[Pause von 10 Minuten.]
DR. NELTE: Herr Präsident! Ich möchte das Gericht bitten, in einer allgemeinen Frage der Beweisführung zu entscheiden. Die Russische Delegation hat Bücher überreicht, welche Erklärungen von Generalen und Staatsmännern enthalten, und wir bezweifeln, daß diesen Erklärungen seitens der sowjetischen Behörden ein amtlicher Vermerk beigefügt ist. Die mir heute übergebenen Urkunden USSR-149, USSR-150 und USSR-294 sind nur Photokopien handschriftlicher Schreiben; sie enthalten weder einen Vermerk, der sie als Affidavit erscheinen lassen könnte, noch stellen sie eine Aussage vor einem sowjetischen Beamten oder Offizier dar, noch stellen sie eine Regierungs- noch amtliche Erklärung dar. Ich wäre dem Gericht dankbar, wenn es diese Frage gemäß Statut, Artikel 21, entscheiden wollte. Die Ansicht der Verteidigung ist, daß solche Erklärungen nur den Wert eines persönlichen Vortrags der Anklagebehörde, aber keinen Beweiswert haben.
VORSITZENDER: Darf ich die Dokumente sehen?
[Die Dokumente werden dem Gerichtshof überreicht.]
Der Gerichtshof hat gegen das von Dr. Nelte angewandte Verfahren, daß er die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs jetzt auf diese Dokumente lenkt, nichts einzuwenden. Der Gerichtshof hält es jedoch für besser, zu warten, bis diese Dokumente tatsächlich als Beweismaterial eingereicht werden, bevor eine Entscheidung über die Zulassung getroffen wird. Wenn die Dokumente als Beweismaterial vorgelegt werden, dann wird der Gerichtshof die Frage entscheiden, ob sie zuzulassen sind oder nicht.
OBERST POKROWSKY: Ich bitte um die Erlaubnis, dem Gerichtshof meinen Kollegen, den Staatsrat III. Klasse General Zorya, vorzustellen, der Material über den Angriffskrieg gegen die Sowjetunion vortragen wird.
DR. HANS LATERNSER, VERTEIDIGER FÜR DEN GENERALSTAB UND DAS OBERKOMMANDO DER WEHRMACHT: Ich möchte darauf hinweisen, daß die Ansicht des Gerichts, nach der jedem Verteidiger rechtzeitig vorher je eine Abschrift der Urkunden überreicht werden soll, die im Laufe der Verhandlungen zu Beweiszwecken vorgelegt werden sollen, nicht durchgeführt worden ist. Es ist daher für die Verteidigung schwierig, der Verhandlung zu folgen, weil die vorgelegten Urkunden in nicht genügender Anzahl zur Verteilung gelangt sind.
VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß der Gerichtshof den Anklägern jemals die Pflicht auferlegt hat, jeden Verteidiger mit der Abschrift eines jeden Dokuments zu versorgen. Sie haben ohne Zweifel eine Abschrift der Anweisungen des Gerichtshofs über diese Sache vor sich, und ich glaube, daß diese Vorschrift auf der Bekanntmachungstafel des Informationsraumes der Verteidiger angeschlagen ist. Wenn ich mich richtig erinnere, so heißt es darin, daß eine gewisse Anzahl von Originalen oder Photokopien im Informationsraum der Verteidiger hinterlegt werden soll und daß eine gewisse Anzahl von Abschriften der Dokumente der Verteidigung geliefert werden muß. Abgesehen davon müssen die Verteidiger sich auf die Tatsache verlassen, daß jedes Dokument oder der Teil des Dokuments, das als Beweismaterial eingereicht wird, im Gerichtssaal verlesen wird und daher die Verteidiger durch die Kopfhörer erreicht und später im Stenogramm erscheinen wird. Wir haben ja dafür gesorgt, daß Abschriften dieser Stenogramme den Verteidigern so bald wie möglich nach der Sitzung, in der das Dokument vorgelegt worden ist, zugestellt werden. Abgesehen hiervon haben wir es nicht für richtig gehalten, die Ankläger zu verpflichten, den Verteidigern Dokumente zur Verfügung zu stellen. Entspricht das nicht Ihrer Auffassung über die Sachlage?
