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[Pause von 10 Minuten.]

VORSITZENDER: Ich habe gehört, daß die Dolmetscher die Worte »Frage« und »Antwort« zur Unterstützung des Gerichtsstenographen und der Presse gebrauchen. Aus diesem Grunde gebe ich die Erlaubnis, daß die Dolmetscher die Worte »Frage« und »Antwort« weiterhin benutzen. Diese Tatsache läßt noch deutlicher erkennen, daß das wirkliche Mittel, die Schwierigkeiten zu beheben, in der Pause, die Anwalt und Zeuge nach jeder Frage, beziehungsweise nach jeder Antwort eintreten lassen müssen, besteht. Der Gerichtshof glaubt, daß Anwalt und Zeuge imstande sein sollten, zu hören, wann die Übersetzung der Frage erfolgt ist, dann kann der Zeuge seine Antwort erteilen; wenn die Übersetzung der Antwort stattgefunden hat, was der Anwalt hören kann, dann kann er die folgende Frage stellen. Ist es klar, was ich meine?

DR. LATERNSER: Herr Zeuge, wir sprachen gerade von dem Angriff auf Jugoslawien, und wenn ich Sie recht verstanden habe, sagten Sie, daß dieser Angriff unbedingt durchgeführt werden mußte, bevor das Unternehmen »Barbarossa« begann, weil andernfalls eine starke Flankenbedrohung vorgelegen haben würde. Habe ich Sie so recht verstanden?

PAULUS: Jawohl.

DR. LATERNSER: Nun sagten Sie gestern, daß der Umsturz in Jugoslawien Hitler zum Angriff auf Jugoslawien veranlaßt habe. Wissen Sie, ob solche Angriffspläne auch bestanden haben vor diesem Umsturz?

PAULUS: Das ist mir nicht bekannt.

DR. LATERNSER: Wissen Sie vielleicht, daß gerade das Angriffsunternehmen gegen Jugoslawien sehr ungelegen kam und daß dadurch sogar eine Verzögerung im Angriffsbeginn gegen die Sowjetunion erfolgte?

PAULUS: Das habe ich selber gestern ausgeführt. Eine Verschiebung des Angriffsbeginns, den man sich ungefähr für Mitte Mai gedacht hatte, wenn die Witterungsverhältnisse es zuließen.

DR. LATERNSER: Aber da besteht doch dann ein gewisser Widerspruch, wenn Sie sagen, daß der Angriff gegen Jugoslawien zu jener Zeit vorgenommen worden ist, obwohl er unbequem war, wenn der Angriff gegen Rußland gestartet werden sollte.

PAULUS: Ich sehe keinen Widerspruch darin. Soweit die Lage sich mir darstellte, war es doch so, daß mit der ursprünglichen Jugoslawischen Regierung ein Abkommen getroffen wurde, oder eine Vereinbarung, die die Bahnlinie Belgrad nach Nisch zur Verfügung stellen sollte, und daß, nachdem diese Vereinbarungen gerade getroffen waren, nun in Jugoslawien ein Umsturz kam, der eine Politik in andere Richtung erwarten ließ; daß man daher glaubte, zu diesem Mittel des Angriffs und der Ausschaltung einer Gefahr greifen zu müssen. Ich sehe also in dem Entschluß, Jugoslawien anzugreifen und die Verzögerung »Barbarossa« damit in Kauf zu nehmen, nicht einen Widerspruch, sondern nur in dem einen eine Vorbedingung für die Durchführung des anderen.

DR. LATERNSER: Herr Zeuge, waren Sie bei der Besprechung des Generalstabs am 3. Februar 1941 auf dem Obersalzberg zugegen?

PAULUS: Jawohl.

DR. LATERNSER: Wissen Sie, daß damals die Stärke des sowjetrussischen Aufmarsches mit 100 Schützendivisionen, 25 Kavalleriedivisionen und 30 mechanisierten Divisionen vorgetragen wurde, und zwar, wie ich glaube, von Generaloberst Halder?

PAULUS: Ich kann mich nicht mehr daran erinnern; ich bin mir auch nicht sicher, ob der Generaloberst Halder selbst bei diesem Vortrag zugegen war.

