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[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

[Generalmajor Zorya nähert sich dem Rednerpult.]

VORSITZENDER: Bitte, Herr General, fahren Sie fort!

GENERALMAJOR ZORYA: Gestern bin ich bei der Frage über die Beziehungen zwischen den faschistischen Machthabern und den rumänischen Angreifern stehengeblieben. Ich glaube, daß es der günstigste Augenblick ist, die Aussagen Ion Antonescus, die sich in Händen der Sowjet-Anklagebehörde befinden, in das Sitzungsprotokoll zu verlesen. Das Verhör Antonescus ist gemäß den Gesetzen der Sowjetunion erfolgt, und ich lege dem Gerichtshof das Protokoll seiner Aussagen, die zur Aufklärung der Beziehungen Deutschlands mit seinen Vasallenstaaten von größter Bedeutung sind, als USSR-153 vor. Ich halte es für nötig, den größten Teil dieser Aussagen zu verlesen. Ich beginne mit dem zweiten Absatz auf Seite 1 des Protokolls. Dies ist Seite 63 bis 66 des Dokumentenbuches. Ich zitiere; Ion Antonescu sagt aus:

»In der ganzen Zeit, in der ich mein Amt in Rumänien ausübte, führte ich die Politik der Verstärkung der Beziehungen mit Deutschland durch und nützte dessen Hilfe zur Umbildung und Umrüstung der rumänischen Armee aus. Zu diesem Zweck hatte ich mehrmals Besprechungen mit Hitler.

Die erste Besprechung mit Hitler fand im November 1940 statt, bald nachdem ich die Führung des rumänischen Staates übernommen hatte. Dieses Zusammentreffen erfolgte auf meine Initiative in Berlin, in der offiziellen Residenz Hitlers, in Anwesenheit des deutschen Außenministers Ribbentrop und des Dolmetschers von Hitler, Schmidt. Die Besprechung mit Hitler dauerte mehr als vier Stunden.

Ich versicherte Hitler darin, daß Rumänien den bereits abgeschlossenen Abkommen über den Anschluß Rumäniens zum ›Dreimächtepakt‹ treu bleiben werde.

Als Antwort auf meine Versicherungen über die Bündnistreue zu Deutschland erklärte Hitler, daß die deutschen Soldaten die rumänischen Grenzen sichern würden.

Hitler eröffnete mir damals, daß mit dem Wiener Schiedsspruch noch nicht das letzte Wort gesprochen wäre und ließ dadurch erkennen, daß Rumänien mit der Revision der seinerzeit in Wien über Siebenbürgen getroffenen Entscheidung rechnen könne.

Hitler und ich stimmten überein, daß die in Rumäni en anwesende deutsche Heeresmission ihre Arbeiten zum Umbau der rumänischen Armee nach deutschem Muster fortsetzen solle.

Ich schloß auch ein Wirtschaftsabkommen ab, nach welchem die Deutschen später nach Rumänien Flugzeuge ›Me-109‹, Panzer, Traktoren, Flak- und Pak-Waffen, Maschinenpistolen und andere Waffen lieferten und dafür als Gegenleistung aus Rumänien Getreide und Brennstoff für die Deutsche Wehrmacht bezogen.

Auf die mir gestellte Frage, ob meine erste Besprechung mit Hitler als Beginn meines Einverständnisses, mit den Deutschen zusammen den Krieg gegen die Sowjetunion vorzubereiten, anzusehen wäre, antwortete ich bejahend.

Bei der Ausarbeitung der Angriffspläne auf die Sowjetunion berücksichtigte Hitler zweifellos diesen Umstand.

Im Januar 1941 wurde ich durch den Deutschen Gesandten in Rumänien, Fabrizius, nach Deutschland eingeladen und hatte in Berchtesgaden ein zweites Treffen mit Hitler, bei welchem Ribbentrop, Fabrizius und der neue Deutsche Gesandte in Bukarest, Killinger, anwesend waren. Außerdem wohnten diesem Treffen als Vertreter der Deutschen Wehrmacht Feldmarschall Keitel und Generaloberst Jodl bei.