DR. LATERNSER: Herr Präsident, die Amerikanische Anklagebehörde, die Britische Anklagebehörde und auch die Französische Anklagebehörde haben es im Laufe des Verfahrens so gehandhabt, daß von allen Dokumenten so viel Abschriften der Verteidigung zugänglich gemacht worden sind, daß jeder Verteidiger je eine Abschrift davon in Händen hatte. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß das, was den anderen Anklagebehörden zur Erleichterung der Arbeit möglich war, daß dies auch für die Russische Anklagebehörde zutreffen müßte.
VORSITZENDER: Das ist Ihre Annahme, die der Anordnung des Gerichtshofs nicht genau entspricht. Der Gerichtshof hat keine derartige Anordnung getroffen. Es ist möglich, daß die Vereinigten Staaten und Großbritannien, über die Anweisung des Gerichtshofs hinausgehend, Abschriften an jeden Verteidiger geliefert haben. Aber, wie ich sagte, hat der Gerichtshof bis jetzt den Anklägern noch nicht die Pflicht auferlegt, die die Lieferung einer Abschrift an jeden Verteidiger vorsieht. Ich nehme an, daß Sie in Wirklichkeit nicht genau wissen, wieviele Abschriften der Sowjetdokumente im Informationsraum der Verteidiger hinterlegt worden sind?
DR. LATERNSER: Die genaue Anzahl ist mir nicht bekannt. Jedenfalls waren nicht soviel da, daß jeder Verteidiger von jedem Dokument je eine Abschrift erhalten konnte, was wohl bisher bei den anderen Anklagebehörden der Fall gewesen ist.
VORSITZENDER: Sie verstehen aber doch zweifellos die großen Schwierigkeiten, die sich aus der Anfertigung von Übersetzungen und Abschriften ergeben. Ich bin sicher, daß die Sowjetankläger alles tun werden, was möglich ist, um den Verteidigern zu helfen, aber, wie ich schon einmal erwähnt habe, sind die Ankläger nicht verpflichtet, eine deutsche Kopie eines jeden Dokuments jedem einzelnen Verteidiger vorzulegen. Ich kann nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß die Anklagevertreter der Sowjetunion ihr Bestmöglichstes tun werden.
DR. LATERNSER: Herr Präsident, ich erinnere mich, daß anläßlich des Bekanntwerdens der Tatsache, daß an die Presse die Urkunden in zweihundertfünfzigfacher Ausfertigung gegeben worden waren, Herr Präsident der Meinung Ausdruck gab, daß es dann möglich sein müßte, fünfundzwanzig Exemplare an die Verteidigung zu geben und das war damals die Meinung des Hohen Gerichts.
VORSITZENDER: Die Gerichtsordnung über diese Frage ist schriftlich niedergelegt, und Sie werden diese im Informationsraum der Verteidiger finden können. Ich habe mich, soweit mir erinnerlich, geäußert. Sollte ich hier einen Fehler begangen haben, so können Sie mir eine Abschrift dieser Verordnung bringen und ich werde meine Erklärung zurückziehen.
GENERALMAJOR N. D. ZORYA, HILFSANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Hoher Gerichtshof! Es ist meine Aufgabe, das dokumentarische Beweismaterial vorzulegen, das sich auf den Angriff auf die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken bezieht, der von den faschistischen Kriegsverbrechern, die jetzt hier auf der Anklagebank sitzen, organisiert wurde. Die Formulierung der Anklage des Verbrechens gemäß Absatz a des Artikels 6 des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs ist im Paragraph 6, Abschnitt 4 des Anklagepunktes 1 der Anklageschrift in diesem Verfahren, wie auch im Abschnitt 4 der Eröffnungserklärung des Hauptanklagevertreters der Sowjetunion, General Rudenko, enthalten.
