HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

VORSITZENDER: Herr Oberst, der Gerichtshof beabsichtigt, die Verhandlung um 4.30 Uhr zu vertagen, da eine Anzahl verwaltungstechnischer Angelegenheiten zu erledigen sind.

OBERST POKROWSKY: Ich komme nun zum Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission zur Untersuchung der Greueltaten der faschistischen deutschen Eindringlinge in Smolensk und in den Gebieten um Smolensk. Ein großer Teil des Berichts beschäftigt sich mit den Massenhinrichtungen von Kriegsgefangenen seitens der Deutschen. Ich möchte Auszüge aus diesem Dokument, das Ihnen als USSR- 56 vorgelegt wird, verlesen. Auf Seite 6, vierter Absatz von oben, heißt es; Sie finden diesen Auszug auf Seite 58 Ihres Dokumentenbuches:

»Die deutschen faschistischen Angreifer vernichteten planmäßig die verwundeten und kriegsgefangenen Sowjetbürger. Die Ärzte Smirnow A. N., Glasunow A. H., Demidow A. M., Pogrebnow, A. S. und andere, die in Kriegsgefangenenlagern waren, teilten mit, daß auf dem Wege von Wjasma nach Smolensk die Hitleristen mehrere Tausende von Menschen erschossen haben.

Im Herbst 1941 haben die Besatzungstruppen eine Gruppe Kriegsgefangener aus Wjasma nach Smolensk getrieben. Viele von diesen Kriegsgefangenen konnten infolge Erschöpfung nicht mehr auf den Beinen stehen. Bei dem Versuch der sowjetischen Bevölkerung, die Kriegsgefangenen mit einem Stück Brot zu füttern, wurde sie von den deutschen Soldaten verjagt. Die Sowjetbürger wurden mit Stöcken und Kolben geschlagen, und es wurde auf sie geschossen. Auf der großen Sowjetstraße, auf der Roßlaw- und Kiew-Chaussee begannen die faschistischen Lumpen, wild auf eine Kolonne von Kriegsgefangenen loszuschießen. Die Häftlinge versuchten wegzulaufen, aber die Soldaten erwischten sie und schossen auf sie. So sind ungefähr 5000 Sowjetbürger erschossen worden. Die Leichen der Erschossenen lagen einige Tage auf der Straße herum.«

Es ist nicht schwer festzustellen, daß dieser Auszug mit dem Dokument 081-PS übereinstimmt, das Ihnen schon vorgelegt wurde und dessen Inhalt ich heute hier mit meinen eigenen Worten nochmals kurz zusammengefaßt habe. Wir wollen das Dokument nur noch durch einige Tatsachen vervollständigen. Auf derselben sechsten Seite, zwei Zeilen weiter, steht folgendes, Seite 58 des Dokumentenbuches:

»Die deutschen Machthaber mißhandelten Kriegsgefangene auf dem Wege nach Smolensk; insbesondere im Lager der Kriegsgefangenen gingen die Gefangenen zu Dutzenden und Hunderten zugrunde. Im Kriegsgefangenenlager 126 wurden Sowjetbürger gemartert, Kranke wurden zu schwerer Arbeit geschickt, sie erhielten keine ärztliche Hilfe. Die Kriegsgefangenen wurden im Lager ebenfalls mißhandelt, zu Arbeiten verwandt, die ihre Kräfte weit überstiegen, und erschossen. Ungefähr 150 bis 200 Mann starben täglich infolge von Mißhandlungen, Hunger, Typhus- und Dysenterie-Epidemien, überschwerer Arbeit, Erfrierung und blutigem Terror. Die deutschen faschistischen Arbeiter rotteten in den Lagern über 60000 friedliche Bürger und Kriegsgefangene aus. Die Vernichtung von Soldaten und Offizieren der Roten Armee sowie die Vernichtung friedlicher Bürger wird bestätigt durch die Aussage kriegsgefangener Ärzte, die in diesem Lager waren, und zwar durch die Ärzte Smirnow, Chmyrow, Pogrebnow, Jerpylow, Demidow und durch die Krankenschwestern Schubina, Lenkowskaja und schließlich durch Rotarmisten und Bewohner der Stadt Smolensk.

Unter der Leitung des Sonderführers Eduard Giß sind in dem Lager Tausende von Kriegsgefangenen erschossen worden.

Der Unteroffizier Gatlin hat die Kriegsgefangenen tierisch mißhandelt. Sie wußten davon und bemühten sich, nicht vor seine Augen zu kommen. Gatlin verkleidete sich in die Uniform eines Rotarmisten, mischte sich unter die Menge, suchte seine Opfer aus und schlug sie halb zu Tode.

Der Soldat Rudolf Radtke, ein früherer Boxer in einem deutschen Zirkus, ließ sich eine Peitsche aus Aluminiumdraht machen und schlug mit dieser die Lagerinsassen blau und blutig. Sonntags erschien er betrunken im Lager, attackierte den ersten Kriegsgefangenen, den er traf, quälte und tötete ihn.

In Smolensk ließen die Faschisten die Kranken und völlig erschöpften Sowjetbürger in dem Kraftwerk arbeiten. Oft wurden Fälle beobachtet, daß Gefangene vor Hunger erschöpft zu Boden fielen; sie wurden auf der Stelle von Sonderführer Szepalski sowie den Sonderführern Bramm, Hoffmann-Mauser und Wagner erschossen.

In Smolensk gab es ein Lazarett für Kriegsgefangene. Die Sowjetärzte, die in diesem Hospital arbeiteten, berichteten: Bis zum Juli 1942 lagen die Kranken ohne Verbandstoff auf dem Fußboden. Die Kleidung und die Lagerstätten der Gefangenen waren nicht nur verschmutzt, sondern auch mit Eiter bedeckt. Die Räume wurden nicht geheizt. Der Fußboden in den Gängen war vereist.«

Der Mitteilung der Außerordentlichen staatlichen Kommission ist ein Bericht über gerichtsmedizinische Untersuchungen beigefügt. Sachverständige waren: Dr. Burdenko, Mitglied der Außerordentlichen Kommission und Mitglied der Akademie, Dr. Prosorowski, Chef der gerichtsmedizinischen Sachverständigen des Volkskommissariats für Gesundheitswesen und Dr. Smoljaninow, Professor für Gerichtsmedizin an dem zweiten Moskauer Medizinischen Institut. Diese und andere Sachverständige haben vom 1. bis 16. Oktober 1943 in Smolensk und seinen Vororten zahlreiche Exhumierungen und gerichtsmedizinische Untersuchungen an Leichen vorgenommen. Zahlreiche grubenähnliche Massengräber mit Leichen von Personen, die während der deutsch-faschistischen Besetzung getötet worden waren, wurden geöffnet. Die Zahl der Leichen, die in diesen Gruben gefunden wurden, schwankte zwischen 500 und 4500 und waren überall da, wo Massenhinrichtungen stattgefunden hatten.

