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[Generalmajor Zorya tritt an das Rednerpult.]

Herr General, ich nehme an, daß Sie es nicht für notwendig halten, noch irgendetwas aus den Aussagen des Feldmarschalls Paulus zu verlesen, nicht wahr?

GENERALMAJOR ZORYA: Nein.

VORSITZENDER: Sehr gut, fahren Sie dann fort!

GENERALMAJOR ZORYA: Ich bin bei der Feststellung des Zeitpunktes, an dem die Vorbereitungen für den verbrecherischen Überfall des faschistischen Deutschlands auf die Sowjetunion getroffen wurden, angelangt und möchte den Gerichtshof daran erinnern, daß in der Morgensitzung des 30. November 1945 der Zeuge Lahousen vernommen wurde, dessen Aussagen von besonderem Interesse in unserem Falle sind.

Unter anderem hat dieser Zeuge bei der Aufzählung der engsten Mitarbeiter des Admirals Canaris, des Chefs der deutschen Auslandsnachrichten- und Abwehrstelle, den Namen Pieckenbrock erwähnt.

Ich lege dem Gerichtshof als Nummer USSR-228 das Zeugnis des ehemaligen Chefs der Abteilung I Ausland/Abwehr, Generalleutnant Hans Pieckenbrock, des früheren Chefs und Mitarbeiters von Lahousen, vor. Pieckenbrock machte diese Zeugenaussage am 12. Dezember 1945 in Moskau in der Form, wie sie von den sowjetischen Gesetzen vorgeschrieben ist.

Vorläufig möchte ich nur einige Zeilen aus der Aussage Pieckenbrocks verlesen, die sich auf diese Dinge beziehen. Diese Zeilen befinden sich auf der ersten Seite des russischen Textes seiner Aussagen und sind rot unterstrichen. In Ihrem Dokumentenbuch sind sie auf Seite 34.

»Allerdings«, sagte Pieckenbrock, »hatte die Abteilung Fremde Heere Ost im Generalstab des Heeres ab August-September 1940 ihre Spionageaufträge betr. die USSR an die Abwehr wesentlich vermehrt. Diese Aufträge standen ohne Zweifel im Zusammenhang mit den Vorbereitungen des Krieges gegen Rußland. Genaueres habe ich im Januar 1941 über den Zeitpunkt des deut schen Angriffs gegen die Sowjetunion erfahren, und zwar durch Canaris. Welche Quellen Canaris dabei benutzte, weiß ich nicht, aber er hat mir gesagt, daß der Angriff gegen die Sowjetunion auf den 15. Mai festgesetzt sei.«

Die Sowjetische Anklage besitzt auch die Erklärungen des Chefs der Abteilung III der Deutschen Abwehr, des Generalleutnants der früheren Deutschen Wehrmacht, Franz von Bentivegni, vom 28. Dezember 1945. Ich lege diese Aussage dem Gerichtshof als USSR-230 vor.

Zunächst will ich nur diejenigen Stellen der Aussage von Bentivegni verlesen, die mit Rotstift unterstrichen sind und die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Beginn der Vorbereitung für den Krieg gegen die Sowjetunion stehen.

Die ersten beiden Absätze der Erklärung stehen auf Seite 37 des Dokumentenbuches, das dem Gerichtshof vorgelegt wurde:

»Über die Vorbereitungen des militärischen Überfalls Deutschlands gegen die Sowjetunion habe ich erstmalig im August 1940 vom Chef der Deutschen Abwehr, Admiral Canaris, gehört. In dieser privaten Unterredung, die im Dienstzimmer von Canaris stattfand, eröffnete er mir, daß Hitler die Durchführung der Maßnahmen im Sinne der Verwirklichung des Feldzuges nach Osten, über den er bereits in einer Rede im Jahre 1938 vor den Gauleitern in Berlin gesprochen hätte, nunmehr beschlossen hat. Weiterhin sagte mir Canaris, daß schon jetzt diese Absicht Hitlers praktisch Gestalt annähme. Eine größere Anzahl deutscher Divisionen würde nämlich aus dem Westen an die Ostgrenze verlegt und gemäß einem besonderen Befehl Hitlers in die Nähe des gegen Rußland geplanten Aufmarschgebiets untergebracht.«

Das waren die ersten beiden Absätze der Aussagen Bentivegnis.

Und schließlich, um die Frage des tatsächlichen Zeitpunktes, zu dem militärische Vorbereitungen des faschistischen Deutschlands für den verräterischen Angriff auf die Sowjetunion getroffen wurden, abzuschließen, möchte ich einen Augenblick bei der Aussage des Generals Müller verweilen. Ich lege diese Aussage, die in einem Kriegsgefangenenlager aufgenommen wurde und vom 8. Januar 1946 stammt, dem Gerichtshof unter USSR-149 vor.

Alles Material, auf das ich mich bis jetzt berufen habe, stammt aus Kreisen der höchsten militärischen Stellen der deutschen Armee.

VORSITZENDER: Herr General, geht aus diesem Dokument des Generals Müller hervor, wo dieses Dokument verfaßt wurde und wo General Müller sich jetzt befindet?

GENERALMAJOR ZORYA: Auf der Photokopie steht das Datum in der Handschrift des Generals Müller, und dieses Datum ist der 8. Januar 1946.

VORSITZENDER: Wo?

GENERALMAJOR ZORYA: Wenn ich die Photokopie kurz ansehen darf, die ich dem Gerichtshof vorgelegt habe, werde ich sagen können, wo das Datum steht.

VORSITZENDER: Ja, aber es gibt viele Kriegsgefangenenlager; wir möchten wissen, welches Lager das ist und wo es sich befindet.

GENERALMAJOR ZORYA: In einem Lager unweit Moskau.

VORSITZENDER: Ist dies Dokument überhaupt mit irgendeiner beglaubigten Unterschrift versehen? Soweit wir es beurteilen können, ist das nicht einfach nur die Photokopie eines Schriftstückes das von irgendjemanden stammt?

GENERALMAJOR ZORYA: Herr Vorsitzender, dieses Dokument ist, wie auch alle anderen Dokumente, die bisher von der Sowjetischen Delegation vorgelegt worden sind, eine nicht beglaubigte Photokopie. In dem Bestreben, dem Wunsche des Gerichtshofs nachzukommen, hat die Sowjetrussische Delegation Maßnahmen getroffen, daß entweder die Originaldokumente oder die Beglaubigungen der Originale dieser Aussagen dem Generalsekretär des Gerichtshofs vorgelegt werden. Das Beweismaterial wird in kürzester Zeit in bester Ordnung dem Generalsekretär des Gerichtshofs vorgelegt werden.

VORSITZENDER: Können Sie uns sagen, wo sich der Schreiber dieses Schriftstückes jetzt befindet?

GENERALMAJOR ZORYA: Ich bin kaum in der Lage, noch mehr, als ich jetzt gesagt habe, anzugeben. Wenn der Gerichtshof mir gestattet, werde ich mich mit meinen Kollegen beraten, Erkundigungen einziehen und in kürzester Zeit dem Gerichtshof berichten, wo sich der General jetzt befindet.

VORSITZENDER: Gut, wir werden eine Pause einschalten, damit Sie Gelegenheit haben, Ihre Kollegen zu befragen.