Unter den vielen verbrecherischen Kriegen, die der deutsche Faschismus gegen freiheitliebende Nationen in raublustiger Absicht geführt hat, nimmt der Angriff auf die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken eine Sonderstellung ein.
Es kann mit Sicherheit gesagt werden, daß der räuberische Angriff auf die Sowjetunion die Schlüsselstellung der gesamten faschistischen Verschwörung gegen den Frieden einnimmt. Alle Angriffshandlungen des deutschen Faschismus vor dem Angriff auf die USSR, und insbesondere der deutsche Angriff auf die Tschechoslowakei, Polen und Jugoslawien, waren, wie mein Kollege, Oberst Pokrowsky, ausgeführt hat, nur Schritte auf dem Wege zum Angriff auf die Sowjetunion.
Der ukrainische Weizen, die Kohle des Donbeckens, das Nickel der Kola-Halbinsel und das kaukasische Öl, sowie die fruchtbaren Steppen des Wolgagebietes und die Wälder Weiß-Rußlands spielten in den verbrecherischen Plänen der faschistischen Eindringlinge eine entscheidende Rolle.
Der Krieg gegen die USSR wurde von dem faschistischen Deutschland auch mit der Absicht der Versklavung und Ausbeutung der Sowjetvölker geführt.
In dem Krieg des faschistischen Deutschlands gegen die Sowjetunion fand der tierische Haß der Hitleristen gegen die slawischen Völker seinen ganzen furchtbaren Ausdruck.
Und schließlich sah der deutsche Imperialismus, diesmal in einer faschistischen Gestalt, in der Eroberung der Reichtümer der Sowjetunion und seiner unzähligen Rohstoff- und Nahrungsmittelvorräte die Grundlage für die Verwirklichung seiner weitreichenden Angriffspläne, um zuerst die Vorherrschaft in Europa und später in der ganzen Welt zu erringen.
Das wohlbekannte Schlagwort des deutschen Imperialismus »Drang nach Osten«, das in der Eröffnungserklärung des Hauptanklagevertreters der Sowjetunion erwähnt wurde, ist zu verschiedenen Zeiten von den faschistischen Verbrechern auf verschiedene Weise ausgelegt worden, aber immer wurde in ihren Angriffsplänen dem Angriff auf die Sowjetunion ein hervorragender Platz eingeräumt.
Hitler schrieb in seinem Buch »Mein Kampf«, das dem Gerichtshof bereits vorliegt:
»Wenn wir aber heute in Europa von neuem Grund und Boden reden, können wir in erster Linie nur an Rußland und die ihm Untertanen Randstaaten denken. Wir stoppen den ewigen Germanenzug nach dem Süden und Westen Europas und weiten den Blick nach dem Land im Osten.«
Hitler »Mein Kampf«, Münchener Ausgabe 1930, Seite 742. Die Tatsache, daß Hitler, nachdem er schließlich den faschistischen Angriff im Jahre 1939 entfesselt hatte, den Krieg im Westen begann, hat diese grundlegende Auffassung des Faschismus nicht wesentlich geändert.
Als Dokument 789-PS hat die Amerikanische Anklagevertretung dem Gerichtshof das Protokoll einer Besprechung vorgelegt, die zwischen Hitler und den Angehörigen des deutschen Oberkommandos am 23. November 1939 stattgefunden hat. In dieser Besprechung hat Hitler, um seine eigenen Worte zu gebrauchen, einen »Einblick in die Gedankenwelt, die mich angesichts der bevorstehenden Ereignisse beherrscht«, gegeben. Die Stelle, die ich jetzt zitieren werde, befindet sich auf Seite 3 der vor Ihnen liegenden Dokumentenmappe.