Ich werde nur solche Auszüge aus dem Untersuchungsbericht verlesen, die eine unmittelbare Beziehung zu meinem Thema haben. Die von mir jetzt zu verlesende Stelle befindet sich auf Seite 61 Ihres Dokumentenbuches und entspricht Seite 9 des russischen Textes des Dokuments USSR-56. Es heißt dort:

»Die in den Gräbern aufgefundenen Leichen waren zum größten Teil nackt. Einige hatten abgetragene Unterwäsche an und nur wenige waren voll bekleidet oder trugen Militäruniform.«

Auf der nächsten Seite des Dokuments USSR-56, Seite 62 des Dokumentenbuches im zweiten Absatz, heißt es:

»Personalausweise wurden nur in 16 Fällen gefunden, drei Pässe, ein Ausweis eines Rotarmisten und zwölf militärische Erkennungsmarken. Damit sind Medaillons gemeint, die jeder Soldat der Roten Armee trug. Es ist dies eine Art Kapsel, die ähnlich wie ein Nähnadelfutteral aussieht und in das ein Dokument mit Namen, Vornamen, Vaternamen und Heimatanschrift des Rotarmisten hineingelegt wird. Manchmal konnten nur die teilweise erhaltenen Kleidungsstücke und die Tätowierung zur Identifizierung des Toten benützt werden. Diese Tatsache bezeugt, daß die Deutschen darnach trachteten, in Übereinstimmung mit besonderen Befehlen die Individualität ihrer Opfer unkenntlich zu machen.«

Auf Seite 11 des Dokuments USSR-56 und auf Seite 63 Ihres Dokumentenbuches steht geschrieben:

»Die Untersuchung der exhumierten Leichen auf dem Gelände des großen und kleinen Konzentrationslagers in der Fabrik Nr. 35, in einem früheren deutschen Lazarett für Kriegsgefangene, in einer Sägemühle, in einem Konzentrationslager in dem Dorf Petschorskaja und in der Nähe des Dorfes Rakitnja hat gezeigt, daß in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle der Tod infolge von Hunger und Infektionskrankheiten eintrat.

Ein objektiver Beweis für den Hungertod ist außer dem völligen Fehlen der Fettschicht unter der Haut auch die Feststellung, daß sich in vielen Fällen im Magen Überreste von Grassubstanzen, Stücke von groben Blättern und Pflanzenstielen befanden.«

Auf derselben Seite 63, aber etwas weiter unten, finden Sie folgende Stelle im vierten Absatz:

»Eine große Zahl der geöffneten Gruben (87), die mit vielen Leichen angefüllt waren, zeigte, daß die Leichen zu verschiedenen Zeiten begraben worden sind, und zwar in der zweiten Hälfte des Jahres 1941, sowie in den Jahren 1942 und 1943. Diese Tatsache beweist, daß die Sowjetbürger systematisch vernichtet wurden. Dieser Vernichtung fielen in den meisten Fällen Männer, und zwar in der Hauptsache im blühenden Alter von 20-40 Jahren anheim.«

Noch etwas tiefer unten auf derselben Seite steht folgendes:

»Besondere Aufmerksamkeit verdient der regelmäßig festzustellende Umstand, daß die exhumierten Leichen mit sehr wenigen Ausnahmen keine Schuhe anhatten, die Kleidung in der Regel fehlte oder aus abgetragener Unterwäsche oder aus einzelnen Stücken alter Oberkleidung bestand. Daraus kann man den logischen Schluß ziehen, daß die Entfernung der Schuhe und der Kleidung, die einen gewissen Wert darstellten, ständig und systematisch, ja obligatorisch vorgenommen wurde, noch bevor die Sowjetbevölkerung vernichtet worden ist.«

Weiterhin spricht der Bericht der Kommission von den Methoden der Menschenausrottung, einschließlich der Erschießungen, Vergasungen und so weiter. Alles dies enthält nichts Neues, und ich bin der Ansicht, daß es nicht notwendig ist, diesen Teil des Untersuchungsergebnisses zu verlesen.

In unserem Dokument USSR-6 (c) wurden die Protokolle der gerichtsmedizinischen Kommission begutachtet und Ihre Gutachten selbst vorgelegt. Sie finden diese auf den Seiten 9, 10, 11 und 12 des Dokuments. Ich werde mir erlauben, kurz den Inhalt der Protokolle zu zitieren. In diesen Protokollen wird mitgeteilt, daß in der Stadt Rawa-Ruska, die sich ungefähr 52 Kilometer nordwestlich der Stadt Lemberg befindet, die Nazis ein großes Lager für die Kriegsgefangenen errichtet hatten. In dem Lager befanden sich zahlreiche sowjetische und französische Kriegsgefangene, die darin zugrunde gegangen sind. Sie wurden erschossen, sie starben an Infektionskrankheiten und an Hunger. Die gerichtsmedizinische Untersuchungskommission hat zahlreiche Massengräber geöffnet. Zum Teil waren diese Gräber mit Gras und Grünpflanzen getarnt. In den Gruben wurden zahlreiche Leichen in militärischer und halbmilitärischer Kleidung aufgefunden. Einige trugen Erkennungsmarken als Angehörige der Roten Armee. Das Alter der exhumierten Kriegsgefangenen lag zwischen 20 und 40 Jahren.

Ich verlese nunmehr aus dem Gutachten die Schlußfolgerungen der Kommission. Sie befinden sich auf Seite 70 des Dokumentenbuches:

»Die Untersuchung der aus den Gräbern exhumierten Leichen läßt die Schlußfolgerung zu, daß in diesen Gräbern tatsächlich Leichen sowjetischer Kriegsgefangener begraben lagen. Es sind dort Massenbestattungen durchgeführt worden. Je 350 bis 400 Leichen wurden in einem Grab aufeinandergelegt. Die Gräber hatten eine Größe von 7 mal 4 Meter. Die Leichen wurden in der Kleidung begraben, die sie im Augenblick ihres Todes anhatten. Die Tatsache, daß keine Leiche Schuhe anhatte, beweist, daß die Sowjetkriegsgefangenen entweder schon vor dem Tode keine Schuhe mehr anhatten, oder daß man ihnen die Schuhe nach dem Tode auszog. Die Kriegsgefangenen wurden in furchtbaren, gesundheitswidrigen Verhältnissen gehalten; ihre Kleidung war voll von Ungeziefer. Nach der Kleidung konnte man feststellen, daß die Mehrzahl in der kalten Jahreszeit gestorben war. Trotzdem haben fast alle Leichen keine warme Kleidung an. Um sich vor der Kälte zu schützen, zogen die Kriegsgefangenen zwei bis drei Sommeruniformen an und wickelten sich in Säcke und Handtücher usw.«

Ich überspringe einige Sätze aus diesem Bericht und möchte den Teil der Schlußfolgerung verlesen, der sich mit der Gesamtzahl der aufgefundenen Leichen beschäftigt und der sich auf derselben Seite 70 des Dokumentenbuches befindet:

»Die Größe der Gräber (36) und die Zahl der Leichen, die in den ausgehobenen Gruben entdeckt wurden, berechtigt zur Annahme, daß insgesamt 10-12000 Leichen sowjetischer Kriegsgefangener in allen hier befindlichen Gräbern begraben wurden. Das Stadium der Verwesung zeigt, daß sie 2-3 Jahre in der Erde gelegen haben. Daraus folgt, daß die Beerdigung im Spätherbst oder im Winter 1941-42 stattgefunden hat.«

Ein besonderer Teil des Berichts der Außerordentlichen Staatskommission zur Feststellung und Untersuchung der Schandtaten der faschistischen deutschen Eindringlinge in der Stadt Orel und im Bezirk Orel beschreibt die während eines langen Zeitraums durchgeführte Massentötung von Kriegsgefangenen. Ich lege diesen Teil als Dokument und Beweisstück USSR-46 vor.