Zu Beginn der Unterhaltung stellte mir Hitler Killinger vor und bezeichnete ihn mit als einen seiner engsten Freunde.

Danach beschrieb Hitler die militärische Lage auf dem Balkan und erklärte, daß Mussolini im Hinblick auf die Mißerfolge der Italiener im Kriege gegen Griechenland von ihm Hilfe erbeten habe und daß er ihm diese versprochen habe.

In diesem Zusammenhang bat mich Hitler, die in Ungarn zusammengezogenen deutschen Truppen durch Rumänien durchmarschieren zu lassen, damit sie den Italienern rasch zu Hilfe kommen könnten.

Da ich wußte, daß der Durchmarsch der deutschen Truppen durch Rumänien zum Balkan einen unfreundlichen Akt gegen die Sowjetunion darstellen würde, fragte ich Hitler, wie sich die Sowjetunion seiner Meinung nach zu dieser Tatsache verhalten werde.

Hitler erinnerte mich daran, daß er bereits beim ersten Treffen mit mir im November 1940 entsprechende Garantien an Rumänien gegeben hätte und sich verpflichtet hätte, Rumänien mit Waffengewalt zu verteidigen.

Ich sprach die Befürchtung aus, daß der Durchmarsch der deutschen Truppen durch Rumänien der Sowjetunion als Vorwand zu militärischen Operationen dienen könnte und daß Rumänien dadurch, daß die rumänische Armee nicht mobilisiert sei, in eine schwere Lage gerate. Hitler kündigte mir darauf an, daß er den Befehl erteilen würde, einen Teil der deutschen Truppen, die zum Einsatz gegen Griechenland bestimmt waren, in Rumänien zurückzulassen.

Hitler betonte dabei, daß nach ihm zur Verfügung stehenden Informationen die Sowjetunion nicht beabsichtige, Deutschland oder Rumänien anzugreifen.

Diese Erklärung Hitlers befriedigte mich, und ich willigte ein, die deutschen Truppen durch Rumänien durchmarschieren zu lassen.

Der dieser Besprechung beiwohnende Generaloberst Jodl schilderte mir die strategische Lage der Deutschen Wehrmacht und unterstrich die Notwendigkeit, Griechenland von Bulgarien aus anzugreifen.

Mein drittes Zusammentreffen mit Hitler fand in München im Mai 1941 statt.

Bei diesem Zusammentreffen, bei dem außer uns noch Ribbentrop und der persönliche Dolmetscher Hitlers, Schmidt, anwesend waren, verabredeten wir uns endgültig zu einem gemeinsamen Überfall auf die Sowjetunion.

Hitler eröffnete mir, daß er den Entschluß zu einem militärischen Angriff gegen die Sowjetunion gefaßt hätte. Wenn die Vorbereitungen zum Angriff beendet sind, setzte Hitler fort, werden wir die Sowjetunion unerwartet an der gesamten Front vom Schwarzen bis zum Baltischen Meer angreifen.

Dieser unerwartete Angriff, führte Hitler weiter aus, gibt Deutschland und Rumänien die Möglichkeit, in kurzer Zeit einen unserer gefährlichsten Gegner zu beseitigen.

Als Ergebnis seiner militärischen Pläne schlug mir Hitler vor, den rumänischen Raum für die Zusammenziehung der deutschen Truppen zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig an der Verwirklichung des militärischen Überfalls auf die Sowjetunion unmittelbar teilzunehmen.

Hitler wies darauf hin, daß Rumänien keinesfalls aus diesem Krieg herausbleiben dürfe, da es für die Rückgewinnung Bessarabiens und der Nordbukowina keinen anderen Weg geben könne, als an der Seite Deutschlands zu kämpfen.

Dabei erwähnte er, daß Rumänien für die Hilfeleistung im Kriege andere sowjetische Gebiete bis zum Dnjepr besetzen und verwalten könne.