Im Laufe dieser Übersicht sagte er:
»Ich habe lange gezweifelt, ob ich erst im Osten und dann erst im Westen losschlagen sollte«,...
und weiter:
»Zwangsläufig wurde entschieden, daß der Osten zunächst zum Ausfall gebracht wurde.«
Diese Erklärung Hitlers legt dafür Zeugnis ab, daß der Angriff auf die Sowjetunion in den Plänen der faschistischen Angreifer niemals fallen gelassen wurde, und daß die ganze Frage nur auf das Problem hinauslief, den günstigsten Augenblick für den Angriffsplan zu finden.
Es muß hierbei festgestellt werden, daß diese »westliche« Variante des Beginns des faschistischen Angriffs von ihren Autoren nicht als die günstigste Version betrachtet wurde.
Der gleiche Hitler sagte, genau 5 Monate vor der Besprechung, die ich gerade erwähnt habe, in einer anderen Zusammenkunft, und zwar am 23. Mai 1939, das ist das Dokument der Amerikanischen Anklagevertretung L-79, als er seine Helfershelfer über die gegenwärtige Lage und die politischen Ziele unterrichtete, folgendes, Seite 6 des Dokumentenbuches:
»Zwingt uns das Schicksal zur Auseinandersetzung mit dem Westen, ist es gut, einen größeren Ostraum zu besitzen.«
Dem Plane der Hitler-Verschwörer nach sollten die weiten Räume des Ostens eine entscheidende Rolle in dem Konflikt mit dem Westen spielen.
Und als daher die faschistischen Horden den Kanal zu überschreiten nicht imstande waren und an seinen Ufern stehengeblieben waren, mußten sie neue Wege für weitere Angriffe suchen. Sie begannen, sich sofort für einen Angriff auf die Sowjetunion vorzubereiten, da dies der grundlegende Teil aller ihrer Angriffspläne war, ohne den diese nicht verwirklicht werden konnten.
Ich glaube, daß es unnötig ist, auf die Dokumente eines früheren Zeitabschnittes zu verweisen und insbesondere noch weiter aus Hitlers Buch »Mein Kampf« zu zitieren, wo die Fragen, die im Zusammenhang mit dem Raubüberfall auf die Sowjetunion standen, schon lange vor 1939 formuliert wurden.
Dieses Buch ist dem Gerichtshof seinerzeit vorgelegt worden und entsprechende Abschnitte daraus wurden als Beweismaterial von unseren amerikanischen und britischen Kollegen zitiert.
Die Sowjetische Anklagebehörde beabsichtigt, dem Gerichtshof eine Reihe von Dokumenten vorzulegen, die den geplanten Angriff des faschistischen Deutschlands auf die USSR bestätigen.
Unter diesen Dokumenten befinden sich Schriftstücke aus verschiedenen Archiven, die von Einheiten der Roten Armee auf ihrem Vormarsch erbeutet wurden, Presseerklärungen der faschistischen Führer, darunter auch solche, die von einigen der Angeklagten gemacht wurden, sowie Aussagen von Personen, die verläßliche Informationen darüber besaßen, wie die Vorbereitung für den Angriff auf die Sowjetunion tatsächlich durchgeführt werden sollte.
Die Dokumente der Sowjetischen Anklagebehörde werden in folgender Reihenfolge vorgelegt werden:
1. Kriegsvorbereitung innerhalb Deutschlands,
2. Sicherstellung der Kriegsvorbereitung durch die Tätigkeit des Nachrichtendienstes,
3. Sicherstellung der Teilnahme der Satellitenländer an dem Angriff gegen die Sowjetunion von seiten der faschistischen Verschwörer.
Ich beginne mit dem ersten Abschnitt: Kriegsvorbereitungen innerhalb Deutschlands:
Die Erklärungen Hitlers und seiner Helfershelfer zeigen, daß der Plan eines verbrecherischen Angriffs auf die USSR schon seit langer Zeit in den Köpfen der faschistischen Verschwörer gereift war. Aber abgesehen von dieser Tatsache interessiert uns auch die Frage, wann diese Absichten die konkrete Form unmittelbarer militärischer Vorbereitungen für den räuberischen Krieg gegen die Sowjetunion angenommen haben. Die dem Gerichtshof schön bekannte Weisung Nummer 21, Plan »Barbarossa«, hat am 18. Dezember 1940 die amtliche Formulierung erhalten. Dieses Dokument wurde von der Amerikanischen Anklagebehörde als Dokument 446-PS vorgelegt.