Das Kriegsgefangenenlager war im Gefängnis der Stadt Orel eingerichtet. Nachdem die faschistischen Eindringlinge aus der Stadt Orel vertrieben worden waren, hatte die Außerordentliche Kommission Gelegenheit, in den Besitz von Zeugenaussagen von Ärzten zu kommen, die sich im Lager befunden hatten und durch Zufall mit dem Leben davongekommen waren.

Dieser Bericht enthält auch persönliche Beobachtungen des Mitglieds der Außerordentlichen Staatskommission, des Akademikers Burdenko, der persönlich die Menschen in dem Lager, dem sogenannten Gefängnislazarett, und diejenigen untersuchte, die von der Roten Armee aus diesem Lager befreit wurden. Man kann die allgemeine Schlußfolgerung ziehen, daß die Hitleristen in dem Lager Orel, ebenso wie auch in anderen Lagern, die physische Vernichtung des Sowjetvolkes in der methodischen Weise durchführten, die für die Deutschen charakteristisch ist.

Die Gefangenen erhielten 200 Gramm Brot und 1 Liter Suppe, die aus verfaulten Sojabohnen und schimmligem Mehl zubereitet war. Das Brot wurde mit einer Beimischung von Sägemehl hergestellt. Die Lagerverwaltung, einschließlich der Ärzte, behandelte die Gefangenen in der tierischsten Weise.

Ich möchte einige Auszüge aus dem Bericht der Kommission verlesen, und zwar beginne ich mit dem Absatz 5 auf Seite 2. Sie finden diese Stelle auf Seite 72 des Dokumentenbuches:

»Der Lagerkommandant, Major Hoffmann, hat die Kriegsgefangenen geschlagen und hat Menschen, die durch Hunger erschöpft waren, gezwungen, schwere körperliche Arbeit in den Steinbrüchen zu verrichten und Munition auszuladen.

Man hat den Gefangenen Stiefel und Lederschuhe weggenommen und ihnen dafür Holzschuhe ausgefolgt. Im Winter wurden die Holzsohlen schlüpfrig, die Kriegsgefangenen sind oft beim Gehen, insbesondere beim Hinauf- oder Hinuntergehen der Stiegen vom zweiten oder dritten Stockwerk ausgerutscht und haben sich verletzt.«

Dr. Zwetkow Ch. S., der Insasse des Kriegsgefangenenlagers gewesen war, hat folgende Aussagen gemacht. Sie finden das Zitat auf Seite 72 und am Anfang der Seite 73. Ich verlese:

»Ich kann die Haltung der deutschen Kommandantur gegen die Gefangenen während meines Verbleibens im Lager in Orel nur als eine Haltung beschreiben, die die absichtliche Vernichtung des Menschenpotentials auf dem Wege der Tötung von Kriegsgefangenen zum Inhalt hatte. Die Nahrung, die höchstens 700 Kalorien enthielt, war alles, was sie bekamen, wobei sie schwere Arbeit leisten mußten, die über ihre Kraft ging. Dieser Umstand verursachte eine vollkommene Erschöpfung des Organismus und hatte den Tod zur Folge....

Trotz unserer energischen Einsprüche und unseres Kampf es gegen diesen Massenmord sowjetischer Menschen haben die deutschen Lagerärzte Kuper und Beckel behauptet, daß die Nahrung vollkommen ausreichend gewesen sei. Sie haben darüber hinaus sogar verneint, daß die Wassergeschwülste, an denen die Kriegs gefangenen litten, durch Hunger verursacht wären und haben sie als Herz- und Nierenkrankheiten bezeichnet. Es wurde verboten, in der Diagnose den Vermerk ›Hungerödem‹ zu machen. Im Lager gab es eine Massensterblichkeit. Unter all den getöteten Menschen sind 3000 verhungert oder infolge solcher körperlicher Schäden zugrunde gegangen, die durch Unterernährung verursacht worden sind.

Die Kriegsgefangenen wohnten unter nicht zu beschreibenden furchtbaren Verhältnissen. Die Überbelegung spottete jeder Darstellung. Brennstoff und Wasser gab es überhaupt nicht. Alle waren verlaust. In eine Gefängniszelle mit einem Flächenmaß von 15 bis 20 qm waren 50 bis 80 Personen gepfercht, 5-6 Kriegsgefangene starben in jeder Zelle, und die Lebenden mußten auf den Leichnamen schlafen.«

Es wird weiter erklärt, daß ein besonders furchtbares Verfahren gegen diejenigen angewandt wurde, die zur Gruppe der »Widerspenstigen« gerechnet wurden. Sie wurden in einem besonderen Gebäude, dem »Totenblock«, gehalten. Dort wurden die Insassen nach einem Zeitplan erschossen, und zwar fünf bis sechs Personen an jedem Dienstag und Freitag. Bei den Erschießungen war unter anderen Personen auch der deutsche Arzt Kuper zugegen.

Der Akademiker Burdenko stellte fest, daß in dem sogenannten »Lazarett« Menschen in der gleichen Art getötet wurden, wie in den übrigen Lagern.

Im vorletzten Absatz auf Seite 3 lesen wir, die Mitglieder des Gerichtshofs werden diese Stelle auf Seite 73 des Dokumentenbuches finden:

»Der Anblick, der sich mir bot, übersteigt jedes Einbildungsvermögen. Als ich die Befreiten erblickte, war mir die Freude dadurch verdorben, daß ihre Gesichter ganz erstarrt waren. Das zwang mich zu der Überlegung, was mit ihnen wohl geschehen sei. Augenscheinlich hatten sie die durchgemachten Leiden in einen derartigen Zustand versetzt, daß es ihnen gleich war, ob sie noch lebten oder nicht.

Drei Tage lang habe ich diese Leute beobachtet, ihre Wunden verbunden und sie abtransportiert; der Zustand physischer Erstarrung blieb unverändert. Etwas Ähnliches war in den ersten Tagen in den Gesichtern der Ärzte zu bemerken.

