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[Professor Dr. Exner nähert sich dem Rednerpult.]

VORSITZENDER: Dr. Exner, ich habe bereits dem Zeugen und den Verteidigern immer wieder mitgeteilt, daß es von größter Wichtigkeit ist, daß sie ihre Frage langsam stellen sollen, daß sie nur eine Frage auf einmal stellen sollen, und daß sie Pausen zwischen Frage und Antwort und zwischen Antwort und nächster Frage machen sollen. Wollen Sie bitte versuchen, diese Regel einzuhalten!

PROFESSOR DR. EXNER, VERTEIDIGER FÜR DEN ANGEKLAGTEN JODL:

[zum Zeugen gewandt]

Herr Zeuge, Sie haben im September 1940 im OKW die Ausarbeitung eines Operationsentwurfs gegen Rußland übernommen, beziehungsweise die Aufgabe erhalten, an dem schon begonnenen Entwurf weiterzuarbeiten. Wissen Sie, wie stark damals ungefähr die deutschen Kräfte im Osten waren?

PAULUS: Ich darf nur noch klarstellen, im OKH habe ich...

PROF. DR. EXNER: Ja, um das OKH handelt es sich.

PAULUS: Ich weiß es nicht mehr, wie stark die Kräfte damals im Osten waren. Es war zu der Zeit kurz nach Beendigung des Frankreichfeldzuges.

PROF. DR. EXNER: Sie wissen nicht, wieviel Divisionen ungefähr damals als Schutz der deutschen Grenzen im Osten standen?

PAULUS: Nein, ist mir nicht mehr erinnerlich.

PROF. DR. EXNER: Im Februar 1941 begannen unsere Transporte nach dem Osten. Können Sie sagen, wie stark damals die russischen Kräfte entlang der deutsch-russischen Demarkationslinie und der rumänischen Grenze gewesen sind?

PAULUS: Nein, das kann ich nicht sagen; die Nachrichten, die über Rußland und die russischen Kräfte eingelaufen waren, waren so außerordentlich lückenhaft und gering, daß wir sehr lange überhaupt kein Bild hatten.

PROF. DR. EXNER: Aber hat nicht Halder damals dem Führer mehrmals über die Stärke und Verteilung der russischen Kräfte vorgetragen?

PAULUS: Das ist möglich, ich kann mich daran nicht mehr erinnern, da ich auch ressortmäßig von diesem Zeitpunkt ab nicht mehr betraut war mit diesen Fragen, mit der theoretischen Entwicklung der Gedankengänge; im Dezember übernahm die Bearbeitung die Operationsabteilung des Heeres.

PROF. DR. EXNER: Sie haben damals Kriegsspiele veranstaltet?

PAULUS: Das war Anfang Dezember.

PROF. DR. EXNER: Ja, da werden Sie doch wohl zugrunde gelegt haben die Nachrichten, die Sie tatsächlich hatten über die Stärke des Gegners?

PAULUS: Das waren damals Annahmen.

PROF. DR. EXNER: Nun, Sie haben intensiv mitgearbeitet an diesem Operationsplan, haben durch Kriegsspiele ihn erprobt; sagen Sie mir, wodurch unterscheidet sich diese Art Ihrer Tätigkeit von der Tätigkeit Jodls?

PAULUS: Das unterliegt, glaube ich, nicht meinem Urteil.

PROF. DR. EXNER: Ich verstehe nicht. Diese Arbeit war eine generalstäblerische Arbeit, nicht?

PAULUS: Jawohl, es war eine Generalstabsarbeit, die mir von dem Generalstabschef zugewiesen wurde.

PROF. DR. EXNER: Ja, und die Tätigkeit Jodls als Chef des Wehrmachtführungsstabes...

PAULUS:... unterscheidet sich, glaube ich, dadurch, daß er an seiner Stelle den Gesamtüberblick hatte, während mir nur ein Ausschnitt, und zwar nur das, was zu meiner Bearbeitung notwendig war, vermittelt wurde.