Wenn die Unterschrift des Oberkommandos auf einem derartigen Dokument erscheint, dann ist der Augenblick gekommen, der die lange und intensive Arbeit aller Teile der militärischen Stellen krönt.
Diese Arbeit braucht nicht immer durch schriftliche Befehle angeordnet zu werden. Ihre Geheimhaltung hat es oft notwendig gemacht, sich auf mündliche Befehle zu beschränken. Und im Gegenteil, viele Befehle in einer im Laufe befindlichen Angelegenheit erhalten infolge eines bereits bestehenden strategischen Planes erst die nötige Richtung, obwohl sie rein äußerlich keinen Zusammenhang mit diesen strategischen Plänen zu haben scheinen.
Es scheint deshalb, daß bezüglich der Feststellung des tatsächlichen Augenblicks, in dem die militärischen Pläne zum Angriff auf die Sowjetunion begannen...
VORSITZENDER: General Zorya, wie der Gerichtshof bemerkt, beabsichtigen Sie eine Erklärung General Warlimonts vorzulesen. Dem Gerichtshof ist bekannt, daß dieser General sich in Nürnberg aufhält und ist der Ansicht, daß entsprechend dem Beschluß, den der Gerichtshof vor einigen Tagen in einem anderen Fall gefaßt hat, Sie darauf vorbereitet sein müssen, General Warlimont zum Kreuzverhör durch die Verteidiger erscheinen zu lassen, falls Sie diese Erklärung benützen wollen.
GENERALMAJOR ZORYA: Ich werde einen Auszug aus General Warlimonts Aussagen bald vortragen. Dieses Verhör ist von dem Sowjet-Anklagevertreter General Alexandrow durchgeführt worden, und sollte die Verteidigung auf einem Kreuzverhör des Generals Warlimont hier vor dem Gerichtshof bestehen, so wird die Sowjetische Anklagebehörde ihrerseits alles unternehmen, um dem Wunsch der Verteidigung zu entsprechen.
VORSITZENDER: Selbstverständlich unter der Voraussetzung, daß ich mich nicht irre, wenn ich sage, daß Warlimont in Nürnberg zur Verfügung steht. Bitte, fahren Sie fort!
GENERALMAJOR ZORYA: Ich sprach also davon, daß es zur Feststellung des genauen Zeitpunkts des Beginns der militärischen Vorbereitungen des Angriffs auf die Sowjetunion zweckmäßig erscheint, nicht nur Dokumente zu benützen, da nicht alles auf dem Papier festgelegt wird, sondern auch die Aussagen der Personen heranzuziehen, die unmittelbar mit der Verwirklichung dieser Vorbereitungen beschäftigt waren.
Ich möchte hier diejenigen Aussagen von Walter Warlimont vorbringen, über die Sie, Herr Vorsitzender, soeben sprachen. Diese Aussagen wurden von Warlimont am 13. November 1945 gemacht.
Ich lege dieses Dokument als Beweismittel USSR- 263 vor.
Walter Warlimont war bekanntlich der Chef der Abteilung Verteidigung im OKW und später stellvertretender Chef des Wehrmachtführungsstabes.
Ich verlese den Teil der Aussage, der sich auf die uns vorliegende Frage bezieht. Ich bitte, die Seite 2 des russischen Textes aufzuschlagen, die der Seite 20 des Ihnen vorliegenden Dokumentenbuches entspricht.