In diesem Lager sind die Menschen an Krankheit, Hunger und durch Schläge, in dem Gefängnislazarett an Wundinfektion, Sepsis und Hunger gestorben.«

Am 2. Mai 1945 wurde in Berlin der SS-Angehörige Paul Ludwig Gottlieb Waldmann gefangengenommen. Er wurde am 17. Oktober 1914 in Berlin als Sohn des Kaufmanns Ludwig Waldmann geboren. Soweit er wußte, lebte seine Mutter bis zu seiner Verhaftung in der Stadt Braunschweig, Donnerburgweg 60.

Er machte persönlich Angaben über die Tatsachen der Massentötung sowjetischer Kriegsgefangener, die ihm persönlich bekannt waren. Er war Zeuge dieser Vernichtungsaktionen, da er als Chauffeur in den verschiedenen Lagern tätig war und auch selbst an den Exekutionen teilgenommen hat.

Seine Aussage befindet sich auf Seite 9 unseres Beweisstücks USSR-52, das »Lager Auschwitz« betitelt ist. Er hat besonders genaue Informationen über die Hinrichtungen im Lager Sachsenhausen gegeben.

Gegen Ende des Sommers 1941 hat das im Lager untergebrachte Sonderkommando der Sicherheitspolizei einen Monat hindurch täglich russische Kriegsgefangene umgebracht.

Paul Ludwig Gottlieb Waldmann sagte aus, wobei Sie die von mir verlesene Stelle seiner Angaben auf Seite 52 des Dokumentenbuches finden:

»Vom Bahnhof bis zum Lager hatten die russischen Kriegsgefangenen etwa 1 Kilometer zu Fuß zu gehen. Im Lager verblieben sie über Nacht ohne Verpflegung. Am nächsten Abend führte sie einer zur Exekution. Die Häftlinge wurden aus dem Innenlager unaufhörlich mit drei Lastkraftwagen, von denen ich den einen fuhr, abtransportiert.

Das Innenlager war von dem Exekutionsgelände ungefähr eindreiviertel Kilometer weit entfernt. Die Exekution selbst fand in einer Baracke statt, die kurze Zeit vorher zu diesem Zweck eingerichtet worden war. Ein Raum war zum Auskleiden bestimmt und ein anderer zum Warten, es spielte in den Räumen ziemlich laut das Radio, damit die Gefangenen nicht verstehen konnten, daß sie der Tod erwartet. Aus dem zweiten Raum gingen sie einzeln durch einen Gang in einen kleinen abge teilten Raum, auf dessen Fußboden sich ein Eisengitter befand. Unter dem Gitter war eine Abflußrinne. Sobald der Kriegsgefangene getötet war, wurde der Leichnam von zwei deutschen Häftlingen weggebracht und das Gitter vom Blute gesäubert. In dem kleinen Raum gab es einen 50 cm großen Ausschnitt. Der Kriegsgefangene stellte sich mit dem Hinterkopf ans Loch und ein Schütze, der sich hinter dem Loch befand, schoß auf ihn. Diese Einrichtung genügte aber praktisch nicht, denn oft traf der Schütze den Gefangenen nicht. Nach acht Tagen schuf man eine neue Vorrichtung. Der Kriegsgefangene wurde ebenso wie vorher an die Wand gestellt, dann ließ man eine Eisenplatte langsam auf seinen Kopf heruntergleiten. Der Kriegsgefangene hatte den Eindruck, als wolle man seinen Wuchs messen. In der Eisenplatte war ein Bolzen, der sich löste und auf den Hinterkopf des Gefangenen einschlug. Dieser stürzte tot zu Boden. Die Eisenplatte wurde mittels eines Fußhebels gehandhabt, der sich in der Ecke dieses Raumes befand. Das bedienende Personal gehörte dem obenerwähnten Sonderkommando an. Auf Bitten der Beamten des Exekutionskommandos hatte ich auch den Apparat zu bedienen. Darauf werde ich später zu sprechen kommen. Die auf diese Weise getöteten Kriegsgefangenen wurden in vier fahrbaren Krematorien, die auf einem Lastkraftwagenanhänger transportiert wurden, verbrannt.

Ich mußte ununterbrochen aus dem Innenlager zum Exekutionsgelände fahren. Ich hatte während der Nacht 10 Fahrten mit einer Pause von 10 Minuten zu machen. Während dieser Pause war ich auch Augenzeuge der Ausführung der Exekution gewesen...«

Ein langer Weg führte von diesen Einzelmorden zu den Todesfabriken von Treblinka, Dachau und Auschwitz. Es war ein langer Weg, aber er ging in derselben Richtung und führte zum selben Ziele.

Die Methoden und das Ausmaß der Tötungen änderten sich. Die Nazis versuchten, neue Methoden zur schnellen Vernichtung großer Menschenmassen zu finden. Viel Zeit wurde für die Lösung dieses Problems aufgewandt. Sie begannen damit bereits vor ihrem Angriff auf die Sowjetunion, indem sie verschiedene Methoden und Werkzeuge für den Massenmord erfanden. Die Opfer der Hitlerschen Mörder waren ebenso friedliebende Bürger wie auch Kriegsgefangene.

Ich lege dem Gerichtshof den Bericht der Außerordentlichen Kommission für deutsche Schandtaten in der Litauischen Sowjetrepublik vor. Dies ist unser Dokument USSR-7. Ebenso hier, wie an anderen Orten, war die Tötung sowjetischer Kriegsgefangener Teil eines kannibalischen Planes der faschistischen Angreifer.

Ich werde ein paar Sätze von Seite 6 des Dokuments verlesen. In Ihrem Exemplar sind die Stellen auf Seite 86 des Dokumentenbuches angestrichen:

»In Kaunas, in der Festung Nummer 6, befand sich das Lager Nummer 336 für Sowjetkriegsgefangene. In dem Lager wurden die Kriegsgefangenen grausam gefoltert, was im Einklang mit den unmenschlichen Anweisungen ›für die Leiter und Wachen der Arbeitskommandos‹ stand. Die Kriegsgefangenen in der Festung Nummer 6 waren der Erschöpfung und dem Hungertode ausgeliefert.

Die Zeugin Medishevskaja hat der Kommission mitgeteilt: ›Die Kriegsgefangenen haben furchtbar gehungert. Ich habe gesehen, wie sie Gras pflückten und es gegessen haben.‹«

Ich lasse einige Sätze aus und lese weiter:

»Beim Eingang in das Lager Nummer 336 ist eine Tafel angebracht, die folgende Aufschrift in deutsch, litauisch und russisch trägt:

Wer mit den Kriegsgefangenen in Verbindung tritt und wer versucht, ihnen Nahrungsmittel, Zigaretten und Zivilkleidung zu geben, wird erschossen.‹

Im Lager, Festung Nummer 6, war ein ›Lazarett‹ für Kriegsgefangene, das in Wirklichkeit eher eine Art Etappe zwischen dem Lager und dem Grabe war. Die Kriegsgefangenen, die in dieses Lazarett geworfen wurden, waren dem Tode geweiht.

