sie sich hierzu bereit erklären. Aber Sie haben nicht recht mit der Behauptung, daß eine solche Praxis bisher vom Gericht geübt wurde, denn wir haben von den Französischen Anklagevertretern immer die Vorlage der Originaldokumente verlangt, und sie sind auch vorgelegt worden.

OBERST POKROWSKY: Wir werden Vorsorge treffen, daß der Gerichtshof, wenn auch ein wenig später, alle Originaldokumente bekommt, deren Photokopien wir hier vorlegen. Darf ich fortfahren?

Ich fahre jetzt an der Stelle fort.

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky, ich nehme an, daß Sie imstande sein werden, morgen die Originaldokumente vorzulegen, auf die heute Bezug genommen wurde.

OBERST POKROWSKY: Ich kann das nicht versprechen, weil sich nicht alle Originaldokumente hier befinden. Ein großer Teil dieser Dokumente sind Einzelstücke und werden deshalb hier nicht verwahrt. Wir verfügen hier nur über einige der Originaldokumente. Das einzige, was ich tun kann, ist, daß ich in Zukunft die Originaldokumente, über die wir verfügen, vorlege, die Exemplare, die wir nicht haben, beiziehe und sie dann anstatt der Photokopien vorlege. Das können wir tun.

VORSITZENDER: Ich halte es für zweckmäßig, wenn der Gerichtshof die Verhandlung zur Erwägung dieser Angelegenheit unterbricht.