PROF. DR. EXNER: Aber die Tätigkeit war in beiden Fällen eine generalstäblerische Vorbereitung des Kriegs, nicht wahr?

PAULUS: Ja.

PROF. DR. EXNER: Es würde mich noch etwas bezüglich Stalingrad interessieren. In Ihrer schriftlichen Aussage oder schriftlichen Erklärung haben Sie behauptet, Keitel und Jodl seien schuld an dem Kapitulationsverbot, das sich so tragisch ausgewirkt hat. Woher wissen Sie das?

PAULUS: Ich habe damit zum Ausdruck gebracht, daß es das Oberkommando der Wehrmacht ist, welches die Verantwortung dafür trägt, wobei es gleichgültig ist, ob das von einer Persönlichkeit unmittelbar ausgeht; jedenfalls liegt die Verantwortung bei der Dienststelle als solcher.

PROF. DR. EXNER: Also, Sie wissen jedenfalls nichts über eine persönliche Beteiligung dieser beiden genannten Herren, sondern Sie meinten nur...

PAULUS:... das Oberkommando der Wehrmacht, das durch diese Persönlichkeiten vertreten wird.

VORSITZENDER: Einen Augenblick. Der Übersetzer soll nicht jedesmal Frage und Antwort sagen, sondern nur den Text der Frage und der Antwort. Wenn immer Frage und Antwort gesagt wird, nimmt das zu viel Zeit des Übersetzers in Anspruch und macht das Übersetzen schwieriger. Das ist zumindest meine Meinung.

PROF. DR. EXNER: Sagen Sie, warum haben Sie nicht – als in Stalingrad die Lage so hoffnungslos und furchtbar wurde, wie Sie heute schon angedeutet haben – trotz des Gegenbefehls des Führers den Ausbruch versucht?

PAULUS: Weil mir es damals so hingestellt wurde, als ob durch das weitere Aushalten der von mir geführten Armee das Schicksal des deutschen Volkes abhinge.

PROF. DR. EXNER: Wissen Sie, daß Sie das Vertrauen Hitlers in besonderem Maße genossen haben?

PAULUS: Dies ist mir nicht bekannt.

PROF. DR. EXNER: Wissen Sie, daß er bereits bestimmt hatte, daß Sie der Nachfolger Jodls werden sollten, wenn Stalingrad erledigt wäre, weil er mit Jodl nicht mehr zusammenarbeiten wollte?

PAULUS: Das ist mir in dieser Form nicht bekannt geworden, sondern lediglich ein Gerücht, das in den Spätsommer fällt oder in den Frühherbst 1942, daß eine Umorganisation geplant sei in der Führung. Das ist ein Gerücht, das mir der Generalstabschef der Luftwaffe damals erzählt hatte; aber eine offizielle Orientierung ist mir darüber nicht geworden; dagegen eine andere Orientierung, daß ich die Armee abgeben, in der Führung einer neu zu errichtenden Heeresgruppe andere Verwendung finden sollte.

PROF. DR. EXNER: Können Sie sich an das Telegramm erinnern, welches Sie an den Führer sandten, als Sie in Stalingrad zum Feldmarschall ernannt worden sind?

PAULUS: Ich habe daraufhin kein Telegramm gesandt. Ich habe nach meiner Ernennung kein Telegramm gesandt.

PROF. DR. EXNER: Haben Sie in keiner Weise Ihren Dank zum Ausdruck gebracht?

PAULUS: Nein.

PROF. DR. EXNER: Das widerspricht Feststellungen, die andere gemacht haben. Herr Zeuge, Sie sollen Lehrer an der Kriegsakademie in Moskau sein oder gewesen sein? Ist das richtig?

PAULUS: Das ist auch nicht richtig.

PROF. DR. EXNER: Haben Sie eine andere Stellung in Moskau gehabt?