Aus den monatlichen Aufstellungen über Krankheiten unter den Kriegsgefangenen in Festung Nummer 6 ist ersichtlich, daß vom September 1941 bis zum Juli 1942, das heißt im Laufe von elf Monaten, 13936 Sowjetkriegsgefangene im ›Lazarett‹ gestorben sind.«

Ich übergehe die Liste der ausgehobenen Gräber und verlese nunmehr die zweite Seite der allgemeinen Zusammenfassung des Gesamtergebnisses:

»Wie aus den Lageraufzeichnungen hervorgeht, sind hier im ganzen ungefähr 35000 Kriegsgefangene beerdigt worden.«

Außer dem Lager Nummer 336 gab es in der gleichen Stadt Kaunas ein weiteres Lager ohne Nummer, und zwar am Südrande des Flugplatzes. Der Bericht über dieses Lager lautet:

»Genau so, wie in der Festung Nummer 6 herrschten hier Hunger, Peitschen und Knüppel. Die erschöpften Kriegsgefangenen, die nicht mehr in der Lage waren, sich zu bewegen, wurden jeden Tag aus dem Lager lebendig herausgetragen, in die vorher ausgehobenen Löcher gelegt und mit Erde zugeschüttet.«

In den letzten drei Zeilen des linken Absatzes, auf Seite 6 des Dokuments USSR-7, bei Ihnen ist das Seite 86, steht geschrieben:

»Auf Grund von Aufstellungen, Dokumenten und Zeugenaussagen hat die Kommission festgestellt, daß hier in der Gegend des Flugplatzes ungefähr 10000 Sowjetkriegsgefangene zu Tode gequält und begraben worden sind.«

Der Bericht erwähnt noch ein Lager Nummer 133 in der Nähe der Stadt Alitus und einige weitere Lager, die im Juli 1941 errichtet wurden und bis zum April 1943 bestanden haben. Die Gefangenen in diesen Lagern starben den Erfrierungstod. Als die Gefangenen aus den Eisenbahnwagen ausgeladen wurden, wurden diejenigen, die nicht mehr gehen konnten, erschossen. Die Gefangenen wurden gemartert, bis sie das Bewußtsein verloren. Sie wurden mit Ketten an ihren Füßen aufgehängt, dann abgenommen und durch kaltes Wasser wieder zum Bewußtsein gebracht, um dann wieder aufgehängt zu werden.

Über die Gesamtzahl der Ermordeten berichtet die Kommission, wobei ich bemerke, daß die wenigen, die ich verlesen werde, sich ebenfalls auf Seite 86 des Dokumentenbuches am Ende der Seite befinden:

»Es ist festgestellt, daß die Deutschen in allen aufgezählten Lagern im Gebiet der Sozialistischen Sowjet- Republik Litauen nicht weniger als 165000 Sowjetkriegsgefangene hingerichtet haben.

Die Hinrichtung der Sowjetkriegsgefangenen wurde buchstäblich in allen Lagern durchgeführt. Tausende von Sowjetsoldaten starben im Vernichtungslager von Maidanek.«

Im zweiten Absatz, Seite 5 des gemeinsamen polnisch-russischen Berichts der Außerordentlichen Kommission, der Ihnen als Dokument USSR-29 vorgelegt wird, steht folgendes Zitat, das sich auf Seite 92 des Dokumentenbuches befindet.

»Die blutige Geschichte dieses Lagers beginnt mit der Massenerschießung von sowjetischen Kriegsgefangenen, die von SS-Mannschaften im November und Dezember 1941 ausgeführt wurde. Von einer Zahl von mehr als 2000 Sowjetkriegsgefangenen blieben nur 80 übrig. Alle anderen wurden erschossen, während einige durch Folter und Gewalttätigkeit getötet wurden. Zwischen Januar und April 1942 wurden mehr Trupps von Sowjetkriegsgefangenen ins Lager gebracht und getötet.

Der polnische Zeuge Jan Nedzialer, der als Lastwagenfahrer im Lager angestellt war, bekundete:

Die Deutschen töteten etwa 5000 russische Kriegsgefangene im Winter 1942 auf folgende Weise: Die Gefangenen wurden in Lastwagen von den Baracken zu den Gruben der früheren Steinbrüche gefahren und dort erschossen.‹

Kriegsgefangene der früheren polnischen Armee, die bereits 1939 gefangengenommen und in verschiedenen Lagern in Deutschland gefangengehalten waren, wurden schon 1940 in der Lipovoja-Straße des Lagers Lublin gesammelt und bald danach in Abteilungen zum ›Vernichtungslager‹ in Maidanek gebracht, wo sie das gleiche Schicksal ereilte: Systematische Folterung, Ermordung, Massenerschießungen usw.

Der Zeuge Reznik sagt folgendes aus:

Im Januar 1941 wurden etwa 4000 von uns jüdischen Kriegsgefangenen in Züge verladen und nach Osten gesandt... Wir wurden nach Lublin gebracht, ausgeladen und den SS-Mannschaften ausgehändigt. Etwa im September oder Oktober 1942 wurde beschlossen, im Lager Nr. 7 in der Lipovoja-Straße nur Leute zu belassen, die etwas kaufmännische Erfahrung hatten und in der Stadt benötigt wurden. Der ganze Rest, ich einschließlich, wurde ins Lager Maidanek geschickt. Alle von uns wußten nur zu gut, daß dies den Tod bedeutete. Von diesen 4000 Kriegsgefangenen blieben nur ein paar Leute am Leben, die während der Arbeit außerhalb des Lagers entkommen waren.

Im Sommer 1943 wurden 300 Sowjetoffiziere, darunter zwei Oberste, 4 Majore, alle übrigen Hauptleute oder ältere Leutnants, nach Maidanek gebracht, wo alle erschossen wurden.‹«

Ungeheuere Lager zur Tötung von Sowjetkriegsgefangenen wurden von den deutschen Faschisten auf dem Gebiete der Lettischen Sowjetrepublik eingerichtet. Der Bericht der Außerordentlichen Staatskommission zur Untersuchung der in dieser Republik von den deutschen Eindringlingen begangenen Verbrechen, den wir dem Gerichtshof als unser Dokument USSR- 41 vorlegen, enthält folgende Mitteilungen über die Vernichtung von 327000 Sowjetkriegsgefangenen.