Da der Vorschlag Hitlers über den gemeinsamen Kampf gegen die Sowjetunion meinen aggressiven Absichten entsprach, erklärte ich meine Bereitschaft, an dem Angriff gegen die Sowjetunion teilzunehmen und verpflichtete mich, die erforderliche Zahl rumänischer Truppen bereitzustellen, sowie gleichzeitig die Öl- und landwirtschaftlichen Lieferungen für die Deutsche Wehrmacht zu steigern.

Ehe durch mich und Hitler der Entschluß zu dem Angriff auf Rußland gefaßt wurde, fragte ich Hitler, ob irgendwelche Verabredungen mit Ungarn über seine Beteiligung am Kriege bestünden.

Hitler antwortete, daß die Ungarn bereits ihre Teilnahme an dem Krieg gegen die USSR im Bunde mit Deutschland zugesagt hätten. Wann genau die Deutschen sich darüber mit den Ungarn geeinigt hatten, hat mir Hitler nicht gesagt.

Nach meiner Rückkehr aus München nach Bukarest ging ich zur aktiven Vorbereitung des bevorstehenden Krieges über.«

Antonescu beendete seine Aussage wie folgt; ich bitte das Dokumentenbuch auf Seite 67, letzter Absatz, aufzuschlagen:

»Nach dem Einmarsch der unter meiner obersten Führung stehenden rumänischen Truppen in das sowjetische Gebiet hat mir Hitler einen Brief gesandt, in dem er mir und der rumänischen Armee für die Hilfe dankte. Marschall Antonescu.«

Der Zeitpunkt, an dem Rumänien begann, sich auf den Krieg gegen die Sowjetunion vorzubereiten, wird auch durch den früheren stellvertretenden Ministerpräsidenten der Rumänischen Regierung, Mihai Antonescu, bezeugt, welcher ebenfalls durch die Sowjetische Anklagebehörde verhört wurde. Ich lege seine Aussage dem Gericht als USSR-152 vor. Ich will nicht das ganze Verhör verlesen, da es mehr oder weniger Tatsachen, die im Verhör von Ion Antonescu enthalten sind, wiederholt. Ich möchte mich nur auf einige Abschnitte beziehen, und zwar auf die Seite 1 der in das Russische übersetzten Vernehmung, Absätze 1, 2 und 5, die auf Seite 68 des Dokumentenbuches zu finden sind:

»Im November 1940 fuhr Marschall Antonescu in Begleitung des damaligen Ministers des Auswärtigen, Prinzen Sturza, nach Deutschland, wo er ein Zusammentreffen mit Hitler hatte.

Während der Besprechung mit Hitler unterzeichnete Marschall Antonescu das Abkommen über den Anschluß Rumäniens zum Dreimächtepakt und erhielt von Hitler die Versprechung, die Beschlüsse des Wiener Schiedsspruches zugunsten Rumäniens später zu revidieren.

Diese erste Reise des Marschalls Antonescu nach Deutschland stellte den Anfang der Politik dar, die später zum gemeinsamen Überfall Deutschlands und Rumäniens auf die Sowjetunion führte.«

Meine Herren Richter, die Aussagen des Zeugen Paulus, und die soeben dem Gerichtshof vorgelegten Aussagen von Ion Antonescu und Mihai Antonescu veranlassen die Sowjetische Anklagebehörde zu folgenden Feststellungen:

1. Der Entschluß, eine Militärmission des deutschen Generalstabs nach Rumänien zu entsenden, um die rumänische Armee zu reorganisieren und dadurch auf den Angriff gegen die Sowjetunion vorzubereiten, wurde spätestens im September 1940, das heißt mindestens neun Monate vor dem Angriff auf die USSR gefaßt.

2. Im November des gleichen Jahres waren die rumänischen Kriegsvorbereitungen im vollen Gange.

Es ist vielleicht ein günstiger Zeitpunkt abzubrechen.