DR. LATERNSER: Aber Herr Zeuge, eine derartige Besprechung ist doch sicher eine ungewöhnliche Besprechung gewesen...

PAULUS: Ja.

DR. LATERNSER:... und ich glaube, daß man von dieser Besprechung mindestens doch den Eindruck mitgenommen haben müßte, daß es sich um einen sehr starken Aufmarsch an der Ostgrenze handelt.

PAULUS: Ich habe jedenfalls diesen Eindruck nicht mehr in meiner Erinnerung.

DR. LATERNSER: Bei Beginn des Angriffs gegen die Sowjetunion waren Sie noch Oberquartiermeister I?

PAULUS: Jawohl.

DR. LATERNSER: Soweit ich nun in der Zwischenzeit orientiert worden bin, gehörte es zum Aufgabengebiet Ihrer Dienststellung, positive Vorschläge hinsichtlich Landoperationen zu machen; ist das richtig?

PAULUS: Das war einmal bei einer anderen Diensteinteilung. Zu der Zeit, als ich Oberquartiermeister war, war diese Funktion mir nicht zugewiesen. Die Operationsabteilung unterstand nicht mir, sondern unmittelbar dem Generalstabschef persönlich. Von den Generalstabsabteilungen ist mir zuerst die Ausbildungsabteilung, dann die Organisationsabteilung erst im Herbst 1941 unterstellt worden. Es lag also nicht in meinem Aufgabenbereich, für die im Gange befindlichen oder anderen Operationen für den Chef des Generalstabs Operationsvorschläge zu machen, sondern ich hatte lediglich die mir zugewiesenen Sonderaufgaben auszuführen.

DR. LATERNSER: Herr Zeuge, können Sie darüber Auskunft geben, wie die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion behandelt werden?

PAULUS: Diese Frage, über die so eine unglaubliche Propaganda getrieben worden ist in den Kreisen, die auch in dem Kessel von Stalingrad zu dem Selbstmord so vieler deutscher Offiziere und Mannschaften geführt hat, habe ich mich verpflichtet gesehen, im Interesse der Wahrheit...

VORSITZENDER: Einen Augenblick! Das Kreuzverhör hat sich nur mit den Fragen zu befassen, die sich auf die vom Gerichtshof behandelten Angelegenheiten beziehen, oder auf solche, die sich mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen beschäftigen. Fragen, die sich auf die Behandlung von Gefangenen in der Sowjetunion beziehen, haben nichts damit zu tun, was der Gerichtshof hier behandelt, und sie sind für die Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht erheblich. Aus diesem Grund läßt sie der Gerichtshof nicht zu.

DR. LATERNSER: Herr Präsident, darf ich zur Begründung meiner Frage eine kurze Ausführung machen?

VORSITZENDER: Jawohl.

DR. LATERNSER: Ich möchte die Frage nur deswegen gestellt haben, um festzustellen, wie tatsächlich die Behandlung der Kriegsgefangenen gehandhabt wird, damit viele deutsche Familien, die darüber sich Sorgen machen, auf diese Weise Aufschluß darüber bekommen, damit ihnen die Sorge genommen würde.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß das eine Angelegenheit ist, mit der sich der Gerichtshof nicht zu befassen hat.

DR. LATERNSER: Ich habe keine weiteren Fragen mehr.

DR. FRITZ, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN FRITZSCHE: Herr Zeuge, kennen Sie den Angeklagten Fritzsche?

PAULUS: Jawohl, ich kenne ihn.

DR. FRITZ: Wissen Sie, daß er im Sommer und Herbst 1942 bei Ihrer Armee war?

PAULUS: Jawohl.

DR. FRITZ: Herr Zeuge, im Laufe dieses Prozesses ist über den, wie ich höre, auch von Ihnen scharf verurteilten Befehl des OKW verhandelt worden, nach welchem alle gefangenen Kommissare der russischen Armee zu erschießen waren. Ist Ihnen dieser Befehl bekannt?

PAULUS: Ist mir bekannt geworden.