Ich zitiere von Seite 7 auf der rechten Spalte des vorher erwähnten Berichts; Seite 97 Ihres Dokumentenbuches:

»In Riga hatten die Deutschen in den ehemaligen Kasernen der Pemowskaja und Rudolfstraße für Sowjetkriegsgefangene das Lager ›Stalag 350‹ eingerichtet. Das Lager bestand von Juli 1941 bis Oktober 1944. Sowjetkriegsgefangene wurden dort unter unmenschlichen Bedingungen gehalten. Die Gebäude, in denen sie untergebracht waren, hatten keine Fenster und waren nicht geheizt. Obwohl zwölf bis vierzehn Stunden täglich schwer gearbeitet wurde, bestand die Verpflegung aus 150 bis 200 g Brot, sogenannter Suppe, die aus Gras, verfaulten Kartoffeln, Baumblättern und allem möglichen Abfall gekocht war.«

Meiner Meinung nach ist es notwendig, die Eintönigkeit der Rationen, die den Kriegsgefangenen gegeben wurden, hervorzuheben. Insoweit stimmen die Aussagen der Zeugen vollkommen mit der amtlichen Weisung über die Menge der an die Kriegsgefangenen zu verabreichenden Lebensmittel überein, die dem Gerichtshof in der heutigen Sitzung bereits vorgelegt worden sind.

Der frühere Kriegsgefangene P. F. Jakowenko, der in Stalag 350 gefangen war, sagte aus, eine Stelle, die Sie auf Seite 97 des Dokumentenbuches finden. Ich bitte um Entschuldigung, ich hatte fast vergessen, es zu erwähnen:

»Wir erhielten 180 g Brot, das zur Hälfte aus Sägemehl und Stroh zubereitet war, einen Liter Suppe ohne Salz, gekocht aus ungeschälten verfaulten Kartoffeln. Wir schliefen auf dem blanken Boden. Wir hatten Läuse. Zwischen Dezember 1941 und Mai 1942 starben 30000 Kriegsgefangene an Hunger, Kälte, Prügel und Typhus oder wurden erschossen. Täglich erschossen die Deutschen Kriegsgefangene, die wegen Schwäche oder Krankheit nicht zur Arbeit gehen konnten, beschimpften sie oder prügelten sie ohne jeden Grund.«

G. B. Novetzkis, die als Oberschwester im Spital für russische Kriegsgefangene in der Gymnastikstraße Nummer 1 arbeitete, teilt mit, daß sie dauernd gesehen habe, wie Kranke Gras und Baumblätter gegessen haben, um ihre Hungerqualen zu lindern:

»In den Abteilungen des Stalag 350, die sieh auf dem Grundstück der früheren Bierbrauerei und der Panzerkasernen befanden, starben vor Hunger, Mißhandlungen und Epidemien allein von September 1941 bis April 1942 über 19000 Personen. Die Deutschen erschossen auch verwundete Kriegsgefangene. Sowjetrussische Kriegsgefangene kamen auch auf dem Marsch ins Lager um, da die Deutschen sie ohne Nahrung und Wasser ließen.«

Die Zeugin A. W. Taukulis sagte aus:

»Im Herbst 1941 traf auf der Station Salaspils ein Transport von Sowjetkriegsgefangenen ein, der aus 50 bis 60 Eisenbahnwagen bestand. Als die Wagen geöffnet wurden, schlug einem von weitem Leichengeruch entgegen. Die Hälfte der Leute war tot. Viele lagen im Todeskampf. Die Leute, die sich aus den Wagen schleppen konnten, stürzten sich zum Wasser, aber die Wache feuerte auf sie und erschoß mehrere Dutzend Leute.«

Ich werde keine weiteren Fälle aufzählen, die sich im Stalag 350 ereignet haben, sondern verlese nur den Schlußsatz, der sich auf dies Lager bezieht. Ich befürchte, daß an dieser Stelle in Ihrem Buche ein Druckfehler ist. Wenn ich nicht irre, wird darin von 120000 Kriegsgefangenen gesprochen. Diese Zahl ist nicht korrekt; in dem Originalbericht wird eine andere Zahl genannt, die ich jetzt verlesen werde.

»In Stalag 350 und in seinen Hilfslagern haben die Deutschen mehr als 130000 Sowjetkriegsgefangene zu Tode gequält und erschossen.«

Auf Seite 97 Ihres Dokumentenbuches können Sie den folgenden Teil dieser Mitteilung finden:

»In Daugawpilsk/Dvinsk befand sich ein Lager für Sowjetkriegsgefangene ›Stalag 350‹, das von den Lagerinsassen und den Stadtbewohnern das ›Todeslager‹ genannt wurde, in dem innerhalb von 3 Jahren über 124000 Sowjetkriegsgefangene an Hunger, durch Mißhandlungen und Erschießungen zugrunde gegangen sind.

Mit den Gewaltmaßnahmen gegen die Kriegsgefangenen fangen die deutschen Henker gewöhnlich schon auf dem Marsch ins Lager an. Im Sommer wurden die Gefangenen in dichtverschlossenen Eisenbahnwagen transportiert, im Winter in offenen Wagen und auf offener Plattform. Die Leute starben massenhaft vor Durst und Hunger. Im Sommer erstickten sie vor Luftmangel, im Winter erfroren sie.«

Der Zeuge T. K. Usenko berichtet:

»Im November 1941 machte ich auf der Bahnstation Most als Weichensteller Dienst und sah, wie bei ›Kilometer 217‹, das ist eine Bezeichnung des Ortes, ein Transport einlief, der aus mehr als 30 Wagen bestand. In diesen Wagen war kein einziger Mensch mehr am Leben. Nicht weniger als 1500 Tote wurden aus diesem Transport ausgeladen. Alle waren nur mit einem Stück Unterwäsche bekleidet. Die Leichen blieben ungefähr eine Woche lang auf dem Bahnhof liegen.«

Auch das zum Lager gehörige Spital war der Tötung von Kriegsgefangenen gewidmet. Die Lehrerin W. A. Efimowa, die im Spital gearbeitet hatte, erzählte der Kommission:

»Selten verließ jemand dieses Spital lebend. Im Spital arbeiteten fünf Gruppen von Kriegsgefangenen als Totengräber, die die Toten auf Handkarren zum Friedhof fuhren. Es kamen Fälle vor, in denen ein Mann, der noch am Leben war, auf die Karren geworfen und sechs oder sieben Leichen von Verstorbenen oder Erschossenen auf ihn geworfen wurden. Die Lebenden wurden zusammen mit den Toten begraben; Kranke, die im Fieber umherrasten, wurden im Lazarett totgeprügelt.«

Als im Lager eine Epidemie ausgebrochen war, brachten die Hitleristen aus den Baracken, in denen sich Typhuskranke befanden, alle Barackeninsassen auf den Flugplatz, wo sie erschossen wurden. Auf diese Weise wurden ungefähr 45000 sowjetische Kriegsgefangene getötet.

