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[Zum Zeugen gewandt]:

Ich lege es Ihnen vor. Es kommt Seite 8 in Betracht.

[Dem Zeugen wird das Dokument vorgelegt.]

PAULUS: Ich kann mich nicht erinnern, davon früher Kenntnis gehabt zu haben.

DR. LATERNSER: Zur Orientierung des Gerichtshofs verlese ich den Abschnitt; er ist ganz kurz, den ich soeben dem Zeugen vorgehalten habe. Es handelt sich um Seite 8 des Dokuments 444-PS. Dieser Absatz lautet:

»5. Rußland. Politische Besprechungen mit dem Ziel, die Haltung Rußlands für die nächste Zeit zu klären, sind eingeleitet.«

[Zum Zeugen gewandt]:

Herr Zeuge, nachdem Sie von diesem Absatz Kenntnis genommen haben, werden Sie doch meiner Meinung Recht geben müssen, daß der Zeitpunkt, von dem an der Entschluß gefaßt worden ist, die Sowjetunion anzugreifen, zeitlich später gelegen haben muß, als wie Sie gestern angegeben haben?

PAULUS: Ich kann nur das aus meinem persönlichen Erleben und meiner persönlichen Auffassung sich Ergebende bei der rückschauenden Betrachtung erklären, daß, wenn ich diesen ganzen Werdegang verfolge, es ein klarer und fortlaufender Plan war, von der Aufstellung dieses Planes, am 3. September beginnend, bis nachher über die Weisung vom 21. Dezember bis zu seiner praktischen Realisierung. An welchem genau, präzis meßbaren Zeitpunkt der endgültige Entschluß gefaßt worden ist, entzieht sich natürlich meiner Kenntnis.

DR. LATERNSER: War Ihnen bekannt, daß im Jahre 1939 die Sowjetunion mit unverhältnismäßig starken Kräften damals in Polen einmarschiert ist, die nach Meinung der deutschen militärischen Sachverständigen in keinem Verhältnis zu der zu lösenden militärischen Aufgabe gestanden haben?

PAULUS: Über die Stärke des Einmarsches war ich nicht im Bilde, lediglich über die Tatsache. Ich habe aber nie etwas gehört über das Erstaunen über die Stärke der Kräfte, die dort zum Einmarsch gekommen sind; es ist mir nie zu Ohren gekommen.

DR. LATERNSER: Wissen Sie, daß bereits vor dem deutschen Aufmarsch an der Ostgrenze weitüberlegene sowjetrussische Kräfte an der Ostgrenze standen, insbesondere sehr starke Panzerkräfte im Raume Bialystok?

PAULUS: Nein, in dieser Form ist mir das nicht bekannt geworden.

DR. LATERNSER: Wurden die ersten Divisionen vom Westen nach Osten nicht erst dann verlegt, nachdem bereits sehr starke sowjetrussische Kräfte an der Ostgrenze standen?

PAULUS: Über die Zusammenhänge der Truppenbewegungen und Verschiebungen vom Westen nach dem Osten mit der praktischen Durchführung bin ich nicht im Bilde, da ich an der praktischen Bearbeitung nicht teilgenommen habe und vor allen Dingen in den Monaten April und Mai nur sehr kurz im Oberkommando des Heeres infolge anderer Verwendung anwesend gewesen bin.

DR. LATERNSER: Herr Zeuge, Sie sagten gestern aus, daß Ihnen in einer Ende März 1941 stattgefundenen Besprechung, und zwar in der Reichskanzlei, von Generaloberst Halder als Gründe für den Angriff, für den beabsichtigten Angriff auf Jugoslawien, verschiedene Punkte angegeben worden sind. Sie nannten dabei erstens die Ausschaltung der Flankenbedrohung, zweitens die Inbesitznahme der Bahnlinie Nisch. Und drittens insbesondere den Umstand, daß man, im Falle eines Angriffs gegen Rußland, die rechte Schulter frei habe.

PAULUS: Ja.

DR. LATERNSER: Waren die Gründe für diesen Angriff nicht andere, also Gründe, die mehr vorgewogen haben, als die von Ihnen angegebenen?

PAULUS: Mir sind keine anderen bekannt.

DR. LATERNSER: Sollte mit diesem Angriff auf Jugoslawien nicht den Italienern Entlastung gebracht werden?

PAULUS: Ja, natürlich, auch das ist ja der Ausgangspunkt gewesen, weshalb eine Operation gegen Griechenland in Frage kam und weshalb dann diese Flankenbedrohung für einen Stoß aus Bulgarien nach Griechenland ausgeschaltet werden sollte.

DR. LATERNSER: Bestand damals nicht auch die Befürchtung der Verbindung zwischen Jugoslawien und Griechenland, wodurch dann England wiederum in die Lage versetzt worden wäre, an der griechischen Küste zu landen und damit eine Absprungbasis gegen die Ölgebiete von Rumänien erhalten hätte?

PAULUS: Jawohl, aber auch den Angriff, den Fall »Barbarossa«, unmöglich gemacht hätte, der dann in seiner rechten Flanke bedroht und offen gewesen wäre.

DR. LATERNSER: Ich bin nämlich anders orientiert worden. Der Fall »Barbarossa« hätte bei dem Entschluß, Jugoslawien anzugreifen oder nicht, nicht die wesentliche Rolle gespielt, die Sie gestern diesem Angriff beigemessen haben.

PAULUS: Es war gar nicht durchführbar, wenn das Gebiet von Griechenland und Serbien, womöglich noch nach englischer Landung, Verstärkung und Besatzung, in Feindeshand kam.

VORSITZENDER: Vielleicht könnte man jetzt vertagen?