DR. FRITZ: Erinnern Sie sich, daß der Angeklagte Fritzsche, nachdem er durch seinen Einsatz im Osten von dem Befehl Kenntnis erlangt hatte, Ihnen und Ihren Ic Offizieren vorschlug, diesen Befehl für den Bereich Ihrer Armee aufzuheben?

PAULUS: Ich kann mich an diesen Vorgang nicht erinnern; ich halte es für durchaus möglich, daß Herr Fritzsche über diese Frage mit dem Armee-Oberkommando gesprochen hat; aber zu dem Zeitpunkt, als ich die Armee übernahm, am 20. Januar 1942, ist dieser Befehl in meinem Bereich nicht ausgeführt worden. Soviel ich weiß, ist dieser Befehl, der in der Praxis nicht zur Durchführung gelangte, dann auch aufgehoben worden.

DR. FRITZ: Vielleicht zur Unterstützung Ihres Gedächtnisses eine weitere Frage: Erinnern Sie sich vielleicht, daß Fritzsche Ihnen oder Ihren Ic Offizieren vorschlug, Flugblätter entsprechenden Inhalts über der russischen Front abzuwerfen?

PAULUS: Ich persönlich kann mich nicht daran erinnern, halte es aber für durchaus möglich, daß diese Besprechung mit dem Ic, der dafür das zuständige Ressort war, erfolgt ist.

DR. FRITZ: Dann nur noch eine letzte Frage. Soweit Sie die Persönlichkeit des Angeklagten Fritzsche kennen, halten Sie es für durchaus möglich und wahrscheinlich, daß er diesen Vorschlag gemacht hat?

PAULUS: Das halte ich für durchaus möglich.

DR. SERVATIUS, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SAUCKEL, VERTEIDIGER FÜR DAS KORPS DER POLITISCHEN LEITER: Herr Zeuge, Sie haben in Ihrer Stellung Hitler bis zuletzt in jeder Weise unterstützt, trotzdem Sie Kenntnis der Wahrheit hatten, daß ein Angriffskrieg geführt wurde. Wie weit konnten hiervon die Politischen Leiter wissen?

PAULUS: Auf diese Frage kann ich keine Auskunft geben, da sich das meiner Kenntnis entzieht.

DR. SERVATIUS: Was verstehen Sie unter Politischen Leitern?

PAULUS: Darf ich die Frage zurückstellen, was der Herr Verteidiger unter Politischen Leitern, über die er diese Frage stellt, verstanden wissen will?

DR. SERVATIUS: Herr Zeuge, der Aufbau der Partei scheint Ihnen nicht geläufig zu sein. Es gibt eine Organisation der Politischen Leiter, die hier unter Anklage gestellt ist, das heißt, sie soll für verbrecherisch erklärt werden, und zwar in dem Umfang, daß die Reichsleiter bis herunter zum Blockleiter bestraft werden können wegen Teilnahme an einem Komplott zu all diesen Handlungen, die hier unter Anklage gestellt sind. Diese Organisation der Politischen Leiter setzt sich zahlenmäßig etwa so zusammen, daß 93 Prozent davon Ortsgruppenleiter mit ihrem Stabe und allen ihren Nachgeordneten sind.

VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß Sie den Zeugen darüber befragen können, er weiß nichts darüber. Die Anklage gegen die Politischen Leiter haben mit diesem Zeugen nichts zu tun. Ich glaube nicht, daß dies überhaupt ein geeignetes Kreuzverhör ist.

DR. SERVATIUS: Herr Präsident, ich wollte ihn fragen, wie weit diese Politischen Leiter die Kenntnis hatten, und die nächste Frage stellen, ob er sich bewußt ist, daß er als Zeuge in seiner Stellung wesentlich dazu beigetragen hat, daß diese Leute, die Politischen Leiter, Hitler unterstützten, im Glauben an die Fassade, die der Zeuge selbst mit aufstellte.

VORSITZENDER: Ich habe Ihnen bereits geantwortet, daß er nichts darüber wußte, wie weit die Politischen Leiter informiert waren.

DR. SERVATIUS: Ich vertrete auch den Angeklagten Sauckel, der für den Arbeitseinsatz verantwortlich ist.