Erschütternde Tatsachen sind in den Dokumenten der Außerordentlichen Staatskommission zur Untersuchung der Verbrechen der deutsch-faschistischen Eindringlinge aufgeführt, die in den Gebieten der Städte Sewastopol, Kertsch und in dem Kurort Teberda Untersuchungen angestellt hat. Ich verlese aus unserem Dokument USSR-63 (5) verschiedene Tatsachen: Im Gefängnis von Sewastopol hat das deutsch- faschistische Kommando ein Lazarett für kranke und verwundete Kriegsgefangene eingerichtet. In ihm sind zahlreiche sowjetische Soldaten zugrunde gegangen. Ich werde noch einige Sätze verlesen, die Sie auf Seite 99 des Dokumentenbuches finden:

»Während der Einrichtung des Lazaretts gaben die Deutschen den Kranken und Verwundeten im Laufe von 5 bis 6 Tagen weder Wasser noch Brot. Es wurde zynisch erklärt: ›Das ist die Strafe dafür, daß die Russen Sewastopol mit besonderer Hartnäckigkeit verteidigt haben.‹

Den Verwundeten, die von der Front kamen, wurde keine medizinische Hilfe geboten. Soldaten und Offiziere wurden auf den Zementboden geworfen, wo sie blutend 7 bis 8 Tage liegen mußten.

Zur Zeit der Verteidigung von Sewastopol befand sich in Inkerman in den unterirdischen Räumen der Champagnerkellerei ein Feldlazarett und das Sanitätsbataillon Nr. 47. Nach dem Abmarsch der Roten Armee sind in den Räumen Nummer 10, 11, 12 und 13 zahlreiche verwundete Soldaten zurückgeblieben, die nicht rechtzeitig evakuiert werden konnten. Nachdem die deutschen Verbrecher den Betrieb erobert hatten, betranken sie sich und zündeten die unterirdischen Räume an.«

Ich lasse eine Reihe von Tatsachen aus, deren Mehrzahl dem Gerichtshof eigentlich besonders vorgelegt werden müßte, und gehe zur Beschreibung des letzten Verbrechens über, das in dem Bericht der Kommission mitgeteilt wird. Ich wähle diesen Fall aus, weil dabei von der Tötung zahlreicher verwundeter Soldaten der Roten Armee die Rede ist. Auch dieses Zitat befindet sich auf Seite 99 des Dokumentenbuches:

»Am 4. Dezember 1943 kamen aus Kertsch drei Züge mit verwundeten Kriegsgefangenen in Sewastopol an, die zu den Landungstruppen von Kertsch gehört hatten. Sie wurden auf eine Barkasse gebracht, die eine Wasserverdrängung von 2500 Tonnen hatte und in der Südbucht lag. Die Deutschen setzten die Barkasse sodann in Brand. Man hörte herzzerreißende Schreie. Frauen, die nicht weit von der Barkasse waren, konnten den Verwundeten keine Hilfe leisten, da sie von dem Gendarmen von der Brandstelle vertrieben wurden. Nur 15 dieser Leute blieben am Leben. Tausende gingen im Feuer unter.

Am nächsten Tage wurden 2000 Verwundete aus Kertsch auf dieselbe Barkasse gebracht. Die Barkasse ist von Sewastopol in unbekannte Richtung in See gegangen, die darauf befindlichen Verwundeten sind im Meere ertränkt worden.«

Ich wiederhole, daß ich mehrere von der Kommission festgestellte Tatsachen auslasse. Von dem bereits verlesenen Material weichen die Angaben über die Grausamkeiten, die von den deutsch-faschistischen Angreifern an den Sowjetkriegsgefangenen im Stalinsk-Gebiet begangen wurden, nur wenig ab. In unserem Dokument USSR-2 (a) finden wir unter zahlreichen Schriftstücken zwei Urkunden über die Tötung von Sowjetkriegsgefangenen. Die erste trägt das Datum des 22. September 1943 und wurde in Stalino von der Außerordentlichen Kommission verfaßt, die von dem Vorsitzenden des Distrikt-Sowjets der Delegierten der Werktätigen von Stalinosavodsk geleitet wurde. Ich verlese den Teil des Dokuments, der uns interessiert. Die Urkunde fängt auf der linken Spalte der dritten Seite des Dokuments USSR-2 (a) an, und das Zitat, das ich verlese, befindet sich auf Seite 108 des Dokumentenbuches:

»Die Umstände des Falles: Im Bezirk Stalinosavodsk der Stadt Stalino, und zwar im Lenin-Club, haben die deutsch-faschistischen Angreifer ein Lager für die sowjetischen Kriegsgefangenen eingerichtet. In diesem Lager befanden sich manchmal bis zu 20000 Personen. Der Lagerkommandant, ein deutscher Offizier Namens Gavbel, hat ein für die sowjetischen Kriegsgefangenen unerträgliches Regime eingeführt.

Frühere Kriegsgefangene, die aus diesem Lager entflohen waren, wie Ivan Wassiljetch Plakoff und Konstantin Semyenovitch Schatzky, wurden vernommen und haben ausgesagt, daß Kriegsgefangene zu Tode gehungert wurden: Für acht Leute wurde ein Laib Brot schlechter Qualität, das aus verbranntem Mehl zubereitet und 1200 g schwer war, ausgegeben. Einmal täglich erhielten sie einen Liter warme Nahrung, die aus etwas verbrannter Kleie bestand, die manchmal mit Sägespänen vermischt war. Das Gebäude, in welchem die Kriegsgefangenen lebten, hatte keine Fensterscheiben. Im Sommer und im Winter, sogar bei großer Kälte, wurden fünf kg Kohlen für Heizzwecke ausgegeben. Diese konnten das große Gebäude, in dem ständige Zugluft war und in dem bis zu 1000 Menschen lebten, nicht erwärmen. Zahlreiche Frostbeulen wurden bemerkt. Es gab kein Bad. Überhaupt hatten sich die Leute im Laufe eines halben Jahres nicht gewaschen und litten an Ungeziefer. In heißen Sommertagen litten die Menschen unter der Hitze. Drei bis fünf Tage hindurch erhielten sie kein Trinkwasser.« Die Lagerordnung für den Bezirk Stalinosavodsk war, wie der verlesene Auszug gezeigt hat, genau die gleiche wie in den anderen deutschen Kriegsgefangenenlagern. Daraus geht zweifellos hervor, daß allgemeine Weisungen vorgelegen haben.

Der nächste Abschnitt läßt erkennen, daß außer den allgemeinen Weisungen den Lagerkommandanten auch die Möglichkeit zu individuellen Grausamkeiten gegeben war, die sie vollkommen straflos begehen konnten. Auf derselben Seite 105 des Dokumentenbuches finden Sie folgendes Zitat:

»Die Kriegsgefangenen wurden bei dem geringsten Anlaß mit Stöcken und Kolben geschlagen. Bei Fluchtversuchen erhielten sie eine Strafe von 720 Stockschlägen, die im Laufe von acht Tagen morgens, mittags und abends ausgeteilt wurden, und zwar jedesmal dreißig Schläge; die Brotration wurde ihnen entzogen und sie bekamen nur die halbe Ration der flüssigen Nahrung.«

Die Folge einer derartigen Lagerordnung bestand in einer ungeheuren Sterblichkeit. Im Winter starben täglich bis zu zweihundert Menschen. Epidemien brachen im Lager aus. In zahlreichen Fällen wurden Hungerödeme beobachtet. Die Wachen fanden Vergnügen daran, die Kriegsgefangenen zu demütigen und gegeneinander aufzuhetzen.