Warlimont sagt auf die Fragen der Anklagebehörde folgendes aus:
»Ich persönlich erfuhr von diesem Plan am 29. Juli 1940. An diesem Tage ist Generaloberst Jodl in dem Extrazug in Bad Reichenhall eingetroffen, wo sich auch die Abteilung ›L‹ des Wehrmachtführungsstabes befand. Hitler war in Berchtesgaden. Dies war uns gleich aufgefallen, da Generaloberst Jodl vorher uns kaum jemals einen Besuch abstattete. Außer mir hat er auch den drei höheren Offizieren befohlen zu erscheinen.«
Ich lasse jetzt einige Zeilen aus und gehe auf die dritte Seite des Protokolls über das Verhör von Warlimont über, die der Seite 21 des Dokumentenbuches entspricht:
»Ich kann sie nicht wörtlich wiederholen, aber der Sinn war folgender:
Jodl erklärte, daß sich der Führer für die Vorbereitung des Krieges gegen Rußland entschieden hätte. Der Führer begründete dies damit, daß der Krieg mit Rußland früher oder später kommen müsse und daß es besser sei, diesen Feldzug in Verbindung mit dem jetzigen Kriege durchzuführen, oder in jedem Falle die Vorbereitungen zu diesem Krieg zu treffen.«
Ich lasse einige Zeilen aus, die keine Bedeutung für die uns interessierende Frage haben, und fahre fort:
»Hierbei oder bei einer späteren Gelegenheit erklärte Jodl, daß Hitler beabsichtige, den Krieg schon im Herbst 1940 gegen die Sowjetunion anzufangen. Später aber hat er diesen Plan aufgegeben. Die Ursachen waren folgende: Der Aufmarsch der Armee konnte zu dieser Zeit noch nicht durchgeführt werden. Zu diesem Zweck fehlten die nötigen Voraussetzungen in Polen: Eisenbahnen, Unterkünfte, die Brücken waren nicht für den Vormarsch der schweren Panzer vorbereitet, Verbindun gen, Flugplätze, dies alles war noch nicht organisiert... Es wurde daher ein Befehl erlassen, der alle Voraussetzungen für die Vorbereitung und Durchführung eines solchen Feldzuges schaffen sollte.«
Auf die Frage der Anklagebehörde darüber, ob dies der Befehl vom 9. August 1940 sei, der »Aufbau Ost« genannt wurde, antwortete Warlimont:
»Ja. Der Befehl wurde im Führungsstab nach den Weisungen von General Jodl ausgearbeitet....
... da nach der Meinung von General Jodl die Zusammengruppierung nur dann geschehen konnte, wenn alle in dem Befehl angegebenen Vorbereitungen erfüllt waren.«
Weiter erklärte Warlimont in seiner Aussage, daß die Vorstudie zum Plan »Barbarossa« zunächst als Plan »Fritz« bezeichnet, Hitler am 5. Dezember 1940 vorgetragen und nach seiner redaktionellen Bearbeitung am 18. Dezember herausgegeben wurde.
Ich glaube, daß die Aussage eines früheren Feldmarschalls der deutschen Armee, wie Friedrich Paulus, der unmittelbar Anteil sowohl an den Vorbereitungen als auch an der Durchführung des Plans »Barbarossa« genommen hat, für die Untersuchung dieses Falles von beachtlicher Hilfe sein kann.
Ich lege diese Aussage von Friedrich Paulus vom 9. Januar 1946, die in einem Kriegsgefangenenlager angefertigt wurde, als Dokument USSR-156 vor und beantrage, daß sie als Beweismittel zugelassen wird.
DR. NELTE: Herr Präsident, ich möchte nur bemerken, daß ich bezüglich Paulus diese Urkunde nicht besitze. Es scheint aber so, als ob es sich um eine gleiche Erklärung handelt, die den Verteidigern noch nicht zugestellt werden konnte. Wenn die Sowjetische Anklagebehörde mir nun die Erklärung jetzt geben könnte, würde ich dann entscheiden, ob ich den Einspruch in der Form, wie ich ihn allgemein am Anfang dieser Sitzung eingelegt habe, jetzt zur Entscheidung vorlegen könnte.