PAULUS: Ich bin vor dem Kriege niemals in Rußland gewesen.

PROF. DR. EXNER: Aber jetzt, seit der Gefangenschaft?

PAULUS: Ich bin, wie meine anderen Kameraden, in Kriegsgefangenenlagern gewesen.

PROF. DR. EXNER: Waren Sie Mitglied des deutschen Freiheitskomitees?

PAULUS: Ich bin Mitglied gewesen einer Bewegung deutscher Männer, Soldaten aller Dienstgrade und Männer aller Schichten, die es sich zur Aufgabe gestellt hatten, das deutsche Volk in dem letzten Augenblick noch vor dem Abgrund zurückzurufen und zum Sturz dieser Hitler-Regierung, die alles dieses Elend über die Völker und über unser deutsches Volk vor allem gebracht hat, aufzurufen.

Ich habe das getan in einem Aufruf vom 8. August 1944.

PROF. DR. EXNER: Waren Sie vorher in diesem Zusammenhang tätig?

PAULUS: Vorher bin ich nicht tätig gewesen.

PROF. DR. EXNER: Danke schön.

DR. LATERNSER, VERTEIDIGER FÜR GENERALSTAB UND OBERKOMMANDO: Ich habe nur noch wenige Fragen an den Zeugen zu richten.

Herr Zeuge, mußten Sie bei der Übernahme Ihres Amtes als Oberquartiermeister I nicht der Auffassung sein, daß diese Vorarbeiten, die bereits der Generalmajor Marx begonnen, und die Sie dann fortgesetzt haben, gedacht waren nur für den Eventualfall?

PAULUS: Man konnte auf diesen Gedanken natürlich kommen. Aber es stellten sich sehr bald im Laute der Arbeit ja Erscheinungen heraus, die es doch wahrscheinlich erscheinen ließen, daß diese theoretischen Vorbereitungen ihre praktische Anwendung finden sollen. Denn in Verbindung mit dieser operativen Ausarbeitung eines Offensivplanes, in dem ja auch schon von Anfang an mit der Ausnutzung des rumänischen Gebietes gerechnet wurde, in diese Zeit hinein fiel die erste Entsendung einer großen Militärmission mit Lehrgruppen einer ganzen Panzerdivision gerade in dieses Gebiet, wofür die ersten theoretischen Vorarbeiten für einen Offensivplan gerade angelaufen waren. Und so allmählich verdichteten sich die Eindrücke, daß es sich um einen tatsächlich später auszuführenden Plan handelte.

DR. LATERNSER: Herr Zeuge, ich bezwecke mit meiner Frage folgendes: Ich glaube, daß der Zeitpunkt, den Sie angegeben haben, daß also der Angriffsplan bereits seit Herbst 1940 bestanden hat, als etwas zu früh angegeben ist?

PAULUS: Die Unterlagen, die mir für diesen Offensivplan gegeben waren, habe ich gestern eingehend auseinandergesetzt. Sie lagen am 3. September vor. Denn genau auf der Basis dieser Unterlagen ist alles entwickelt worden und hat sich tatsächlich auch nachher in der Praxis abgespielt.

DR. LATERNSER: Ich meine folgendes: Daß zunächst dieser Plan gedacht war für den Eventualfall, der dann zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Entschluß umgeändert worden ist?

PAULUS: So, wie die rückschauende Betrachtung ergibt, ist es ein vollkommenes Ineinanderfließen dieser theoretischen Vorarbeit und nachher der praktischen Vorbereitung und Durchführung.

DR. LATERNSER: Kennen Sie die Weisung Nummer 13 des früheren Obersten Befehlshabers der Wehrmacht vom 12. November 1940?

PAULUS: Ist mir nicht erinnerlich.

DR. LATERNSER: Herr Präsident, ich beziehe mich nunmehr auf das bereits von der Amerikanischen Anklagebehörde überreichte Dokument 444-PS.