So sagt Schatzky aus, daß ihm einhundertundzwanzig Peitschenhiebe und fünfzehn Stockschläge verabfolgt worden seien, weil er den Befehl, seine Mitkriegsgefangenen zu prügeln, nicht ausgeführt hat. Die Durchführung der Prügelstrafe wurde von deutschen Offizieren überwacht.

Die von den Ortsbewohnern für die Kriegsgefangenen überbrachten Lebensmittel wurden diesen nicht übergeben. Die Kommission stellte fest, daß auf dem Gelände des Lagers und dem der Zentral-Poliklinik nicht weniger als 25000 sowjetische Kriegsgefangene begraben sind. Diese Feststellung gründet sich auf die Abzählung und Ausmessung der Gräber und auf Zeugenaussagen.

Auch in einer weiteren Stadt des Donbeckens, in Artemovsk, wurden von den deutsch-faschistischen Eindringlingen Massenvernichtungen und Tötungen vorgenommen. Eine besondere Kommission, die sich aus dem Militärstaatsanwalt der Stadt Artemovsk, dem Priester der Pokrowskykirche Siumin, aus Vertretern der Intellektuellen, der öffentlichen Organisationen und der Armee zusammensetzte, hat einen Bericht über die organisierte Massentötung sowjetischer Kriegsgefangener durch die faschistischen Eindringlinge angefertigt. Diese Akten finden wir auf Seite 4 des Dokuments USSB-2 (a). In Ihrem Dokumentenbuch ist es Seite 105. In dieser Urkunde wird erklärt: »Im November 1941, gleich nach der Besetzung von Artemovsk, wurde durch die deutsch-faschistischen Eindringlinge auf dem Gebiet der Garnison, gleich hinter dem Bahnhof, ein Kriegsgefangenenlager errichtet, in dem sich 1000 gefangene Rotarmisten befanden.«

Ich lasse einen Absatz aus und gehe zu der Frage über, wie diese Kriegsgefangenen gehalten wurden:

»Von Hunger getrieben, kamen die Kriegsgefangenen im Frühjahr 1942 aus dem Lager heraus; sie krochen auf allen vieren wie die Tiere und sammelten das Gras und aßen es. Um den Menschen auch dieses Futter wegzunehmen, umgaben die Deutschen das Haus im Lager mit einem doppelten Stacheldrahtzaun; der Zwischenraum zwischen den beiden Zäunen war 2 Meter breit.«

Ich lasse einen Absatz aus und gehe zur Verlesung der Schlußfolgerung über:

»Neben dem Lager sind 25 Gräber gefunden worden, von denen drei Massengräber waren. Im ersten Grab, das 20 Meter lang und 15 Meter breit war, sind die Reste von ungefähr 1000 menschlichen Leichen gefunden worden. Das zweite Grab hat eine Länge von 27 Metern und eine Breite von 14 Metern; dort sind die Reste von ungefähr 900 menschlichen Leichen gefunden worden. Das dritte Grab ist 20 Meter lang und 1 Meter breit; es enthielt die Reste von ungefähr 500 Leichen. In den übrigen Gräbern befanden sich zwischen 25 bis 30 Leichen, im ganzen 3000 Leichen.«

In der Nähe eines kleinen Vorwerks, Vertjatschi, im Kreis Goroditschewski, Bezirk Stalingrad, haben die Hitleristen ein Kriegsgefangenenlager eingerichtet. Ebenso hier wie auch in den anderen Lagern vernichteten sie mit dem bei ihnen üblichen Sadismus die gefangenen Soldaten der Roten Armee.

Ich lege Ihnen als Beweisstück unser Dokument USSR-63 (3) vor, das aus einer Urkunde vom 21. Juni 1943 besteht. Sie ist in vorschriftsmäßiger Form ausgestellt und enthält folgende Angaben: Es ist dies Seite 110 des Dokumentenbuches:

»Infolge des bestialischen Regimes sind in den dreieinhalb Monaten, in denen das Lager in der Farm Vertjatschi bestand, mindestens 1500 sowjetische Kriegsgefangene an Hunger, Folterung und Krankheit umgekommen oder erschossen worden.

Die Deutschen zwangen die Gefangenen, 14 bis 16 Stunden täglich zu arbeiten; sie gaben ihnen nur einmal am Tage zu essen, wobei die Tagesration aus 3 bis 4 Löffeln gedünstetem Roggen oder aus einem Schöpflöffel ungesalzener, magerer Roggensuppe und einem Stückchen Fleisch, das von krepierten Pferden herrührte, bestand.

Einige Tage vor dem Vormarsch der Roten Armee horten die Deutschen überhaupt auf, den Gefangenen zu essen zu geben und überließen sie dem Hungertode. Fast alle Gefangenen litten an Dysenterie. Viele hatten Wunden, die nicht heilten, aber sie erhielten keinerlei ärztliche Hilfe.«

Ich lasse einen Absatz aus und gehe zum darauffolgenden über, in dem von der Verhöhnung von Kriegsgefangenen gesprochen wird:

»Die Deutschen trieben grausamen Spott mit den patriotischen Gefühlen der sowjetischen Kriegsgefangenen, indem sie sie zwangen, auf deutschen Rüstungsbauten zu arbeiten, Schützengräben auszuwerfen, Unterstände, Erdhütten und Verschläge für technische Kriegsgeräte herzustellen. Die Nazis setzten systematisch die Menschenwürde der Sowjetkriegsgefangenen herab, indem sie sie zwangen, vor den Deutschen niederzuknien.«

Die Urkunde besagt, daß die Kommission die gegenständlichen Beweisstücke besichtigt hat, das heißt, die Marterwerkzeuge für die sowjetischen Kriegsgefangenen, wie zum Beispiel Lederkoppel und Dolch; der Dolch wurde zwischen den entwaffneten Leichen gefunden und trug die weitverbreitete Nazi-Losung: »Blut und Ehre«.

Die Umstände, unter denen der Dolch gefunden wurde, geben die Möglichkeit, völlig zu begreifen, was die deutsche Ehre bedeutete, und für wessen Blut der Dolch bestimmt war.

Über die für die hitlerischen Angreifer charakteristischen Verbrechen sprechen die Dokumente der Außerordentlichen Staatskommission, die sich auf die Stadt Kertsch beziehen. Ich unterbreite Ihnen die Dokumente der Außerordentlichen Staatskommission als Dokument USSR-63 (6) und werde einige Auszüge verlesen.

Diese sind auf Ihren Kopien angestrichen, damit der Gerichtshof die Möglichkeit hat, dem Zitat zu folgen, Seite 115.

VORSITZENDER: Ich glaube, dies ist ein günstiger Augenblick für die Pause.